Wirtschaftspsychologie

Online lesen
Datum: 08.08.2016
Wirtschaftspsychologie
Aus der Praxis: Claudius Bornemann (PwC Schweiz) über den Nutzen von Psychologie in der Wirtschaft
08. August 2016
Diplom-Psychologe Claudius Bornemann arbeitet seit 2009 im Bereich Learning & Development bei PwC
Schweiz in Zürich. Zuvor sammelte er Consultingerfahrung bei Dr. Heimeier & Partner und Kienbaum sowie
als Werbedisponent bei Deutsches SportFernsehen (DSF). Seit 2016 ist er Dozent für Personalpsychologie
an der Kalaidos Fachhochschule.
Warum haben Sie sich entschlossen Psychologie mit einem wirtschaftlichen Fokus zu studieren?
Ich habe Psychologie mit der Vertiefung Arbeits- und Organisationspsychologie studiert, weil ich Interesse
daran hatte, wie Menschen in einem wirtschaftlichen Kontext agieren und funktionieren. Mich faszinierte die
Frage, wie es gelingen kann, Wirkung auf Menschen zu erzielen, was ich aus ihren Interaktionen miteinander
lernen kann und wie es möglich ist, dieses Wissen in anderen Kontexten erfolgreich anzuwenden. Für mich
liefert die Arbeits- und Organisationspsychologie die besten Antworten auf diese Fragen.
Worin sehen Sie Nutzen von Wirtschaftspsychologie für Unternehmen?
Unsere Welt dreht sich zunehmend schneller und gewinnt an Komplexität, die Menschen laufen am Limit und
sind stellenweise sogar überfordert. Ich bin deshalb davon überzeugt, dass der Wirtschaftspsychologie immer
mehr Bedeutung zukommen wird, um diesen Herausforderungen besonders in wirtschaftlichen
Zusammenhängen gerecht zu werden. Nicht zuletzt, weil der Faktor Mensch, vor allem in wirtschaftlichen
Kontexten, einen immer grösseren Einfluss gewinnt. Wir brauchen Wirtschaftspsychologen, die ein Gespür
dafür haben Problemlösungen zu erarbeiten, die über die Antworten der Ökonomen hinausgehen. Der
Mensch agiert nun einmal nicht immer rational im Sinne der Ökonomen. Beispielsweis ist die Bedeutung
sozialer Normen und Fairness im wirtschaftlichen Kontext nicht zu unterschätzen. Die Wirtschaftspsychologie
stellt das entscheidende Bindeglied zwischen Mensch und Maschine dar und wird somit zu einem
bedeutenden Kriterium für den Erfolg zukunftsorientierter Unternehmen.
Themen-Nr.: 660.003
Abo-Nr.: 660003
Argus Ref.: 62384246
Online lesen
Datum: 08.08.2016
Wie setzen Sie Ihr psychologisches Know-how konkret ein? Oder anders gefragt: Wie integrieren Sie Inhalte,
Methoden und Erkenntnisse aus Ihrem Studium in die Arbeit?
In jeder täglichen Interaktion steckt ein kleines bisschen Psychologie – sei es im Gespräch mit Kollegen oder
Mitarbeitenden, der Gesprächsführung allgemein, oder bei Treffen mit externen Parteien, in Interaktionen mit
Gruppen wie Trainings oder Moderationen von Workshops, in der Gestaltung von Agenden bis hin zu
komplexen Abläufen – immer spielt auch die Psychologie eine wichtige Rolle.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus?
Ich bin bei PwC Schweiz in der Aus- und Weiterbildung tätig und sehe mich täglich einem sehr vielseitigen
Aufgabenspektrum gegenüber. Auf der einen Seite beschäftige ich mich mit Learning-Management: Das
bedeutet viel Arbeit am PC, man schafft Strukturen an Dokumenten, erstellt Konzepte und macht diese
anderen Anspruchsgruppen zugänglich. Auf der anderen Seite beinhaltet meine Arbeit den direkten Kontakt
zu Mitarbeitenden, sei es unmittelbar im persönlichen Gespräch oder auch in Gruppen im Rahmen von
Workshops.
Ressourcen einmal vorausgesetzt: Mit welchem Thema würden Sie sich beruflich gerne einmal beschäftigen?
Ein sehr spannendes Thema für mich aktuell ist die fortschreitende Digitalisierung unserer Welt, Stichwort
Wirtschaft 4.0, und wie wir Menschen mit dieser möglichst effektiv umgehen können, während gleichzeitig
einer Überforderung entgegengewirkt werden kann.
Wo sehen Sie aktuell die grösste Herausforderung in Ihrem Arbeitsfeld?
Die grössten Herausforderungen liegen bei PwC ebenfalls im Bereich der Digitalisierung. Auf welche
Veränderungen müssen wir uns hinsichtlich der nötigen Prozesse, aber auch der Menschen vorbereiten,
damit wir den Übergang in die digitalisierte Wirtschaftswelt der Zukunft erfolgreich absolvieren können. Man
darf nicht vergessen, wir müssen auch in der neuen Welt handlungsfähig bleiben und dafür bedarf es anderer
Kompetenzen wie z. B. Change-Agilität, Lern- und Innovationsfähigkeit. die andere sind, als die uns in der
Vergangenheit erfolgreich gemacht haben.
Neben der Digitalisierung ist sicherlich auch der demographische Wandel von grosser Bedeutung. Wie
schaffen wir es unterschiedliche Profile und unterschiedliche Menschen in den verschiedenen
Lebensabschnitten im Wirtschaftskontext effektiv zu erhalten und zu fördern? Dazu müssen verschiedene
Aspekte ineinander greifen. Wir müssen unsere Karrieremodelle überdenken und flexibler machen, um ein
breiteres Spektrum an Menschen zu beschäftigen. Daneben müssen wir uns überlegen, wie wir den Wandel
auch in unserer Firmenkultur abbilden und erlebbar machen.
In welchem Bereich der Wirtschaftspsychologie haben Sie vor Ihre Kenntnisse noch zu vertiefen?
Mein persönliches Zukunftsthema, das ich vertiefen möchte, wird noch stärker im Bereich
Changemanagement liegen. Nach der Arbeit mit Einzelpersonen und Gruppen möchte ich mich zunehmend
auch der erfolgreichen Umsetzung und Implementierung von Veränderungen in Gesamtorganisationen
widmen.
Haben Sie Tipps für Studierende der Wirtschaftspsychologie?
Das hat sich im Grundsatz in den letzten 50 Jahren nicht geändert: Neugierig sein! Sich dafür interessieren,
Themen-Nr.: 660.003
Abo-Nr.: 660003
Argus Ref.: 62384246
Online lesen
Datum: 08.08.2016
was man im Unterricht präsentiert bekommt: die Inhalte transferieren auf die Fragen, die sich den
Studierenden auch in ihren Unternehmen stellen. Sich darüber im Klaren werden, was die konkreten
Herausforderungen im Berufsalltag sind und welche Antworten die Wirtschaftspsychologie darauf liefert, die in
der übrigen Wirtschaftstheorie nicht beantwortet werden können. Das gelernte überträgt man am besten in Tat
und Praxis, indem man sich mit Kollegen im Studium oder in der Arbeit über die konkrete Umsetzung im Alltag
austauscht. Das Lernen ist das eine, das Gespür für die Umsetzung und Anwendung in der Realität ist das
andere – dafür, was es braucht, um in unserer Welt erfolgreich zu sein.
Wir danken Claudius Bornemann für das Gespräch.
Thema: Wirtschaftspsychologie
Autor: Dr. Jörn Basel
Datum: 08. August 2016
Schlagworte: Interview
Themen-Nr.: 660.003
Abo-Nr.: 660003
Argus Ref.: 62384246