wissenschaft aktuell BEi SOLVENcy ii MüSSEN ALLE MiTZiEHEN Bei Solvency ii müssen alle mitziehen Foto: www.oreste.com Seit Jahresanfang sind die Bestimmungen von Solvency II in Kraft. Die neuen Anforderungen an die Unternehmenssteuerung führen nur dann zum Ziel, wenn alle Schlüsselkräfte die Zusammenhänge kennen und die Regeln richtig anwenden. V.l.n.r.: DI Christian Freibauer, Dr. Martin Hahn, Dr. Stanislava Saria, Mag. Oskar Ulreich, Mag. Sibylle Scaria, Dr. Peter Baumann Nicht nur Vorstandsmitglieder und Experten müssen im Umgang mit Solvency II vertraut sein. Das Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG 2016) nimmt ausdrücklich alle Schlüsselkräfte von Versicherungsunternehmen in die Pflicht, die Vorgaben zu verstehen und richtig anzuwenden, betonte Mag. Katharina Trampisch, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Versicherungsfachwissen (GVFW) in ihrer Begrüßung zur Auftaktveranstaltung der Seminarreihe „SII@work“. 46 versicherungsrundschau ausgabe 3/16 Experten der Finanzmarktaufsicht (FMA) und Praktiker aus der Versicherungsindustrie erläuterten bei „Solvency II – Wissen für Schlüsselfunktionen“ die Eckpunkte der neuen Bestimmungen. Insbesondere ergab sich aus den Referaten die Bedeutung des Zusammenwirkens aller Schlüsselkräfte im Unternehmen. Die sinnvolle Anwendung von „Solvency II“ erfordert einen ständigen Lernprozess, betonte in diesem Zusammen- hang Mag. Oskar Ulreich (Abteilungsleiter in der FMA), der die Moderation der ganztägigen Veranstaltung mit den vier Schwerpunkten Geschäftstätigkeit und Governance, Risikoprofil, Bewertung für Solvabilitätszwecke und Kapitalmanagement übernommen hatte. Dr. Stanislava Saria (Spezialistin für S-II in der Abteilung „Behördliche Aufsicht über Versicherungsunternehmen und Pensionskassen“ in der FMA) definierte in ihrem Referat den Kreis jener www.versicherungsrundschau.at wissenschaft aktuell TExT Dkfm. Kurt Horwitz Dkfm. Kurt Horwitz Personen, die Schlüsselfunktionen einnehmen und daher direkt betroffen sind: Das Governance-System umfasst insbesondere die Risikomanagement-, die Compliance-, die versicherungsmathematische und die interne Revisionsfunktion. Außerdem zählen alle Personen dazu, die „für das Unternehmen mit Blick auf seine Geschäftstätigkeit und Organisation besonders wichtige Funktionen wahrnehmen“. Unter anderem sind das neben den Vorstandsmitgliedern und der zweiten Führungsebene die Aufsichtsratsmitglieder, aber beispielsweise auch die verantwortlichen Aktuare. Beim Outsourcing von Schlüsselfunktionen gilt derjenige im Unternehmen als „zuständig“, der für die Überwachung des Outsourcing zuständig ist. Die Leiter von Schlüsselpositionen müssen „fit and proper“ sein, also über ausreichende Berufsqualifikationen und Kenntnisse verfügen, um ein solides und vorsichtiges Management zu gewährleisten. Außerdem müssen sie „zuverlässig und integer“ sein. Sie müssen durch ständige Weiterbildung jederzeit „fit“ bleiben und das auch intern dokumentieren. Die FMA behält sich bei Neubestellungen und im Rahmen der laufenden Aufsicht entsprechende Überprüfungen vor. Der Vorstand soll keinen „unangemessenen Einfluss“ auf diese Personengruppe ausüben. Bei allfälligen Weisungen und Entscheidungen des Vorstands sind die Entscheidungsgründe zu dokumentieren. www.versicherungsrundschau.at Besonderes Gewicht kommt bei S-II der Transparenz zu. Der „Solvency and Financial Condition Report“ (SFCR) hat einen klaren, knappen und zusammenfassenden Bericht über Solvabilität und Finanzlage zu enthalten und muss für Versicherungsnehmer und sonstige Anspruchsberechtigte (unter anderem Aktionäre, Makler, Geschäftspartner und Finanzmärkte) verständlich sein. Darüber hinaus muss der Vorstand den Aufsichtsbehörden im Rahmen des „Regular Supervising Reporting“ (RSR) ausführliche Berichte übermitteln. Das Bonifikationssystem für Inhaber von Schlüsselfunktionen muss einen ausreichend hohen Anteil des Fixums vorsehen, um eine Abhängigkeit von variablen Vergütungsbestandteilen zu vermeiden. Die leistungsbezogenen Boni sollen „gestreckt“ ausgezahlt werden, um die Auswirkung von Entscheidungen auf künftige Entwicklungen abzubilden. Mag. Sibylle Scaria (Leiterin Risikomanagement in der Grazer Wechselseitigen; GraWe) erläuterte die Anforderungen an das Risikoprofil aus Sicht einer Praktikerin. Sie verwies auf Par. 110 VAG, in dem die Einrichtung eines wirksamen Risikomanagementsystems gefordert wird, das „alle Strategien, Prozesse und Meldeverfahren umfasst, die erforderlich sind, um die eingegangenen und potenziellen Risiken und die wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen diesen Risiken zu erkennen, zu messen, zu überwachen und darüber zu berichten“. Ergebnis aller Überlegungen sollte ein internes Risikoprofil („Heat Map“) sein, das als Basis für die Steuerung aller Prozesse im Unternehmen dient. Die Mathematiker Dr. Peter Baumann und Dr. Martin Hahn (FMA) erläuterten im Detail die Bestimmungen für die Bewertung von Vermögenswerten, versicherungstechnischen Rückstellungen und sonstigen Verbindlichkeiten sowie die Anwendung von alternativen Bewertungsmethoden. Modelle können allerdings immer nur Teile der Wirklichkeit darstellen. Schon kleinste Veränderungen beispielsweise der Risikomargen können die Ergebnisse stark beeinflussen. Daher gibt es keine „richtigen“ oder „falschen“ Modelle; alle Annahmen müssen aber plausibel erklärt werden können, um der kritischen Prüfung durch die Aufsicht standzuhalten. DI Christian Freibauer, MBA (Leiter Controlling, Risiko- und Prozessmanagement sowie Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung der NÖ-Versicherung) ging auf die Erfordernisse eines regelkonformen Kapitalmanagements ein und erläuterte das dreistufige Verfahren zur Bestimmung der „ökonomischen Eigenmittel“. Dabei müssen das Marktrisiko (vor allem Zinssatz-, Aktien-, Immobilien-, Fremdwährungs- und Konzentrationsrisiko), das versicherungstechnische Risiko (unter anderem Prämien-, Reserve-, Kosten- und Stornorisiko) und das Katastrophenrisiko (Natur- und Man-Made-Risiko) eingeschätzt und berücksichtigt werden. versicherungsrundschau ausgabe 3/16 47
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