Jeder bäckt seine eigenen Brötchen

Montag, 25. Juli 2016 / Nr. 170
Stadt Luzern
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Jeder bäckt seine eigenen Brötchen
BÄCKEREIEN Vier grosse
Läden prägen den Standort
Luzern. Ihr Weg zum Erfolg
ist höchst unterschiedlich.
RAPHAEL GUTZWILLER
[email protected]
Im Detailhandel ist es meist klar: Man
ist ein Coopkind oder ein Migroskind.
Ein ähnliches Phänomen gibt es in Luzern bei den Bäckereien. Entweder man
mag die Confiserie Bachmann, die grösste in der Stadt, oder mag man sie nicht.
Mit ihrem immensen Wachstum in den
letzten Jahren polarisiert sie.
Die Zahl der Bachmann-Fachgeschäfte ist in den letzten elf Jahren um sieben
Standorte gewachsen – zudem sind die
Läden einiges grösser geworden als
früher. «Wir konnten stetig wachsen,
dabei haben wir das nicht einmal besonders gesucht», sagt Inhaber und
Geschäftsführer Raphael Bachmann.
Das Wachstum liege auch daran, dass
Bachmann innovativ und mutig sei. So
etwa mit einer Schokoladenwand im
Geschäft am Schwanenplatz (Ausgabe
vom 12. Juli). Mit solchen und ähnlichen
Aktionen kann Bachmann auch bei
Touristen trumpfen: Gerade im Sommer
sind sie eine grosse Kundengruppe der
Confiserie.
Die Bäckereien
mit ihren Spezialitäten.
Oben links:
Nadja Troxler in der
Bäckerei Hug.
Oben rechts:
Renate Amrein in der
Bäckerei Macchi.
Unten links:
Bruno Heini in der
Konditorei Heini.
Unten rechts:
Doris Bolliger in der
Confiserie Bachmann.
Rosaroter Riese ist überall
In der Innenstadt findet man den rosa
Riesen fast an jeder Ecke: Allein im
Bahnhof Luzern ist er dreimal vertreten.
Insgesamt hat Bachmann in der Stadt
Luzern 10 Fachgeschäfte, sofern man
die eigenständigen Konzepte «La vie en
rose» und «Pizza Pasta Panini» dazuzählt. Damit hat Bachmann mehr als
doppelt so viele Filialen wie seine ersten
Verfolger Heini und Macchi (siehe Tabelle). «Wir wissen, dass wir auch wegen
des Wachstums ungewollt polarisieren»,
sagt Bachmann. «Doch wir haben nie
eine andere Bäckerei aufgekauft und
uns das Wachstum anhand der Marktbedürfnisse selber erarbeitet.» Neider
und Skeptiker gibt es dennoch. «Viele
Kunden schätzen uns aber auch als
Stadtluzerner Familientradition.» Im
nächsten Jahr feiert Bachmann sein
120-Jahr-Jubiläum.
Zu den Stadtluzerner Standorten kommen sieben in Einkaufszentren hinzu,
darunter etwa im Shoppingcenter Sihlcity in Zürich und im Einkaufszentrum
Tivoli im aargauischen Spreitenbach.
«Gerade der Markt in Zürich ist für uns
sehr interessant», sagt Bachmann. Kapazität, um noch mehr Produkte herzustellen und damit noch mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sei in der Bäckerstube im Tribschen noch vorhanden.
«Doch unser Wachstum ist endlich. Wir
können uns nicht nochmals verdoppeln», sagt Raphael Bachmann. Heute
beschäftigt Bachmann rund 500 Mitarbeiter, darunter 45 Lehrlinge.
«Ist ein Vorzeigebetrieb»
Bei der Konkurrenz gibt es Lob für die
Arbeit von Bachmann. «Es ist ein Vorzeigebetrieb», sagt etwa Paul Philipp
Hug, Präsident des Verwaltungsrates der
Bäckerei Hug. «Bachmann hat die frequenzstarken Plätze früh erkannt und
gut besetzt. Und gute Standorte sind in
unserer Branche entscheidend.» Anders
als Bachmann profiliert sich Hug nicht
als Confiserie, sondern als Bäckerei.
«Unsere feinen Backwaren zeichnen uns
aus und nicht Schokolade-Artikel. Eine
Schoggi-Wand wird man deshalb in einer
Filiale von uns nicht finden», sagt Hug.
Das Herz der Hug-Gruppe ist der Produktionsbetrieb, der an Grossverteiler
und industrielle Produzenten liefert.
Zudem hat man in den letzten Jahren
das Filialnetz in ein separates Unternehmen ausgelagert und neu strukturiert. Hug ist neben Bachmann die einzige Luzerner Bäckerei, die auch in
Zürich vertreten ist. «Zürich ist sicher
sehr lukrativ», sagt Hug. Mit seinen Filialen möchte Hug auf der Strecke zwischen Luzern und Zürich präsent sein,
so ist man auch etwa in Zug vertreten.
Bei Kunden polarisiert das Wachstum
des rosaroten Bachmanns. Anders sehe
dies unter den Bäckereien selber aus,
sagt Hug. «Das Verhältnis zwischen den
Bäckereien ist sehr gut. Wir können als
Bäckerei ebenfalls von diesem Erfolg
profitieren, da gute Bäckereien das
Image unserer Branche verbessern.»
Während Bachmann auch stark auf
Touristen setzt, richten sich die anderen
Bilder Roger Grütter und Pius Amrein
«Wir setzen zu
hundert Prozent auf
einheimische
Kunden.»
«Unsere Backwaren
zeichnen uns aus
und nicht
Schokolade-Artikel.»
«Es soll für jeden
etwas geben, auch
ohne dickes
Portemonnaie.»
«Wir konnten stetig
wachsen, dabei
haben wir das nicht
einmal gesucht.»
BRUNO HEINI,
KO N D I TO R E I H E I N I
PAU L P H I L I P P H U G ,
B ÄC K E R E I H U G
F R I T Z M E TT L E R ,
B ÄC K E R E I M AC C H I
R A P H A E L B AC H M A N N ,
CO N F I S E R I E B AC H M A N N
Bäckereien hauptsächlich auf einheimische Kunden aus. So etwa Heini, die
Bäckerei mit den meisten Cafés in der
Stadt. «Wir sind zu 100 Prozent auf die
einheimische Bevölkerung ausgerichtet»,
sagt Bruno Heini. «Fremdsprachenkenntnisse bei den Angestellten sind bei uns
weniger wichtig, entscheidend ist für uns
dagegen die Freundlichkeit.»
keine Filiale mehr hinzugekommen. Bis
2002 hatte Heini sein Filialnetz in der
Stadt Luzern auf vier erhöht.
Heini setzt neben viel Tradition vor
allem auch auf Spezialitäten. Er hat
50 Marken reserviert – darunter etwa
die «Lozärner Rägetröpfli» oder die
Brote Schwarzer Peter und Schneewittchen. «Wir wollen uns mit allem ein
bisschen abheben», sagt Heini. «Möglichst bei allen Angeboten soll man
etwas mehr kriegen als anderswo.»
zeiten und ganz ohne Chemie. Die
Kunden danken es mit mehr Einkäufen.
«Anfang der 90er-Jahre hatten wir noch
Bedenken, dass wir von den Grossdetaillisten beim Brotverkauf verdrängt
werden könnten. Das hat sich aber wohl
auch dank unseres guten Brotes nicht
so entwickelt», so Mettler.
Macchi wurde in den letzten Jahren
immer grösser, gemäss Mettler konnte
der Umsatz seit 1987 verfünffacht werden. Grund für den Erfolg sei auch das
Take-away-Angebot. «Über 50 Prozent
unseres Umsatzes machen wir heute
damit», so Mettler. Dazu gehört neben
Salaten und Sandwiches jeden Tag auch
ein anderes warmes Menü. «Das kommt
bei unseren Kunden sehr gut an», sagt
Fritz Mettler.
Die grössten
Luzerner Bäckereien
Heini setzt auf Cafés
Heini ist eine traditionelle Bäckerei
und Konditorei. Man mache nicht jeden
Trend mit: «Bei uns sollen die Kunden
wissen, was sie erhalten», so Bruno
Heini. Jede Bäckerei von Heini hat auch
einen Gastrobereich. Dieser soll eine
Wohlfühloase sein – deshalb setzt man
dort anders als die meisten nicht auf
Selbstbedienung. «Wir wollen, dass man
sich bei uns ein bisschen entspannen
kann», so Bruno Heini. «Deshalb gibt
es bei uns auch kein WLAN, dafür umso
mehr analoge Zeitungen.» Man soll sich
hinsetzen können, einen Kaffee trinken,
eine Torte essen und ein bisschen Zeitung lesen oder Gespräche führen. Damit unterscheide man sich von den oft
hektischen Bäckereien, die als Takeaway-Läden funktionieren.
Dadurch, dass Heini immer auch auf
Cafés setzt, braucht es einen gewissen
Flächenbedarf – deutlich mehr als bei
den Mitbewerbern. Auch deshalb stagniert das Wachstum in den letzten
Jahren. Seit 2004, als Heini die Konditorei Treichler in Zug übernahm, ist
Macchi will preisgünstig sein
Ebenfalls vier Filialen in der Stadt hat
die Bäckerei Macchi. Ihre Strategie ist
klar: Jeder soll ein und aus gehen können, sagt der ehemalige Geschäftsführer
Fritz Mettler. «Viele unserer Kunden sind
Schüler oder Studenten.» Dies liegt auch
an den Lagen der Filialen, die sich oft
in unmittelbarer Nähe von Schulen befinden. Deshalb versuche man, auch
eher preisgünstige Produkte anzubieten.
«Es soll für jeden etwas geben, auch
wenn er nicht das ganz dicke Portemonnaie hat», so Mettler. Die Rohmaterialkosten seien nicht mehr der grösste
Kostenfaktor, so wie es früher der Fall
gewesen ist. Darum können bei der
Verarbeitung bessere Rohstoffe, etwa
Butter, mit höherer Qualität verarbeitet
werden. Entscheidend seien heute etwa
eher die Mietpreise.
Genuss – damit will Macchi seine
Kunden überzeugen. Seit einigen Jahren
bäckt Macchi wieder wie zu Gründungs-
Einzelbäcker haben es schwer
Eine negative Entwicklung gab es
hingegen für die kleineren Bäckereien.
So musste letzten Monat die Bäckerei
Rüegg an der Weggismattstrasse schliessen. Dasselbe Schicksal ereilte vor einem
Jahr die Bäckerei Spiekermann in Kriens
(wir berichteten). Diese Entwicklung sei
wenig überraschend, sagen die befragten
Grossbäcker. «Die Fixkosten sind automatisch tiefer, wenn man mehrere Filialen beliefern kann. Einzelunternehmen haben es da schwerer», sagt etwa
Fritz Mettler von Macchi. Und Paul
Philipp Hug ergänzt: «Heute gibt es
entweder Einzelbäckereien oder dann
gleich solche mit mehreren Filialen.» So
Bäckerei
Filialen
Filialen
Stadt Luzern total
Bachmann
10
17
Macchi
4
6
Heini
4
5
Hug
3
9
mache es etwa wenig Sinn, zwei Filialen
zu haben, da der Aufwand im Verhältnis
deutlich grösser wäre als mit einer oder
gleich mehreren Filialen.
Für die Bäckereien sei es in den
letzten Jahren aber gut gelaufen, sind
die Grossbäcker überzeugt. «Die Essgewohnheiten haben sich zu Gunsten
unserer Branche entwickelt. Take-away
etwa ist immer gefragter», sagt Raphael
Bachmann. Auch deshalb werden die
Luzerner Bäcker immer grösser und
erfolgreicher.
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