(Ausgabe 135, 16.7.2016) Nachhaltigkeit hat einen Namen

B˛rsen-Zeitung
Zeitung fˇr die Finanzmärkte
Ausgabe
135 vom 16.07.2016, Seite B2
Sonderbeilage: Die deutschen Pfandbriefbanken
Nachhaltigkeit hat einen Namen:
Hypothekenpfandbrief
Produkt an sich ist ˛kologisch, ˛konomisch und sozial – Zusätzliche
Zertifizierung durch Dritte nicht sinnvoll
B˛rsen-Zeitung, 16.7.2016
Menschen, die nachhaltig leben, beziehen zukˇnftige Risiken maßgeblich in ihre langfristigen Entscheidungen ein. Dafˇr sind sie bereit,
auf heutigen Konsum zu verzichten,
um ihnen und ihrer Nachwelt ein
besseres Leben zu erm˛glichen.
Was die Zukunft allerdings bringt,
k˛nnen selbst die besten Prognosen
nur mit einer gewissen Fehlertoleranz vorhersagen. In den Ursprˇngen des kaufmännischen Denkens
ist daher von Anfang an das Vorsichtsprinzip verankert. Bei Ungewissheit bezˇglich langfristiger Entwicklungen sollen dabei die Kapitalgˇter im Sinne des Gläubigers konservativ bewertet werden. In der Vergangenheit wurde dieses Prinzip
durch viele individuelle Verträge geregelt, wobei sich ˇber die Zeit die
besten Institutionen durchgesetzt
haben. Zu den Ergebnissen dieses
evolutorischen Prozesses geh˛rt der
Hypothekenpfandbrief.
Erfolgreiche Idee
Nach fast 250 Jahren zählt das Produkt immer noch zu den bedeutendsten Refinanzierungsinstrumenten
in der deutschen Immobilienwirtschaft. Dies hat mehrere Grˇnde.
Der Hypothekenpfandbrief ist im
Gegensatz zu anderen gedeckten
Anleihen nicht nur vertraglich, sondern auch gesetzlich reglementiert.
Besichert werden die im Pfandbrief
verbrieften Ansprˇche durch den
Grundstˇcks- bzw. Gebäudewert.
Dazu wird ein Beleihungswert ermittelt, der dem langfristig erzielbaren Wiederverkaufswert der Immobilie entspricht und den Marktwert
nicht ˇbersteigen darf. Demzufolge
wird die Immobilie vorsichtig und
dauerhaft bewertet. Der Pfandbrief
bietet eine hohe Transparenz, eine
hohe Ausfallsicherheit und ist langfristig orientiert.
Emittiert eine Bank Pfandbriefe,
so muss das Ausfallrisiko entsprechend gesetzlicher Regelungen mit
einer garantierten Deckungsmasse
besichert werden. Folglich wird
dem Haftungsprinzip Rechnung geID: 2016135801
tragen. Ist eine Emissionsbank insolvent, was im Rahmen des Hypothekengeschäftes bislang kein einziges
Mal der Fall war, werden die Gläubiger dieser Wertpapiere aufgrund der
vorgehaltenen Deckungsmasse vorrangig befriedigt. Zusammenfassend
erfˇllt der Hypothekenpfandbrief
die Bedˇrfnisse der Investoren nach
Stabilität und Nachhaltigkeit auf
ideale Weise. Das Produkt hat sich
lange erfolgreich bewährt.
Spannender Dreiklang
Was versteht man eigentlich konkret
unter dem in den letzten Jahren inflationär genutzten Begriff ,,Nachhaltigkeit‘‘? Eine durchaus komplexe
Frage, verbergen sich dahinter doch
˛konomische, ˛kologische und auch
soziale Dimensionen, welche sich
zudem einander bedingen. Ökonomisch gesehen sollen z. B. derzeitige
Bedˇrfnisse befriedigt werden, ohne
zukˇnftigen Generationen die Lebensgrundlagen zu entziehen. Darunter fallen natˇrlich auch ˛kologische Aspekte, wie der Erhalt der Umwelt oder der sorgsame Umgang mit
endlichen Ressourcen. Dies erm˛glicht eine gerechte Verteilung der
Gˇter, wodurch soziale Spannungen
in der Gesellschaft gemindert werden. Bezogen auf Immobilien ergeben sich aus diesem Dreiklang interessante Überlegungen.
Wert schwer vorhersagbar
Grundsätzlich m˛chten Investoren
den langfristigen Wert ihrer Immobilien erhalten und bestenfalls erh˛hen. Allerdings sind Gebäude und
Grundstˇcke nicht nur langlebige
Investitionsgˇter, sondern – im Gegensatz zu anderen Verm˛gensgˇtern – auch an einen Standort gebunden. Zudem beeinflussen institutionelle Rahmenbedingungen die
Wertentwicklung einer Immobilie
erheblich. Aus ˛konomischer Sicht
sollten bei einer konkreten Investitionsentscheidung daher folgende
Fragen berˇcksichtigt werden: Welche Objekteigenschaften weist die
Immobilie auf? Ist eine ausreichende
Quantität und Qualität der Infrastruktur vorhanden? Liegen in der
Region Leerstände vor und wie wird
sich der Standort demografisch und
˛konomisch in den kommenden
Jahren entwickeln? Sorgen wohnungs-, arbeitsmarkt-, energie- und
geldpolitische Eingriffe fˇr gravierende Veränderungen auf dem Immobilienmarkt? All diese Fragen machen eine treffsichere Voraussage
der Wertentwicklung einzelner Immobilien ˇber einen Zeitraum von
20 bis 30 Jahren äußerst schwierig.
Nachhaltige Immobilien sind wirtschaftlich, ˛kologisch und sozial. Allen Anforderungen dieses Dreiklangs gleichzeitig und gleichermaßen nachzukommen, ist allerdings
nur schwer zu realisieren. Immobilien tragen mit einem Anteil von fast
40 % maßgeblich zum deutschen
Energieverbrauch bei. Damit birgt
dieser Bereich großes Potenzial fˇr
Energieeinsparungen. Durch regulatorische Eingriffe versucht der Gesetzgeber, die selbst gesteckten Ziele
zu erreichen. Dazu zählen in
Deutschland z. B. das Energieeinsparungsgesetz, die Energieeinsparverordnung, das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz, die gebäudeindividuellen Sanierungsfahrpläne sowie das Anreizprogramm Energieeffizienz. Untermauert werden diese
Vorhaben durch F˛rderprogramme
wie z. B. der KfW. Dass der Staat
gleichwohl ˇber das notwendige
Maß hinaus handelt, ist den eigenen
Ansprˇchen geschuldet. Wer den
weltweiten Vergleich zieht, kommt
zweifelsohne zu dem Schluss, dass
die deutschen Baustandards zu den
˛kologisch nachhaltigsten der Welt
zählen. Dennoch stellt sich die Frage, ob der Kurs weiter verschärft
wird und ˛konomisch tragbar bleibt.
Als Immobilienfinanzierer ist es
die Aufgabe der WL Bank, die Tragfähigkeit langfristiger Investitionen
zu beurteilen. Denn was nˇtzt der
Bau energie- und CO2-sparender Gebäude, wenn die Produktion ebendieser viele Ressourcen verschlingt
und ˇber den Lebenszyklus eine negative Umweltbilanz aufweist? Werden beim Bau z. B. keine hochwerti-
gen Materialien verwendet, impliziert dies häufige Sanierungen. Umweltschonendes Bauen und Wohnen
ist zwar wichtig, aber nicht zu jedem
Preis. Die ˛konomische Beurteilung
einer Immobilie schließt automatisch ˛kologische Aspekte mit ein.
Da unter anderem der Neubau von
Gebäuden durch strikte gesetzliche
Vorgaben betrieben wird, handelt
es sich bei diesen Immobilien bereits
um ˛kologisch nachhaltige Investitionen, deren Wert in Zukunft h˛her
liegen dˇrfte. Sind die Kosten-Nutzen-Kalkˇle zutreffend und erh˛hen
sinkende Betriebskosten die Drittverwertbarkeit, so hat dies positive
Auswirkungen im Rahmen der Kreditvergabeentscheidung.
Folglich
wird der Kredit mit gˇnstigeren Zinsen versehen.
Politische Zielkonflikte
Bezogen auf die allgemeine Nachhaltigkeit treten bei einer ˛kologischen Fokussierung Zielkonflikte
auf. Auf der einen Seite favorisiert
der Staat den Bau klimaneutraler
Gebäude und auf der anderen Seite
m˛chte er gˇnstigen Wohnraum
schaffen. Jedoch steigen mit dem
Bau hochwertiger Immobilien auch
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die Herstellungs- und damit die
Wohnkosten. Insbesondere einkommensschwache Haushalte k˛nnen
sich die von der Politik vorgeschriebene Nachhaltigkeit, wie auch immer man diese gesetzlich definieren
mag, kaum leisten. Daher muss der
Staat erneut in den Markt eingreifen. Eine Regulierung bedarf immer
weiterer Regulierungen, welche im
Grunde die Folge einer unklaren
Wirtschaftspolitik sind.
Das Gut Wohnen stellt aus Sicht
der Wirtschaftspolitik ein Grundbedˇrfnis dar, weshalb Eingriffe in
den Wohnimmobilienmarkt mit der
sozialen Verantwortung des Staates
gerechtfertigt werden. Ideologisch
gefˇhrten Debatten sollte allerdings
stets mit ˛konomischer Nˇchternheit begegnet werden. Genossenschaftliche Wohnungsunternehmen
haben z. B. ein Eigeninteresse daran,
privaten und gˇnstigen Wohnraum
fˇr ihre Mitglieder zu schaffen. Sie
handeln nach grundlegenden Werten wie Solidarität, Gleichheit, Demokratie, aber auch Selbsthilfe,
Selbstverantwortung und Billigkeit,
die fest in ihren Geschäftsmodellen
verankert sind. Die Sozialverantwortlichkeit rˇckt dabei ausdrˇcklich in den Fokus unternehmerischer
Entscheidungen. Folglich finden
sich diese Eigenschaften auch in
den Produkten genossenschaftlich
orientierter Banken wieder. Mit
dem Kauf von Hypothekenpfandbriefen erwirbt der Investor ein in
˛konomischem, ˛kologischem und
sozialem Dreiklang stehendes, nachhaltiges Produkt.
Nur ein unklares Geschäftsmodell,
selbst auferlegter Rechtfertigungsdruck oder das Marketingkalkˇl der
emittierenden Bank kann darum
eine
zusätzliche
Zertifizierung
durch Dritte sinnvoll begrˇnden.
Ein als nachhaltig zertifizierter Hypothekenpfandbrief ist im Grunde
genommen ein Pleonasmus, sozusagen der weiße Schimmel bzw. der
schwarze Rabe der Bankenwelt. Die
WL Bank fˇhlt sich dem genossenschaftlichen Prinzip und dem Wohl
der Kunden verpflichtet, weshalb
sie mit einem nachhaltigen Produkt
und einem nachhaltigen Geschäftsmodell derzeit keine Notwendigkeit
zur weiteren Zertifizierung ihrer Hypothekenpfandbriefe sieht.
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Frank M. Mˇhlbauer, Vorsitzender
des Vorstands der WL Bank