SII @ work: Kapitalanlagebestimmungen unter Solvency II

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TExT Dkfm. Kurt Horwitz
Dkfm. Kurt Horwitz
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Neue Regeln für
Veranlagung und Bewertung
v.l.n.r.: Mag. Smrekar,
Mag. Fay, Mag. Ulreich,
Mag. Weißhaupt,
Mag. Hell
Auch für die Veranlagungen von Versicherungsunternehmen gelten seit Inkrafttreten von Solvency II zum Jahreswechsel neue Regeln. Die von der Finanzmarktaufsicht
erlassene Kapitalanlageverordnung 2016 präzisiert die
Eckpfeiler.
„Die hohe Teilnehmerzahl zeigt das große Interesse der Branche
an den Auswirkungen des in Solvency II verankerten Prudent
Person Principle (PPP) auf die Kapitalveranlagung“, betonte
Mag. Katharina Trampisch, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Versicherungsfachwissen, in ihrer Begrüßung zum
Seminar über Kapitalanlagebestimmungen unter Solvency II.
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Mag. Oskar Ulreich (Finanzmarktaufsicht; FMA) zeigte in seinem Einleitungsreferat Verständnis für die Probleme der Branche: Die neuen Regeln sind just zu einem Zeitpunkt in Kraft
getreten, zu dem die Unternehmen bei ihrer Veranlagungspolitik ohnehin mit einem herausfordernden Umfeld konfrontiert
sind. Um halbwegs attraktive Renditen zu erzielen, müssen sie
stärker als früher ins Risiko gehen; umso wichtiger ist ein funktionierendes Risikomanagement auf Basis der Bestimmungen
von Solvency II, hebt Ulreich hervor.
Im Gegensatz zu früheren konkreten Regeln bedeutet das
prinzipienorientierte System „mehr Freiheit, aber auch mehr
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NEuE REGElN FüR VERANlAGuNG uND BEWERTuNG
Eigenverantwortung“; das schließt auch allenfalls vermehrten
Erklärungsbedarf gegenüber der Aufsicht mit ein.
In dieselbe Kerbe schlug Mag. Constanze Fay, Referentin für
Kapitalanlagen in der FMA: „Auch bei Veranlagungen gilt der
Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht. Die Verhaltensstandards schließen eine dynamische Perspektive mit ein: Das
Risiko von heute ist nicht zwangsläufig auch das Risiko von
morgen. Deshalb ist die Begründung für Anlageentscheidungen wichtig.“ Fay präzisierte in ihrem Referat die Auswirkungen der Kapitalanlagebestimmungen unter Solvency II gemäß
den Bestimmungen der Europäischen Versicherungsaufsicht
(European Insurance and Occupational Pensions Authority;
EIOPA).
Mag. Andreas Hell (Versicherungs- und Pensionskassenaufsicht in der FMA) ging detailliert auf die Vorstellungen der Aufsicht über die Risikotragfähigkeit, das interne Limitsystem und
das Asset Liability Management (ALM) von Versicherungsunternehmen ein. Als Grundregel gilt, dass die globale Risikotragfähigkeit auch gegeben sein muss, wenn alle Risiken
gleichzeitig ans Limit gehen. Umgekehrt wird auch bei Überschreiten eines einzelnen Limits jedenfalls eine „aktive Entscheidung“ des Managements erforderlich. Als Teil der Risikostrategie sollten strategische Entscheidungen die Risikotragfähigkeitsrechnung berücksichtigen. „Viel mehr konkrete
Festlegungen gibt es nicht – die Details werden allenfalls bei
der Prüfung im Gespräch mit der FMA beurteilt.
Die einzelnen Limits müssen in der Risikostrategie verankert
und für die operativen Einheiten verbindlich sein, betont Hell.
Jedem relevanten Risiko muss ein Limit zugeordnet werden,
wobei die gegenseitigen Auswirkungen berücksichtigt werden
müssen. Häufige Änderungen der Limits sind angesichts der
schnelllebigen Entwicklung von Assets plausibel.
Notwendig ist eine „unabhängige Überwachung“ der Limitsysteme, was allerdings in der Praxis oft an organisatorische
Grenzen stößt. Jedenfalls müssen klare Berichtslinien und
Berichtsregeln existieren, diese müssen exakt dokumentiert
werden und die Messung der Risikolimits muss unabhängig
vom „risk taker“ erfolgen.
Das „Asset Liability Management“ (ALM) ist adäquat, wenn es
eine ausreichende Risikosteuerung zulässt. Generell gilt, dass
ALM-Risiken nur jene Risiken sind, die durch das Zusammen-
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wirken der Risiken beider Bilanzseiten entstehen. Dazu zählen
fast immer das Liquiditäts- und das Zinsrisiko.
Aus Sicht der Versicherungsunternehmen beleuchtete
Mag. Bernhard Reisecker (Vienna Insurance Group) die
Kapitalanlagebestimmungen unter Solvency II. Insgesamt seien die neuen Bestimmungen ein „gelungenes Werk“, im Detail
sieht er allerdings noch Bedarf für gewisse Adaptierungen.
So werde es in der Schaden-/Unfallversicherung schwierig
sein, die Forderung nach aktiv- und passivseitiger Entsprechung von Laufzeiten und Währungen zu erfüllen, da sich
Schäden und Unfälle nicht „planen“ lassen. Mit Durchschnittswerten zu arbeiten, sei nicht unbedingt zielführend.
Bei der Bewertung von Hypothekarforderungen im Deckungsstock sieht Reisecker das Prinzip des „level playing field“, also
der Wettbewerbsgleichheit mit Banken gefährdet: Versicherungen müssen mit einer Überdeckung von 40 Prozent kalkulieren, viele Bausparkassen belehnen Immobilien mit einem
Abschlag von nur 20 Prozent auf den Marktwert und die
„Standardformel“ geht von 25 Prozent Abschlag aus.
Bei Inanspruchnahme eines „partiellen internen Modells“ (PIM)
ortet der Praktiker hohen Dokumentations- und Meldebedarf.
Generell sei das Dokumentationserfordernis stark gestiegen
und betrifft nicht mehr nur wie früher das Rechnungswesen,
sondern auch das Risikomanagement.
Aus Sicht des Wirtschaftsprüfers erläuterten Mag. Thomas
Smrekar und Mag. Kerstin Weißhaupt (beide KPMG) die
Bestimmungen zur Bewertung von Vermögenswerten nach
Solvency II. Während Unternehmensgesetzbuch (UGB) und
Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) die „vorsichtige Ermittlung des ausschüttungsfähigen Gewinns“ und der Steuern
und somit den Gläubigerschutz in den Vordergrund stellen, ist
der Investor der primäre Adressat der internationalen Rechnungslegungsvorschriften gemäß „International Financing
Reporting Standards“ (IFRS). Bei Solvency II wiederum ist der
angemessene Schutz der Versicherungsnehmer und
Anspruchsberechtigten vorrangiges Ziel. Erreicht wird dies
prinzipiell durch Zugrundelegung von Marktpreisen für Vermögenswerte und Verbindlichkeiten („ökonomische Werte“) in
enger Bindung an IFRS.
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