Undercover PICTURE ALLIANCE / ZUMA PRESS »Spalten, kontrollieren und schwächen«. Wie die New Yorker Polizei zusammen mit dem FBI jahrzehntelang politisch missliebige Organisationen systematisch bespitzelte und infiltrierte. Mit Konsequenzen bis in die Gegenwart. Von Jürgen Heiser SEITEN 12/13 GEGRÜNDET 1947 · DONNERSTAG, 28. JULI 2016 · NR. 174 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Staatsnah Zweckoptimistisch Hartleibig Krisengebeutelt 4 5 6 9 Amadeu-Antonio-Stiftung weist Kritik an Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz zurück Automatische Züge, mehr Gewinn: Die Deutsche Bahn will wieder einmal richtig modern werden Venezuelas Opposition will Amtsenthebungsreferendum gegen Maduro noch in diesem Jahr Deutsche Bank und Commerzbank mit Gewinneinbußen. Kürzungsprogramme als Patentrezept Staatsfeind Journalist Tote nach Anschlag in Nordsyrien Türkei: Nach dem Putschversuch verschärft das Regime die Verfolgung missliebiger Medienvertreter. Von Peter Schaber REUTERS/OSMAN ORSAL EPA/SANA N ach dem gescheiterten Versuch eines Militärputsches in der Türkei am 15. Juli geht die Hexenjagd gegen angebliche oder tatsächliche Anhänger der Bewegung »Hizmet« (Dienst) des im US-Exil lebenden Imams Fethullah Gülen weiter. Der vom Partner zum Erzfeind gewordene Prediger wurde von Ankara als Drahtzieher hinter dem Coup ausgemacht. Nachdem bereits Zehntausende Soldaten, Richter, Staatsanwälte, Polizisten und Lehrer suspendiert oder inhaftiert wurden, richten sich die Maßnahmen nun erneut gegen Medienvertreter. Bereits am Montag hatten regierungsnahe Zeitungen eine Liste mit Namen von 42 Journalisten veröffentlicht, gegen die von der für Terrorund Organisationsdelikte zuständigen Staatsanwaltschaft Haftbefehle erlassen worden waren. Am Mittwoch wurde mitgeteilt, dass weitere 47 frühere Mitarbeiter der Tageszeitung Zaman gesucht werden, weil sie der als »bewaffnete Terrororganisation« eingestufen Gülen-Bewegung angehören sollen. Schon im vergangenen März waren die Räumlichkeiten der Zaman-Redaktion von Polizeieinheiten gestürmt, das Blatt unter Zwangsverwaltung gestellt worden. Am Dienstag wurde die früher für die Sabah tätige Nazli Ilicak während einer Verkehrskontrolle in Bodrum festgenommen. Die der AKP und Staatschef Recep Tayyip Erdogan nahestehende Zeitung hatte die Redakteurin 2013 entlassen, weil sie über einen Korruptionsskandal berichtet hatte, der bis in höchste Regierungskreise reichte. Polizisten drangen am selben Tag in die Istanbuler Wohnung des Hürriyet-Redakteurs Bülent Mu- Reporter werden in der Türkei schon lange verfolgt: Protestaktion gegen Verhaftungen am 21. Juni in Istanbul may ein und nahmen ihn mit. »Wenn Sie in der Türkei als Journalist tätig sind, gibt es keine Chance, sich vor Putschen, Festnahmen, Haftstrafen zu retten«, hatte Mumay noch vergangene Woche in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschrieben. »Gewiss ist nur, dass man den versuchten Staatsstreich zum Vorwand nimmt, um Journalisten unter Druck zu setzen.« Ähnlich wie bei den massenhaften Suspendierungen und Verhaftungen bei Angehörigen anderer Berufsgruppen nutzt Ankara auch gegen die Presse die aus dem niedergeschlagenen Staatsstreich entstandene Situation zur Abrechnung mit der Opposition. Es ist offensichtlich, dass keineswegs alle Journalisten, nach denen gefahndet wird, Gülen-Sympathisanten sind. So haben etwa die ebenfalls am Dienstag verhafteten Journalisten der kurdischen Nachrichtenagenturen DIHA und JINHA ganz offensichtlich keine Verbindungen zu dessen Gemeinde. Selami Aslan, Mehmet Siddik Damar, Esra Aydin und Ceylan Eraslan wurden während einer Kontrolle in der türkisch-syrischen Grenzstadt Nusaybin kurzzeitig festgenommen. Insbesondere die DIHA gerät seit dem Beginn der militärischen Auseinandersetzungen im Südosten der Türkei immer wieder in den Fokus der türkischen Behörden. Mehr als ein Dutzend ihrer Journalisten wurden inhaftiert, vielen von ihnen drohen langjährige Haftstrafen wegen angeblicher Propaganda für die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Einer Aufstellung der Journalistengewerkschaft TGS vom Anfang der Woche zufolge befinden sich derzeit 34 überwiegend linke und kurdische Pressevertreter entweder in Untersuchungshaft oder sitzen Strafen ab, gegen zahlreiche weitere wird ermittelt. Der Präsident des türkischen Journalistenverbandes, Turan Olcayto, nannte die Verhaftungswelle »traurig und inakzeptabel«. Siehe Seite 8 Clinton tritt gegen Trump an USA: Konvent der Demokratischen Partei nominiert Exaußenministerin als Kandidatin A uf dem Parteikongress der Demokratischen Partei der USA ist am Dienstag (Ortszeit) Hillary Clinton zur Kandidatin für das Präsidentenamt nominiert worden. Die ehemalige First Lady, Außenministerin und Senatorin von New York wird am 8. November gegen Donald Trump antreten, der in der vergangenen Woche von der Republikanischen Partei als Kandidat bestimmt worden war. Der bei den Vorwahlen unterlegene Senator von Vermont, Bernard Sanders, ergriff zum Schluss der Debatte das Wort. Er bat um eine Abstimmung per Akklamation, was die de facto einstimmige Nominierung von Clinton ermöglichte. Viele Anhänger des »demokratischen Sozialisten« verließen verärgert das Plenum und versuchten, das Pressezentrum des Parteitages zu besetzen. Die Polizei drängte sie ab. Kritiker monieren, dass die Spitze der Demokraten die Vorwahlen torpediert hätte. Die aus dem Parteiapparat stammenden sogenannten Superdelegierten hätten sich schon auf Clintons Seite geschlagen, noch bevor Sanders überhaupt das Rennen aufgenommen habe. Der Vorwurf ist nicht von der Hand zu weisen. Am Wochenende hatte die Internetplattform Wikileaks rund 20.000 E-Mails aus der Zentrale der Demokratischen Partei veröffentlicht. Aus der Kommunikation geht die ablehnende Haltung gegenüber Sanders hervor. Die Enthüllungen brachten die Parteiführung in Bedrängnis, weil sie sich im internen Vorwahlkampf neutral verhalten soll. Die Vorsitzende Deborah Wasserman Schultz kündigte am Sonntag ihren Rücktritt an. Am Mittwoch hatte Barack Obama den Schuldigen für die Veröffentli- chungen gefunden: Es sei nicht auszuschließen, dass die russische Regierung hinter dem Hackerangriff auf seine Partei stecke, erklärte der USPräsident dem Fernsehsender NBC in einem Interview. Laut einem Bericht der New York Times geht inzwischen auch der US-Geheimdienst davon aus, dass die Hacker mit »hoher Wahrscheinlichkeit« von Moskau beauftragt wurden – Beweise dafür wurden indes nicht vorgelegt. Der Kreml wies die Vorwürfe am Mittwoch erneut strikt zurück. (AFP/dpa/jW) Siehe Seite 7 Kamischli. Bei einem Anschlag in der mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadt Kamischli im Nordosten Syriens sind am Mittwoch mindestens 56 Menschen getötet worden. Etwa 160 weitere seien verletzt worden. Wie die kurdische Nachrichtenagentur Firat berichtete, handele es sich bei den Opfern mehrheitlich um Zivilisten. Laut offiziellen Angaben zündete der Selbstmordattentäter in der Nähe von Gebäuden der kurdischen Selbstverwaltung einen mit Sprengstoff beladenen Lkw. Zu dem Anschlag bekannte sich der »Islamische Staat« (IS). Die Islamisten hatten bereits mehrfach die Grenzstadt Kamischli attackiert. Die kurdisch geführten und von den USA unterstützten »Demokratischen Kräfte Syriens« (DFS) kämpfen in Nordsyrien gegen den IS. (AFP/dpa/jW) Bundesländer haben Überschüsse Berlin. Die Lage der Haushalte der Bundesländer ist angeblich so gut wie seit Jahren nicht mehr. Im ersten Halbjahr 2016 erzielten die 16 Länder insgesamt einen Etatüberschuss von 3,9 Milliarden Euro, wie aus am Mittwoch vorgelegten Zahlen des Bundesfinanzministeriums hervorgeht. In den ersten sechs Monaten des Vorjahres habe das Plus bei nur 0,5 Milliarden Euro gelegen. Nur noch drei Länder wiesen bis Ende Juni ein Defizit aus: Nordrhein-Westfalen mit 565 Millionen Euro, Baden-Württemberg mit einem Minus von 418 Millionen Euro sowie das Saarland mit 402 Millionen Euro. Selbst Bremen, das Anfang Juni als erstes Bundesland vom »Stabilitätsrat« zu zusätzlichen »Sparanstrengungen« aufgefordert wurde, erwirtschaftete einen Überschuss von 128 Millionen Euro. (dpa/jW) wird herausgegeben von 1.862 Genossinnen und Genossen (Stand 4.7.2016) n www.jungewelt.de/lpg
© Copyright 2024 ExpyDoc