Clinton tritt gegen Trump an

Undercover
PICTURE ALLIANCE / ZUMA PRESS
»Spalten, kontrollieren und schwächen«. Wie die New Yorker Polizei
zusammen mit dem FBI jahrzehntelang politisch missliebige Organisationen systematisch bespitzelte und
infiltrierte. Mit Konsequenzen bis in
die Gegenwart. Von Jürgen Heiser
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Staatsnah
Zweckoptimistisch
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Krisengebeutelt
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Amadeu-Antonio-Stiftung weist Kritik
an Zusammenarbeit mit dem
Verfassungsschutz zurück
Automatische Züge, mehr Gewinn:
Die Deutsche Bahn will wieder
einmal richtig modern werden
Venezuelas Opposition will Amtsenthebungsreferendum gegen
Maduro noch in diesem Jahr
Deutsche Bank und Commerzbank
mit Gewinneinbußen. Kürzungsprogramme als Patentrezept
Staatsfeind Journalist
Tote nach Anschlag
in Nordsyrien
Türkei: Nach dem Putschversuch verschärft das Regime die Verfolgung missliebiger
Medienvertreter. Von Peter Schaber
REUTERS/OSMAN ORSAL
EPA/SANA
N
ach dem gescheiterten Versuch eines Militärputsches in
der Türkei am 15. Juli geht
die Hexenjagd gegen angebliche
oder tatsächliche Anhänger der Bewegung »Hizmet« (Dienst) des im
US-Exil lebenden Imams Fethullah
Gülen weiter. Der vom Partner zum
Erzfeind gewordene Prediger wurde
von Ankara als Drahtzieher hinter
dem Coup ausgemacht. Nachdem bereits Zehntausende Soldaten, Richter,
Staatsanwälte, Polizisten und Lehrer
suspendiert oder inhaftiert wurden,
richten sich die Maßnahmen nun erneut gegen Medienvertreter.
Bereits am Montag hatten regierungsnahe Zeitungen eine Liste mit
Namen von 42 Journalisten veröffentlicht, gegen die von der für Terrorund Organisationsdelikte zuständigen
Staatsanwaltschaft Haftbefehle erlassen worden waren. Am Mittwoch
wurde mitgeteilt, dass weitere 47 frühere Mitarbeiter der Tageszeitung
Zaman gesucht werden, weil sie der
als »bewaffnete Terrororganisation«
eingestufen Gülen-Bewegung angehören sollen. Schon im vergangenen
März waren die Räumlichkeiten der
Zaman-Redaktion von Polizeieinheiten gestürmt, das Blatt unter Zwangsverwaltung gestellt worden.
Am Dienstag wurde die früher für
die Sabah tätige Nazli Ilicak während
einer Verkehrskontrolle in Bodrum
festgenommen. Die der AKP und
Staatschef Recep Tayyip Erdogan nahestehende Zeitung hatte die Redakteurin 2013 entlassen, weil sie über
einen Korruptionsskandal berichtet
hatte, der bis in höchste Regierungskreise reichte. Polizisten drangen am
selben Tag in die Istanbuler Wohnung
des Hürriyet-Redakteurs Bülent Mu-
Reporter werden in der Türkei schon lange verfolgt: Protestaktion gegen Verhaftungen am 21. Juni in Istanbul
may ein und nahmen ihn mit. »Wenn
Sie in der Türkei als Journalist tätig
sind, gibt es keine Chance, sich vor
Putschen, Festnahmen, Haftstrafen zu
retten«, hatte Mumay noch vergangene Woche in einem Gastbeitrag für
die Frankfurter Allgemeine Zeitung
geschrieben. »Gewiss ist nur, dass
man den versuchten Staatsstreich zum
Vorwand nimmt, um Journalisten unter Druck zu setzen.«
Ähnlich wie bei den massenhaften
Suspendierungen und Verhaftungen
bei Angehörigen anderer Berufsgruppen nutzt Ankara auch gegen die Presse die aus dem niedergeschlagenen
Staatsstreich entstandene Situation
zur Abrechnung mit der Opposition.
Es ist offensichtlich, dass keineswegs
alle Journalisten, nach denen gefahndet
wird, Gülen-Sympathisanten sind. So
haben etwa die ebenfalls am Dienstag verhafteten Journalisten der kurdischen Nachrichtenagenturen DIHA
und ­JINHA ganz offensichtlich keine
Verbindungen zu dessen Gemeinde.
Selami Aslan, Mehmet Siddik Damar,
Esra Aydin und Ceylan Eraslan wurden während einer Kontrolle in der türkisch-syrischen Grenzstadt Nusaybin
kurzzeitig festgenommen. Insbesondere die DIHA gerät seit dem Beginn der
militärischen Auseinandersetzungen
im Südosten der Türkei immer wieder
in den Fokus der türkischen Behörden.
Mehr als ein Dutzend ihrer Journalisten
wurden inhaftiert, vielen von ihnen drohen langjährige Haftstrafen wegen angeblicher Propaganda für die verbotene
Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Einer Aufstellung der Journalistengewerkschaft TGS vom Anfang der Woche
zufolge befinden sich derzeit 34 überwiegend linke und kurdische Pressevertreter entweder in Untersuchungshaft
oder sitzen Strafen ab, gegen zahlreiche
weitere wird ermittelt. Der Präsident
des türkischen Journalistenverbandes,
Turan Olcayto, nannte die Verhaftungswelle »traurig und inakzeptabel«.
Siehe Seite 8
Clinton tritt gegen Trump an
USA: Konvent der Demokratischen Partei nominiert Exaußenministerin als Kandidatin
A
uf dem Parteikongress der
Demokratischen Partei der
USA ist am Dienstag (Ortszeit) Hillary Clinton zur Kandidatin
für das Präsidentenamt nominiert
worden. Die ehemalige First Lady,
Außenministerin und Senatorin von
New York wird am 8. November gegen Donald Trump antreten, der in
der vergangenen Woche von der Republikanischen Partei als Kandidat
bestimmt worden war.
Der bei den Vorwahlen unterlegene
Senator von Vermont, Bernard Sanders,
ergriff zum Schluss der Debatte das
Wort. Er bat um eine Abstimmung per
Akklamation, was die de facto einstimmige Nominierung von Clinton ermöglichte. Viele Anhänger des »demokratischen Sozialisten« verließen verärgert
das Plenum und versuchten, das Pressezentrum des Parteitages zu besetzen.
Die Polizei drängte sie ab. Kritiker monieren, dass die Spitze der Demokraten
die Vorwahlen torpediert hätte. Die aus
dem Parteiapparat stammenden sogenannten Superdelegierten hätten sich
schon auf Clintons Seite geschlagen,
noch bevor Sanders überhaupt das Rennen aufgenommen habe.
Der Vorwurf ist nicht von der Hand
zu weisen. Am Wochenende hatte
die Internetplattform Wikileaks rund
20.000 E-Mails aus der Zentrale der
Demokratischen Partei veröffentlicht.
Aus der Kommunikation geht die ablehnende Haltung gegenüber Sanders
hervor. Die Enthüllungen brachten die
Parteiführung in Bedrängnis, weil sie
sich im internen Vorwahlkampf neutral verhalten soll. Die Vorsitzende
Deborah Wasserman Schultz kündigte am Sonntag ihren Rücktritt an.
Am Mittwoch hatte Barack Obama
den Schuldigen für die Veröffentli-
chungen gefunden: Es sei nicht auszuschließen, dass die russische Regierung hinter dem Hackerangriff auf
seine Partei stecke, erklärte der USPräsident dem Fernsehsender NBC in
einem Interview. Laut einem Bericht
der New York Times geht inzwischen
auch der US-Geheimdienst davon aus,
dass die Hacker mit »hoher Wahrscheinlichkeit« von Moskau beauftragt wurden – Beweise dafür wurden
indes nicht vorgelegt. Der Kreml wies
die Vorwürfe am Mittwoch erneut
strikt zurück. (AFP/dpa/jW)
Siehe Seite 7
Kamischli. Bei einem Anschlag
in der mehrheitlich von Kurden
bewohnten Stadt Kamischli im
Nordosten Syriens sind am Mittwoch mindestens 56 Menschen
getötet worden. Etwa 160 weitere
seien verletzt worden. Wie die kurdische Nachrichtenagentur Firat
berichtete, handele es sich bei den
Opfern mehrheitlich um Zivilisten.
Laut offiziellen Angaben zündete
der Selbstmordattentäter in der
Nähe von Gebäuden der kurdischen Selbstverwaltung einen mit
Sprengstoff beladenen Lkw. Zu
dem Anschlag bekannte sich der
»Islamische Staat« (IS). Die Islamisten hatten bereits mehrfach die
Grenzstadt Kamischli attackiert.
Die kurdisch geführten und von
den USA unterstützten »Demokratischen Kräfte Syriens« (DFS)
kämpfen in Nordsyrien gegen den
IS.
(AFP/dpa/jW)
Bundesländer haben
­Überschüsse
Berlin. Die Lage der Haushalte
der Bundesländer ist angeblich
so gut wie seit Jahren nicht mehr.
Im ersten Halbjahr 2016 erzielten
die 16 Länder insgesamt einen
Etatüberschuss von 3,9 Milliarden
Euro, wie aus am Mittwoch vorgelegten Zahlen des Bundesfinanzministeriums hervorgeht. In den
ersten sechs Monaten des Vorjahres habe das Plus bei nur 0,5 Milliarden Euro gelegen.
Nur noch drei Länder wiesen
bis Ende Juni ein Defizit aus:
Nordrhein-Westfalen mit 565 Millionen Euro, Baden-Württemberg
mit einem Minus von 418 Millionen Euro sowie das Saarland
mit 402 Millionen Euro. Selbst
Bremen, das Anfang Juni als erstes
Bundesland vom »Stabilitätsrat«
zu zusätzlichen »Sparanstrengungen« aufgefordert wurde, erwirtschaftete einen Überschuss von
128 Millionen Euro. (dpa/jW)
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