Neue Presse 29.07.2016

Mit dem Auftritt von „Pur“ kam der augenscheinliche Höhepunkt der diesjährigen Open-Air-Reihe gleich zu Beginn: Tausendfacher Jubel begleitete den Auftritt.
Foto: Rudolf Hein
Zum Auftakt ein pures Musikvergnügen
Grandiose Stimmung, ein
voller Schlosshof und ein
reibungsloser Ablauf: Das
Open Air Eyrichshof
beginnt mit „Pur“ und
einem Abend der lauten
und auch leisen Töne.
Von Tanja Kaufmann
Eyrichshof – Die treuesten Fans besitzen kein Zeitgefühl. Am Mittwoch
zeigt die Uhr gerade einmal 16 Uhr,
als die ersten Pur-Freunde in Eyrichshof eintrudeln – rund viereinhalb
Stunden vor Konzertbeginn. „Das ist
noch gar nichts“, lacht ein Tourbegleiter, der die Wartenden zumindest
schon einmal mit Fanartikeln versorgt: „Andere sind da noch verrückter.“ Hier aber geht es gesittet zu: Die
Schlange vor dem Einlass am Gutshof wird zwar von Stunde zu Stunde
länger, aber man steht ordentlich
hintereinander, gedrängelt wird
nicht. Ein angenehmes Fan-Publikum, findet auch der Mitarbeiter, der
auf Nachfrage übrigens keine FanDessous auf der Bühne erwartet: „Die
Fans sind eben mit älter geworden“,
schmunzelt er.
Doch was da im Laufe der Zeit von
den Großparkplätzen in Ebern eintrudelt, geht durch alle Altersklassen.
Eine Jugendliche aus Ebelsbach feiert
gar ihren Geburtstag hier, eine weitere Anreise hat Renate Fries: Die
74-Jährige ist mit ihrer Tochter aus
Aschaffenburg angereist. Nicht der
nächste Weg, „aber wenn die schon
mal so ein bisschen in der Nähe
sind“, freuen sich die Damen, beides
Pur-Fans seit Jahrzehnten.
Rappelvoll war der Schlosshof am Mittwoch bei bestem Wetter und noch besserer Stimmung.
Foto: Rudolf Hein
Ihm flogen zwar keine Dessous, dafür aber die Herzen der Zuschauer zu: PurFrontmann Hartmut Engler.
Foto: Rudolf Hein
Pünktlich um 18 Uhr öffnete der Einlass für die Fans. Die Treuesten hatten bereits seit 16 Uhr die Stellung gehalten.
Foto: Tanja Kaufmann
Die Fans waren voll im Bilde: Aus ganz Deutschland und in allen Altersklassen
waren sie angereist, um ihre Lieblingsband live zu erleben.
Foto: Kaufmann
Shuttlebusse drehten fleißig ihre Runden, um die Gäste einzusammeln. Die
meisten nutzten diesen Service, in Eyrichshof blieb es ruhig. Foto: Kaufmann
Gänsehaut-Gefühl am Abend – nicht wegen desWetters und auch nicht wegen
Sicherheitsbedenken: Schuld war allein die Stimmung. Foto: Bastien Föllmer
So vornehme Umkleiden
hatten wir noch nie!
Pur-Sänger Hartmut Engler
Denn so lange gibt es die Band
schon, die da im Schlosshof von Eyrichshof Schlag 20.30 Uhr die alten
Gemäuer erbeben lässt: 35 Jahre hat
die „in die Jahre gekommene Schülerband“, wie Frontmann Hartmut
Engler scherzt, schon auf dem Buckel. Und aus fast jedem Jahr haben
sie an diesem Abend einen Hit dabei,
den nicht nur eingefleischte PurFans aus voller Kehle mitsingen können. Bevor es aber dazu kommt, dürfen die „Klima“-Schwestern Sarah
und Vera mit ihrer gleichnamigen
Band das Publikum warmspielen
„Als Zehnjährige haben wir uns die
erste Pur-Scheibe gekauft und rauf
und runter gesungen“, strahlen die
Musikerinnen. Jetzt mit dieser Band
unterwegs zu sein, sei eine große Ehre. Sie revanchieren sich mit sonnenklarem Gute-Laune-Pop, der die
Stimmung im lichtdurchfluteten
Schlosshof gleich noch ein bisschen
hebt.
Als dann die Mannen um Hartmut
Engler aber die Bühne erklimmen,
gibt es in der Menge kein Halten
mehr. Dabei sind die ersten Songs
noch gar nicht zum Mitsingen geeignet: Die Band spielt aus ihrem aktuellen Album „Achtung“, weder altbekannte Ohrwürmer also, noch wirkliche Partymusik. Doch Hartmut
Engler hat recht, wenn er die stillen
Töne samt ernster Botschaft an den
Anfang stellt. „Achtung Respekt“ for-
dert er und schlägt doch mit „Neue
Brücken“ gleich den Bogen in die
Jahre zurück, um mit beiden Liedern
Toleranz und Menschlichkeit anzumahnen und aufzurufen für den
„Mut, gegen die Ohnmacht anzugehen und unsere Lebensart zu leben“.
Sie wissen, wovon sie singen. „Einige
von uns in der Band sind Söhne von
heimatvertriebenen Eltern“, sagt
Hartmut Engler, der gleich darauf einer alten Dame eine besondere Hymne widmet: „Wenn sie diesen Tango
hört“ handelt von einer Witwe, die
er gut kennt: „Es ist meine Mama
und sie ist mittlerweile 91 Jahre –
und lässt euch alle schön grüßen!“
Nicht nur dafür erntet er Riesenjubel, begeistert ist das Publikum die
kommenden zweieinhalb Stundennatürlich vor allem immer dann,
wenn die Höhepunkte der 35-jährigen Musikkarriere durch die Weiten
des Schlosshofes klingen. „Lena“
oder „Freunde“, „Herzbeben“ oder
„Drachen“ – nicht einmal singt Hartmut Engler an diesem Abend allein,
die Begleitung ist zuweilen tausendfach. Gänsehautgefühl, und das bei
sommerlich milden Temperaturen.
Als Schloss- und Gutshof zu späterer
Stunde auch noch in heimelige Beleuchtung getaucht sind, ist die Botschaft vom Anfang lange angekommen: Zusammen friedlich feiern, das
will man hier.
Rund 4700 Besucher sollen es am
Ende gewesen sein, die sich jedoch
bestens auf dem Gelände verteilten.
Auch Ausschank und Toilettensituation waren in diesem Jahr besser geregelt – mit ein bisschen Stau ist bei
solchen Veranstaltungen immer zu
rechnen. Verkehrstechnisch kam es
dazu nahezu gar nicht – „sehr entspannt“ schätzte der Verkehrsexperte der Eberner Polizei, POK Tobias
Kern, die Lage ein. Die „Ringfahrbahn“ der Shuttle-Busse über Juliusallee respektive Bundesstraße war
frei. Ein bisschen Stau gab’s quasi am
mittleren Ring: Am Strasser Kreisel
wurden die meisten Besucher abgefangen und auf den FTE-Parkplatz
gelotst.
Das machte es auch für die Feuerwehr stressfreier, die in Eyrichshof
Verkehrsregelung und Platzeinweisung übernommen hatte. „Hier
kommt wenig an“, bestätigte Rainer
Kaffer. Wer aus Haßfurt kam, bog
gleich in die Alte Kaserne ab und ließ
sich per Shuttle zum Schloss chauffieren. Gelassenheit herrschte überall vor – ob an der Einlasskontrolle,
wo sich jeder bereitwillig in die Taschen spitzen ließ, oder im kleinen
Ort selbst: Die Einwohner störten
sich in keinster Weise an der Musikbeschallung, sondern zogen ihren eigenen Nutzen daraus: mit privaten
kleinen Partys samt Live-Musik im
eigenen Garten, der Picknickdecke
am nahen Radweg oder als gemeinschaftliche Zaungäste am Schlosstor
– auch das war Musikgenuss pur.