KUNDENSERVICE 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 DIENSTAG, 26. JULI 2016 ** D 2,50 E URO D THEMEN PANORAMA Eine Diät-Show geht immer – man darf nicht zimperlich sein Seite 24 SPORT Turin kauft Stürmer für 94,7 Millionen Euro Seite 18 WISSEN Die Geschichte der Weltumrundungen Seite 20 FEUILLETON Neuer Film: Was denkt mein Hund so den ganzen Tag? Seite 22 DAX Im Plus Seite 15 Dax Schluss Euro EZB-Kurs Dow Jones 17.40 Uhr 10.198,24 1,0982 18.477,07 Punkte US-$ Punkte +0,50% ↗ –0,29% ↘ –0,51% ↘ ANZEIGE Tunnel für die Autobahn – Die größte Bohrmaschine der Welt Heute um 20.05 Uhr Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle Nr. 173 KOMMENTAR Zippert zappt Mitten in Deutschland A DPA/DANIEL KARMANN; SAT1 as neue Müllgesetz wird das Leben in Deutschland extrem erleichtern. Das Umweltministerium verschickt in den nächsten Tagen eine 1200-seitige, dreibändige Gebrauchsanweisung mit genauen Anweisungen, in welche Tonne wir welchen Müll zu treten haben. Allein dem Thema Kleiderbügel sind insgesamt 80 Seiten gewidmet, denn der Kleiderbügel ist ein unberechenbarer Grenzgänger zwischen Wertstoff, Restmüll oder Sperrmüll. Wurde er beispielsweise zusammen mit einer neuen Bluse erworben, gehört der Bügel in die gelbe Tonne. Eine schriftliche Bestätigung der Bluse ist unbedingt beizulegen. Wurde der Kleiderbügel dagegen aus Brotresten geformt, gehört er natürlich in die Biotonne. Kleiderbügel der Firma Manufactum dürfen überhaupt nicht einfach so weggeworfen werden. Bei ihnen muss man zunächst mal überprüfen, ob es sich nicht um schützenswertes deutsches Kulturgut handelt. Zu diesem Zwecke schickt man die Bügel an das Kulturschutzministerium z. H. Frau Grütters. Man kann sie aber auch gleich zu „Bares für Rares“ bringen und Horst Lichter übergeben. B Mit diesem Rucksack kam der Attentäter zum Festival Attentäter von Ansbach wollte sich an Deutschen rächen N Flüchtling aus Syrien zündet Bombe im Zugangsbereich eines Musikfestivals. 15 Verletzte, Täter stirbt. Drohvideo mit IS-Bezug. 27-Jähriger sollte ausgewiesen werden. Chemikalien in Asylunterkunft gefunden ach dem Sprengstoffanschlag von Ansbach geht die bayerische Regierung von einem islamistischen Hintergrund aus. Auf dem Handy des Täters fanden Ermittler ein Video, in dem dieser einen Terroranschlag „im Namen Allahs“ androhe, um sich an Deutschen zu „rächen“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Zudem habe er seine „Zugehörigkeit“ zum Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr alBaghdadi, bezeugt. Der Onlinedienst Amaq, der als Sprachrohr für die IS-Miliz auftritt, bezeichnete den Attentäter als ihren „Soldaten“. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung. VON DIRK BANSE, MANUEL BEWARDER UND FREIA PETERS Damit könnte es sich bei der Attacke um den ersten Selbstmordanschlag in Deutschland handeln, der dem IS zugerechnet werden kann. Bei dem Anschlag im Zugangsbereich eines Musikfestivals mit 2500 Besuchern wurden 15 Menschen verletzt, vier davon schwer. Der Attentäter starb. Es handelt sich vermutlich um einen 27-jährigen Flüchtling aus Syrien. Bei der Durchsuchung seines Zimmers in einer Flüchtlingsunterkunft stießen die Beamten auf verschiedene Chemikalien, die nach Einschätzung der Ermittler zum Bau von Bomben geeignet sind. Das Asylgesuch des Mannes war bereits vor zwei Jahren abgelehnt worden, weil ihm in Bulgarien Schutz zugesprochen wurde. Die Abschiebung wurde bislang jedoch nicht vollzogen. Vor nicht einmal zwei Wochen hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg den Mann erneut aufgefordert, Deutschland innerhalb von 30 Tagen Richtung Bulgarien zu verlassen. Bei der Durchsuchung seiner Asylunterkunft sei auch eine Fülle von Materialien gefunden worden, die zum Bau weiterer Bomben geeignet gewesen wä- ren, sagte Herrmann. Der Syrer habe zweimal versucht, sich das Leben zu nehmen. Er sei in psychiatrischer Behandlung gewesen. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte: „Bayern erlebt Tage des Schreckens.“ Aufgrund der aktuellen Serie von Gewaltattacken wurden zusätzliche Polizisten an Bahnhöfe und Flughäfen beordert. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, die Schleierfahndung in Grenznähe werde verstärkt. Er reagierte aber zurückhaltend auf Forderungen nach schärferen Sicherheitsgesetzen. „Ich werde entsprechende Änderungen anstoßen, wenn ich sie für notwendig halte“, sagte der Innenminis- ter. Zunächst werde auf Basis der aktuellen Rechtslage gehandelt – diese biete bereits umfassende Möglichkeiten. De Maizière versicherte, der Rechtsstaat in Deutschland sei stark und bleibe stark – sowohl im Bund als auch in den Ländern. Die Sicherheitsbehörden würden alles tun, damit sich solche schrecklichen Gewalttaten nicht wiederholen. „Eine absolute Sicherheit dafür gibt es aber nicht“, sagte de Maizière: „Jeder Fall ist einer zu viel.“ Er wolle mit den Amtskollegen in den Ländern über mögliche Schlussfolgerungen beraten. Mit Blick auf Forderungen nach einem Einsatz der Bundeswehr im Inland sagte de Maizière: „Für eine Änderung des Vier Bluttaten innerhalb einer Woche 18. Juli Ein 17 Jahre alter afghanischer Flüchtling schlägt mit einer Axt in einem Regionalzug auf eine Touristenfamilie ein. Zwei Menschen schweben in Lebensgefahr. Polizisten erschießen den Täter auf der Flucht. DEUTSCHLAND 24. Juli Ein 27 Jahre alter syrischer Flüchtling sprengt sich im Zugangsbereich zu einem Festival in die Luft. Der Mann stirbt, 15 Menschen werden verletzt. Frankfurt a.M. Würzburg TSCHECHIEN Nürnberg 6 Ansbach Stuttgart FRANKREICH Bayern 7 9 50 km Reutlingen 8 BadenWürttemberg München ÖSTERREICH 22. Juli Ein 18 Jahre alter SCHWEIZ 24. Juli Ein 21 Jahre alter syrischer Flüchtling tötet in einem Döner-Imbiss eine 45 Jahre alte polnische Kollegin mit einem langen Messer, verletzt weitere Passanten. Erst durch einen Unfall wird er gestoppt. Deutsch-Iraner erschießt Kartengrundlage: © Mapbox © OpenStreetMap vor einem Schnellrestaurant neun Menschen, drei Schwerverletzte schweben in Lebensgefahr. Auf der Flucht tötet sich der junge Mann selbst. Grundgesetzes sehe ich keine parlamentarische Mehrheit.“ Aktuell komme es darauf an, auf Basis der geltenden Rechtslage zu handeln. Dazu gehöre ein möglicher Bundeswehreinsatz bei besonders schwierigen, andauernden Terrorlagen. Er wehre sich dagegen, aufgrund der Vorfälle die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung infrage zu stellen. Er warnte vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge. Die ganz große Mehrheit komme nach Deutschland, um hier in Frieden zu leben: „Das muss sauber getrennt werden.“ Innenminister Herrmann erklärte mit Blick auf Ansbach sowie den Angriff eines IS-Anhängers aus Afghanistan vergangene Woche in Würzburg: „Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass solche Gewalt in unserem Land von Menschen, die als Asylantragsteller gekommen sind, nicht weiter um sich greift.“ Der Innenminister kündigte Beratungen der CSU-Spitze dazu an. Herrmann sagte der „Welt“: „Schon bei der Erstkontrolle eines Flüchtlings muss die Polizei so weit wie möglich dessen Identität klären. Wer ohne jedes Ausweispapier oder andere Identifizierungspapiere in unser Land kommt, der muss erst einmal angehalten werden.“ CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte einen strengen Umgang mit straffälligen Ausländern: „Wer nach Deutschland gekommen ist, auffällig wird und das Gastrecht missbraucht, darf nicht frei rumlaufen. Die Person muss sofort abgeschoben werden oder – wenn das nicht möglich ist – umgehend unter Kontrolle untergebracht werden“, sagte Scheuer. Der Schutz der Bevölkerung müsse an oberster Stelle stehen. Er forderte zudem eine „Registrierungsrevision aller nach Deutschland gekommener Flüchtlinge“. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) forderte eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Gewalt durch Flüchtlinge. Es sei nachvollziehbar, dass viele Menschen jetzt Angst hätten. „Wir haben offenbar einige völlig verrohte Personen importiert, die zu barbarischen Verbrechen fähig sind, die in unserem Land bislang kein Alltag waren.“ Siehe Kommentar, Seiten 2 bis 4 und 21 DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. 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Erstens: Der Islamische Staat hat wohl seine seit Längerem angekündigte Offensive mit Einzeltätern gestartet. Möglicherweise eingeschleuste Schläferzellen werden aktiv. Zweitens: Ein „Weiter so wie bisher“ ist deshalb keine gute Politik. Innenminister Thomas de Maizière versichert zwar, die geltende Rechtslage sei wehrhafter als allgemein angenommen. Die geltende Rechtslage hat aber auch nicht verhindert, dass die Täter in Ansbach und Würzburg unerkannt bis ans Ziel gelangten. Die heutige Praxis schützt uns nicht genug: Dieses Gefühl kann sich in den Sommerferien als beherrschender Eindruck festsetzen. Die ausführenden Täter sind seelisch Gestörte mit einer kriminellen und/oder psychiatrischen Vergangenheit. Gesteuert werden sie von Fanatikern. Die Steuerung durch ein Netzwerk blieb in Würzburg und Ansbach unentdeckt, obwohl beide Terroristen im Internet und auf Handys aktiv waren. Unentdeckt blieb sogar der Bombenbau des Ansbachers. Es ist nicht leicht, ein schlüssiges Verdachtsbild zu erstellen. Zweimal aus heiterem Himmel vom IS überrascht zu werden macht jetzt aber harte Konsequenzen nötig. Bei IS-Tätern wird als Muster erkennbar, dass sie seit Langem seelisch labil, polizeibekannt und überdies Muslime sind. Die Behörden kennen das Strafregister und die Religion, sie müssen auch von der Labilität wissen. Solche Menschen müssen überwacht werden können. Das ist eine heikle Thematik, die die ärztliche Schweigepflicht, das Verbot ethnisch-religiöser Schleierfahndung und etliches mehr berührt. Aber weiter wie bisher – das geht nicht. Die Täter finden auch Wege, mit ihren IS-Führungsoffizieren Kontakt zu halten. Angesichts dessen gehört das deutsche Verbot der anlasslosen langfristigen Datenspeicherung sofort auf den Prüfstand. Was anlasslos festgehalten worden ist und was mit gutem Grund, weiß man nach einem Anschlag sehr viel besser als vor ihm. Der Staat braucht im begründeten Verdachtsfall Daten über einen langen Zeitraum, um etwaige Verbindungen aufzudecken. IS-Schläfer tarnen sich, das wird ihnen beigebracht, und sie nutzen vermeintlich sichere Wege. Diese Wege dürfen nicht wegen eines Datenschutzes sicher sein, der sinnvolle Prävention unter Verdacht stellt, statt einen Täterverdacht mit allen verhältnismäßigen Mitteln aufzuklären. Schließlich gehört auch die Flüchtlingspolitik in manchen Details auf den Prüfstand. Wir müssen wissen, wer da ist und wer kommt. Abschiebungen in Bürgerkriegsländer von vornherein zu unterbinden erfordert die eindeutige Klarstellung, dass dies nur für gesetzestreue Flüchtlinge gilt. Wenn es mit der Angriffsserie so weitergeht, muss die Gesetzestreue auch durch die Überwachung der Schutzsuchenden festgestellt werden. Die Briten haben das im Weltkrieg so gemacht; ein Schritt zur Diktatur wäre eine solche Kontrolle nicht. Sie wäre ein Schritt hin zum Bürgerschutz. Wie es nach den vergangenen elf Tagen aussieht, muss Europa mit weiteren Attacken rechnen. Die eingesetzten Mittel müssen sich dabei nicht auf Handfeuerwaffen, Selbstbaubomben und Leihlastwagen beschränken. Besonnenheit in der Bevölkerung ist wichtig, um mit der Bedrohung umzugehen – aber den Schutz durch den Staat ersetzt sie nicht. [email protected] ISSN 0173-8437 173-30 ZKZ 7109
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