Gliederung - Juristische Fakultät

Juristische Fakultät
Konversatorium zum Bürgerlichen Recht IIa
Sommersemester 2016
Fälle 6: Nacherfüllung, Schadensersatz statt der Leistung,
Schadensersatz neben der Leistung
Fall 6.1:
K bestellt beim Lieferanten V eine Konfettimaschine zum Preis von
EUR 50.000. V liefert die Maschine wie vereinbart. Als K sie in Betrieb
nehmen möchte, stellt er fest, dass die Maschine zu fein eingestellt ist
und dadurch die Papierstückchen, die produziert werden, sich nicht als
Konfetti eignen. Der Fehler ließe sich beheben, indem die Maschine von
einem Fachmann mit einem Aufwand von wenigen Minuten anders
eingestellt wird.
Kann K von V die Neueinstellung der Maschine verlangen? Kann K
alternativ die Lieferung einer neuen Maschine verlangen?
Lösung:
A. Anspruch des K auf Nachbesserung gem. §§ 437 Nr. 1, 439
Abs. 1 Alt. 1 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Nachbesserung gem. §§ 437
Nr. 1, 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB haben. Nachbesserung ist die Beseitigung
des Mangels, nach der sich die Sache in mangelfreiem,
vertragsgemäßem Zustand befindet. K könnte daher die Neueinstellung
der Maschine verlangen. Dieser Sekundäranspruch müsste zunächst
wirksam entstanden sein.
I. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1. Kaufvertrag, § 433 BGB (+)
2. Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 BGB
Zudem müsste im Zeitpunkt des Gefahrübergangs ein Sachmangel i.S.v.
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§ 434 BGB vorgelegen haben.
a. Sachmangel, § 434 BGB
 Konkrete Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1
BGB (-)
da Parteien nicht über bestimmte Eigenschaften des
Vertragsgegenstandes gesprochen haben
 Vereinbarung eines besonderen Verwendungszwecks gem. § 434
Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB (-)
es wurde kein über die gewöhnliche Verwendung hinausgehender
Zweck verabredet
 Eignung für die gewöhnliche Verwendung und Beschaffenheit, die
bei Sachen der gleichen Art üblich ist und erwartet werden darf
i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB?
Die Maschine ist nicht geeignet, Konfetti in passender Größe
herzustellen, verfehlt damit den gewöhnlichen Verwendungszweck
und weist zudem nicht die übliche und zu erwartende
Beschaffenheit auf
 Sachmangel gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB (+)
b. Gefahrübergang
 Zeitpunkt richtet sich nach § 446 BGB
 Grds. Gefahrübergang bei Übergabe der Sache, § 446 S. 1 BGB
 Hier Verlagerung des Zeitpunktes?
o Anhaltspunkte für vorzeitigen Übergang Gefahr gem.
§ 446 S. 3 BGB oder § 447 Abs. 1 BGB? (-)
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vereinbart war eine Bringschuld, sodass die für § 447 Abs.1
BGB nötige Schickschuld nicht vorliegt; zudem keinerlei
Anhaltspunkte für einen Annahmeverzug i.S.d. §§ 446 S.3,
293 ff. BGB
o Gefahrenübergang im Zeitpunkt der Übergabe an K,
§ 446 S. 1 BGB (+)
o Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Sachverhalt war
Maschine auch bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs
mit Mangel behaftet
3. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung
 vertraglicher Haftungsausschluss, § 444 BGB (-)
 Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers bzgl. des
Mangels im Zeitpunkt des Vertragsschlusses § 442 Abs. 1 BGB (-)
 Damit insgesamt kein Ausschluss der Mängelgewährleistung
4. Zwischenergebnis
Die grundsätzliche Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher
Ansprüche gem. §§ 437 ff. BGB ist gegeben.
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II. Anspruch auf Nacherfüllung entstanden (+)
Der Anspruch auf Nacherfüllung entsteht gem. § 437 Nr. 1 BGB mit dem
Übergang der Gefahr bzgl. der mangelhaften Sache.
Außerdem muss K sich wegen des in § 439 Abs. 1 BGB enthaltenen
Wahlrechts (sog. ius variandi) positiv zugunsten der Nachbesserung
entscheiden.
III. Anspruch nicht erloschen (+)
IV. Anspruch durchsetzbar (+)
V. Ergebnis
K hat gegen V einen Anspruch auf Nacherfüllung als Nachbesserung
gem. § 437 Nr. 1, § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB.
B. Anspruch des K auf Nachlieferung gem. §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1
Alt. 2 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Nachlieferung gem. § 437 Nr. 1,
§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB haben. Nachlieferung ist die Lieferung eines
Ersatzstücks in vertragsgemäßem Zustand. Der Nacherfüllungsanspruch
müsste zunächst wirksam entstanden sein.
I. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
 KV, Mangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs (+), s.o.
II. Anspruch auf Nacherfüllung entstanden (+)
 Der Anspruch auf Nacherfüllung entsteht gem. § 437 Nr. 1 BGB
mit dem Übergang der Gefahr bzgl. der mangelhaften Sache.
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 § 439 Abs. 1 BGB: Ausübung des Wahlrechts durch K zugunsten
der Nachlieferung
III. Anspruch nicht erloschen (+)
IV. Anspruch durchsetzbar?
Einrede des § 439 Abs. 3 S. 1 BGB: Leistungsverweigerungsrecht des V
hinsichtlich der von K gewählten Art der Nacherfüllung, sofern nur mit
unverhältnismäßigen Kosten möglich
 Gem. S. 2 zu berücksichtigen:
o Wert der Sache in mangelfreiem Zustand (nicht der Preis!)
o Bedeutung des Mangels
o Frage, ob auf andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche
Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte (sog.
relative Unverhältnismäßigkeit); hierbei wird ein interner
Kostenvergleich
beider
Nacherfüllungsvarianten
durchgeführt; sobald die eine Variante die andere
kostenmäßig um ca. 10 % übersteigt, ist die Grenze der
Zumutbarkeit überschritten; hat der Verkäufer dagegen die
Lieferung der mangelhaften Sache zu vertreten, so erhöht
sich
die
Zumutbarkeitsgrenze
auf
20%
 Vorliegend
o Neueinstellung der vorhandenen Maschine binnen weniger
Minuten seitens Fachmann zu erledigen; der Kostenaufwand
hierfür beträgt unabhängig von einem Vertretenmüssen des
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V (und unabhängig von dem hier unbekannten Wert einer
mangelfreien Maschine) sicherlich nur einen winzigen
Bruchteil im Vergleich zur Lieferung einer neuen Maschine
o Aufwand der Neulieferung stünde in keinem angemessenen
Verhältnis zum Aufwand der Neueinstellung
o Verweigerung der Nachlieferung gem. § 439 Abs. 3 S. 1
BGB seitens V wegen relativer Unverhältnismäßigkeit (+)
o Anspruch auf Nachlieferung ist nicht durchsetzbar
Anmerkung: Die beiden anderen Kriterien des § 439 Abs. 3 S. 1 (Wert
der Sache in mangelfreiem Zustand, Bedeutung des Mangels) müssen
wegen der hier ohnehin einschlägigen relativen Unverhältnismäßigkeit
nicht berücksichtigt werden. Im Übrigen hat der BGH in Umsetzung
eines EuGH-Urteils entschieden, dass eine Leistungsverweigerung
wegen sog. absoluter Unverhältnismäßigkeit gem. § 439 Abs. 3 S. 3
BGB ausgeschlossen ist, wenn dadurch die einzige mögliche Variante
der Nacherfüllung zu entfallen droht (BGH, NJW 2012, 1073ff.).
V. Ergebnis
K hat gegen V einen Anspruch auf Nacherfüllung gem. § 437 Nr. 1 BGB.
Da V die Nachlieferung gem. § 439 Abs. 3 S. 1 BGB verweigern kann,
hat K gem. § 439 Abs. 3 S. 3 BGB nur einen Anspruch auf
Nachbesserung gem. § 439 Abs. 1 Alt. 1 BGB.
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Fall 6.2:
Wie Fall 6.1, mit dem Unterschied, dass in der Zeit, die vergeht, bis V die
Maschine neu eingestellt hat, der K einen Kunden nicht beliefern kann,
wodurch ihm ein Gewinn von EUR 2.000 entgeht. V hatte vor Übergabe
der Maschine aus dem Lieferbericht des Herstellers ersehen, dass die
Maschine zu fein eingestellt worden und damit nicht zur
Konfettiherstellung geeignet war.
Kann K von V diesen Betriebsausfallschaden ersetzt verlangen?
Lösung:
A. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437
Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB haben. Fraglich ist aber, ob dies überhaupt die
richtige Anspruchsgrundlage darstellt.
I. Bestimmung der einschlägigen Anspruchsgrundlage
1. Schadensersatz neben oder Schadensersatz statt der Leistung?
o Abgrenzung: Entfällt Schaden bei hypothetisch
rechtzeitig vorgenommener Nacherfüllung?
 Schäden, die bestehen bleiben, sind neben der
Leistung ersatzfähig
 Schäden, die entfielen, sind statt der Leistung
ersatzfähig
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 Hier: Durch die Neueinstellung der Maschine wurde
der in der Vergangenheit liegende entgangene Gewinn
nicht kompensiert; realisiert werden kann nur noch
zukünftiger Gewinn
 Schadensersatzanspruch neben der Leistung (+)
 Hinweis: Vorrang der Nacherfüllung beim Schadensersatz neben
der Leistung unbeachtlich
o Für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs
neben der Leistung ist es irrelevant, ob Nacherfüllung
verlangt wurde
 Die Schadensposition würde nicht entfallen, auch wenn
rechtzeitig nacherfüllt worden wäre
o Begründet findet sich diese Einschätzung darin:
 Vorrang der Nacherfüllung spiegelt sich im
Fristsetzungserfordernis des § 281 BGB wieder
( Fristsetzung: Ermöglichung der
Nachbesserung/Nachlieferung für Schuldner)
 § 280 Abs. 1 BGB und § 286 BGB kennen ein solches
Erfordernis nicht
2. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB oder §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 2,
286 BGB?
Die genaue Einordnung des mangelbedingten Nutzungsausfallschadens
ist umstritten. Fraglich ist, ob dieser nur unter den verschärften
Voraussetzungen des § 286 BGB verlangt werden kann
e. A.: Richtige Anspruchsgrundlage sind die §§ 437 Nr. 3, 280
Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB
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- jede Schlechtleistung stellt eine Verzögerung der nach § 434
Abs. 1 S. 2 BGB geschuldeten ordnungsgemäßen Leistung, eine
(teilweise) Nichtleistung, dar
- wenn schon von demjenigen, der überhaupt keine Leistung
erbringt, (Verzugsschuldner) Schadensersatz nur unter den
erschwerten Voraussetzungen des § 286 BGB verlangt werden
kann, muss dies erst Recht für denjenigen gelten, der immerhin
eine – wenn auch mangelhafte – Leistung erbringt und damit eine
weniger schwerwiegende Pflichtverletzung begeht
h.M.: Richtige Anspruchsgrundlage sind die §§ 437 Nr. 3, 280
Abs. 1 BGB
- Lieferung einer mangelhaften Sache ist nicht pauschal als
weniger erhebliche Pflichtverletzung zu werten, weil diese potentiell
das Risiko für Schäden an sonstigen Rechtsgütern des Käufers
erhöht
- Wortlaut des § 286 BGB: „Nichtleistung“; ist etwas qualitativ
anderes als Schlechtleistung
- sofortige Schadensersatzpflicht nach § 280 Abs. 1 BGB dadurch
gerechtfertigt, dass V zuvor die Beschaffenheit kontrollieren konnte
und
bei
ordnungsgemäßem
Zustand
der
Kaufpreiszahlungsanspruch durchsetzbar wird (vgl. § 320 BGB).
- § 437 Nr. 3 BGB macht durch explizite Nichterwähnung von § 286
BGB deutlich, dass die Schlechtleistung als erstmalige
Pflichtverletzung nicht als Verzug zu werten sein kann;
Anwendbarkeit von § 286 BGB im Rahmen der §§ 434 ff. BGB
setzt voraus, dass zumindest bereits eine (mangelhafte) Leistung
erbracht wurde und der Gefahrübergang stattgefunden hat; § 286
BGB spielt im Rahmen der §§ 434ff. BGB nur eine Rolle, soweit V
sich mit der Nacherfüllungspflicht im Verzug befindet und
damit eine zweite Pflichtverletzung begeht
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3. Zwischenergebnis
Damit sind die §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB die richtige
Anspruchsgrundlage.
II. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1. Kaufvertrag, § 433 BGB (+) K und V haben sich wirksam geeinigt,
s.o.
2. Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 BGB (+) in
Ermangelung
anderweitiger
Sachverhaltsangaben
ist
davon
auszugehen, dass der Mangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB bereits
im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war (§ 446 S. 1 BGB), s.o.
3. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung, §§ 444, 442 Abs. 1
BGB (+)
4. Zwischenergebnis
Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher Ansprüche gem.
§§ 437 ff. BGB (+)
III. Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB
1. Schuldverhältnis (+) wirksamer Kaufvertrag, s.o.
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2. Pflichtverletzung (+) Lieferung einer mangelhaften Sache (nicht:
verspätete Lieferung einer mangelfreien Sache), s.o.
3. Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB
 § 276 Abs. 1 S. 1 BGB: Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit
zu vertreten
 Vorwurf der Fahrlässigkeit
 Vertretenmüssen der Lieferung einer mangelhaften Sache (+)
4. kausaler Schaden, §§ 249 ff. BGB (haftungsausfüllende
Kausalität)
 Mangelhaftigkeit der Maschine adäquat kausal für durch
Produktionsausfälle entstandene Umsatzeinbußen
 damit nach Maßgabe Differenzhypothese vom Umfang des
Schadensersatzanspruchs mit umfasst
5. Zwischenergebnis: Anspruch entstanden (+)
B. Ergebnis: Der Anspruch auf Schadensersatz gem. § 437 Nr. 3,
§ 440, § 280 Abs. 1 BGB besteht.
Fall 6.3:
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Wie Fall 6.2, mit dem Unterschied, dass V zu dem Zeitpunkt, der für das
Neueinstellen vereinbart ist, nicht erscheint, da V, der von sich weiß,
dass er gerne einmal Termine vergisst, den vereinbarten Zeitpunkt nicht
in seinen Kalender eingetragen hat. Erst drei Tage später, als V die
Vereinbarung wieder einfällt, schickt er einen Monteur. In dieser
Zwischenzeit konnte der K einen weiteren Auftrag nicht erfüllen, der ihm
einen Gewinn von EUR 750 beschert hätte.
Kann K von V auch diese EUR 750 ersetzt verlangen?
Lösung:
A. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1,
Abs. 2, 286 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz §§ 437 Nr. 3,
440, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB haben.
I. Bestimmung der einschlägigen Anspruchsgrundlage
1. Schadensersatz neben oder Schadensersatz statt der Leistung?
 Anspruch auf Schadensersatz statt oder neben der Leistung?
 Abgrenzung: Entfällt Schaden bei hypothetisch rechtzeitig
vorgenommener Nacherfüllung?
 Hier: Nacherfüllung (+), aber Schaden bleibt trotz Nacherfüllung
bestehen
 Schadensersatzanspruch neben der Leistung (+)
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2. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB oder §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 2,
286 BGB
- V begeht zwar bereits mit der Lieferung einer mangelhaften Sache eine
(erste) Pflichtverletzung, die mitursächlich für das weitere Geschehen ist
- entscheidend ist aber, dass der entgangene Gewinn in erster Linie eine
Folge der verspätet durchgeführten Nacherfüllung (2. Pflichtverletzung)
ist
- sollte sich V mit seiner Nacherfüllungspflicht in Verzug befunden
haben, so wäre ein dadurch hervorgerufener Schaden allein über die
§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB ersatzfähig
- folglich kommen hier nur die §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB
in Betracht.
II. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1. Kaufvertrag, § 433 BGB (+), s.o.
2. Sachmangel im ZP des Gefahrübergangs, § 434 BGB (+)
3. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung (+), s.o.
4. Zwischenergebnis
Die grundsätzliche Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher
Ansprüche gem. §§ 437 ff. BGB ist gegeben.
III. Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB
1. Schuldverhältnis (+) wirksamer Kaufvertrag, s.o.
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2. Pflichtverletzung (+)
 nicht-rechtzeitige Nachbesserung der mangelhaften Sache (Eintritt
des Verzugs der Nacherfüllung), nicht verspätete Lieferung einer
mangelfreien Sache (Eintritt des Verzugs der ursprünglichen
Leistung)
Voraussetzungen des Schuldnerverzugs müssten vorliegen
(§ 286 BGB)
a) Keine Unmöglichkeit
 Keine Unmöglichkeit der Erfüllung des
Nacherfüllungsanspruchs i. S. v. § 275 Abs. 1-3 BGB (-)
b) Nichterbringung der geschuldeten Leistung trotz Fälligkeit
und Durchsetzbarkeit
 Nichterbringung einer Leistungspflicht trotz Fälligkeit und
Durchsetzbarkeit der Leistung seitens V
 Vorliegend: keine Nachbesserung seitens V (Nichterbringung
einer Leistungspflicht)
 Fälligkeit:
o § 271 Abs. 1 BGB: Fälligkeit von Ansprüchen mit ihrer
Entstehung
o Nacherfüllungsanspruchs: spätestens mit dessen
Geltendmachung durch Anzeige des Mangels und
Ausübung des Wahlrechts von Fälligkeit auszugehen
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 Durchsetzbarkeit: Kein Vorliegen rechtshemmender Einreden
o Hier: Stundung der Leistungspflicht bis zum für die
Reparatur vereinbarten Zeitpunkt
o Verstreichen des Termin ohne Reaktion von V
 Daher: Fälligkeit und Durchsetzbarkeit des Anspruchs (+)
c) Mahnung bzw. Entbehrlichkeit der Mahnung
 Mahnung seitens K (§ 286 Abs. 1 S. 1 BGB) oder
Entbehrlichkeit der Mahnung (§ 286 Abs. 2 BGB)
 Hier: Vereinbarung zwischen K und V über Zeitpunkt, zu dem
Nacherfüllung zu erbringen ist  Mahnung gem. § 286
Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich
 Durch Nichterbringung der Leistung zum vereinbarten
Zeitpunkt sofortiges in- Verzug-geraten seitens V (+)
3. Vertretenmüssen, §§ 286 Abs. 4, 280 Abs. 1 S. 2 BGB
 Vertretenmüssen des V (+), da Fahrlässigkeit
4. kausaler Schaden, §§ 249 ff. BGB
 Umsatzeinbußen i. H. v. 750 EUR = adäquat kausal auf die
Verzögerung der Leistung zurückzuführen
 entgangener Gewinn i. S. v. § 252 BGB im Rahmen des SchE
neben der Leistung zu ersetzen
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B. Ergebnis
Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 2 286
BGB (+)
Fall 6.4:
Wie Fall 6.3, mit dem Unterschied, dass V die Nachbesserung nicht an
einem vereinbarten Zeitpunkt und auch nicht später vornimmt, da er sie
vollkommen vergisst. K erklärt dem V, dass er auf die Nacherfüllung
verzichte und beschließt, die Maschine zu behalten. Mit dem Fehler hat
sie aber nur noch einen Wert von EUR 45.000.
Kann K die EUR 5.000 Wertunterschied von V ersetzt verlangen? (Eine
Minderung ist nicht zu prüfen an dieser Stelle)
Lösung:
A. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1,
Abs. 3, 281 BGB
K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437
Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB haben.
I. Bestimmung der einschlägigen Anspruchsgrundlage
1. Schadensersatz neben oder Schadensersatz statt der Leistung?
 Anspruch auf Schadensersatz statt oder neben der Leistung?
 Abgrenzung: Entfällt Schaden bei hypothetisch rechtzeitig
vorgenommener Nacherfüllung
 Hier: Keine Nacherfüllung
 Schaden: Wertunterschied von EUR 5.000
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 Durch Reparatur der Maschine: Beseitigung des Minderwertes
möglich Schaden also nicht endgültig eingetreten, sondern im
Wege einer hypothetisch rechtzeitig vorgenommenen
Nachbesserung zu beseitigen
 Schadensersatzanspruch statt der Leistung
2. Abgrenzung der §§ 281, 283, 311a Abs. 2 BGB
 § 280 Abs. 3 BGB: Schadensersatz statt der Leistung nur unter
zusätzlichen Voraussetzungen § 281 BGB, § 282 BGB oder § 283
BGB
 Hier: Hauptpflichtverletzung (Nacherfüllung) und keine
Unmöglichkeit deren Erfüllung i.S.d. § 275 BGB § 281 BGB
einschlägig.
3. Zwischenergebnis
Richtige Anspruchsgrundlage sind die §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3,
281 BGB.
II. Anwendbarkeit des Mängelgewährleistungsrechts, §§ 437 ff. BGB
1. Kaufvertrag, § 433 BGB (+), s.o.
2. Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs, § 434 BGB (+),
s.o.
3. Kein Ausschluss der Mängelgewährleistung (+), s.o.
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4. Zwischenergebnis
Anwendbarkeit mängelgewährleistungsrechtlicher Ansprüche gem.
§§ 437 ff. BGB
III. Voraussetzungen der §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
1. Schuldverhältnis, § 280 Abs. 1 S. 1 BGB
 wirksamer Kaufvertrag zwischen K und V § 433 BGB
2. Pflichtverletzung, § 280 Abs. 1 S. 1 BGB
 grundsätzlich: Nicht-, Spät- oder Schlechtleistung
 Bezugspunkt hier: von V nicht erbrachte Nacherfüllung PV in
Nichtleistung (+)
3. Fristsetzung
 Erfolglos abgelaufene Fristsetzung zur Nacherfüllung seitens K
(§ 281 Abs. 1 S. 1 BGB) oder Entbehrlichkeit der Fristsetzung
(Abs. 2)
 Fristsetzung: bestimmte und eindeutige Aufforderung zur Leistung
 Vereinbarung zw. K und V über einen Termin für Neueinstellung =
bestimmte und eindeutige Verlangen des K erkennbar
 V hat Maschine nicht zum vereinbarten Zeitpunkt neu eingestellt 
Nachbesserung wurde nicht erbracht erfolgloser Fristablauf
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4. Vertretenmüssen, § 280 Abs. 1 S. 2 BGB
Beim Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ist
umstritten, auf welche Pflichtverletzung sich das Vertretenmüssen des
Verkäufers beziehen muss: Die Lieferung der mangelhaften Sache
(1.Pflichtverletzung)
oder
die
nicht
erbrachte
Nacherfüllung
(2. Pflichtverletzung).
e. A.: Verkäufer muss kumulativ beide Pflichtverletzungen zu
vertreten haben
Anmerkung: Es empfiehlt sich nicht, dieser Auffassung zu folgen, da sie
sich nicht gesetzlich belegen lässt und zudem die Voraussetzungen für
ein Schadensersatzverlangen unnötig erschwert
a. A.: Verkäufer muss entweder die Lieferung der mangelhaften
Sache oder das endgültige Ausbleiben der geschuldeten Leistung
zu vertreten haben
- Verkäufer hat mit Lieferung der mangelhaften Sache selbst das Risiko
geschaffen, dass die Nacherfüllung aus einem von ihm nicht zu
vertretenden Umstand ausbleibt
wohl h.M.: Verkäufer muss allein die nicht erbrachte Nacherfüllung
(zweite Pflichtverletzung) zu vertreten haben
- das im Fristsetzungserfordernis des § 281 Abs.1 BGB zum Ausdruck
gebrachte „Recht aus zweite Andienung“ gebietet, dass allein auf das
endgültige Ausbleiben der Leistung abgestellt wird
Letztlich muss man sich nicht zwischen den beiden letztgenannten
Auffassungen entscheiden, da ohnehin das Vertretenmüssen
hinsichtlich beider Pflichtverletzungen (zweimal Fahrlässigkeit) zu
bejahen wäre
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5. kausaler Schaden, §§ 249 ff. BGB
 Umfang: „kleiner Schadensersatz“ statt der Leistung (er will die
Sache behalten)
 mangelbedingte Minderwert i. H. v. 5000 EUR nach Maßgabe der
sog. Differenzhypothese mit umfasst
6. Zwischenergebnis
 Anspruch entstanden (+)
 rechtsvernichtender Einwendungen oder rechtshemmender
Einreden (-), daher Anspruch nicht erloschen und durchsetzbar
B. Ergebnis
Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3,
281 BGB (+)
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