Anzeigen - Institut für systemische Beratung

Hessische Verwaltung für
Bodenmanagement und Geoinformation
Schlüsselkompetenzen für Auszubildende
auf Grundlage von Erkenntnissen der Hirnforschung und systemischer Pädagogik
von Reiner Hamburger
Systemischer Berater und Coach für den Bereich Organisationen
Master des Instituts für systemische Beratung, Wiesloch
Hinweis:
Dieser Fachartikel stammt aus dem Jahr 2012. Der beschreibende Teil zu unserer Organisation
entspricht somit nicht mehr dem neusten Stand.
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Schlüsselkompetenzen für Auszubildende
Auszubildende
Die Organisation
Die Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation (HVBG) setzt sich aus dem
Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation und sieben Ämtern für Bodenmanagement zusammen. Mit ca. 1600 Beschäftigten und ca. 100 Auszubildenden stellt die HVBG in allen
Landesteilen ein bedarfsgerechtes Leistungspotential bereit: Die HVBG sichert das Eigentum an
Grund und Boden, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen im
ländlichen Raum, schafft einen einheitlichen Raumbezug und stellt mit den Daten des Liegenschaftskatasters und der Landesvermessung Geobasisdaten als Grundlage für zahlreiche Fachinformationssysteme (z. B. im Bereich der Immobilienbewertung, Ver- und Entsorgung, Umweltinformation und
Verkehr) mittels Internettechnologie zur Verfügung. Die HVBG vereint die Landesvermessungs-, Kataster- und Flurbereinigungsbehörden in Hessen. Sie ist ist eine moderne, zukunftsgerichtete technische Verwaltung.
Schlüsselkompetenzen
Um die Auszubildenden im Umgang mit den immer anspruchsvolleren Herausforderungen einer modernen Verwaltung und den sich immer schneller ändernden Berufsanforderungen zu unterstützen
wurde ein einwöchiger Workshop Schlüsselkompetenzen für Auszubildende konzipiert. Die Umset-
zung wird von eigenen Trainerinnen und Trainern Personalentwicklung durchgeführt.
Seit dem Jahr 2006 erarbeiten sich alle Auszubildenden der HVBG, in einem einwöchigen Training,
Schlüsselkompetenzen für das Berufsleben.
Nachdem im Einführungslehrgang, gleich zu Beginn der Ausbildung, primär eine fachliche Einführung
erfolgt, bekommen die Auszubildenden anschließend Gelegenheit zu einer Fachpositionierung und Sie
gelangen dann zu einem Verständnis über die Gesamtzusammenhänge in ihrer jeweiligen Organisationseinheit und der Gesamtverwaltung. Die Schlüsselkompetenzen werden dann im zweiten Ausbildungsjahr angekoppelt. In diesen Schlüsselkompetenzen erfolgt die Vermittlung der für eine moderne
Verwaltung benötigten Schlüsselqualifikationen als Beitrag zur professionellen Gesamtentwicklung der
Auszubildenden. Eine wichtige Zielrichtung des Workshops ist die Unterstützung der Teilnehmerinnen
und Teilnehmer in der Entfaltung ihrer Entwicklungspotenziale.
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Schlüsselkompetenzen für Auszubildende (Übersicht)
Fachkompetenz*
Fachkompetenz*
Persönliche Kompetenz
Kenntnisse der Gesamtver-
Persönliche Integrität
waltung und der Zusammen-
Orientierung an Grundwerten
hänge
(Unbedingte Wertschätzung der Menschen; Handeln aus dem Bewusstsein
Kenntnisse der Verwal-
der Würde, Autonomie und Verant-
tungsmodernisierung
wortung)
Fachkenntnisse
Gender
* sind Bestandteil der fachlichen
Verantwortungsvoll mit der
Ausbildung
eigenen Gesundheit umgehen
Dienstleistungskompetenz
Soziale Kompetenz
Orientierung an den Interessen
der
Bürgerinnen
Kommunikationsfähigkeit
und
Kritikfähigkeit
Bürger
Konfliktfähigkeit
Orientierung am Gemeinwohl
Einfühlungsvermögen
Methodenkompetenz
Veränderungskompetenz
Teamarbeit
Veränderte Anforderungen
aktiv annehmen
Projektarbeit
Veränderungen gezielt um-
Rhetorik
setzen
Moderation
Belastungssituationen souve-
Präsentation
rän meistern
Umgang mit Konflikten
Imagekompetenz
Strategische Kompetenz
Das Land Hessen kompetent
nach außen vertreten
Vernetztes Denken
Ganzheitliches Denken
Zur Imagesteigerung beitragen
Wissenstransfer und Nachhaltigkeit
Eine zentrale Frage bei der Durchführung von solchen Workshops ist die Schaffung von Nachhaltigkeit. Oftmals kann das, auf traditionelle Art erworbene Wissen, in konkreten Situationen nicht eingesetzt werden. Bei der traditionellen Wissensvermittlung nimmt der Lehrende oft eine eher aktive und
der Lernende eher eine passive Rolle ein. Diese Art von Wissensvermittlung versteht Wissenserwerb
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als eine Folge von Faktenlernen und Routine. Außerdem wird dabei davon ausgegangen, dass Wissen
wie ein Gut von einer Person zu einer anderen Person weitergegeben werden kann. Wie bereits gezeigt, funktioniert in der Art der Wissenstransfer oft nicht. Die Anwendung des Gelernten in neuen Situationen misslingt.
Gehirnforschung und systemische Pädagogik
Auf die Schaffung von Nachhaltigkeit geben die Erkenntnisse der Gehirnforschung und die Erkenntnisse der systemischen Pädagogik eine schlüssige Antwort.
Eine Grundsatzfrage, die sich stellt ist: Was fördert die optimale Nutzung des Gehirns und was blockiert dessen optimale Nutzung?
Das Gehirn ist zuallererst ein Problemlösungsorgan. Es ist dafür geschaffen, Probleme zu lösen. Um
das Gehirn optimal zu nutzen, benötigt es also Probleme als Herausforderung. Die Probleme (Aufgaben) sollten mit Anstrengung bewältigt werden können. Eine Nachhaltigkeit, d.h. eine Verwurzelung
von neuen Erkenntnissen wird durch eine emotionale Betroffenheit geschaffen. Die Betroffenheit begünstigt (initiiert) die Bildung neuer Netzwerke und Synapsen im Gehirn. Was sich am längsten hält,
sind emotional besetzte Erfahrungen. Daraus resultiert, dass Lernen, Entdecken und Gestalten positiv
besetzt sein müssen, um Nachhaltigkeit zu erzielen. Ein Entdeckergeist ist zu fördern.
Was benötigen Menschen zur Entfaltung ihrer Potenziale? Menschen brauchen die Erfahrung, dass
sie das was sie umgibt verstehen können. Sie brauchen die Erfahrung, dass sie gestalten können und
sie haben die Sehnsucht nach Sinnhaftigkeit und Bedeutsamkeit. Menschen besitzen zwei Grundbedürfnisse. Das Bedürfnis nach Bindung und das Bedürfnis nach Wachstum. Das Gehirn gewinnt die
Struktur an der Umgebung. Das Gehirn ist demnach ein kulturelles Organ. Es lernt also über Kultur.
Deshalb ist das Betriebs-(Workshop)-klima von zentraler Wichtigkeit. Welche Kultur ist also zu unterstützen? Zu fördern ist eine Kultur der lernenden Organisation, eine Kultur der Lösungsorientierung
und Selbstorganisation, in der sich Menschen entwickeln können. Sie ist Voraussetzung und Grundlage für Sicherheit gebende Bindungen zu anderen Menschen. Lösungen werden gemeinsam erarbeitet.
Übersteigerte Konkurrenz hingegen, erzeugt Druck und Angst. Übersteigerte Konkurrenz schadet also
der Organisation und den Individuen. Netzwerk und nicht „Einzelkämpfertum“ sind zu fördern.
Weiterhin sollte eine Einladung erfolgen, um den Nutzen von Disziplin erfahrbar zu machen. Die Förderung von Selbstdisziplin um Ziele zu erreichen. Damit mache ich die Erfahrung von Selbstwirksamkeit.
Die Systemische Pädagogik geht sehr stark vom Konstruktivistischen Ansatz aus. Erkenntnis wird dabei als abhängig vom beobachteten System verstanden. Der Mensch reagiert auf einen äußeren Impuls zunächst mit einer inneren Bewegung. Der Mensch versteht was er verstehen will. Jeder Mensch
hat eine eigene innere Logik. Diese innere Logik entsteht überwiegend durch Erfahrung. Die Erfahrung
wird durch Kultur, Subkultur und Bezugspersonen geprägt. Wir fühlen, denken und handeln „kulturtypisch“. Die Erfahrung bedingt die individuelle Wirklichkeitskonstruktion. Das Bezugssystem bedingt die
innere Systemik.
Erkenntnis ist ein rekursiver Prozess von Kognition, Emotion, Kommunikation und Handeln. Kommunikation ist nicht senden und empfangen. Kommunikation ist das Wechselspiel zweier Systeme. In ei-
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nem dialogischen Prozess der Kommunikation mit allen Beteiligten erfolgt eine Abstimmung der sichtbar gewordenen Perspektiven (Wirklichkeitskonstruktionen). Achtsamkeit und Selbstreflexibilität sind
dabei der Schlüssel zu kommunikativer Kompetenz.
Erkenntnis ist als rekursiver Prozess von Kognition, Emotion, Kommunikation und Handeln zu verstehen. Workshops und Trainings sind so zu konzipieren, dass dabei all diese Elemente berücksichtigt
werden, um zu einem nachhaltigen Effekt zu gelangen.
Umsetzung
Ziel der einwöchigen Workshops „Schlüsselkompetenzen“ ist nicht eine kurzfristige formelgleiche Reproduzierbarkeit von Workshopinhalten, sondern eine Durchdringung und Erarbeitung des Stoffes in
unterstützter Selbstorganisation. Am Ende der Workshop-Woche wird zusätzlich ein Teamentwicklungsprozess auf der Metaebene stattgefunden haben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden,
neben der Erarbeitung (Aternativ: Vermittlung) der Schlüsselkompetenzen, eine klare Vorstellung davon haben, was einen Profi im heutigen Berufsleben ausmacht. Sie werden danach in der Lage sein,
die „PS auf die Straße zu bringen“.
Der Workshop ist so konzipiert, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Gruppenarbeit sehr viel
selbst erarbeiten. Exemplarisch wird hier die Vorgehensweise an der Eingangsfrage des Workshops
dargestellt. Die Eingangsfrage, die im Workshop von zwei Arbeitsgruppen gleichzeitig zu bearbeiten
ist, lautet: Was macht einen Profi im heutigen Berufsleben aus? Die Gruppenmitglieder bringen dabei
ihre individuellen Vorstellungen in die jeweilige Gruppe ein und synchronisieren sich zu einem Gruppenergebnis. Anschließend erfolgt die Präsentation beider Gruppenarbeiten nacheinander im Plenum
und es wird ein gemeinsamer Abgleich beider Ergebnisse vorgenommen. Bei diesem Abgleich wiederum, vollzieht sich eine Angleichung der einzelnen Perspektiven und Wirklichkeitskonstruktionen. Ein
theoretischer Input wird, bedarfsorientiert, nachgeliefert. Immer ist eine Verbindung zwischen den
Trainingsinhalten und dem persönlichen und beruflichen Erleben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
herzustellen. Dadurch erfolgt eine emotionale Betroffenheit, die eine Nachhaltigkeit erzeugt. Diese
Vorgehensweise zieht sich durch die gesamte Workshopwoche. Zunächst wird das „Wissen“ des Systems (Auszubildende) abgefragt. Aus Einzelperspektiven (Personen) wird eine gemeinsame Sicht einer Arbeitsgruppe synchronisiert. Durch Gruppenarbeiten mit unterschiedlicher personeller Zusammensetzung und durch Abgleich der Gruppenergebnisse erfolgt zusätzlich noch die Synchronisierung
aller Workshopteilnehmer. Die Präsentation der Ergebnisse wird von Anfang an gecoacht. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sammeln also schon vom ersten Tag an „Bühnenerfahrung“ und es erfolgt eine Schrittweise Weiterentwicklung der Gruppe im Bereich Präsentation und Moderation. Höhepunkt dieses Entwicklungsweges ist der Rhetoriktag am 4. Workshoptag.
In den Trainings erfahren sich die Teilnehmer schon als Teil eines Kompetenznetzwerkes. Die einzelnen Akteure bringen bei der Gruppenarbeit (ständig wechselnde Gruppenzusammensetzung) ihre
Kompetenzen ein, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Dadurch werden die Arbeitsergebnisse mit
zunehmendem Fortgang des Workshops immer besser. Die Auszubildenden sammeln durch diese
Arbeitsweise Erfahrungen mit der Lernkultur eines Kompetenznetzwerkes.
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In der HVBG begreift sich die Organisation als Kompetenznetzwerk. Die einzelnen Mitglieder der Organisation bringen ihre Kompetenzen ein, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Die Organisation wiederum, stellt ihre Kompetenzen ihren Kunden zur Verfügung. Vernetzung nach Innen und Außen ist
ein zentraler Ansatz der HVBG.
Die Einbindung des Trainingsinhaltes in ein größeres Ganzes ist notwendig. Diese Einbindung in sinnund orientierungs-stiftende Bilder erzeugt ebenfalls Nachhaltigkeit.
Im Workshop werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dazu ermutigt, sich dem lösungsorientierten Denken zuzuwenden. Es wird nicht vergangenheits-, ursachen- oder diagnosebezogen gearbeitet,
sondern ziel- und lösungsorientiert. Eine Grundsatzfrage lautet dabei „Was müsste sein, was könnten
Sie tun, damit es funktioniert?“
Die Ergebnisse der Hirnforschung und die Ergebnisse der Arbeit über Systemische Pädagogik ergänzen sich sehr gut. Beide Untersuchungen lassen sich also gut koppeln und führen zu ähnlichen Umsetzungsstrategien.
Das vorliegende Konzept orientiert sich in der Umsetzung auch an der Lernkultur des Instituts für Systemische Beratung Bernd Schmid in Wiesloch. Dieses Institut entwickelt seit 25 Jahren einen spezifischen methodischen Mix, der zum parallelen Aufbau einer optimalen gemeinschaftlichen Lernkultur,
wie auch zu einer persönlichen Lernfähigkeit führt.
Neben den Inhalten wird in dem Workshop eben auch diese Lernkultur vermittelt und damit in der eigenen Organisation implementiert.
Der Workshop trägt dazu bei, dass Auszubildende am Ende ihrer Ausbildung „wissen“ (und das nicht
nur theoretisch), was einen Profi im heutigen Berufsleben ausmacht.
An dieser Stelle besonderen Dank an Prof. Gerald Hüther (Neurobiologe und Hirnforscher, Leiter der
Abteilung für Neurobiologische Grundlagenforschung an der Uni Göttingen) für seinen gelungenen
Praxistransfer von Erkenntnissen der Hirnforschung in Pädagogik und Organisationen, Prof. Rolf
Arnold (Professor für Pädagogik an der Universität Kaiserslautern) für seine Arbeiten über systemische
Pädagogik und Dr. Bernd Schmid (Gründer und Leiter des Instituts für systemische Beratung in Wiesloch) für seine Pionierarbeit im Bereich der Systemischen Therapie und der Systemischen Beratung
durch die Entwicklung systemischer Steuerungskonzepte und die Integration vieler zuvor separater
Ansätze und für die Entwicklung einer systemischen Didaktik.
Reiner Hamburger
Systemischer Berater und Coach für den Bereich Organisationen
Master des Instituts für systemische Beratung, Wiesloch
Personalentwickler der Hessischen Verwaltung für Bodenmanagement
und Geoinformation
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