Der Fall Temme ANDREAS ARNOLD/DPA - BILDFUNK NSU-Prozess: Ein Geheimdienstler, der seine Freizeit im Schützenverein verbringt, hört keinen Schuss neben sich, sieht keinen Sterbenden aus kurzer Entfernung, und das Oberlandesgericht München hält das alles für glaubwürdig. Von Wolf Wetzel SEITE 3 GEGRÜNDET 1947 · MONTAG, 25. JULI 2016 · NR. 171 · 1,50 EURO (DE), 1,70 EURO (AT), 2,20 CHF (CH) · PVST A11002 · ENTGELT BEZAHLT WWW.JUNGEWELT.DE Mangelnde Übersicht Reichlich aggressiv Gezielte Attacke Gut organisiert 2 4 7 12 Sachsen erschwert Aufklärung und Prävention sorbenfeindlicher Straftaten. Ein Interview Abgeordneter geht bei Christopher Street Day in Berlin auf Israelis los. Von Markus Bernhardt Mehr als 80 Tote bei Bombenanschlag Beispiel für andere: Die Göttinger auf schiitische Demonstranten in Autonome Antifa [M] in den Kabul. Von Knut Mellenthin 90er Jahren. Von Bernd Langer Syrien bereit zu Friedensgesprächen jein Den Zeigefinger heben: IOC-Präsident Thomas Bach und Wladimir Putin 2014 in Sotschi D ie russische Mannschaft wird trotz der umfassenden Dopingvorwürfe nicht von den Olympischen Spielen, die am 5. August in Rio de Janeiro beginnen, ausgeschlossen. Diese Entscheidung teilte das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Sonntag in Lausanne mit. Es ist das vorläufige Ende der antirussischen Kampagne, die seit den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 läuft und mit der die westlichen Staaten auf der sportpolitischen Ebene etwas geschafft haben, was sie auf der geopolitischen nicht vermochten: die Isolierung der Russischen Föderation, neben China das größte Hindernis für ihre ökonomischen Interessen. Im Zuge des »McLaren-Reports«, der am Montag in Toronto vorgestellt worden war und in dem Russland eine geheimdienstlich abgesicherte Form des Staatsdopings während der Winterspiele in Sotschi vorgeworfen worden war, hatten mehrere Nationale Antidopingagenturen unter Führung der USA und Kanadas den kompletten Ausschluss Russland von den Sommerspielen in Rio verlangt. Russland wird nicht komplett von den Olympischen Spielen ausgeschlossen, die einzelnen Sportverbände sollen entscheiden. Von Stefan Malta Am Sonntag beschloss nun das Exekutivkomitee des IOC nach einer mehrstündigen Telefonkonferenz, Russland nicht komplett auszuschließen, sondern es den einzelnen internationalen Sommersportverbänden zu überlassen, darüber zu befinden, ob russische Athleten in den jeweiligen Sportarten antreten dürften oder nicht. Diese Entscheidnung wurde von Russland in einer ersten Reaktion begrüßt: »Das ist eine rechtmäßige Lösung», sagte der Chef des Sportausschusses im russischen Parlament, Dmitri Swischtschjow und gab zu bedenken, dass »solche Entscheidungen (…) nicht nur in bezug auf russische Athleten, sondern auf Sportler in der ganzen Welt« getroffen werden sollten. Tatsächlich ist der Beschluss ein Kompromiss des IOC, das russische Doping, das konkret nicht mehr in Frage in gestellt wird (diskutiert wird nur, wer dafür verantwortlich war), zu bestrafen, nicht aber eine komplette Nation. Demonstrativ hatte Russlands Präsident Wladimir Putin zuletzt die Gründung einer neuen Antidopingkommission in Russland angekündigt, deren Leitung der 81jährige Witali Smirnow übernehmen soll, der seit 45 Jahren IOC-Mitglied ist. »Er hat einen absolut tadellosen Ruf und genießt das Vertrauen der olympischen Familie«, sagte Putin. Schon am Freitag hatte Putins Sprecher Dmitri Peskow erklärt: »Wir glauben, dass Sportler, die nicht des Dopings überführt wurden und auch nicht des Dopings verdächtigt werden, das Recht haben sollten, an den Olympischen Spielen teilzunehmen.« Auch wenn bislang kein internationaler Sportfunktionär eingestehen will, dass in der fast vollständig durch- kommerzialisierten Welt des Spitzensports Doping die Regel und nicht die Ausnahme darstellt, so ist Peskows Äußerung trotzdem bemerkenswert, denn sie erklärt tendenziell »saubere« Sportler zu Einzelfällen. Und das gilt nicht nur für Russland, sondern dürfte für die Olympia-Sportler aller Länder gelten. Die russischen Leichtathleten profitieren von der Entscheidung am Sonntag nicht, sie bleiben von den Rio-Spielen ausgeschlossen. Der Internationale Sportgerichtshof CAS hatte am vergangenen Mittwoch die Suspendierung des russischen Leichtathletik-Verbandes durch den Weltverband IAAF als regelkonform bestätigt. Die antirussische Kampagne aber wird nach dem Sommer weitergehen. Das nächste Problem wurde von einzelnen Sportverbänden schon benannt: die Fußball-WM 2018 in Russland. Erdogan lässt foltern Vorgehen gegen vermeintliche Gülen-Anhänger verschärft. Verdächtige misshandelt U nter dem Ausnahmezustand geht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unvermindert gegen tatsächliche und vermeintliche Gegner vor. In seinem ersten Dekret hatte er am Samstag die Schließung von 2.341 Einrichtungen im Land angeordnet, darunter Schulen sowie gemeinnützige, gewerkschaftliche und medizinische Institutionen. Alle sollen Verbindungen zur Gülen-Bewegung gehabt haben. Die türkische Regierung macht die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich, und von deren Anhängern soll der öffentliche Dienst »gesäubert« werden. Bis zum Wochenende wurden 45.500 Polizisten und zivile Angestellte suspendiert, darunter viele Mitarbeiter des Bildungsministeriums. 21.000 Lehrern wurde die Arbeitserlaubnis entzogen. 13.000 Verdächtige wurden bisher in Haft genommen. Wie Amnesty International am Sonntag mitteilte, gebe es »glaubwürdige Hinweise«, dass diese auch gefoltert würden. »Berichte von Misshandlungen inklusive Schlägen und Vergewaltigung in Polizeigewahrsam sind extrem alarmierend«, sagte Europa-Direktor John Dalhuisen in einer Mitteilung. Die Regierung müsse diese »abscheulichen Praktiken« sofort stoppen. Amnesty kritisierte das am Samstag erlassene Dekret des Präsidenten. Der erste Erlass unter dem am Donnerstag verhängten Ausnahmezustand erlaubt unter anderem, dass Behördenvertreter bei Treffen von Verdächtigen und Anwälten anwesend sein und diese in Ton- oder Videoaufnahmen aufnehmen dürfen. Dokumente, die zwischen Festgenommenen und Anwälten ausgetauscht werden, können beschlagnahmt werden. Amnesty bemängelte, damit werde das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren unterlaufen. Die Organisation teilte mit, sie habe mit Anwälten, Ärzten und einem Diensthabenden an einem Ort gesprochen, wo Festgenommene festgehalten würden. Ihr lägen mehrere Berichte vor, wonach Verdächtige an »inoffiziellen Orten« wie Sportzentren oder in einem Stall gehalten würden. Es sei nicht geplant, den 90tägigen Ausnahmezustand zu verlängern, beschwichtigte Ministerpräsident Binali Yildirim. »Aber wenn Bedarf ist, kann er natürlich verlängert werden«, sagte der Regierungschef in einem Interview mit dem Fernsehsender ATV. Bernd Müller (mit Agenturen) CHARLIE RIEDEL/AP PHOTO SANA/REUTERS IOC sagt Beirut. Syrien hat sich staatlichen Medien zufolge zu weiteren Friedensgesprächen bereit erklärt. Die Regierung stelle keine Vorbedingungen und hoffe auf eine umfassende Lösung, berichtete die Nachrichtenagentur SANA unter Berufung auf einen Vertreter des Außenministeriums am Sonntag. Syrien werde den Dialog mit Unterstützung der Vereinten Nationen fortsetzen. Eine Einmischung von anderen Ländern dürfe es aber nicht geben. Die UN planen im August eine neue Syrien-Konferenz in Genf. Die Friedensgespräche zwischen syrischer Regierung und Aufständischen sowie den Regionalmächten waren im Frühjahr angesichts der aufflammenden Gewalt im Land erfolglos abgebrochen worden. Auch am Wochenende kam es in der zwischen Regierung und Aufständischen heftig umkämpften Stadt Aleppo im Norden des Landes zu Gefechten. (Reuters/dpa/jW) Deutsches Militär bildet Geflüchtete aus Berlin. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will Geflüchtete bei der Armee beschäftigen. Die Bundeswehr sei »in einem Pilotprojekt« dabei, 100 Schutzsuchende »in zivilen Fähigkeiten auszubilden«, sagte von der Leyen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Vorgesehen seien die Bereiche Handwerk, Technik, Medizin und Logistik. »Die Idee ist, dass sie eines Tages nach Syrien zurückgehen und beim Aufbau helfen«, so die Ministerin. Als Soldaten wolle man die Geflüchteten aber nicht ausbilden. Von der Leyen brachte jedoch eine militärische Zusammenarbeit mit Syrien ins Spiel. Sollte es in dem Land wieder eine »verantwortungsvolle Regierung« geben – gemeint ist: eine andere als die um den gewählten Präsidenten Baschar Al-Assad –, könne die Bundeswehr die Ausbildung von Sicherheitskräften im Land unterstützen. (Reuters/dpa/jW) wird herausgegeben von 1.862 Genossinnen und Genossen (Stand 4.7.2016) n www.jungewelt.de/lpg
© Copyright 2024 ExpyDoc