KNOW-HOW Bessere Kundenzufriedenheit und mehr Markentreue bei OTC Marke mit Überraschungsmomenten K Es gibt für jede Herausforderung ... undenzufriedenheit und Kundenbindung sind durch Erwartungen an eine Marke und das reale Markenerleben bestimmt. Um Kunden an eine Marke zu binden, genügt es nicht sie zufriedenzustellen. Kunden müssen zumindest ein klein wenig ins Staunen versetzt werden – immer wieder von neuem. Emotional positiv überraschte Kunden sind tendenziell markentreue Kunden. Das Kano-Modell priorisiert (Un-)Zufriedenheitsattribute im Zeitverlauf und ordnet jeden Kunden einem Zufriedenheitssegment zu. Dadurch sind Handlungsempfehlungen ableitbar, wodurch gerade überfrachtete OTCMärkte profitieren. >> Kundenbeziehungsmanagement spielt durch die zunehmende Bedeutung der Selbstmedikation eine immer größere Rolle. Um die Attraktivität einer Marke im verwirrenden Marken-Dschungel langfristig zu sichern, darf sich ein Markenstratege nicht alleine auf Wiedererkennbarkeit und das Produkt an sich verlassen. Zahlreiche Marktforschungsstudien von K&A und anderen Instituten zeigen auf, dass der Typus des loyalen Kunden immer seltener wird. Auch das OTC-Segment erfasst zunehmend dieser Trend. sein, wenn schlechte Erfahrungen wesentlich häufiger kommuniziert werden als zufriedenstellende. Die Konsequenz von negativen Word of Mouth: Vormals markentreue Kunden brechen mit ihrer Routine und kehren ihrer bisherigen Nr. 1 den Rücken zu. Die Gründe der Fremdmarkenverlockung kennen wir selbst als einkaufende Verbraucher nur zu gut. Auch im OTC-Segment wecken vielfältige Sonderaktionen in den Apotheken unsere Aufmerksamkeit. Vor allem Preisnachlässe sowie innovative Versprechen sind es, die uns immer wieder auf andere Marken neugierig machen. Was ist also zu tun, um Abwanderung zu vermeiden oder gar Kunden zu gewinnen, und die Neuund Bestandskunden besser an die Marke zu binden? Diese Frage ist für den Hersteller von zentraler Bedeutung, weil die Stärke der Kundenbindung dem Unternehmenserfolg zuspielt. Hilfreich ist hierbei das Kano-Modell, das seinen Namen der Theorie von Noriaki Kano, einem emeritierten Professor der Tokyo University of Science, verdankt. Grundannahme seiner Kundenzufriedenheitsthesen ist das Konfirmations- bzw. Diskonfirmations-Paradigma. Einfach ausgedrückt liegt die Annahme zugrunde, dass unbewusster Erwartungs- und Erfahrungsabgleich durch den Betrachter (= Patient, Apotheker, Arzt) stattfindet. Kunden vergleichen also ihre Erwartungen an eine Marke (Soll) mit der gemachten Erfahrung (Ist). Ergebnis des Abgleichs sind positive oder negative Emotionen und in deren Folge Handlungen, wie Wiederkauf oder Abwanderung. ... eine ausgezeichnete Lösung. Das Kano-Modell der Kundenzufriedenheit im OTC-Sektor Neben Austauschbarkeit und Desinteresse hat die Ausprägung der (Un-)Zufriedenheit eines Kunden fast immer eine reversive Handlung zur Folge. Unzufriedenheit mit einer Marke oder einem Service, aber auch die Verlockung durch das Konkurrenzangebot, kann dazu führen, dass Kunden eine andere OTC-Marke priorisieren. Auch kann sich der Frust über eine Marke über Beschwerden äußern. Diese Reaktion lässt im Gegensatz zu stumm-frustrierten Kunden durchaus noch Handlungsspielräume für Complaint-Management offen. In Eigenstudien (2014) konnten wir die zentrale Bedeutung der Mundzu-Mund-Werbung für das Markenerleben aufzeigen. Dieses Word of Mouth kann aber auch wegen der subjektiv-persönlichen Einfärbung der Markeninformation bedrohlich Abb. 1: Der K&A-Staunen-Index für Beruhigungsmittel im OTC-Bereich. pharma R E L AT I O N S 05/16 35 KNOW-HOW Abb. 2: Integriertes Kano-Modell für verstärkte Bindungsbereitschaft an Marken. Auf OTC-Produkte übertragen lässt sich der Kano-Ansatz am einfachsten an einer Kaufsituation in der Apotheke veranschaulichen. Der Kunde nimmt ein bestimmtes Produkt am Point of Sale (POS) wahr, ungeachtet ob mit oder ohne Kaufabsicht. Der Apothekenkunde hat gewisse Erwartungen an ein Angebot oder an den damit verbundenen Service, wie z.B. die Beratung. Verglichen wird nunmehr sein bisheriges Markenerleben mit seiner Erwartung. Vereinfacht ausgedrückt gibt es nach Kano drei Anforderungsdimensionen an eine Marke: • die Basisanforderungen (MustBes), • die Leistungsanforderungen und • die Begeisterungsanforderungen (Delights). Bezüglich der unabdingbaren Basisanforderungen kommt es zur Enttäuschung, wenn die kognitive und emotionale Erfahrung die Mindesterwartungen an eine Marke nicht erfüllt, untererfüllt oder gänzlich enttäuscht (z.B. unfreundliche Apothekenberatung). Falls die Dissonanz zwischen Erfahrung und 36 pharma R E L AT I O N S 05/16 Erwartung an eine Marke überwunden wird und eine Je-mehr-destobesser-Befriedigung erfolgt (z.B. Kompensation über mehrere Gratisproben), mag ein Kunde wieder zufriedener sein. Das bedeutet aber noch lange keine stärkere Markenbindung. Werden die Erwartungen wider Erwarten übererfüllt, dann kommt es zu Begeisterung (delight), mit der zumindest hypothetischen Folge einer stärkeren Kundenbindung. Im Konzert mit einer leicht dekodierbaren Marken-Story sind es also die überraschenden Impulse, die den Apothekenkunden zur neugierigen Beschäftigung mit einer Marke veranlassen. K&AEigenstudien zum Markenerleben und Touchpoint-Management fanden heraus, dass die Aufmerksamkeit der Kunden besonders auch bei OTC-Medikamenten weit mehr von emotional relevanten MarkenSignalen als rationalen Botschaften beeinflusst ist. Leider gelingt es nur wenigen Marken in den unterschiedlichen Indikationen über Key Visuals, Farbcodes, Schriftzüge oder Botschaften so zu überzeugen, dass Markenelemente merkwürdig genug sind und Orientierung für spätere Entscheidungen liefern. Markentreue Kunden sind staunende Kunden Auch Kundenzufriedenheit ist letztlich ein Ergebnis emotionaler Zustände. Sie unterscheidet sich je nach Markenattribut individuell und kann sehr kurzlebig sein. Apotheken und Drogeriemärkte kennzeichnet heute bereits ein sich rapide ausdehnendes Universum an rezeptfreien Marken, wie beispielsweise Kosmetika, Hygieneartikel, Medikamente, u.v.a. Die Gefühlswelten der Entscheider beim Einkauf, ihre Erfahrungen und Erlebnisse daheim (nach Einnahme) sowie ihre Intentionen, ihre Erfahrungen anderen Menschen mitteilen zu wollen (Word of Mouth), müssen in den Mittelpunkt des Blickwinkels von Markenstrategen rücken, um Kunden für die Marke zu gewinnen und zu binden. Positive Emotionen lösen OTCMarken dann aus, wenn Wiedererkennbarkeit im Sinn von „das Prä- parat kenne ich, das hat geholfen“ (Fluency-Effekt) ausgelöst wird oder aber eine glaubwürdig-positive Empfehlung ausgesprochen wird. Letzteres kann über Apotheker/PTA im direkten Face-to-FaceKontakt geschehen oder aber über vermeintliche „Experten“ auf digitalen Kanälen (sog. „Influencer Marketing“). Ohne solche Dekodierungen ist ein „low-level-delight“ für OTC-Produkte realistischer, was Kundenzufriedenheit und Markenbindung in OTC-Märkten anbelangt. Es sind oft die kleinen Dinge, die uns hinsichtlich positiver Markenbewertung bewegen. Wer kennt nicht das Gefühl einer staunenden Aufmerksamkeit, wenn eine freundliche Apothekenberatung das Einkaufstütchen mit Kosmetikproben anstelle der schon obligatorischen Papiertaschentücher füllt. Oder das Mitteilen (Sharing) positiver Erfahrungen mit einer Medikation, was einer Bestätigung, Garantie oder gefühlten „Absolution“ gleich kommt? Schon Anfang des 20. Jahrhunderts hat der Emotionstheoretiker William McDougall Staunen als eine Emotion eingeordnet, die quasi als Affekt aus unerwarteten Eindrücken resultiert. In zahlreichen Studien konnten wir nachweisen, dass Staunen, als notwendige Vorstufe für Begeisterung, einen wichtigen Effekt auf die Kundenbindung bei OTC-Marken hat (vgl. Abb. 1). Am Beispiel des Indikationsbereichs Schlaflosigkeit/nervöse Unruhe lässt sich darstellen, wie eine Marke (hier: „Calmvalera“ von Hevert-Arzneimittel) im Vergleich zum Gesamtmarkt scort. „Calmvalera“ weist positive Effekte (gegenüber der Gesamtmarkt-Erwartung) im Bereich Staunen, Markenpräsenz, -verbundenheit und -zuneigung auf. Allerdings geraten insbesondere der Zeitgeist und die Preiswürdigkeit ins Hintertreffen. Der Staunen-Index von „Calmvalera“ ist auch bei „Baldriparan Nacht“ vergleichsweise stark ausgeprägt, wohingegen insbesondere „Lioran“ beim Staunen Defizite aufweist. Der Staunen-Faktor ist märkteund indikationsübergreifend stets schwächer ausgeprägt als andere KNOW-HOW / NEWS Dimensionen der Markenstärke. Umso wichtiger ist aber ihre Bedeutung für das Zustandekommen wesentlicher BrandKey-Dimensionen generell (Abb. 1). Schwieriger wird es im OTCSektor mit dem Staunen als Bindungsdimension. Es handelt sich also generell um die Frage, wie eine Marke erlebt wird (Ist) und was sich der Kunde von ihr erwartet (Soll). Ausgehend vom Kano-Modell wird die Erwartung nach Attributen erfasst und in Beziehung zum bisherigen Markenerleben (inkl. Staunen-Faktor) gesetzt. Anders ausgedrückt liegt die Kunst darin, vom Markenauftritt an den Touchpoints Impulse ausgehen zu lassen bzw. vorhandene Markenimpulse derart zu verstärken, dass Kunden positiv überrascht werden und immer wieder ihre Neugierde emotional-intuitiv für eine Marke geweckt wird. Das kognitive und emotionale Erleben muss so gestaltet werden, dass eine Marke „top of mind“ bleibt! Markensympathie bedeutet nicht zwangsläufig Markengebundenheit. Um Kundenbindung zu stärken, muss zunächst die Frage geklärt werden, ob Lücken bestehen und wie stark diese Gaps ausgeprägt sind (Abb. 2). Nur so lässt sich feststellen, welche Maßnahmen an welchen Stellen wirken können, um die Kunden neu oder noch stärker zu binden. Falls eine Marke oder der zugehörige Service positiv überrascht, dann zahlt das in die Markenloyalität ein. Im umgekehrten Fall leidet die Kundenbindung, zum Teil irreversibel. Die Kunst des Marketings besteht also im Teasern der Marke durch Überraschungsmomente. In der Quintessenz ist es die Frage des Markenüberlebens. Um als erfolgreiche Marke im umkämpften OTCMarkt zu bestehen, müssen Kunden bejahend antworten auf die Sympathie-/Loyalitäts-Frage, ob ihnen etwas fehlen würde, wenn es die Marke nicht mehr gäbe (Abb. 2). Auf quantitativer Seite lassen sich die Ergebnisse mit Benchmarks bezüglich relevanter emotionaler Attribute des Markenerlebens und der Kundenzufriedenheit/Wiederkaufswahrscheinlichkeit untermauern. Staunen und Begeisterung sind dabei nur zwei emotionale Dimensionen zur Charakterisierung der Beziehung zwischen Mensch und Marke. Gleichzeitig liegt der Reiz in dem Modell darin, dass sich die Kunden individuell mehreren Zufriedenheitssegmenten zuordnen lassen. Dadurch können unzufriedene, zufriedene und „staunende“ Kunden ermittelt und charakterisiert werden. Gerade die Insights über die Kausalitäten darüber, was „staunende“ Kunden stets in gute Laune versetzt, sind Maßstab für eine nachhaltige positive Gestaltung der Beziehung einer Marke bzw. eines Anbieters und seiner potenziell zufriedenen Kunden. << Autoren Der promovierte Demograph Dr. Uwe Lebok ist CMO und Vorstand bei K&A BrandResearch. Zuvor war er jahrelang in Forschung und Lehre an verschiedenen Universitäten tätig. Neben der Kunden- und strategischen Markenbetreuung zählt die Methodenentwicklung in besonderen Zielgruppen heute zu seinen Hauptaufgabenfeldern. Der promovierte Gesundheitsmanager Dr. Thomas Weid ist Senior BrandConsultant bei K&A BrandResearch, u.a. mit dem Schwerpunkt Kundenzufriedenheitsstudien. Er ist seit 1997 in der Healthcare-/ Pharmamarktforschung im nationalen und internationalen Bereich tätig, einschließlich 2 Jahre als Expatriate in Mexiko Stadt. Er hat Sozialwissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg studiert und verfügt über Berufserfahrung in der Healthcare-Industrie im Bereich Wundmanagement und Medizintechnik. Kontakt: [email protected] pharma R E L AT I O N S 05/16 37
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