Liebe Mitschwestern und -brüder, Liebe Freundinnen und Freunde von Beit Emmaus! „Es knospt unter den Blättern, das nennen sie Herbst.“ Es sind heiße Novembertage, an denen es eigentlich regnen sollte – ich mache meinen täglichen Spaziergang in unserem Garten: die Obstbäume sind leer und die Blätter liegen am Boden. „… das nennen sie Herbst“, sagt Hilde Domin und sie meint damit einen unter den Blättern verborgenen Vorgang, in dem sie den Frühling erkennt – das Leben – winzig und leicht zu übersehen. „Es knospt unter den Blättern…“ – Mein Vertrauen in Gott, den Geber allen Lebens, lässt mich das in meiner Arbeit in Palästina spüren und daran glauben. Vor mir sehe ich das Altenund Pflegeheim und die Pflegeschule. Sie können sich nur entfalten, weil wir vertrauen, dass „Gott sieht, was wir noch nicht sehen“. Mein weiterer Blick auf das judäische Hügelland zeigt mir, wie Mauern und Siedlungen das Land zerteilen. Vordergründig gibt es in dieser Region kein Vertrauen. Oder doch? Ich kenne Menschen in Israel und Palästina, die es vorleben und sich dafür einsetzen. „Es knospt unter den Blättern…“ Oder um es mit den adventlichen Texten zu sagen: „Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht?“ (Jes 43,19ff.) Vertrauen ist das Thema dieser Emmaus-Wege. Warten und Vertrauen sind adventliche Haltungen. Menschen aus unserer Hausgemeinschaft erzählen davon: vom rauen Herbst des Alltags in diesem Land, aber auch vom Vertrauen, das ihr Leben und das Leben anderer verändert. Wir als Hausgemeinschaft schauen wieder auf ein Jahr, in dem Gott sich als mächtig und lebenserhaltend erwiesen hat. Er hat es auch durch Sie und euch getan – Danke dafür! In diesem Vertrauen lassen wir uns das Neue Jahr von Gott schenken. Für das Weihnachtsfest wünsche ich uns das Vertrauen in den menschgewordenen Gott, der uns so unscheinbar und leicht übersehbar entgegen kommt. Sr. Hildegard Enzenhofer SDS Leiterin von Beit Emmaus Aus dem Familienalbum Inhaltsverzeichnis Vertrauen ist ein Geschenk 4 Harmlos ist das nicht… 7 Von der täglichen Vertrauensfrage 10 Was ist neu in der Pflege? 15 Wirf dich in die Arme Gottes 22 Emmaus-Chronik 24 Auf welchen Wegen ich auch gehe… 30 Kontakt/Impressum 32 Vertrauen ist ein Geschenk V ertrauen, Zutrauen, Gottvertrau- en, Misstrauen, fehlendes Vertrauen, blindes Vertrauen, enttäuschtes Vertrauen, spontanes Vertrauen, Selbstvertrauen – die unterschiedlichsten Formen des Vertrauens spielen im menschlichen Leben eine Rolle. Das Leben basiert auf Vertrauen und wird immer wieder durch enttäuschtes Vertrauen oder durch zu viel Misstrauen erschüttert. Oft trauen wir anderen Menschen etwas zu, was sie sich selbst nie zugetraut hätten, und können sie dadurch stärken oder ermuntern. In Partnerschaften und Freundschaften ist ein gesundes Vertrauen immens wichtig; trotzdem hört man immer wieder „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Doch eben diese Einstellung ist es, die dazu führt, dass menschliche Beziehungen in die Brüche gehen. Vertrauen verzichtet auf Kontrolle und gewinnt eben dadurch ihren hohen Wert, aber auch ihre ebenso hohe Verletzbarkeit. Doch wie erlangt man Vertrauen? Kann man es bauen, sich angewöhnen, fordern? Vertrauen ist kein aktiver Vorgang, es beruht vielmehr auf Erfahrung und Intuition. Ob ich einem Menschen vertraue, liegt meistens daran, ob er mir sympathisch ist, und daran, welche Erfah- 4 rungen ich mit ihm gemacht habe. Vertrauen wächst oft langsam und lässt sich umso schneller wieder zerstören. Häufig kommt es auch vor, dass man Menschen Vertrauen schenkt, ohne dass sie es sich „erarbeitet“ haben, ohne dass man viele gute Erfahrungen mit ihnen teilt. Es ist mehr wie eine Intuition, die sagt: „Diesem Menschen kannst du vertrauen.“ Und: Vertrauen ist ein Geschenk, mit dem man sehr vorsichtig umzugehen hat. Es ist kostbar, vergänglich und manchmal nicht erneuerbar. Das Vertrauen, das andere Menschen in uns setzen, erweitert unsere Möglichkeiten oder Fähigkeiten. Oft setzt unser (Gott-)Vertrauen dort ein, wo unser Selbstvertrauen längst aufgehört hat. Erleben kann man dies in außergewöhnlichen Herausforderungen, Situationen, die uns im Alltag selten begegnen oder von denen wir vorher nicht gedacht hätten, dass wir sie bewältigen können. Eine solche Herausforderung ist die Arbeit mit Menschen, die sich auf irgendeine Weise von uns unterscheiden. Weil sie krank oder alt sind, weil sie an Behinderungen leiden und besonderer Pflege bedürfen, weil sie traumatisiert oder verängstigt sind. Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Hebräer 11,1 bezeichnet den Glauben als die „feste Zuversicht auf das, was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“. Ähnlich verhält es sich mit dem Vertrauen. Vertrauen heißt, sich einer Sache sicher zu sein, ohne ihren Ausgang zu kennen. „Blindes Vertrauen“ wird oft negativ als Dummheit oder Verklärtheit bewertet. Doch eigentlich beschreibt es lediglich eine Facette des Vertrauens: Es ist blind im besten Sinne. Es kontrolliert nicht und fordert keine Beweise. Ganz im Gegenteil: Beweise entwerten Vertrauen. Ebenso wie der Glaube nicht aus Zeichen und Beweisen, sondern aus sich selbst besteht, braucht Vertrauen keine weitere Evidenz. Vertrauen steht in einer wechselseitigen Beziehung zum Glauben. Ich kann nur auf etwas vertrauen, woran ich auch glaube. Genauso gewinnt mein Glaube aber an Wert durch das Vertrauen, das er mir ermöglicht. Es gibt viele wunderbare Texte über das Vertrauen der Menschen auf etwas oder auf jemanden wie folgendes Lied, das vor allem auf Beerdigungen oft gesungen wird: So nimm denn meine Hände und führe mich, bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: Wo du wirst geh’n und stehen, da nimm mich mit. Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Man mag nun einwenden, es werde doch in jeder Sonntagspredigt gesagt, dass man auf Gott vertrauen und allein auf ihn setzen solle. Das Lied sage doch nichts Neues! Etwas grundlegend Neues ist es tatsächlich nicht, dass man im Letzten allein auf Gott vertrauen soll. Aber vielleicht müssen wir es uns deswegen immer wieder neu sagen, weil wir schnell vergessen oder gar nicht begriffen haben, was das bedeutet, auf Gott zu vertrauen! Ich denke, das kann man in seiner Ganzheit nur begreifen, wenn man zwei Dinge festhält: zum einen die Wichtigkeit, ein fühlender Mensch zu sein. Ein Mensch, der neben dem notwendigen „kühlen Kopf“ sich auch die Fähigkeit bewahrt hat, Gefühle zu empfinden, der in aller Radikalität erleben kann, wie widersprüchlich und zutiefst verwirrend Gefühle sein können. Und zum anderen, mit Mut seiner Ängste Herr zu werden und aus der Enge und der Fantasielosigkeit in die Buntheit, Verrücktheit und Widersprüchlichkeit des Lebens selbst einzutreten. Ich denke, die schlichte Schönheit des Liedtextes rührt von ihrer Beschreibung eines ungebrochenen und tiefen Gottvertrauens her, das insbesondere im Motiv der Handergreifung seinen Ausdruck findet. Auch die Heilige Schrift kennt dieses Bild; wir finden es im Psalm 73: 5 Und ich bin immer bei Dir; Du hast mich genommen an meiner rechten Hand. Nach deinem Rat wirst Du mich führen; und hernach wirst auf Ehre hin Du mich aufnehmen. Wer ist für mich im Himmel? Mit Dir will ich nichts auf der Erde. Mein Fleisch und mein Herz werden vergehen; der Fels meines Herzens und mein Erbteil ist Gott für die Ewigkeit. Insbesondere anhand des letzten Verses wird bewusst, dass Vertrauen vor allem im Angesicht des Todes hilfreich ist. Wir alle haben Angst vor dem Sterben unserer Lieben wie auch vor unserem eigenen Tod. Vertrauen mag uns dabei helfen, die Angst zwar nicht zu besiegen, wohl aber in ihr zu bestehen. Ein Beispiel dafür ist folgende Begebenheit von Alice, einer Patientin in Emmaus: An manchen Tagen wollte sie nicht ihr Nachthemd anziehen, sondern ihr schönes Kleid, welches sie den ganzen Tag getragen hatte, anbehalten. Sie war sich an solchen Tagen immer sicher, dass sie in der Nacht sterben würde. Wenn sie sterbe und zum Herrn komme, dann müsse sie doch schön gewandet vor ihn treten, so ihr Argument. Ob Alice Angst vor dem Tod hat, weiß ich nicht. Jedenfalls hatte sie ein tiefes Vertrauen darauf, dass sie im Tod nicht ins Nichts fallen, sondern von Gott an der Hand genommen würde. Auch unabhängig von der Konfrontation 6 mit dem Tod lehrte mich die Zeit in Emmaus, wie wichtig Vertrauen ist: Viele Fragen taten sich zu Beginn des Volontariats auf: Wirst Du für die Patientinnen da sein und ihnen das nötige Maß an Aufmerksamkeit und Wärme zukommen lassen können? Besonders drängend natürlich die Frage, wie man mit den schlimmen Schicksalen einzelner Patientinnen umgeht. In diesen Momenten des Zweifelns war das Vertrauen, das mir von den Menschen vor Ort entgegengebracht wurde, ebenso hilfreich wie mein eigenes Gottvertrauen. Vertrauen kann also nicht kreiert oder erarbeitet werden. Es kann nur von anderen Menschen oder von Gott geschenkt werden. – Milena Hasselmann (Marburg) und Dominik Kern (Tübingen) ehemaliger Volontär in Beit Emmaus; beide verbrachten ein Jahr ihres Theologiestudiums in Jerusalem Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Harmlos ist das nicht… I n der Abflughalle an den Gates im Flughafen Ben Gurion ist es kühl – um nicht zu sagen kalt. Der Flieger hätte schon vor einer halben Stunde starten sollen. Sehnsüchtig geht der Blick nach draußen, in den vor Hitze flirrenden Augusthimmel. Ich bereue, dass ich meine Jacke in den Koffer gesteckt habe, der jetzt, vielleicht, schon im Frachtraum des Flugzeugs liegt. Da steht es, vor unseren Augen, auf der anderen Seite der großen Glaswand, die uns hier drinnen vom heißen, hitzigen Leben draußen trennt. „Nicht-Orte“ hat ein französischer Ethnologe diese merkwürdigen Aufenthaltsbereiche einmal genannt, in denen man nicht mehr hier und noch nicht dort ist. In denen man im Grunde genommen nicht mehr man selbst ist, herausgenommen aus dem Alltag, ausgesetzt, ausharrend, während andere geschäftig ihren Tätigkeiten nachgehen. Eine weitere Viertelstunde vergeht. Der Flieger steht stumm, geduldig, wie es scheint, umschwirrt von zahlreichen Flughafenbediensteten, die sich an ihm zu schaffen machen. Keiner will den Gedanken wahrhaben, aber er drängt sich auf, eine leise bohrende Frage: Ist alles in Ordnung da draußen? Nur cool bleiben, du bist ja Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) schon so oft geflogen, es ist Routine, Fliegen ist sicherer als Autofahren. Jedenfalls sicherer als Autofahren in Israel. Hattest du je Bedenken, ins Auto zu steigen? Nein. Warum also auf diesen flüsternden Gedanken hören, der deine Gelassenheit untergräbt? Es ist alles Routine. Jeder weiß, was er zu tun hat, und alles hat seinen Grund. Nur ich, ich habe jetzt nichts zu tun. Meine Routine ist unterbrochen. Gestern noch saß ich am Schreibtisch, jetzt sitze ich in der Abflughalle und werde gleich, oder in einer weiteren Viertelstunde, über den Steg gehen, der mich in den Bauch dieses großen Vogels führt. Und der Boden unter meinen Füßen wird nur eine dünne Metallwand sein, und darunter Raum, leerer Raum, und kein Boden unter meinen Füßen, dreieinhalb Stunden lang. Wie schon so oft. Und doch ist es immer wieder neu, und ein Wagnis: den Boden unter den Füßen aufzugeben und sich tragen zu lassen. Einmal, es war beim Anflug auf Tel Aviv, der Himmel klar, eine Vollmondnacht. Der Pilot flog eine steile Schleife, das Flugzeug neigte sich. Ich schaute aus dem Fenster und sah – nicht die nächtliche Stadt mit ihren Perlenschnüren aus Licht, sondern den Mond, voll und mäch7 tig unter mir stehen. Die Neigung des Flugzeugs hatte mir diese ungewöhnliche Perspektive ermöglicht. Einen Moment lang stockte mir der Atem: ein kosmischer Anblick. Ein Glücksgefühl durchströmte mich, und mitten darin der Gedanke: Aber du trägst mich doch, Gott, in dieser Weite, nicht wahr? Vertrauen, das ist ein Allerweltswort geworden. Das Wort „Vertrauen“ prangt auf spirituellen Kleinschriften, gerahmt von Blümchen und Sonnenuntergängen, verniedlicht, verharmlost. Aber Vertrauen ist nicht harmlos. Es ist ebenso wenig harmlos, wie das Leben selbst harmlos ist. Es ist der Ernstfall des Lebens, und man muss nicht erst ins Flugzeug steigen, um zu erfahren, was es heißt zu vertrauen. Man muss sich etwas trauen. Wenn unsere Eltern sich nicht „getraut“ hätten, wir wären nicht da. Und wer sich auf den Nahen Osten einlässt, kann dies gar nicht, ohne zu vertrauen. Wer sich um Menschen jenseits der security barrier kümmert, muss daran glauben, dass sein Tun einen Grund und ein Ziel hat und nicht ins Leere fällt. Vertrauen ist ein anderes Wort für Glauben. Und auch Glauben ist nicht harmlos. Glaubst du an eine Lösung des Nahostkonflikts, werde ich oft gefragt. Ich weiß es nicht. Ich sehe nur, dass hier Vertrauen zerbrochen ist. Nicht erst seit dem Scheitern des Friedensprozesses. Es sind jahrzehntealte, teilweise jahrhundertealte Vertrauensbrüche, die hüben wie drüben Ängste schüren. Die Betonmauer und der Stacheldraht: Sie stehen sinnbildlich für das Vertrauen zwischen Israelis und Palästinensern, das bereits seit Jahrzehnten zerbrochen ist. 8 Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Die Angst, das eigene Land, die eigene Sicherheit, zuletzt wohl auch: das eigene Gesicht zu verlieren. Der Streit um das Land der Bibel ist freilich vielschichtig und kaum noch zu durchschauen. Vertrauen ist kein politisches Instrument. Der Entzug des Vertrauens aber scheint mir an der Wurzel dessen zu liegen, was die biblische Tradition Sünde nennt. Eindrücklich ist mir die Interpretation der sogenannten Sündenfallgeschichte durch einen geistlichen Meister und Bibelkenner in Erinnerung geblieben: In der Mitte des Gartens steht der Baum, und die Frau weiß, dass man nicht daran rühren darf. Andernfalls muss man sterben. „Nein, ihr werdet nicht sterben“, sagt die Schlange, „Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon esst, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse.“ (Gen 3,4.5) Und da keimt in der Frau ein Verdacht auf: Hat Gott uns etwas vorenthalten? Gönnt er uns vielleicht doch nicht alles? Fehlt etwas zu unserem Glück? Das Entscheidende gar? Sogleich steht im Raum das Misstrauen. Es ist ein grundlegendes Misstrauen, denn es ist das Misstrauen Gott gegenüber. Nicht eine böse Tat, sondern ein Riss im Vertrauen stünde dieser Interpretation zufolge am Ursprung aller menschlichen Verwerfungen. Der Riss ist nicht aus der Welt zu schaffen. Er gehört zu unserer Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Erfahrung. Wir können uns das Leben und alles, was dazugehört, nicht nehmen, wir müssen es uns schenken lassen. Nichts ist selbstverständlich. Am allerwenigsten im „Heiligen“ Land. Dennoch, oder gerade deswegen, beginnen Morgen für Morgen Schwestern, Pflegerinnen und Volontärinnen in Beit Emmaus ihr Tagewerk, und die habibtis zweifeln nicht eine Sekunde lang daran, dass ihr Frühstück pünktlich auf dem Tisch stehen und dass sich immer jemand ihrer großen und kleinen Nöte annehmen wird. Täglich werden unzählige Brücken über den Riss geschlagen, der sich nicht nur durch den Nahen Osten, sondern seit Gen 3 durch die ganze Welt zieht. Eine Lösung des Nahostkonflikts sehe ich nicht. Aber ich sehe Menschen, auf die man sich verlassen kann. Die nicht erst handeln, wenn sie eine Lösung sehen, sondern die das heute Gebotene tun. Nicht mehr und nicht weniger. Sie handeln, weil ihnen das Leben, so bruchstückhaft es auch sein mag, dennoch vertrauenswürdig erscheint. Solange es solche Menschen gibt, darf man über das Vertrauen schreiben. Harmlos ist das nicht. Vielmehr atemberaubend und schön wie eine nächtliche Begegnung mit dem Mond am Himmel über dem Heiligen Land. – Dr. Andrea Pichlmeier (Passau) 9 Von der täglichen Vertrauensfrage O b es die Fahrt in einem palästi- nensischen Sherut (Sammeltaxi) ist, die Begegnung mit Soldaten am Checkpoint oder die Arbeit in der Pflege: Es gibt viele Situationen im Alltag unserer Zivis, Volontärinnen und Krankenpflegeschüler, die ihnen ein großes Maß an Vertrauen abfordern: Vertrauen darauf, dass sie sicher am Ziel ihrer Fahrt ankommen, Vertrauen, dass sie den ihnen anvertrauten Frauen das nötige Maß an Pflege und Aufmerksamkeit zukommen lassen – letztlich auch Vertrauen auf Gott, dass ER ihnen ihren Weg weist. Über diesen Alltag, der oft so anders ist, als man es gewohnt ist, und die Frage nach dem Vertrauen haben sich unsere Volos ihre Gedanken gemacht. Lisa Andrea: Seid ihr gut aus Tabgha zurückgekommen? Steffi: Ja, es ging alles ohne Probleme: Erst von Tabgha nach Jerusalem und dann über Ramallah nach Emmaus. Nicht mal am Checkpoint gab es Probleme. Daniel: Die Sherutfahrten zwischen Ramallah und Emmaus sind echt super! Am besten ist der Tunnel unter der Siedlerstraße hindurch. Dort treten die Fahrer immer richtig 10 Lisa Kirchgäßner (Sulzbach am Main/Bayern) aufs Gas. Eine solche Fahrt fordert wirklich eine Menge Vertrauen. Lisa: Da hast du Recht. Aber eigentlich habe ich mich daran schon gewöhnt. Ich meine, inzwischen schnallen wir uns ja eh nur noch an, wenn wir mit den Schwestern oder mit einem Pater im Auto mitfahren. Daniel: Eigentlich schnalle ich mich immer nur für den Checkpoint an. Florian: Und der Checkpoint ist ja sowie so eine Sache für sich. Entweder du bleibst als einziger im Bus sitzen und musst mit einem Soldaten reden, dessen Maschinengewehr dir vor der Nase baumelt… Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Frederik: Vertrau einfach darauf, dass das Gewehr gesichert ist! Florian: Genau. Oder du steigst wie alle anderen aus und gehst mit den Palästinensern durch diesen Gittergang. Da kommst du dir dann vor wie die Tiere, die zum Schlachter geführt werden. Und natürlich weißt du nicht, was die Soldaten dann alles wissen wollen, bevor sie dich durchlassen. Meistens musst du ja nur dein Visum zeigen und kannst gehen. Aber manchmal wollen sie ja auch genau wissen, wo du herkommst, wo du hinwillst… Tamara: Nehmt ihr eigentlich immer den Bus oder seid ihr auch mal getrampt? Galina: Ja, trampen mussten wir auch hin und wieder. Stefanie Robertz (Neuss) Steffi: Ich habe mich dabei schon manchmal echt unwohl gefühlt. Ich meine, man weiß ja nie, was für eine Person das ist, zu der man gerade ins Auto steigt. Woher soll man wissen, ob derjenige einen wirklich dorthin mitnimmt, wo man hinwill? Tamara: Wir sind auch öfters getrampt. Und das ist schon ein Abenteuer für sich. Eigentlich fahre ich lieber Bus. Daniel Häger (Jena) Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Lisa: Aber wisst ihr, was mir da einfällt? Die Sicherheitsleute, die immer vor den Geschäften und Cafés stehen. Also am Anfang waren mir die immer ein wenig unheimlich. Aber inzwischen habe ich mich an sie gewöhnt. Und irgendwie vertraut man ihnen ja auch und fühlt sich ein Stück weit sicherer vor einem Anschlag… 11 Lisa: Dass ich auf Gott vertrauen kann, weiß ich auch. Aber ob er alleine mein Selbstvertrauen aufbauen kann, bin ich mir nicht ganz sicher. Denn Mut braucht man hier ja auch. Und Rückgrat. Gestern habe ich einer Patientin erklärt, dass ich keine ausgebildete Krankenpflegerin bin, noch nicht einmal Altenpflegerin – sondern einfach nur Volontärin. Sie wollte mir erst gar nicht glauben, dass ich es ohne Ausbildung schaffe, sie zu waschen. Aber es hat dann doch alles geklappt. Lisa Wilms (Berlin) Florian: Pass auf: Am Ende wirst du diese Kontrollen noch vermissen, wenn du wieder daheim bist… Lisa: Wobei es ja überhaupt für uns alle ein großer Schritt war, nach Emmaus zu kommen: Familie und Freunde zu verlassen, eigentlich all die Menschen, denen man vertraut; in ein fremdes Land zu gehen, dessen Menschen und Kultur man nicht kennt – mal ganz abgesehen von den Gefahren, die es hier gibt… Tamara: Also ich schaffe das nur mit Gottvertrauen. Das ist für mich ein ganz wichtiger Bestandteil meines Lebens – nicht nur hier in Emmaus. Dieses Vertrauen hilft mir, mich neuen Anforderungen gewachsen zu fühlen und mein Selbstvertrauen zu bewahren. ER steht in jeder Lebenssituation zu mir. 12 Galina: Ja, etwas zuzugeben erfordert Mut. Wenn man sich jemandem anvertrauen will, muss man dieser Person voll und ganz vertrauen können. Denn es soll ja nicht gleich alles weitererzählt werden… Florian Bittlmayer (Hitzhofen/Bayern) Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Tamara: Natürlich kann man zu einem Priester gehen, denn der unterliegt ja der Schweigepflicht. Aber es ist auch immer gut, hier einen guten Freund zu haben, um über bestimmte Ereignisse und Situationen zu sprechen. Und auch der Kontakt nach Hause ist mir sehr wichtig. Jenny: Ja, es ist wich- Jennifer Röll (Kaarst) und Galina Konstantinova (Düsseldorf) tig, füreinander da zu im Garten haben. Andererseits ist sein, sich Unterstützung und Zues auch nicht einfach, Steine nach spruch zu geben und den anderen einem Lebewesen zu werfen… aufzumuntern, wenn er traurig ist oder von Zweifeln geplagt wird. Daniel: Aber glücklicherweise ist Frederik: An sich baut jede zwi- das ja nur ein kleiner Teil unserer schenmenschliche Beziehung auf Arbeit. Hauptsächlich kümmern wir Vertrauen auf. Denn bevor man uns ja um die Mauern, die Zisternen sich jemandem öffnet, muss man ja und all das, was hier so an Reparawissen, woran man bei ihm ist, ob turarbeiten anfällt. Und natürlich um den Wald und den Garten. man ihm vertrauen kann… Letzte Woche haben wir erst die Lisa Andrea: Es ist wichtig, sich so ganzen kleinen Bäume gewässert, geben zu können, wie man ist, und damit sie nicht eingehen, bevor der sich nicht verstellen zu müssen. Regen kommt. Lisa: Manchmal ist es auch schwie- Lisa: Da wird einem erst richtig rig, zu tun, was von dir erwartet wird. bewusst, wie kostbar Wasser eigentFlorian: Das ging mir neulich bei der Arbeit so, als wir mit Steinen nach einem Hund werfen mussten, um ihn zu vertreiben. Einerseits wollen wir ja die wilden Hunde nicht Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) lich ist, mit welcher Vorfreude wir die ersten Regentropfen im Herbst erwarten und wie sehr wir darauf vertrauen, dass der Regen nicht allzu lange auf sich warten lässt… 13 Frederik: Ja, irgendwie sieht man hier vieles mit anderen Augen und merkt, was für ein behütetes Leben wir eigentlich in Deutschland hatten. Tamara: Hier in Palästina wirst du echt mit allem möglichen konfrontiert: Schlangen, Skorpione… Lisa Andrea: Aber es sind ja nicht nur diese Dinge, sondern auch die politische Situation hier im Nahen Osten: Wenn man sich das von Deutschland aus anschaut, denkt man immer, dass es doch eigentlich möglich sein müsste, hier endlich Frieden zu schaffen. So schwer kann das doch nicht sein. Aber wenn ich dann abends die hell orange erleuchtete Siedlerstraße sehe, frage ich mich schon, wie das hier nur alles weitergehen soll... Tamara Gropper (Steinhausen/Baden-Württemberg) 14 Frederik Mönkediek (Osnabrück) Daniel: Mehr als darauf zu vertrauen, dass uns und unseren Freunden hier nichts passiert, können wir im Endeffekt auch nicht... Florian: Ich denke, viele der Dinge, die wir hier erleben, werden uns prägen und vielleicht auch ein Stück weit unsere Zukunft bestimmen. Wenn wir hier ein Jahr in der Gemeinschaft leben wollen, funktioniert das nur, wenn wir uns gegenseitig Vertrauen schenken. Und wenn wir mit den Stärken und Schwächen der anderen leben. Ich glaube, wir haben hier wirklich eine große Chance, uns weiterzuentwickeln. Lisa: Das stimmt. Und mit dem Vertrauen ist es letztlich wie mit der Liebe: Man kann es nicht kaufen. Man kann es nur schenken. Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Was ist neu in der Pflege? Nichts ist neu in der Pflege. Es gibt die verschiedensten Lehrmeinungen, wie man eine habibti vom Bett in den Rollstuhl und wieder zurück befördert – allein oder zu zweit, festhalten an der Schutzhose, am Gewand, an Beinen und Armen, übers Knie, oder einfach ein Schulterwurf. In Beit Emmaus werden alle Techniken toleriert und praktiziert. Diesbezüglich kann man sagen: Nichts ist neu in der Pflege. Eigentlich wäre es uns am liebsten, wenn wir dasselbe auch von der Station sagen könnten: „Alles ist beim Alten geblieben.“ Leider müssen wir diese Aussage auf „Vieles ist beim Alten geblieben.“ einschränken. Na’ma (1) ist nicht zu überhören. Sie ist vom Ehrgeiz getrieben, eine tragende Rolle im Regime der Station zu übernehmen. Sie versucht, diese Position durch ihre wirkliche Hilfsbereitschaft, aber auch durch ihre Autorität, ihren lautstarken Führungsanspruch bei den habibtis zu erlangen und zu festigen. Warda weiß: Sie kann sich in allen Dingen, die ihr wichtig sind, auf die Fürsorge und Kontrolle von Na’ma verlassen und unbesorgt ihrer Trägheit frönen. Sie ist dankbar für alles, wodurch sie sich eine Anstrengung erspart. Sie ist eine der ersten, die Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) bei den täglichen Rundgängen streikt und sich auf die nächste Bank setzt und dort sitzen bleibt. Nichts, nicht einmal Na’ma, kann sie zum Weitergehen überreden. Na’ma (2) genießt das Privileg, als Einzige beim Frühstück zwei Tassen Kaffee zu bekommen. Stolz und dankbar schaut sie dir beim Eingießen zu: das rechte Auge von links, das linke von rechts. Dann kommt die spannende Frage: Wer wird bzw. darf mich heute waschen? Es ist eine Auszeichnung, möglichst früh „abgeholt“ und ins Badezimmer geführt zu werden. Na’ma weiß das zu schätzen und gibt sich ganz sanft und pflegeleicht. An manchen Tagen kann sie ausgesprochen laut und aggressiv sein – so sehr, dass auch die habibtis gefährdet sind. Nur ihr Teddybär kann sie an diesen Tagen besänftigen. Sie geht auf und ab, ist hier und dort, murmelt vor sich hin, beobachtet alles, bleibt auf Distanz. Das ist Salwa. Manchmal ist sie depressiv, abweisend und aggressiv. Zum Glück gibt sich dieser Zustand und wir können beobachten, wie sie der Küche beim Gemüseputzen hilft. Wenn irgendwo lautes Gelächter ertönt, ist es Tamani. Sie versucht, alle mit ihrem Lachen anzustecken, 15 Eingreifen Gottes („Oh Herr, bitte hilf ihr mit meinen Pampers.“) anlegen kann; sie hat eingesehen, dass sie auf ihr Betthupferl, Acamol, verzichten kann – auch ohne diese Wunderpille findet sie Schlaf. Leider ziert sie sich in letzter Zeit mit dem Mundharmonikaspielen im Garten. Kann sein, dass ihr der Herbst Malstunde in der Laube: Während Susu sichtlich Spaß hat... zusetzt. Stella hat viel erlebt. Aufmerksamkeit zu erregen. Nicht immer gelingt ihr das, oft wird sie Jetzt nutzt sie ihre Zeit zum Nachübergangen. Trotzdem: Nichts kann denken. Sie pflegt ihr Alleinsein, ihre gute Laune verderben; alles was jede Form der Einmischung beihr zustößt, regt sie zum Lachen an. trachtet sie als Sakrileg. „Um Gottes Dabei strahlt sie einen mit leuchten- Willen – lasst mich in Frieden.“ ist ihre inständige Bitte. Trotz heftigen den Augen an. Das Leben auf der Station ist um Widerstands können wir uns nicht einiges leichter, seit Bothainas Rein- immer daran halten. Wenn alles vorlichkeitsdrang gedrosselt ist – das bei ist, beruhigt sie sich und wendet heißt seit sie sich nicht mehr zu sie sich ab und wieder ganz ihren jeder Tages- und Nachtzeit mit und Gedanken zu. ohne Gewand unter die Dusche Ghaliyya, die uns immer nach unstellt. Jetzt ist sie willig und fügsam; serer Mittagspause auf dem Weg beim Spaziergang trottet sie hinter zur Station von ihrem Stammplatz der Gruppe her, murmelt Unver- vor dem Verandafenster freundlich ständliches vor sich hin und lächelt zugewunken hat, am liebsten mit dabei. Es ist unglaublich, wie sie aus ihrer braun-weißen Strickmütze sich herausgeht, wenn sie uns in der auf dem Kopf, musste ins Spital zu einer Untersuchung eingeliefert Laube etwas vortrommelt. Bei Alice hat sich Einiges geändert: werden. Ihr Zustand ist ernst und Sie hat gelernt einzusehen, dass es ist nicht sicher, ob und wann sie man Pampers auch ohne das direkte zurückkommt. 16 Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Das Kinderzimmer wird immer das Kinderzimmer bleiben, obwohl Shafiqa, Susu, Shadiyya, Halima und Ola längst keine Kinder mehr sind. Jeden Morgen gibt es eine Auseinandersetzung mit Shafiqa: Pampers oder nicht Pampers, das ist hier die Frage. Die Antwort hängt von Shafiqas Überredungskunst, dem Vertrauen in ihre Disziplin bzw. unserer Willensstärke ab. Pampers hin oder Pampers her, beim Spazierengehen beweist sie ihre Verlässlichkeit und mütterlichen Instinkte. Immer hat sie eine der habibtis an der Hand und lässt nicht los, bis das Ziel erreicht ist – ein Sitzplatz in der Laube und ein Becher Wasser. Ein Ärgernis ist ihr großes Repertoire an Schimpfwörtern, mit denen sie nicht hinterm Berg hält. Susus Fähigkeit, ihren Charme so einzusetzen, dass man ihr schwer böse sein kann, obwohl sie manchmal unsere Geduld auf eine harte Probe stellt, ist ungebrochen. Wenn Pilgergruppen die Station besuchen, ist sie voll und ganz in ihrem Element. Sie überbietet sich fast, wenn sie mit ihrer rhythmischtänzerischen Ein-Frau-Show im Rollstuhl, manchmal mit einer Decke auf den Knien, bei den Gästen Bewunderung auslöst. Shadiyya ist schon längst nicht mehr Susus Tanzpartnerin. Sie liegt nur mehr apathisch im Bett. Beim Essen schnalzt sie nach wie vor zwischen zwei Löffeln ein- bis zweimal mit der Zunge, manchmal gibt sie Zischlaute von sich wie in der guten alten Zeit. Halimas Wandertrieb hat mit der Zeit abgenommen, ihre Rastlosigkeit äußert sie durch NonstopKlatschen. An ihrem Beat kann man erkennen, ob sie sich wohlfühlt oder nicht. Wenn ihr alles gegen den Strich geht, öffnet sie ihr zweites Auge und quietscht dazu. Auch sie will ernst genommen werden und ihren Willen durchsetzen. ... beobachten Im Samir, Mahziyya und Rifqa das bunte Treiben lieber aus sicherer Entfernung. Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) 17 Bei Ola wissen wir nie, was der Tag mit ihr bringen wird. Ihr Verhalten erinnert an das englische Kindergedicht: „Wenn sie brav war, war sie sehr brav. Aber wenn sie böse war, war sie schrecklich.“ Diesmal haben sie mit ihrer Drohung Beit Emmaus für immer zu verlassen ernst gemacht: Im Amina und Amina (1) sind ausgezogen mit der festen Überzeugung, dass die Bedingungen zu Hause ihren Ansprüchen besser entsprechen. Mit Trauer haben wir gehört, dass Amina völlig unerwartet verstorben ist. Allah yarhamha! Im Amina ist mittlerweile in einem anderen Altersheim. Anfang Oktober kamen Clemence und Rawan zu uns – Mutter und Tochter. Entgegen der anfänglichen Fatma genießt die Ruhe in unserem Garten. 18 Hoffnung, sie könnten sich bei uns einleben, verließen sie uns nach einer Woche wieder. Ihnen, die die laute Geräuschkulisse von Ramallah gewohnt sind, war die Stille von Emmaus einfach zu viel... Zwei Wochen später kam Fatma nach Emmaus. Sie ist sehr ruhig und liebt unseren Garten. So denken wir, dass sie uns nicht so bald verlassen wird. Wenn wir in mezzoforte ansteigend bis fortissimo den Ruf „Habibtiii!“ hören, wissen wir, dass Amina (2) etwas braucht, etwas sofort braucht. In der Früh kann sie es nicht erwarten, „nach Pakistan“ geführt zu werden, während die anderen in den Garten (= bustan) müssen. Seit ihrem Spitalsaufenthalt hat sich Linda ihre eigene Welt aufgebaut. Sie ist sehr mitteilsam und würde uns gerne mit einbeziehen. Sie ist dann enttäuscht, dass nur selten jemand Zeit hat ihr zuzuhören – nicht nur aus Zeitmangel, sondern auch weil ihre Erzählungen für NichtEingeweihte unverständlich sind. Jamila hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, ob sie sich weiterhin der liebevollen Pflege à la Emmaus überlassen oder doch den Schritt ins Unbekannte, das ewige Leben, wagen soll. Wahrscheinlich haben ihr Müdigkeit und der Wunsch nach Veränderung die Entscheidung abgenommen und ihr den Abschied von uns erleichtert. Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Klein, unhörbar und wachsam, das war Najiwa. Sie war eine große Hilfe für die Nachtwache. Ganz leise ist sie aus dem Bett gestiegen, hat geprüft, ob alle Lichtschalter funktionieren, sich sorgfältig die für diesen Zeitpunkt passende Toilette ausgesucht, in der man sie dann finden musste. Es war ihr eine Genugtuung, wenn es ihr gelungen ist sich zu überzeugen, dass der Aufzug fahrtüchtig ist. Still und leise, wie es ihre Art war, ist sie dann doch alleine in den Lift gestiegen und hat die Fahrt ganz nach oben angetreten und uns mit der Erinnerung an sie zurückgelassen. Allah yarhamhun! Nahil liegt im Bett, ringt die Hände, manchmal hat sie sogar die Augen offen. Bei der nächtlichen Kontrolle merkst du, dass sie trotzdem schläft. Sie widersetzt sich den notwendigen Eingriffen mit ihrem ganzen Gewicht und ihrer ganzen Kraft. Wenn sie wieder zugedeckt ist, streckt sie die Hand nach dir aus, will dir etwas sagen. Ist es Dankbarkeit oder das Verlangen nach noch mehr Zuwendung, oder beides? Mufida braucht Kontinuität und Ordnung, alles hat seine Zeit, alles hat seinen unverrückbaren Platz. Da muss man schon einsehen, dass sie unerbittlich ist, wenn es um die Wahrung ihres Systems geht, und darf ihr wiederholtes Rufen nicht als Ungeduld werten, sondern schlicht als Schutzmaßnahme. Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Stella nutzt viel Zeit zum Nachdenken. Seit Anfang Juli gehört Mahziyya zu den habibtis. Es hat nicht lange gedauert, bis sie sich an ihre neue Bleibe gewöhnt hat. – Der Ruf nach ihrer Schwester Halima ist selten geworden. Wir versorgen sie gerne, erfreuen uns an ihren lustigen Augen und ihrem – für uns leider unverständlichen – Gebrummel und ihrem Dank „Yasallim idêki!“ (wörtlich: „ER segne deine Hände!“). Im Samir ist die Einzige, die bezüglich der medizinischen Pflege hier ihrer Skepsis lautstark Ausdruck verleiht. Ihr wiederholter Ruf nach der „Frau Doktor“ ist nicht zu überhören. Beflissen eilt man an ihr Bett. – „Was willst du?“ – Oft genügt es ihr, wenn ihr ein Nicht-Akademiker einen Becher mit Wasser reicht. Ganz still, bescheiden und dankbar gibt sich Margo. Sie freut sich, wenn sie helfen kann. – Sei es, dass 19 sie nach jedem Essen die Lätzchen reinigt und ordentlich wegräumt oder sich liebevoll um Alice kümmert, die diese Unterstützung sehr zu schätzen weiß. Ungern geht sie ins Bett, wendet ihre ganze Überredungskunst an, um die Schlafenszeit hinauszuzögern. Lieber schläft sie in einer unbequemen Stellung im Salon als im Bett. Anfang Juli ist Muna zu uns gekommen. Sie ist 40 Jahre alt, hat Multiple Sklerose und einen Mann mit zwei Kindern in Bethlehem. Wir haben sie sofort ins Herz geschlossen. Sie freut sich über jede Zuwendung und Dienstleistung und lächelt uns mit ihren großen, sprechenden Augen dankbar an. Es bedrückt uns, dass wir so wenig beitragen können, um ihr tragisches Los zu erleichtern. Aus Rifqas Reise nach Amerika ist nichts geworden. Trost sind ihr die regelmäßigen Besuche ihrer Tochter Susi. Wir freuen uns auf Freitag, wenn Susi kommt, denn sie bringt Herzlichkeit und Leben auf die Station. Für sie, die aus Nablus kommt, und ihre Schwester aus Jerusalem bietet sich Beit Emmaus als guter Treffpunkt an. Aufgrund der Einreiserestriktionen ist es schwierig, unmöglich für die beiden sich außerhalb der Westbank zu sehen. Dann bemühen sich ihre beiden Töchter, mitunter auch Rifqas Enkel, um ihr Wohlergehen. Nachtdienst, das Licht wird aufgedreht. Du kommst in ihr Zimmer, noch im Halbschlaf legt sie provokant ihre Hand auf ihren voluminösen Bauch, du näherst dich ihrem Bett, mit der zweiten Hand schützt sie die andere Hälfte ihres Bauches, lautes Wehgeschrei ertönt: „Yemma!“ Dann sie schaut dich mit beiden Augen an. Im Marwan ist bereit zum Kampf. Sie setzt all ihre Kräfte ein, um dich daran zu hindern, ihre alte Schutzhose mit einer frischen zu vertauschen. Sie darf sich alles leisten und nützt das weidlich aus. Man ist immer bereit ihr zu verzeihen. Schließlich ist sie schon über hundert Jahre alt. Nicht immer ist es leicht, Sitt Salwas Wünschen gerecht zu werden. Sie leiWarda bei einer ihrer Lieblingstätigkeiten: Dösen. 20 Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) det unter ihrer Hilflosigkeit und Abhängigkeit, die sie davon abhalten, selbständig für ihre verschiedenen Sonderwünsche zu sorgen. Trost und Ablenkung scheint sie beim Hören von Musik, hauptsächlich Mozart, zu finden. Im Issa ist eine der Zielpersonen von Na’ma (1). Geduldig und gefügig unterwirft sie sich ihrem unerbittlichen Diktat. Eigentlich würde sie gerne den Großteil des Tages in ihrem Bett liegend und schlafend verbringen. Sr. Maksi erweist sich ebenfalls als Störfaktor in Im Issas Streben nach Ruhe. Mit der für sie typischen Strenge besteht sie darauf, dass Im Issa zumindest vormittags in den Garten geht. Still, ergeben und unauffällig sitzt sie dann in der Laube. Su’ad kann sich so richtig freuen und will uns an ihrer Freude teilhaben lassen. Aber wenn es „Auf in den Garten“ heißt, ist es aus mit ihrer Freude. Sie protestiert mit aller Vehemenz. Schon auf der Treppe scheint sie ihre Meinung geändert zu haben und wenig später sieht man sie, wie sie zufrieden mit sich und der Welt im Garten selbständig ihre Runden dreht. Bei Noël ist alles so, wie es immer war. Sie legt viel Wert auf ihre Kleidung, weiß alle Geburtstage der Schwestern und Volontärinnen, der Volontäre und spielt für die Jubilarin, den Jubilar „Happy Birthday“ Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Muna erfreut uns mit ihrem fröhlichen Lachen. auf dem Klavier. Für ihr Leben gern isst sie Leberwurst. Weder ihr selbst noch einem von uns gelingt es, ihre session (also die Stimmen, die sie hört) dauerhaft zu vertreiben. Ihr oft hilfloser Gesichtsausdruck verrät, wie sehr sie darunter leidet, ständig verfolgt zu werden. Vieles ist gleich geblieben – hamdullilah – Einiges hat sich verändert, ist neu. Eine einzige Sache ist jedoch seit jeher unverändert geblieben, es scheint unvermeidlich: die Tatsache, dass es jeder der habibtis immer wieder aufs Neue gelingt, uns auf ihre ganz besondere Art und Weise ans Herz zu wachsen. Deswegen setzen wir uns gerne für sie ein und haben Freude an unserer Arbeit. – Renate Boldizsar (Wien) Volontärin in Beit Emmaus 21 Wirf dich in die Arme Gottes S trebe nach dem Ziel und hab Vertrauen! Mögen alle Leiden über dich hereinstürzen: Wirf dich in die Arme Gottes! Vertraue auf ihn; er vermag ja alles und liebt dich am meisten. Vertrauen! Vertrauen! Vertrauen! Vertrauen!” Dieser Satz stammt aus dem Tagebuch unseres Ordensgründers Pater Jordan. Er macht deutlich, dass Vertrauen für ihn ein ganz wichtiges Wort ist. Eigentlich ist es für ihn nicht nur einfach ein Wort, sondern eine Lebensweise. Er hat sein Leben auf sein Gottesvertrauen und sein Vertrauen in die göttliche Vorsehung aufgebaut. Mit diesem Vertrauen gelang es ihm, unsere Ordensgemeinschaft zu gründen – allen Hindernissen zum Trotz. Auch in schwierigen Zeiten half es ihm dabei, seine Arbeit fortzuführen. Ein konkretes Beispiel aus der Anfangszeit des Ordens fällt mir hierzu ein: Damals war oft das Geld knapp, aber Pater Jordan vertraute stets darauf, dass alles gut würde. Und eines Tages bekam die Gemeinschaft gerade so viel Geld geschenkt, wie sie brauchte... In sein Tagebuch schrieb Pater Jordan: „Alles so einrichten, dass es dem Zweck, tüchtige Mitglieder heranzubilden, möglichst entspricht, 22 im festen und unerschütterlichen Vertrauen darauf, dass Gott auch die nötigen Mittel schickt!“ Diese Zeiten der existenziellen finanziellen Nöte sind freilich lange vorbei. Doch ich denke, dass wir uns dennoch bis heute durch die Geisteshaltung von Pater Jordan inspirieren lassen können. Denn auch in der heutigen Welt sind wir oft darauf angewiesen, zu vertrauen. Das bedeutet nicht, dass wir selbst nichts tun müssen. Auch Pater Jordan hat viel gearbeitet und nicht alles einfach auf sich zukommen lassen. Aber sein Vorbild kann uns dabei helfen, unsere eigene Geisteshaltung und Lebensweise zu hinterfragen und vielleicht hier und da ein wenig zu ändern. Die Worte aus dem Tagebuch erinnern mich auch an einen Text aus dem Evangelium: „Und Jesus sagte zu seinen Jüngern: Deswegen sage ich euch: Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, dass ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, dass ihr etwas anzuziehen habt. Das Leben ist wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung. Seht auf die Raben: Sie säen nicht und ernten nicht, sie haben keinen Speicher und keine Scheune; denn Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Gott ernährt sie. Wie viel mehr seid ihr wert als die Vögel! Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern? Wenn ihr nicht einmal etwas so Geringes könnt, warum macht ihr euch dann Sorgen um all das übrige? Darum fragt nicht, was ihr essen und was ihr trinken sollt, und ängstigt euch nicht! Denn um all das geht es den Heiden in der Welt. Euer Vater weiß, dass ihr das braucht. Euch jedoch muss es um sein Reich gehen; dann wird euch das andere dazugegeben. Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ (Lk 12,2226.29-32) Auch Jesus meint nicht, dass wir nichts tun müssen. Er hat nichts dagegen, dass wir für die Zukunft vorsorgen. Jesus wendet sich vielmehr gegen die alltäglichen Sorgen, die uns ständig beschäftigen, die unser ganzes Denken blockieren, uns Angst machen und nicht einschlafen lassen... Der Evangeliumstext will uns dabei helfen, anders mit solchen Sorgen umzugehen. Er spricht unsere Vernunft an und wirft Fragen auf: Kannst du dein Leben mit Sorge verlängern? Was ist wichtiger: das Leben oder das, was ihr esst oder wie ihr euch kleidet? Oder mit anderen Worten: Wie viel Zeit – Lebenszeit – kostet mich die Sicherung meines Lebensstandards? Sorge ich Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) mich um dessen Verlust und setze ich alles daran, um meinen Besitz zu mehren? Oder lebe ich? Die heutige Zeit gibt uns leider allzu oft Anlass zur Sorge und bringt uns dazu, alles selbst in die Hand nehmen, festhalten zu wollen. Auch ich ertappe mich immer wieder dabei. Aber ich denke, dass uns sowohl die Worte Jesu als auch die Pater Jordans aufrufen, diese Geisteshaltung zu überdenken und mehr darauf zu vertrauen, dass ein gutes und relativ sorgenfreies Leben möglich ist. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott für uns da ist und uns das schenkt, was wir brauchen und wann wir es brauchen. – Sr. Maya Verdonck SDS (Pitten/Niederösterreich) absolviert ein Pflegepraktikum in Beit Emmaus 23 Emmaus-Chronik D as Neueste aus der EmmausGemeinschaft... Mai Der Großteil der Schwesterngemeinschaft zieht sich für acht Tage zurück, um in Abu Ghosh unter der Leitung von Dr. Wilhelm Bruners die Jahresexerzitien zu machen. Renate Boldizsar aus Wien war schon vor einigen Jahren Volontärin in Beit Emmaus. Wir freuen uns, dass sie erneut für ein halbes Jahr zu uns kommt. Außerdem bekommen unsere Gartenarbeiter mit Volontär Thomas Balk für vier Monate eine tüchtige Hilfe. Unsere Nervosität steigt, als auf der einzigen Straße zwischen unseren Dörfern und Jerusalem ein Tor angebracht wird. Noch ist es offen und keiner der israelischen Soldaten kann oder will uns den Grund dieses neuen Hindernisses erklären – vielleicht wissen sie es auch nicht. Juni Die Urlaubszeit hat begonnen: Sr. Maksymiliana Gołąbek und Sr. Melitta Kaufmann fliegen heim zu ihren Familien, andere nutzen die Ruhe in unserem Garten, um zu entspannen und neue Kräfte zu tanken. Allzu viel Ruhe gibt es jedoch nicht, da im Juni wieder viele große und kleine Pilgergruppen zu uns kommen, über deren Besuch wir uns sehr freuen. Ein besonderes Geschenk für die Gemeinschaft ist der Besuch von Die Umgehungsstraße – für die Menschen aus Qubeibe und Umgebung der einzige Weg nach Ramallah und Jerusalem – erinnert mit ihren meterhohen Betonmauern an einen Schützengraben. 24 Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Miloslav Kardinal Vlk, dem emeritierten Erzbischof von Prag und Primas von Böhmen. Mit ihm kommen Dr. Andrea Pichlmeier, Bernd Mussinghoff aus dem Jerusalembüro des DVHL sowie Br. Andreas Remler OSB aus dem Stift Göttweig (Nie- Kardinal Vlk erzählt bei seinem Besuch von seiner beeindruckenden derösterreich). Ge- Lebensgeschichte als Priester unter dem kommunistischen Regime. ist zwecklos. – Von nun an müssen meinsam feiern wir Eucharistie. Wir sind tief beein- auch wir Ausländer uns mit der hardruckt von der Lebensgeschichte ten Realität des Qalandiya-Checkdes Kardinals, der trotz aller Unwäg- points nahe Ramallah abfinden, den barkeiten und Hindernisse, die das die meisten Palästinenser schon seit Leben unter dem kommunistischen Jahren benutzen müssen, um nach Regime mit sich brachte, nie seine Ramallah oder Jerusalem zu gelangeistliche Berufung aus den Augen gen. Dadurch wird praktisch jede Fahrt zu einem unberechenbaren verlor. „Die Straße ist zu – für immer!“ – das Abenteuer. ist er aufgeregte Anruf von unserem Sr. Hildegard informiert die österKoch Abu Majid, der auf dem Weg reichische Botschaft in Tel Aviv sonach Jerusalem mit dieser harten wie das Außenministerium in Wien Realität konfrontiert wird. Sofort über die Lage. Auch das deutsche fährt Sr. Hildegard Enzenhofer ge- Vertretungsbüro in Ramallah wird meinsam mit Sr. Thoma Metten von eingeschaltet. Es beginnen Gespräden Borromäerinnen in Qubeibe che auf höchster diplomatischer zum nun geschlossenen Tor, um Ebene. Gleichzeitig nehmen Sr. Hilvon den Soldaten eine Begründung degard und Sr. Thoma über einen für diesen Schritt zu erfahren und Rechtsanwalt Verhandlungen mit ihre Solidarität mit den verzweifel- den israelischen Militärbehörden ten Palästinensern auszudrücken. auf. Erstes Ergebnis dieser mühsaDoch jeder Verhandlungsversuch men Gespräche: Einigen Personen Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) 25 soll erlaubt werden, ein Sicherheitstor bei Jib (zwischen Nabi Samuel und der Siedlung Giv’at Ze’ev) zu benutzen, wodurch sich der Umweg wenigstens etwas verkürzt. nuel Spohn, unseren Volontärinnen Verena Gantner, Lisa Richter und Teresa Blum sowie Volontär Dominik Kern. Danke euch allen für eure tatkräftige Hilfe und viel Erfolg bei eurem Studium. Juli Das internationale Kammermusik- August festival „Sounding Jerusalem“ ist im Am 10. August beginnt der RamaSommer zwei Wochen in Jerusalem dan – freilich nicht plötzlich, denn und Umgebung auf Tournee. Für schon Wochen vorher wird davon ein Konzert kommen die mehr als geredet. Es werden keine neuen 40 Musiker aus verschiedenen Län- Arbeitsprojekte begonnen und in dern auch in den Garten von Beit den Geschäften sowie an StraßenEmmaus. Unter dem Motto „Getting ständen werden all die Speisen together“ sitzen nicht nur die Mit- angeboten, die es nur während des glieder der Hausgemeinschaft und Fastenmonats zu kaufen gibt. die ein oder andere Heimbewoh- Wer sind „die Neuen“, das ist wie nerin im Publikum, sondern auch jedes Jahr die spannende Frage. Am über 200 Menschen aus dem Dorf 24. August kommen sie endlich: sowie eine internationale Gruppe Lisa Wilms, Lisa Kirchgäßner, Tamaaus Ramallah. ra Gropper, Florian Bittlmayer und Flora Pszon und Kamila Dymek aus Daniel Häger werden für ein Jahr Polen helfen uns für einige Wo- Teil unserer Hausgemeinschaft sein. chen nicht nur bei der Arbeit, sondern bringen durch ihr Lachen und ihre Fröhlichkeit auch viel Leben in die Hausgemeinschaft. Auch die Sprachenvielfalt ist bunter geworden. Die Sommermonate sind die Zeit des Abschieds von unserem Zivi Ma- Die Musiker von „Sounding Jerusalem“ proben für ihr Konzert in Emmaus. 26 Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Sr. Waltraud verstärkt die Hausgemeinschaft unter anderem in der Küche. Euch ein herzliches Willkommen. Gleichzeitig nehmen wir auch Abschied von unserem Zivi Florian Simon. In seiner Abschiedsvesper gibt er der neuen Freiwilligengeneration viele ermutigende Worte mit auf den Weg. Auch dir, lieber Florian, ein großer Dank für deine Hilfe und viel Erfolg für dein Studium. Einige Tage später trifft mit Sr. Waltraud Mahle aus Österreich und Sr. Maya Verdonck aus Belgien auch eine „Verstärkung“ für die Schwesterngemeinschaft ein. Sr. Maya ist Novizin und die drei Monate, die sie bei uns verbringt, sind Teil eines internationalen Praktikums. Sr. Waltraud arbeitete vorher als Pastoralassistentin und wird uns mit ihren vielfältigen Begabungen eine große Hilfe sein. Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Schließlich heißen wir mit MarieChristine Buske und Lukas Daum auch zwei Schüler der Katholischen Bildungsstätte Mönchengladbach in unserer Gemeinschaft willkommen, die hier ihr Krankenpflegepraktikum absolvieren. Immer wieder freuen wir uns, wenn ein Priester für den Sonntagsgottesdienst zu uns kommt. Zweimal ist nun P. Felix Körner SJ bei uns. Er ist Islamwissenschaftler an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und hält Vorlesungen beim Theologischen Studienjahr in Jerusalem. Mit ihm kommt auch die Studiendekanin Prof. Dr. Margarete Gruber OSF. Auch das Blutdruckmessen ist ein Teil der Gesundheitswochen an unserer Pflegeschule. 27 Unsere Pflegeschule wächst von Jahr zu Jahr. In den Sommermonaten bieten wir zum zweiten Mal Gesundheitswochen an, durch die das Interesse am Pflegeberuf geweckt und ein Gesundheitsbewusstsein entwickelt werden sollen. Insgesamt nehmen 84 junge Menschen teil. September Im September bekommt Sr. Hildegard Enzenhofer für ihr Engagement in Beit Emmaus von Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer das Goldene Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich verliehen. Jennifer Röll, Stefanie Robertz und Galina Konstantinova sind die drei Krankenpflegeschülerinnen der St.Elisabeth-Akademie in Düsseldorf, die im September ihr sechswöchiges Praktikum bei uns antreten. Landeshauptmann Dr. Josef Pühringer verleiht Sr. Hildegard das Goldene Verdienstzeichen des Landes Oberösterreich. Sr. Therese-Marie Weissensteiner geht für einige Tage nach Nazareth, um die Ursachen für ihre Kreuzschmerzen untersuchen zu lassen. Wir freuen uns, dass sie bald wieder bei uns ist und es ihr besser geht. Die Arbeit in der Küche hatte in ihrer Abwesenheit Sr. Waltraud übernommen. Mit Krankenpfleger Frederik Mönkediek, der als Zivi auf Station arbeiten wird, ist die diesjährige Volontärsgeneration komplett. Auch dir ein herzliches Willkommen in Emmaus. Gruppenbild der Jubilare: Nasser, Amna und Khaled. 28 Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Oktober Mit dem Start des akademischen Jahres beginnen 23 junge Männer und Frauen ihr Studium an unserer Pflegeschule. Außerdem freuen wir uns, dass wir dank einer großzügigen Spende den Bestand der Bibliothek um wichtige Fachbücher erweitern können. Seit 37 Jahren sind die Salvatorianerinnen nun in Beit Emmaus. Mehr als die Hälfte dieser Zeit wurden sie dabei von Hausmeister Nasser Zahran sowie den Küchenhilfen Amna Taha und Khaled Mathour unterstützt, die ihr 20-jähriges Dienstjubiläum feiern. Zu diesem Anlass gibt es ein großes Grillfest mit ihren Familien und der ganzen Hausgemeinschaft. ﺷﻜﺮﺍ ﺟﺰﻳﻼ ﻟﻮﺟﻮﺩﻛﻢ ﻣﻌﻨﺎ ﻭﻟﻌﻤﻠﻜﻢ ﺍﻟﺮﺍﺌﻊ ﺧﻼﻝ ﺍﻟﺴﻨﻮﺍﺕ ﺍﻟﻌﺸﺮﻭﻥ ﺍﻟﻤﺎﺿﻴﺔ ﻭﻧﺘﻤﻨﻰ ﻟﻜﻢ ﺩﻭﺍﻡ .ﺍﻟﺼﺤﺔ ﻭﺍﻟﺘﻮﻓﻴﻖ Eine Woche später gibt es einen weiteren runden Ehrentag zu feiern: Der Aachener Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff kommt mit seiner Familie und seinen Mitarbeitern, um in Beit Emmaus seinen 70. Geburtstag zu begehen. Unsere Volos schmücken die Waldkapelle und gestalten mit ihren Instrumenten eine beeindruckende Messe. Zum anschließenden Festmahl gibt es Maqluba und Sr. Theres’ herrlichen Apfelstrudel. Lange haben wir auf sie gewartet, am 18. Oktober kommt sie schließlich: die neue Stationsleiterin Martina Kaupen, die uns nun für Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) drei Jahre mit ihrer Erfahrung und Professionalität unterstützen wird. Wir wünschen dir eine gute und gesegnete Zeit in unserem Haus. Bevor sich Martina nun noch etwas ausführlicher vorstellt, möchten wir uns an dieser Stelle für die vielfältige Unterstützung in diesem Jahr herzlich bedanken und euch und Ihnen allen eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit wünschen. 29 Auf welchen Wegen ich auch gehe… Nachdem im Januar die Dienstzeit von Judith Simons zu Ende ging, ist im Oktober ihre Nachfolgerin Martina Kaupen angekommen. Schon vor ihrer Ankunft hat sie sich vorgestellt. „Gleich, wo ich bin, auf welchen Wegen ich auch gehe; ich darf darauf vertrauen, dass ich gehalten werde. Geborgen ist mein Leben bei Gott; er hält seine Hand schützend über mir.“ – Dieser Spruch, den ich in der Bibliothek der Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede entdeckt habe, beschreibt ganz gut die Gedanken, die mir in den letzten Tagen und Wochen durch den Kopf gegangen sind. Noch einige Tage wohne ich im Sauerland und werde dann für drei Jahre die Stationsleitung in Beit Emmaus übernehmen. Ich bin noch hier, aber nicht mehr ganz – und ich bin noch nicht dort, aber meine Gedanken schon. Ich möchte mich kurz vorstellen und freue mich, euch alle bald zu treffen und kennen zu lernen. Mein Name ist Martina, ich bin 50 Jahre alt, verheiratet und habe einen erwachsenen Sohn. Ich bin gelernte Krankenschwester und habe zuletzt in einem Hospiz in Dortmund gearbeitet. Auf der Suche nach beruflicher Veränderung und dem Wunsch 30 für einige Zeit im Ausland zu arbeiten, las ich zufällig die Stellenausschreibung für Beit Emmaus. Nach einigen Überlegungen mit meinem Ehemann Robin und mit meinem Sohn Johannes entschied ich mich dazu, für drei Jahre nach Palästina zu gehen. Eine berufliche und auch persönliche Herausforderung! Neben der Kranken- und Altenpflege sowie der Begleitung sterbender Menschen ist das Wandern, das Unterwegssein ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens. Wandern kann wandeln. – Vielleicht bin ich deshalb so gerne in der Natur: weil ich es mag, wenn sich etwas wandelt. Wenn sich etwas verändert, wenn ich mich auch verändere. Jedes Wandeln, jeder Aufbruch macht aber zuerst auch Angst. Altes, Vertrautes muss abgebrochen werden. Und während ich abbreche, weiß ich noch nicht, was auf mich zukommt. Aber in jedem Aufbruch steckt auch die Ahnung von etwas Neuem, nie da Gewesenem. Vor vielen Jahren sagte meine Mutter zum Abschied zu mir: „Geh mit Gott, aber geh!“ – Was für ein schöner Abschiedsgruß. Damals ging ich für einige Zeit nach Israel, um in einem Kibbuz zu arbeiten – mein erster Kontakt mit dem Heiligen Land. Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Es vergingen viele Jahre, bis ich diesen Abschiedsgruß meiner Mutter richtig verstanden und lieben gelernt habe; ich machte meine eigenen Erfahrungen mit dem Leben. Einen Menschen, den man liebt, gehen zu lassen, zu wissen, dass Gott seine schützende Hand über ihn hält und ihn auf allen Wegen und Umwegen begleitet, ist ein wichtiger Schritt im Leben. Dafür bedarf es Vertrauen – auf den anderen und auf Gott. Gerade während meiner letzten Tätigkeit, der Arbeit in einem Hospiz, habe ich dieses Vertrauen, aber auch das Abschiednehmen in vielfältiger Weise erfahren. „Schöpfe aus dem Alten, hab Mut für das Neue.“ – Dieser Text auf einer der vielen Verabschiedungskarten, die ich anlässlich meiner bevorstehenden Ausreise erhalten habe, hat mich besonders beeindruckt. – Ja, ich schaue dankbar auf das zurück, was ich von Familie, Lehrern und Freunden empfangen und gelernt habe. Ich bin dankbar für meinen Sohn Johannes und meinen Mann Robin, die mich vertrauensvoll unterstützen und mir meine Heimat in Arnsberg erhalten. Ja, ich habe Mut und freue mich auf das Neue, auf Beit Emmaus, auf die gesamte Hausgemeinschaft und die Zusammenarbeit mit Sr. Hildegard, die mich schon in meiner Vorbereitungszeit vertrauensvoll begleitet hat. Danke dafür! Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010) Ich freue mich auf meine neue Arbeit, auf die neuen Aufgaben und Herausforderungen, auf das Land und auf die Menschen, auf viele spannende Begegnungen, auf das leckere Essen – und bei den derzeit gefühlten Minustemperaturen hier im Sauerland auch auf die Sonne. „Gleich, auf welchen Wegen ich auch gehe...“ – Dieses Vertrauen auf Gott heißt für mich, achtsam meinen Weg zu gehen, begleitet und beschützt, und auch entgegen anderer Meinungen dem Ruf zu folgen. In diesem Sinne heißt es bei Novalis: „Wohin denn gehen wir? Immer nach Hause!“ Bis bald in Beit Emmaus! – Martina Kaupen (Arnsberg/Nordrhein-Westfalen) Stationsleiterin 31 Kontakt/Impressum Schwestern Salvatorianerinnen Beit Emmaus P.O.B. 31977 Jerusalem IL-91319 Telefon: 00972/2/2473622 Telefax: 00972/2/2473623 Mobil: 00972/505/337101 E-Mail: [email protected] [email protected] Internet: www.salvatorianerinnen.at Deutscher Verein vom Heiligen Lande Generalsekretariat Steinfelder Gasse 17 D-50670 Köln Telefon: 0049/221/135378 E-Mail: [email protected] Telefax: 0049/221/137802 Internet: www.heilig-land-verein.de Missionsprokura der Salvatorianerinnen Kontonummer: 0152 003 353 BLZ: 370 502 99 Kreissparkasse Köln IBAN: DE29 3705 0299 0152 0033 53 SWIFT: COKSDE33 Kongregation der Salvatorianerinnen – Mission Haus Emmaus Kontonummer: 259648 BLZ: 19190 Bankhaus Schellhammer & Schattera Wien IBAN: AT29 1919 0000 0025 9648 SWIFT: BSSWATWW Emmaus-Wege erscheint zweimal jährlich. Herausgeber: Hausgemeinschaft Beit Emmaus/Qubeibe Redaktionsleitung: Sr. Hildegard Enzenhofer SDS, Stefan Polt Ausgabe 17 (Herbst 2010), 9. Jahrgang Die Redaktion dankt all denen, die durch ihren persönlichen Einsatz zum Gelingen dieser Ausgabe beigetragen haben. 32 Emmaus-Wege 17 (Herbst 2010)
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