Lösung Fall 1: Gekentertes Boot Ansprüche des F gegen H auf Aufwendungsersatz gemäß §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB. F könnte gegen H einen Anspruch auf Ersatz der Benzinkosten, Zahlung einer Vergütung für die geleisteten Rettungsdienste, Erstattung des Sachschadens am Boot, Ersatz der Heilungskosten sowie auf Schmerzensgeld wegen der erlittenen Körperverletzung gemäß §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB haben. Gemäß §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB kann der Geschäftsführer vom Geschäftsherrn den Ersatz seiner Aufwendungen verlangen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt. Dies setzt zunächst voraus, dass F ein fremdes Geschäft, nämlich das des H, wahrgenommen hat. Da es zum Aufgabenbereich des H gehörte, die ihm drohende Gefahr des Ertrinkens und des Untergangs des Bootes selbst abzuwenden, hat F mit der Übernahme der Rettungshandlung ein fremdes Geschäft getätigt. Dass außer H noch der Unfallverursacher S zur Rettung verpflichtet war, steht dem Fremdcharakter des Geschäftes im Verhältnis F – H nicht entgegen. Weitere Voraussetzung für eine Geschäftsführung ohne Auftrag ist, dass F das fremde Geschäft mit Fremdgeschäftsführungswillen getätigt hat. Ein Fremdgeschäftsführungswille kann angenommen werden, wenn der andere im Bewusstsein, dass ein fremdes Geschäft vorliegt, dieses für den Geschäftsherrn führen will. Der F hatte, als er sich zur Rettung entschloss, Kenntnis von der Fremdheit des Geschäftes und wollte dieses auch für den H durchführen; im Übrigen besteht nach der Rechtsprechung des BGH allein aufgrund der Vornahme eines sog. objektiv fremden Geschäfts, also eines Geschäfts, das nur im Interesse eines Dritten liegt, eine tatsächliche Vermutung für das Bewusstsein und den Willen der Fremdgeschäftsführung. F hat daher gegenüber H mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt. Weitere Voraussetzung ist, dass F gegenüber H nicht aufgrund eines Auftrages zum Handeln verpflichtet war. Seite 1 von 5 F war gegenüber dem H nicht zum Handeln verpflichtet, so dass er ohne Auftrag gehandelt hat. Die allgemeine Hilfeleistungspflicht gemäß § 323 c StGB reicht insoweit nicht aus (es dürfte auch überzogen sein, die Hilferufe des H als Angebot zum Abschluss eines Rettungsauftrags auszulegen). Des Weiteren müsste die Handlung des F dem Interesse und dem Willen des H entsprochen haben. Da die Rettungshandlung für H (objektiv) nützlich war und im Übrigen, aufgrund der Hilferufe des H, sogar dessen geäußertem Willen entsprach, hat F im Interesse und im Willen des H gehandelt. Da sämtliche Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegen, kann F von H gemäß §§ 683 Satz 1, 670 BGB grundsätzlich seine Aufwendungen wie ein Beauftragter ersetzt verlangen. F kann daher zunächst Ersatz seiner Benzinkosten verlangen, weil er dieses Benzin zum Zwecke der Durchführung seiner Geschäftsführung verbraucht hat. Bezüglich der Vergütung der von F wahrgenommenen Tätigkeit besteht das Problem, dass § 683 Satz 1 BGB auf das Auftragsrecht verweist. Weil die Auftragsdurchführung unentgeltlich erfolgt, kann F von H grundsätzlich keine Vergütung für seine Tätigkeit verlangen. Nach h. M. soll die Sach- und Interessenlage des Auftragsrechtes aber nicht identisch mit der Geschäftsführung ohne Auftrag sein. Daher nimmt die herrschende Meinung an, dass eine Tätigkeitsvergütung vom Geschäftsführer verlangt werden kann, wenn die vorgenommene Tätigkeit zum Beruf oder Gewerbe des Geschäftsführers gehört; insoweit wird § 1835 Abs. 3 BGB entsprechend angewandt. Auch bei Zugrundelegung der herrschenden Meinung ergibt sich hier allerdings, dass F keine Tätigkeitsvergütung verlangen kann, weil die Rettungsfahrt nicht zu seiner beruflichen Tätigkeit gehörte. Bezüglich des Ersatzes der Reparaturkosten sowie der Erstattung der Arztkosten besteht das Problem, dass im Auftragsrecht, auf welches das Recht der Geschäftsbesorgung ohne Auftrag verweist, nur Aufwendungen, also freiwillige Vermögensopfer, nicht aber auch Schäden ersetzt werden. Nach herrschender Auffassung umfasst der Aufwendungsbegriff im Rahmen der Geschäftsführung ohne Auftrag jedoch auch die Schäden, die dadurch entstehen, dass sich das typische Risiko der übernommenen Geschäftsführung realisiert hat. Seite 2 von 5 Die von F vorgenommene Rettungshandlung erforderte schnelles Handeln und hatte zur Folge, dass für die Rechtsgüter des F ein erhöhtes Risiko bestand. Da sich mit dem Schaden am Boot und der Körperverletzung ein typisches, mit der Geschäftsführung verbundenes Risiko verwirklicht hat, kann F von H im Rahmen seines Anspruches auf Aufwendungsersatz auch den Ersatz der o. g. Schäden verlangen, also unter anderem die Reparatur- und die Arztkosten. Dieser Aufwendungsersatzanspruch Schadensausgleich ist, in könnte entsprechender jedoch, Anwendung da er von in § Wahrheit 254 BGB ein wegen Mitverschuldens des F entsprechend zu kürzen sein. Wenn der Geschäftsführer zur Abwendung einer drohenden Gefahr tätig wird, muss die Regel des § 680 BGB (Haftung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) in die Wertung mit einbezogen werden. Das bedeutet, dass dem Geschäftsführer ein Mitverschulden gem. § 254 BGB nur dann zuzurechnen ist, wenn er grob fahrlässig oder mit Vorsatz gehandelt hat (teilweise wird vertreten, Geschäftsführers gehört dass [z. dann, B. die wenn die Handlung Rettungshandlung zum eines Berufsbild Arztes] des keine Haftungserleichterung gewährt wird, weil auch in Stresssituationen volle Leistung verlangt werden kann). Da F den Bootsschaden nicht durch grobe Fahrlässigkeit verursacht hat, ist der Anspruch nicht entsprechend § 254 BGB zu kürzen; dasselbe gilt für den Ersatz der Arztkosten. Seit der Änderung von § 253 BGB wäre ein zusätzlicher Schmerzensgeldanspruch als Ausgleich für den so genannten immateriellen Schaden grundsätzlich möglich. Ein solcher Anspruch verträgt sich jedoch möglicherweise nicht mit dem Prinzip der GoA als grundsätzlich selbstlose Tätigkeit. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Rechtsprechung § 253 BGB auch auf die GoA anwendet (was im Schrifttum teilweise vertreten wird). In Betracht kommt jedoch nur eine analoge Anwendung, weil § 253 BGB eine grundsätzliche Schadensersatzpflicht des Schuldners voraussieht. An einer solchen fehlt es bei der GoA aber regelmäßig, weil der Geschäftsführer Schäden nur im Rahmen seines Aufwendungsersatzes ersetzt erhält. Einen echten Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsherrn hat er regelmäßig nicht. Seite 3 von 5 Ergebnis: F kann von H die geltend gemachten Aufwendungs- und Ersatzansprüche gemäß §§ 677, 683 Satz 1, 670 BGB, mit Ausnahme von Schmerzensgeld, verlangen. Nicht verlangen kann er eine Vergütung. nB: In den Fällen der Nothilfe geht der Anspruch des Nothelfers, sofern dieser einen entsprechenden Antrag auf Schadensübernahme gestellt hat, kraft Gesetz gemäß §§ 2 Nr. 11, 13 a und c 13 SGB VII auf den Sozialversicherungsträger über. In diesem Fall wäre F dann im Umfang des Antrags nicht mehr Anspruchsinhaber. Es soll eine Doppelbefriedigung des Nothelfers verhindert werden. nB: Um Missverständnissen zu vermeiden nochmals folgendes zur Klarstellung: Vor der letzten Gesetzesänderung gab es Schmerzensgeld nur in den vom Gesetz ausdrücklich bestimmten Fällen – siehe § 253 Abs. 1 BGB. Inzwischen hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich von § 253 BGB erweitert und die Möglichkeit der Gewährung von Schmerzensgeld auf alle Schadensersatzansprüche ausgedehnt, auch wenn dies nicht jeweils ausdrücklich im Gesetz erwähnt ist – siehe § 253 Abs. 2 BGB. Auch das jetzt geltende Recht passt für die GoA nicht direkt, weil ein Schadensersatzanspruch vorausgesetzt wird. Bereits zum alten Recht, bei dem die Gewährung von Schmerzensgeld nur eingeschränkt möglich war – siehe § 253 Abs. 1 BGB – gab es jedoch die Diskussion, ob aus Gründen der Billigkeit bei der GoA Schmerzensgeld gewährt werden soll. Der BGH hat dies damals verneint (BGHZ 52, 115). Nach der Gesetzesänderung ist die Diskussion neu entfacht worden. Soweit ersichtlich, ist die h. M. in der Literatur inzwischen dafür, dass § 253 Abs. 2 BGB auf die GoA grundsätzlich anwendbar ist (MüKo-Oetker, 6. Auflage 2012, § 253 RdNr. 18 sowie Diederichsen, VersR 2005, 433, 437). Die Rechtsprechung betonte vor Neufassung des § 253 Abs. 2 BGB stets, dass es sich bei dem Anspruch aus §§ 683 Satz 1, 670 BGB nicht um einen Schadensersatzanspruch handle (BGHZ 52, 115, 117). Daher können die schadensersatzrechtlichen Regelungen auch nicht 1:1 übertragen werden. Der Aufwendungsersatzanspruch des § 670 BGB wird aus Billigkeitserwägungen gewährt, für den Sühnegedanken des Schmerzensgeldes sei da kein Raum. Eine weitere Begründung ist, dass die Aufopferung der Persönlichkeit und immaterieller Rechtsgüter nicht kommerzialisiert werden soll (Ermann-Ehmann § 670, Seite 4 von 5 Rn. 36). Die Rechtsprechung könnte daher aus diesem Grund auch nach der Änderung von § 253 BGB einen Schmerzensgeldanspruch verneinen. Aus Sicht des historischen Gesetzgebers, der die GoA als eine altruistische Handlung ansah (daher auch der Verweis auf das Auftragsrecht, das keine Vergütung vorsieht), dürfte ein Schmerzensgeldanspruch wegen dessen Genugtuungsfunktion eher fern gelegen haben. Dasselbe gilt für die analoge Anwendung von § 1835 Abs. 3 BGB (Vergütung) bei Berufsträgern. Bitte beachten Sie, dass der Anspruch gemäß §§ 683 Satz 1, 670 BGB kein Schadensersatzanspruch ist, auch wenn dem Geschäftsführer Schäden ersetzt werden. Daher finden § 254 BGB sowie § 253 BGB – wenn überhaupt – nur entsprechende Anwendung. Der BGH hat zudem entschieden, dass nicht stets voller Ersatz zu leisten ist, sondern eine angemessene Entschädigung (BGHZ 38, 277). Der Richter hat daher ein gewisses Ermessen. Im konkreten Fall dürfe ein voller Ersatz der Schäden angemessen sein. Seite 5 von 5
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