Wie man mit Krisen umzugehen lernt

Finanzen 39
■ BAUERNBLATT | 16. Juli 2016
Beratung rund um das Geld
Wie man mit Krisen umzugehen lernt
Krise und kein Ende? – Was kann
ich machen? Welche Entscheidungen muss ich treffen? Worauf habe
ich Einfluss? Wie verhalte ich mich?
Die Zeiten haben sich auch in der
Landwirtschaft verändert. Niedrige Erzeugerpreise, gesetzliche
Vorgaben, fehlende Liquidität und
der öffentliche Druck lassen viele
Landwirte und branchennahe Betriebe von einer Krise sprechen.
Keiner scheint zu wissen, wie lange diese Krisenzeit andauern wird.
Genau diese Ungewissheit macht
es notwendig, sich auf die Krise
einzustellen oder Ansätze zu entwickeln, mit ihr umzugehen.
Wenn es nun darum geht, Methoden zu finden, welche das Agieren in der Krise erleichtern, sollten
Mensch und Sache getrennt voneinander betrachtet werden. Wichtiger als die Sache, also beispielsweise der Betrieb, ist der Mensch
oder der Betriebsleiter. Er ist als
Entscheidungsträger derjenige, auf
den es ankommt!
Menschen sind unterschiedlich
– grundsätzlich ist jeder so, wie er
ist. Das tägliche Handeln von Menschen und das Treffen von Entscheidungen sind sehr stark von
der eigenen Persönlichkeit abhängig. Um genau diese Persönlichkeit
geht es: Wer bin ich? Was mache
ich? Wie mache ich es? Wie treffe
ich Entscheidungen? Welche Umgangsformen habe ich? Wie wirke
ich auf andere?
Die Wissenschaft versucht diese Fragen mithilfe von Persönlichkeitsmodellen und -tests zu beantworten. Es handelt sich um
Tests, mit denen Tendenzen, Ausprägungen und Werte schnell erkannt werden. Wer Ausprägungen und Tendenzen seiner Persönlichkeit kennt und sich seiner ganz
individuellen Werte bewusst ist,
kann entsprechend handeln. So
besteht die Möglichkeit zu lernen,
damit umzugehen. Ich kann mich
zielgerichtet in meine Umwelt einsetzen.
Hier geht es darum, einige Persönlichkeitstest vorzustellen. Wer
hat schon diese Begriffe gehört:
DISG, Riemann-Thomann-­Modell,
Reiss-Profile, Swot-Analyse, Maslow‘sche Bedürfnispyramide? Das
sind fast alles Begriffe, mit denen
Landwirte nicht direkt zu tun haben und die im täglichen Leben ei-
oder strategische Entscheidungen
bewusst zu treffen und zu verfolgen.
Es ist somit immer eine Frage der
Gegensätze: Bin ich eigentlich ein
„stetiger Typ“ und hilfsbereit, wie
soll ich dann Mitarbeiter führen
und motivieren? Bin ich ein „dominanter Typ“ und möchte einen
Schlepper kaufen, entscheide ich
wahrscheinlich eher spontan nach
einem Bedürfnis, ohne auf Fakten,
das heißt die Abwägung von Kosten und Nutzen zu achten. Und
wenn ich nur gewissenhaft bin,
fällt es mir denn schwer, eine Entscheidung zu treffen und die Konsequenzen daraus zu tragen?
Riemann-Thomann-Modell
Dieses
Persönlichkeitsmodell
In jedem Team zeigen sich verschiedene Persönlichkeitsstärken und -schwä- wurde von den Psychologen Fritz
chen. Es gilt, die Stärken auszubauen und die Schwächen zu kompensieren. Riemann und Christoph Thomann
Foto: landpixel entwickelt. Es beschreibt vier ver-
nes Landwirtes oder Betriebsleiters tendenziell selten vorkommen.
Alle Begriffe beziehungsweise das,
was hinter ihnen steckt, bestimmen
sein tägliches Tun und Handeln.
men gerne das Kommando. Initiativ steht für teamfähig, kommunikativ, können begeistern und bringen viel Optimismus mit. Stetig
hat die Begrifflichkeiten beständig, hilfsbereit, geduldig und konservativ vereint. Gewissenhaft beDISG-Analyse
inhaltet Perfektion und die KonDie DISG-Analyse ist eine Persön- zentration auf Fakten.
lichkeitsanalyse. Sie beschreibt bestimmte Grundtendenzen im perZwischenfazit
sönlichen Verhalten: dominant, initiativ, stetig und gewissenhaft.
Es gibt keine guten oder schlechDominant bedeutet zum Beispiel ten Persönlichkeitsprofile. Wichdurchsetzungsfähig, risikobereit, tig ist es, die eigenen Stärken und
entscheidungsfreudig und direkt. Schwächen zu erkennen, um auch
Dominante Personen überneh- in kritischen Situationen taktische
Grafik 1: DISG-Analyse
• dominant
• direkt
• ergebnisorientert
• bestimmt
• willensstark
• energisch
• gewissenhaft
• analytisch
• reserviert
• präzise
• zurückgezogen
• systematisch
• initiatv
•  extrovertiert
•  begeistert
•  optimistisch
•  ausgelassen
•  lebhaft
schiedene
Grundeinstellungen,
Grundtendenzen, die im Spannungsverhältnis zueinander stehen und in jedem Menschen – unterschiedlich ausgeprägt – vorhanden sind. Eine dieser Grundeinstellungen ist dominant.
●●Nähe – teambereit, kontaktfähig,
akzeptierend, unterstützend,
bescheiden und verständnisvoll
●●Distanz – anspruchsvoll, zielstrebig, risikofreudig, herausfordernd,
direkt und menschenscheu
●●Wechsel – unternehmungslustig,
lebhaft, begeisternd, kontaktfreudig, offen, optimistisch und
unordentlich
●●Dauer – vorsichtig, analytisch, reserviert, gründlich, intro­vertiert
und systematisch
Bei diesem Persönlichkeitsmodell geht es darum festzustellen,
welche Ausprägung dominant ist.
Man stelle sich eine bestimmte Situation vor und beantworte Fragen. Für jede Frage habe man eine
bestimmte Punktzahl zu vergeben.
Innerhalb von Spalten werden die
Punkte addiert und in das Koordinatensystem eingetragen. Es entsteht eine sichtbare Ausprägung.
• stetig
Das Bewusstsein der Ausprägung
• ausgeglichen
• entgegenkommend
hilft in jeder Situation weiter: Zum
• geduldig
Beispiel Umgang mit den Altentei• bescheiden
lern, Umgang mit den Mitarbei• taktvoll
tern, Führen von Mitarbeitern, Gesprächsführung mit Händlern und
Quelle: www.zeitzuleben.de Kreditinstituten.
40
Finanzen
BAUERNBLATT | 16. Juli 2016 ■
vorzuheben
und
diese auch im Alltag
(privat und beruflich) zu nutzen. Ein
bewusster Umgang
mit Eigenschaften
(die, die einen stark
machen, und die,
DISTANZ
die es einem manchmal schwer machen)
führt zu einem hohen Maß an Zufriedenheit und Erfolg.
Nachdem hier drei
verschiedene Persönlichkeitsmodelle vorgestellt wurden, ist auch
ein Stärken- Schwächen-Profil für
den Betrieb zu erwähnen. Ein bewährtes Modell ist die sogenannte Swot-Analyse (Stärken- Schwächen-Analyse).
Grafik 2: Riemann-Thomann-Modell
DAUER
NÄHE
WECHSEL
Reiss-Profile
Der amerikanische Prof. Dr. Steven Reiss entwickelte ein diagnostisches Verfahren, um die Persönlichkeit des Menschen näher zu
beschreiben. Dabei wird auf 16
Lebensmotive reflektiert. Bei den
16 Lebensmotiven (zum Beispiel
Macht, Ordnung, Neugier, Idealismus, Anerkennung und Familie) soll dem Menschen bewusst
werden, welches Motiv dominant
ist. Bei dem Motiv „Macht“ geht
es darum, ob dem Menschen das
Führen und Verantworten oder
das Übernehmen von Dienstleistungen wichtig ist. Bei dem Thema „Ordnung“ zeigen die Ausprägungen an, wie viel Struktur oder
Flexibilität der Mensch in seinem
Leben benötigt, um sich wohlzufühlen.
Zwischenfazit
Alle Persönlichkeitsmodelle haben das Ziel, dem Menschen seinen Standpunkt bewusster zu machen. Sie zeigen auf, wer ich bin,
was ich kann und was ich gegebenenfalls ändern müsste. Es sind
letztendlich Methoden der Hilfestellung, die eine Basis der Entscheidung geben.
Es geht bei der Erkenntnis darum, positive Eigenschaften her-
Im landwirtschaftlichen Betrieb
gibt es sehr viele Einflussfaktoren:
Preisvorgaben, Gesetze, Verordnungen, Verträge, Familie, Altenteiler, Mitarbeiter, Tiere, Maschinen, Erwartungshaltungen anderer und vieles mehr. Alle Faktoren
muss ich als Landwirt berücksichtigen. Muss ich wirklich alles berücksichtigen? Gibt es Einflussbereiche,
die ich nicht auch vernachlässigen
kann?
Die Maslow‘sche Bedürfnispyramide beinhaltet die Darstellung
einer Bedürfnishierachie. Die Basis
bildet die Befriedigung der Grundbedürfnisse. Bis zur Deckung von
bisher ungeahnten Bedürfnissen
ist diese Pyramide gestaffelt. Ist
eine Ebene befriedigt, erfolgt das
Streben in die nächste Ebene. Und
hier geht es immer um persönliche
Motivation, die nächste Ebene zu
erreichen. Wie kann ich sie erreichen, und muss ich sie erreichen?
Auch
hierzu sind Entscheidungen
Strategische Ausrichtung
zu treffen und nachzuhalten. Mit
Jeder landwirtschaftliche Be- dem Bestreben nach Selbstverwirktrieb hat eine grundsätzliche stra- lichung erfolgt eine Zielsetzung,
tegische Ausrichtung, welche in die für viele nicht möglich ist. Wa-
Grafik 4: Die Maslow‘sche Bedürfnispyramide
Swot-Analyse
Unterschieden werden taktische (kurzfristige) und strategische
(langfristige) Entscheidungen, die
durch eine Swot Analyse bekräftigt
werden können. Die Swot Analyse
kommt aus dem Englischen und
beinhaltet Strengths, Weaknesses,
Opportunities und Threads (Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken). Bei dieser Analyse geht es
darum, dass der Landwirt das Umfeld auf Chancen und Risiken sorgfältig betrachtet und die eigenen
Stärken und Schwächen zum Ausdruck bringt. Es geht immer darum, dass niemand perfekt oder frei
von Fehlern ist. Jeder hat Schwächen. Wie aber ist damit umzugehen und bin ich ehrlich mir gegenüber, Stärken und Schwächen einzugestehen? Kann ich Schwächen
in Stärken ändern, kann ich meine
Stärken ausbauen, kann ich meine Schwächen delegieren oder bewusst vernachlässigen? Auch hierauf gibt es bedauerlicherweise keine klare Antwort.
Grafik 3: Swot-Analyse
Anwendung der Swot-Analyse als Basis für Strategien
Selbstverwirklichung
Individualbedürfnisse
soziale Bedürfnisse
Sicherheitsbedürfnisse
physiologische Bedürfnisse
der Regel traditionell verankert
und aus der Vergangenheit heraus durch viele Entscheidungen
gewachsen und gefestigt ist. Viele
taktische Veränderungen führten
dazu, dass die Grundausrichtung
beibehalten wurde. Sind diese
Entscheidungen aber nach Abwägung aller Chancen und Risiken bewusst getroffen worden? Und werden die zukünftigen Entscheidungen ebenfalls unter Abwägung aller Chancen und Risiken getroffen,
um an der strategischen Ausrichtung weiterhin festzuhalten?
Chancen und Risiken
externe Analyse
• Technologie
• Trends
• Wettbewerb
• Politik
• usw.
interne Analyse
• Finanzen
• Know-how
• Image
• Personal
• usw.
Stärken und Schwächen
Bedürfnisse beeinflussen
Werte der
Führungskräfte
Definition strategischer
Erfolgsfaktoren
(kreative)
Entwicklung
von Strategien
Definition von
Kernkompetenzen
Auswahl,
Budgetierung
und
Umsetzung
soziale
Verantwortung
Erfolgskontrolle
mit Kennzahlen
Neben den Persönlichkeitsmodellen für den Menschen und dem
Stärken-Modell für den Betrieb
sollten die Grundbedürfnisse des
Menschen immer noch die Basis aller Entscheidungen bleiben. Diese
menschlichen Bedürfnisse und Motivationen werden in einer hierarchischen Struktur durch den amerikanischen Psychologen Abraham
Maslow beschrieben.
rum muss ich nach Höherem streben, wenn ich mit meinem Leben
glücklich bin? Oder: Warum muss
ich nach mehr streben, wenn ich
mit dem, was ich habe, zufrieden
bin?
FAZIT
Viele Fragen werden gestellt
und vielleicht auch nicht immer beantwortet werden können. Herzstück von sämtlichen
Persönlichkeitstest oder -analysen ist eine zentrale Frage:
Machen wir die Dinge richtig,
oder machen wir die richtigen
Dinge? Die Beantwortung dieser fast philosophischen Frage
fällt besonders in Krisenzeiten nicht leicht. Es sollte immer eine Antwort geben, die
jeder für sich selbst am besten gibt und wonach sein tägliches Handeln bestimmt ist.
Eike Rix
Sparkasse Mittelholstein