cssa-news 3/16 Chemie-Stiftung • Sozialpartner-Akademie Editorial Ein Balance-Akt Liebe Leserinnen und Leser, BALL-Pilotseminar: Instrumente für Work-Learn-Life-Balance ein Freund erzählte mir kürzlich von einer Hochzeitsfeier, die ihn aus dem folgenden Grund beeindruckte. Während einer Partypause spielten die Kinder der Hochzeitsgäste draußen am See so viel Fußball (die EM lief noch), als wäre es ein Trainings lager. Was ihn erstaunte: Jungs und Mädchen kickten ohne Probleme miteinander, ja mitunter konnten die Mädchen geschickter mit dem Ball umgehen als die Jungs. Undenkbar zu meiner Zeit, sagte er. Die kleine Episode zeigt: Die Geschlechterrollen wandeln sich. Frauen spielen so selbstverständlich Fußball, als hätten sie es immer schon getan. Ein kleiner Rückblick macht deutlich, wie schnell sich dieser Wandel vollzog. Die erste Sozialpartner-Vereinbarung aus dem Jahr 1989 rückte noch die „Frauenförderung in der chemischen Industrie“ in den Mittelpunkt. Die zweite („Für eine chancengleiche und familienbewusste Personalpolitik“) aus dem Jahr 2006 hob die Möglichkeiten hervor, die sich für Unternehmen ergeben, wenn sie vermehrt Frauen für Führungspositionen qualifizieren. Jetzt rückt die SozialpartnerFachtagung am 13. September die „Partnerschaftliche Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ in den Mittelpunkt. Es hat sich also viel getan. Dass noch viel zu tun bleibt, ist keine Frage, wie jüngst auch das CSSAPilotseminar zur „Balance von Arbeiten, Leben und Lernen (BALL)“ verdeutlichte. Ihr Klaus-W. West, Geschäftsführer der CSSA Inhalt Promotoren für Nachhaltigkeit Start der Weiterbildung 2 Arbeit und Leben in Balance Sozialpartnerfachtagung in Berlin 2 Väter müssen mitziehen Interviews mit Sandra Laegner und Rüdiger Koch 3 Haus der drei Generationen Ida Schönherr im Gespräch cssa-news 3/2016 4 Arbeiten, Leben und Lernen zu vereinbaren, scheint heute schwieriger denn je. Früher war nach Schichtende Schluss, strömten die Beschäftigten nach Hause, gehörte „Vati samstags mir“, wie es 1956 auf einem Mai-Plakat des DGB hieß. Entsprechend groß war das Interesse am CSSA-Pilotseminar „Balance von Arbeiten, Leben und Lernen (BALL)“ am 9. und 10. Juni in Hannover. Die CSSA erhöhte sogar kurzfristig die Teil Smartphone oder Tablet, und für jeden er nehmerzahl von 16 auf 20, um die Nachfrage reichbar, auch in seiner Freizeit oder im Ur zu erfüllen. Warum das Pilotseminar so ge laub. Abschalten, buchstäblich, sagt sich fragt war, hat viele Gründe. Allen voran leicht, doch viele tun sich schwer damit. Je steht der demografische Wandel und – doch, so wiesen Gronewold und Hiestand damit verbunden – das The ma Gesundheit am Arbeits platz. Für Torsten Langen dörfer, stellvertretender Be triebsratsvorsitzender bei einem Gummihersteller im Saarland (1.200 Beschäftigte), ist die „Alterung der Beleg schaft“ eine große Herausfor derung. Um die Nachwuchs sorgen zu mildern, „wollen wir verstärkt angelernte Mitarbeiter qualifizieren“, betonte er. Er zeigte sich überzeugt, dass „weiche Die Referentinnen: Julia Gronewold (l.) und Stefanie Hiestand. Faktoren“, wie flexible Ar beitszeitmodelle und Gesundheitsmaß hin: Vereinbarkeit ist auch eine individuelle nahmen, künftig noch wichtiger werden als Sache. Der eine fährt am besten damit, das Gehalt. Holger Altstadt, Betriebsrat bei wenn er Arbeit, Lernen und Privatleben einem Reifenhersteller in Hessen (7.500 strikt trennt, der andere braucht eine ständige Mitarbeiter in Deutschland), wollte heraus Überschneidung, um sich wohlzufühlen. finden, „wie ich Arbeiten und Leben in Ein So wirken auch die Instrumente für eine klang bringen kann“. Jens von Häfen, Be Balance bei jedem Mitarbeiter anders und triebsratsvorsitzender eines Pharmaunter müssen dem Typ und seiner Lebensphase nehmens aus Baden-Württemberg, angepasst werden. bestätigte, dass auch bei ihnen im Betrieb das Thema Burn-out sehr ernst genommen wird. Gemeinsam mit der Belegschaft und Den vollständigen Bericht sowie die der Geschäftsleitung bauen sie nun ein be Seminardokumentation finden Sie hier: www.cssa-wiesbaden.de triebliches Gesundheitsmanagement auf. Hintergrund des Pilotseminars ist der Was es so schwer macht, Arbeit, Leben und Chemie-Tarifvertrag „Lebensarbeitszeit Lernen unter einen Hut zu kriegen, erklärte und Demografie“, den die Chemie-SozialDr. Julia K. Gronewold, die das Seminar zu partner BAVC und IG BCE im Jahr 2012 sammen mit Dr. des. Stefanie Hiestand lei abschlossen. Die Chemie-Sozialpartner hatete: „Die Grenzen zwischen den Bereichen ben ihrerseits Materialien zur Umsetzung Arbeiten, Privatleben und Lernen ver chancengleicher und familienbewusster schwimmen immer mehr. Der Mensch Familienpolitik zusammengestellt: steht in der Mitte, als ‚Grenzgänger‘ und BAVC: bit.ly/Vereinbarkeit ‚Jongleur‘, der versucht, die Bälle oben zu IG BCE: bit.ly/aktiveFrauen halten.“ Man ist immer online, sei es per 1 In Kürze Termine 13. September, Berlin Sozialpartner-Fachtagung: „Arbeit und Leben in Balance – Herausforderung und Chance“: bit.ly/Arbeit-und-Leben 21. September, Wiesbaden 5. CSSA-Länderseminar: „Arbeitsbeziehungen in Spanien“. Den Seminarflyer gibt es hier: bit.ly/Länderseminar_Spanien Kontakt: Christine Kolodzyck, Tel.: 0611-970098-0. Neu im Team der CSSA Andreas Matzke ist seit 1. Mai im Team der CSSA. Er unterstützt die neue CSSAInitiative InnovA (Innovative Arbeitswelten in der chemischen Industrie). Er hat zuvor in Deutschland und Indien in der Führungskräfteentwicklung, der Organisationsberatung und Gesundheitsförderung in KMU gearbeitet. Matzke hat Philosophie, Psychologie und interkulturelle Wirtschaftskommunikation in Jena sowie Betriebswirtschaft in Heidenheim studiert. Diversity: Frauen bringen mehr Profit Je mehr Frauen ein Unternehmen in die mittlere und obere Leitungsebene holt, desto ertragreicher ist es. Das zeigt eine Studie des Washingtoner Peterson Instituts. Die einfache Formel: Steigt der Anteil weiblicher Führungskräfte von Null auf 30 Prozent, so wächst die Profitabilität um 15 Prozent. Entscheidend sind vor allem die Vorstands- und die darunterliegende Ebene. Die Forscher vermuten, dass Frauen hier Kompetenzen einbringen, die der Firma sonst fehlen würden. Die Studie „Is Gender Diversity Profit able? Evidence from a Global Survey“ gibt es hier: www.cssa-wiesbaden.de. Stilles Wissen Wissenstransfer benennen Unternehmen als eins der großen Themen des demografischen Wandels. Viele erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in absehbarer Zeit die Unternehmen verlassen, weil sie in den Ruhestand treten. Wie sie ihr „stilles Wissen“ an Kollegen weitergeben können und wie Unternehmen Verluste am „Unternehmensgedächtnis“ vermeiden, thematisiert die CSSA in einem Sondernewsletter zum Thema Wissenstransfer. Er erscheint im 2. Halbjahr dieses Jahres. 2 Promotoren für Nachhaltigkeit Start der Weiterbildung im Rahmen von Chemie3 Sie sollen im Unternehmen Nachhaltigkeit voranbringen, Projekte initiieren und auch die Beschäftigten dafür gewinnen. Neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus fünf Chemieunternehmen haben Ende Juni mit der wissenschaftlichen Weiterbildung „Promotor für Nachhaltigkeit und Innovation (FH)“ begonnen. auch kleinen und mittelständischen Unter nehmen zu verankern. Hintergrund sind die Nachhaltigkeitsinitiative Chemie3 der chemi schen Industrie und die zwölf „Leitlinien zur Nachhaltigkeit für die chemische Industrie in Deutschland“. In den kommenden 18 Mona ten stehen bei den Absolventen Themen wie Nachhaltigkeit und Innovation, nachhaltige Zukunft – gutes Leben und gutes Arbeiten, Globalisierung und ihre Auswirkungen, Men schenrechte sowie Nachhaltigkeit in Wirt PNI ist ein unternehmensorientiertes, wis schaftsunternehmen auf dem Programm. Ein senschaftliches Qualifikationsangebot der So zweiter Durchgang beginnt mit dem Basis zialpartner der Chemiebranche und der modul am 12. – 13. September 2016. Hochschule Trier, Umwelt-Campus Birken feld. Das Ziel ist, das Themenfeld „Nachhaltige Weitere Informationen und Anmeldung: Entwicklung & Innovation“ im jeweiligen Un www.promotor-nachhaltigkeit-innovation.de ternehmensalltag von global agierenden, aber Arbeit und Leben in Balance Werte, Kriterien und Indikatoren Mehr Menschen, egal ob Frau oder Mann, wünschen sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Chemie-Sozialpartner IG BCE und BAVC machen daher „Arbeit und Leben in Balance“ bei ihrer SozialpartnerFachtagung zum Thema. Nachhaltigkeit ist ein schillernder Begriff, in dem sehr unterschiedliche Vorstellungen und Konzepte aufeinandertreffen. Mit einer Indikatorenpolitik lassen sich oft unausgewiesene Werte, Kriterien und Indikatoren klären. Sie findet am 13. September in Berlin statt und knüpft an die Sozialpartner-Vereinbarung „Für eine chancengleiche und familienbewusste Personalpolitik“ aus dem Jahr 2006 an. Die Tagung will nun neue Akzente setzen. Bundes familienministerin Manuela Schwesig be schreibt in einem Impulsvortrag die aktuellen familien- und frauenpolitischen Schwerpunk te. Margret Suckale, Präsidentin des BAVC, und Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE, Kathrin Menges, Vorstandsmitglied, und Yvonne Jones, Betriebsrätin der Henkel AG & Co. KGaA, diskutieren Chancen und Heraus forderungen vor dem Hintergrund einer ver änderten Lebens- und Arbeitswelt. Zum Ab schluss skizziert Dr. Klaus-Peter Stiller, Haupt geschäftsführer des BAVC, „die Agenda für eine neue Chancengleichheit“. Weitere Informationen zur Fachtagung und wo Sie sich anmelden können, finden Sie hier: bit.ly/Arbeit-Leben Der Technikphilosoph Christoph Hubig, Professor an der TU-Darmstadt, hat für die CSSA ein indikatorenpolitisches Konzept entwickelt, das Akteuren in Wirtschaft und Gesellschaft erlaubt, überzeugender und wir kungsvoller auf der Grundlage ihrer Werte zu handeln. In der Chemiebranche sind dies Arbeitgeber, Gewerkschaft und Betriebsräte, die sich an dem grundlegenden Wert der So zialpartnerschaft orientieren. Indikatorenpo litik klingt theoretisch, bezeichnet aber etwas Praktisches. Sozialpartnerschaft wird an schaulicher und effektiver, wenn sie in Krite rien und Indikatoren übersetzt wird. So er geben sich Zugänge zu praktischen Fragen der Nachhaltigkeit in den Unternehmen. Etwa: Was bedeutet Gesundheit konkret im Alltag? Wie lässt sich der Anspruch auf Wei terbildung realisieren? Der Autor sagt: Werte, Kriterien und Indikatoren dürfen sich nicht widersprechen. Und: Die Lösungen „sind nicht irgendwie objektiv gegeben, sondern müssen von den Sozialpartnern ausgehan delt werden“. cssa-news 3/2016 „Keine Gesundheit ohne Vereinbarkeit“ Rüdiger Koch über das Megathema Pflege und das Verhältnis von Gesundheit und Vereinbarkeit Herr Dr. Koch, Sie waren viele Jahre freigestellter Betriebsratsvorsitzender bei der Merz Pharma KGaA, einer Ihrer Arbeitsschwerpunkte war die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Was hat sich in Sachen Vereinbarkeit seitdem geändert? Wir haben im Jahr 2002 im Betriebsrat an gefangen, das Thema überhaupt zu entwi ckeln. Verglichen mit damals, ist das The ma Vereinbarkeit heute viel selbstverständ licher geworden. Sie verblüffen heute niemanden mehr, wenn Sie als Unterneh men sagen, wir kümmern uns um die Ver einbarkeit von Beruf und Familie. Neu ist vielleicht, dass es jetzt nicht mehr nur um die Unterstützung von Frauen und Familie, sondern allgemeiner um die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben geht und zuneh mend auch andere Zielgruppen, wie Män ner und Ältere, berücksichtigt werden. Was sind hier für Sie die zentralen Themen? Die Kinderbetreuung war und ist natürlich wichtig. Ein großes gesellschaftliches The ma ist die Pflege, gleichwohl bleibt es in den Betrieben eher unsichtbar. Neu dazu gekommen ist sicher das Bewusstsein für Gesundheit, weil sich die Arbeit in den ver gangenen zwei Jahrzehnten sehr stark ver ändert hat. Sie ist viel schneller, globaler und vielfach auch belastender geworden, die Beschäftigten müssen mehr Flexibilität zeigen. Wenn ich diese gestiegenen beruf lichen Anforderungen auch noch mit mei nem Privatleben vereinbaren will, dann muss ich zu allererst gesund sein. Für mich gilt daher: keine Vereinbarkeit ohne Gesundheit, aber auch keine Gesundheit ohne Vereinbarkeit. Was macht Merz konkret, damit seine Beschäftigten zum Beispiel Beruf und die Pflege von Angehörigen vereinbaren können? Merz führt seit vielen Jahren das „Kompe tenztraining Beruf und Pflege“ zusammen mit zehn anderen Firmen durch. Hinter grund war damals das Frankfurter Bündnis für Familien, das im Jahr 2005 gegründet wurde und die Initiative „Lokale Bündnisse für Familie" des Bundesfamilienministeri ums aufgriff. Bei dem Training handelt es sich um eine Reihe von vier bis sechs Seminaren à drei Stunden. Diese Seminar reihe wird zweimal im Jahr angeboten. Es geht um Themen wie Demenz, Alter und Depressionen oder wie gehe ich mit Trauer und Tod um. Und um finanzielle und rechtliche Aspekte. Es gibt aber auch ganz praktische Tipps: Wie pflege ich? Auch wenn diese Seminare nur für einen kleinen Teil der Beschäftigten Platz bieten, darf man ihre Wirkung nicht unterschätzen. Sie tragen dazu bei, dass das Thema Pflege im Unternehmen kein Tabu mehr ist. Dr. Rüdiger Koch, Biochemiker, zuletzt freigestellter Betriebsratsvorsitzender bei Merz Pharma in Frankfurt am Main, 67 Jahre alt, für die IG BCE lange auch Mitglied im Sozialpartner-Arbeitskreis sowie aktiv in der Initiative Gesundheitsindustrie Hessen (IGH). Das Interview in voller Länge: www.cssa-wiesbaden.de „Ohne die Väter funktioniert es nicht“ Sandra Laegner über Elternzeit, Life-Balance und mehr Frauen in Führungspositionen Frau Laegner, wie halten Sie es mit der Vereinbarkeit von Arbeiten und Leben? Ich gebe gern zu, dass es Zeiten gegeben hat, wo ich das Thema nicht so sehr ernst genom men habe. Heute sieht das anders aus. Mir ist die Life-Balance sehr wichtig, besonders die Flexibilität in der Arbeitszeit. Geht es nur Ihnen so oder auch Ihrem Partner, anders gefragt: Ist Vereinbarkeit Frauenoder auch Männersache? Für mich betrifft das ganz klar Frauen und Männer gleichermaßen. Hier kann man si cher feststellen, dass sich in den vergangenen Jahren einiges verändert hat. Die Männer ge Sandra Laegner ist heute Head of Local HR Center of Expertise bei Boehringer Ingelheim, zuständig unter anderem für Diversity & Inclusion und Betriebliches Gesundheitsmanagement. Das Interview in voller Länge: www.cssa-wiesbaden.de cssa-news 3/2016 hen arbeiten und die Frauen kümmern sich um die Familie – dieses klassische Rollenmo dell hat ausgedient. Wir stellen fest, dass die Life-Balance für beide Partner sehr wichtig ist. Männer wollen sich heute genauso wie ihre Frauen um die Familie kümmern. Wie steht es um die Life-Balance in Ihrem Unternehmen? Nehmen wir die Elternzeit. Wenn Nach wuchs da ist, geht inzwischen ein Drittel aller Männer und zwei Drittel der Frauen in El ternzeit. Hier haben die Männer stark aufge holt. Sicher könnten noch mehr Männer die Elternzeit nutzen, wir sind aber auf einem guten Weg. Das zeigt sich auch an der Dauer. Die Männer nehmen bislang zwischen ei nem und zwei Vätermonaten, aber sie gehen mehr und mehr auch länger in Elternzeit. Umgekehrt stellen wir bei den Frauen fest, dass die Dauer ihrer Elternzeit stark zurück geht. Das heißt, die Frauen kehren nach der Geburt eines Kindes sehr schnell wieder an ihren Arbeitsplatz zurück, sei es in Teil- oder Vollzeit. Erstaunlich ist auch, dass mehr Frau en sofort wieder voll arbeiten. Für uns ist das ein deutliches Zeichen, dass sich ihre Partner stärker um die Familie kümmern und ihre Frauen mehr entlasten, als es Väter in der Vergangenheit getan haben. Was sind für Sie die wichtigsten Zielgruppen in Sachen Vereinbarkeit? Das sind einmal hoch qualifizierte Frauen und weibliche Führungskräfte. Hier geht es vor allem um Gender-Balance, also darum, dass mehr Frauen in Führungspositionen gelangen. Das hat sehr viel mit Life-Balance zu tun. Wer mehr Frauen in Führungsposi tionen will, muss ihnen auch Möglichkeiten bieten, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Es betrifft natürlich auch die Väter. Sie spielen für uns eine zentrale Rolle dabei, mehr Frauen für Führungspositionen zu gewinnen und zu qualifizieren. Um es klipp und klar zu sagen: Ohne die Väter funktioniert das nicht. Schließlich sind auch die Führungskräfte eine wichtige Zielgruppe. Zum einen sind sie Vorbilder und zum an deren berührt das Thema Vereinbarkeit auch die Frage, wie in Unternehmen geführt wird, also die Führungskultur. 3 Haus der „drei Generationen“ ESSC: ein Gespräch mit Betriebsrätin Ida Schönherr Ein Haus, eine schnell wachsende Belegschaft und „drei Generationen“ an Beschäftigten mit sehr unterschiedlichen Einstellungen und Ansprüchen – das ist das European Shared Service Center (ESSC) der BASF in Berlin. Wie ist Sozialpartnerschaft unter diesen Bedingungen möglich? Ein Gespräch mit Ida Schönherr, Betriebsratsvorsitzende des ESSC, über praktische Herausforderungen der Sozialpartnerschaft. Sie fragen vor allem danach: „Was bekomme ich?“ Viele von ihnen stellen sich ihre Karrie re wie einen Lift vor: Es geht praktisch auto matisch nach oben. Betriebsrätin Ida Schönherr Das European Shared Service Center (ESSC) der BASF in Berlin beschäftigt heute 1.200 Mitarbeiterinnen. Mehr als zwei Drittel der Be legschaft sind Frauen. Das ESSC erledigt zen tral für 216 Gesellschaften der BASF alle Fi nanzdienstleistungen (Rechnungsein- und -ausgang, Mahnwesen, Controlling), ferner al les, was Human Resources betrifft (Recruiting, Training, Personalentwicklung). Das ESSC ist ein „junges Haus“, sagt Ida Schönherr, das Durchschnittsalter liegt bei 35 Jahren. Den Betriebsrat führen eine Vorsitzende und zwei Vertreterinnen. „Ein Solitär bei der BASF“, sagt Ida Schönherr. Sie hat im Jahr 2005 als Assistentin der Geschäftsführung bei der BASF angefangen. Als die BR-Wahlen ein Jahr später anstanden, entschloss sie sich zu kandidieren – und wurde auf Anhieb gewählt. Damals beschäftigte das Center gerade 90 Menschen. Von ihnen sind heute noch 30, also ein Drittel der Startbelegschaft, beim ESSC. In der stark gewachsenen ESSC-Belegschaft gibt es sehr unterschiedliche Anspruchshal tungen. Ida Schönherr ordnet sie „drei Gene rationen“ zu. Die Aufbaugeneration. Sie hat den Start und das Wachstum des Unternehmens miterlebt und verhält sich bei diesen Themen unkom pliziert. Von den Mitarbeiterinnen und Mitar beitern des Jahres 2005 sind heute noch 30 dabei. Und: Diese Startgeneration hat gute Karrieren gemacht. Die mittlere Generation. Die Mehrzahl der Beschäftigten. Sie sehen die Dinge naturge mäß anders. Sie sind stark von dem geprägt, was Schönherr „Sterntaler“-Mentalität nennt. 4 Die dritte Generation. Sie ist seit etwa ein bis zwei Jahren beim ESSC. Es ist die sogenannte „Generation Y“, die zwischen 1980 und 2000 geboren wurde. Sie charakterisiert Ida Schön herr so: Sie sind engagiert bei der Arbeit, aber nicht so stark auf die Karriere fixiert. Sie ha ben ein starkes Interesse an einer Balance zwischen Beruf und Leben. Solche generationsspezifischen Einstellun gen sind auch bei Themen wie „Respekt“ in Arbeitsbeziehungen anzutreffen. Die Aufbau generation ist der Auffassung: „Respekt tut der Firma gut.“ Die „Sterntaler-Generation“ reagiert empfindlicher, sie hält schnell vieles für respektlos. Die Generation Y sagt: „Mir reicht die Information.“ Agierender Betriebsrat Wie stellt sich der Betriebsrat diesen Heraus forderungen? Nicht nur mit großen Betriebs versammlungen. Er wirkt auch an einer sozi alpartnerschaftlichen Institution beim ESSC mit, die „Meet the Management“ (MtM) heißt. Viermal im Jahr haben die Beschäftig ten die Gelegenheit, die Führung des Unter nehmens persönlich zu sprechen. Das gilt auch für neue Mitarbeiterinnen und Mitar beiter, denn das ESSC wächst weiter. Beim MtM stellt sich das komplette Management den „Neuen“ vor. Was kann ein Betriebsrat angesichts dreier „Generationen“ im Betrieb für eine erfolgrei che Sozialpartnerschaft tun? Ida Schönherr sagt: „Eine Drei-Generationen-Belegschaft, wie wir sie im ESSC haben, bedeutet Vielfalt, die gemanagt werden muss. Dafür sind Ver ständigung, Übersetzung und Vertrauen be sonders wichtig.“ Sozialpartnerschaft hat für sie auch eine alltägliche praktische Dimensi on: „Ich gehe mit anderen so um, wie ich wünsche, dass mit mir umgegangen wird.“ Dazu gehört, dass man Argumente anderer gelten lässt, den Konsens sucht – auch und gerade, weil es Differenzen gibt. Und natür lich Offenheit und Unvoreingenommenheit. In Kürze Arbeitsbeziehungen in Spanien Das fünfte Seminar der CSSA-Länderreihe befasst sich mit den „Arbeitsbeziehungen in Spanien“. Es findet am 21. September 2016 in Wiesbaden statt. Der spanische Rechtsanwalt Talmac Bel Geronés stellt die Grundzüge des spanischen Arbeitsrechts dar. Der Arbeitssoziologe Dr. Wilfried Kruse untersucht die Industriebeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Spanien. Und über ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Spaniern berichten Daniel Jost, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender der Chemischen Fa brik Budenheim, und Juan Carlos Guzmán, von Evonik Espana y Portugal. Den SeminarFlyer gibt es hier. Anmeldungen bei: christine.kolodzyck(a)cssa-wiesbaden.de Nachhaltigkeit und Anthropozän BAVC, IG BCE und VCI entwickeln derzeit mit der Initiative Chemie3 Fortschrittsindikatoren für eine nachhaltige Entwicklung. Seit der Industrialisierung ist der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse der Erde geworden. Dieser „Anthropozän-Diskurs“ schafft in Universitäten und Museen neue, zumeist industriekritische Wortbilder. Die CSSA hat gemeinsam mit Dirk Matejovski, Professor am Institut für Medien- und Kulturwissenschaft der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, diese Bilder untersucht. Die Ergebnisse der Studie veröffentlicht die CSSA in den nächsten Wochen. Ihre Wahl: gedruckt oder digital? Wie wollen Sie Ihre „cssa-news“: per Post im Briefkasten oder per E-Mail als PDF- Datei? Die digitale Variante ist natürlich umweltfreundlicher, für Sie schneller und für uns günstiger. Bitte entscheiden Sie sich und geben Sie uns Bescheid: www.cssa-wiesbaden.de/newsletter.html Impressum Chemie-Stiftung Sozialpartner-Akademie – eine Initiative der Chemie-Sozialpartner BAVC und IG BCE Kreuzberger Ring 70, 65205 Wiesbaden Tel.: 0611 - 970098 - 0, Fax: 0611 - 970098 - 16 [email protected], www.cssa-wiesbaden.de Verantwortlich: Dr. Klaus-W. 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