Konzeption der Straßensozialarbeit des TrebeCafé Vorbemerkung/Vorwort 1 Träger des Angebotes 2 Rechtliche Grundlagen 3 Pädagogische Grundlagen 3.1 Definition Straßensozialarbeit 3.2 Zielgruppe / Klientelbeschreibung 3.3 Arbeitsinhalte und -ziele 4 Arbeitsansatz Streetwork und Angebote der Straßensozialarbeit 4.1 Tätigkeitsmerkmale der Aufsuchenden Straßensozialarbeit 4.2 Begleitungen zu anderen Institutionen 4.3 Aufsuchende Arbeit in anderen Institutionen und in der eigenen Wohnung 4.4 Einzelfallhilfe / flexible Betreuung auf der Straße 5 Rahmenbedingungen der Straßensozialarbeit des TrebeCafé 5.1 Ortsbeschreibung 5.2 Streetwork-Zeiten 5.3 Streetwork-Ausstattung / Arbeitsmaterialien 5.4 Finanzen 5.5 Mitarbeiterinnenprofil 6 Kooperationen & Vernetzung 6.1 Interne Kooperationen 6.2 Externe Kooperationen 6.3 Netzwerkarbeit regional und überregional 7 Dokumentation & Qualitätssicherung 7.1 Dokumentation 7.2 Qualitätssicherung Konzeption der Straßensozialarbeit des TrebeCafé Vorbemerkung Das TrebeCafé befindet sich am Rande des Hauptbahnhofes. Mädchen verschiedener Szenen besuchen die Einrichtung. Die Anlaufstelle des TrebeCafé allein vermag jene Mädchen kaum zu erreichen, die 'abzudriften' drohen. Das Hinausgehen von Streetworkerinnen zu den Orten, an denen die 'gefährdeten' Mädchen und jungen Frauen sich ihre lebensweltlichen Bezüge schaffen, bringt den Kontakt und damit eine Basis, auf der präventive Aktivitäten wirken können. Das Verhalten der Klientinnen auf der Straße deckt sich nicht immer mit dem Verhalten in der Einrichtung. Draußen findet sozial-arbeiterischer Kontakt in einer anderen Qualität statt. Die unverbindliche Umgebung der Straße ermöglicht den Klientinnen, einen ersten vorsichtigen Kontakt mit Streetworkerinnen zu wagen. Es wird "getestet", ob die Sozialarbeiterin vertrauenswürdig ist und was mit ihr möglich ist. Aus solchen unverbindlichen Annäherungen entstehen oft intensive Gespräche, Betreuungen und Begleitungen. 1 Träger des Angebotes Träger des Bereiches Streetwork im TrebeCafé ist die Diakonie in Düsseldorf. Diakonie in Düsseldorf ist evangelischer Wohlfahrtsverband e.V. und als solcher verlässlicher und solidarischer Partner der anderen öffentlichen und freien Träger der Wohlfahrtspflege. Sie ist tätig in Bereichen der Jugend- und Familienhilfe, der Wohnungslosenhilfe, des Gesundheits- und Sozialwesens, der Suchtkrankenhilfe und der Altenhilfe. 2 Rechtliche Grundlagen Rechtliche Grundlage der Straßensozialarbeit des TrebeCafé ist: SGBVIII §13 (Jugendsozialarbeit). Individuell beeinträchtigte und sozial benachteiligte junge Menschen, sollen in der Bewältigung ihrer Problemlagen unterstützt werden. Zum Schutz der aufgesuchten Personen und zur Sicherung einer freien Gesprächsatmosphäre ist es wichtig, dass die Streetworkerinnen nicht verpflichtet werden können, gegenüber anderen Institutionen Angaben zu machen (nach § 203 StGB). Zusätzlich zur Schweigepflicht (nach § 203 StGB) sollte dies ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht absichern. Die Freiwilligkeit des Kontakts ist eine unverzichtbare Grundvoraussetzung qualitativ guter Streetwork. Institutionen sollten auch Versuche von Dritten (z.B. Polizei, Politik, Justiz) klar zurückweisen, Streetworkerinnen in ordnungspolitische Zusammenhänge einzubinden. 3 Pädagogische Grundlagen 3.1 Definition Straßensozialarbeit Bei der sogenannten mobilen, aufsuchenden Arbeit wird zwischen Streetwork und der Weiterbetreuung bekannter Klientinnen in anderen Institutionen und im eigenen Wohnraum unterschieden. Streetwork ist als ein stetiges Kontaktangebot an die Mädchen zu verstehen, deren oftmals negative und leidvolle Erfahrungen mit einer Welt der „helfenden", ordnenden und strafenden Hände sich zu ausgeprägten Misstrauenshaltungen verfestigt haben. Streetwork, das regelmäßige und verbindliche Aufsuchen der Mädchen an ihren Treffpunkten, in ihren sozialen Räumen, sichert das Kennen lernen und Miterleben ihrer Lebenswirklichkeit und versichert sie des andauernden Interesses der Streetworkerinnen an dieser Wirklichkeit. Streetwork als niedrigschwelliges, akzeptanzorientiertes Angebot für Trebegängerinnen und Ausreißerinnen soll vorrangig Zugang zu den Mädchen und jungen Frauen schaffen. Durch die Straßensozialarbeit soll Kontakt aufgebaut und intensiviert werden. Die eigene Arbeit innerhalb und außerhalb der Anlaufstelle soll bekannt gemacht werden, ebenso soll über Angebote des Hilfesystems informiert werden. Streetwork des TrebeCafé erweist sich allerdings nicht erst dann als notwendig und sinnvoll, wenn sich Kontakte zur jeweiligen Szene bereits verfestigt haben, sondern auch schon im Vorfeld durch die präventive Ausrichtung der Arbeit. Auch Ausreisserinnen, die erst kurzfristig auf der Straße leben, können auf diese Weise schnell erreicht werden. Ein Abtauchen in die Szene kann dadurch sehr oft frühzeitig verhindert werden. Niederschwelligkeit bedeutet, die Klientinnen "dort abzuholen, wo sie gerade stehen". Dadurch wird ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, innerhalb dessen "Harm Reduction", Überlebenshilfe und eine Verbesserung der Lebenssituation möglich wird. 3.2 Zielgruppe / Klientelbeschreibung Die Straßensozialarbeit des TrebeCafé richtet sich an Mädchen und junge Frauen, die ihren Lebensmittelpunkt auf der Straße haben, ohne dass dies andere Beteiligte vor Ort ausschließt. So ist es z.B sinnvoll, auch die Freunde der Mädchen in die Streetworktätigkeit miteinzubeziehen, um den Vertrauensaufbau zu fördern und Informationen zu erhalten. 3.3 Arbeitsinhalte und -ziele Mit dem Arbeitsschwerpunkt „Streetwork“ werden unterschiedliche Ziele verfolgt. Zum einen findet Beratung und Krisenintervention für alle Mädchen und Frauen direkt auf der Straße statt. Zum anderen sollen durch die Straßensozialarbeit die Schwellenängste der Mädchen abgebaut werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass viele neue Mädchen erst nach mehrmaligem Ansprechen auf der Straße Kontakt zu den Mitarbeiterinnen aufnehmen und die Einrichtung aufsuchen. Eine Beratung findet jedoch auch für die Mädchen statt, die noch nicht den Weg in die Anlaufstelle geschafft haben bzw. unregelmäßig die Anlaufstelle aufsuchen. Zentrales Arbeitskriterium ist die Akzeptanz der Lebensform der Klientinnen und der Respekt des „Territoriums Straße“, in dem die Streetworkerinnen nur Gast sind. Hier bestimmen die Mädchen was „richtig oder falsch“ ist. Die aufgestellten Regeln, Grenzen der jungen Frauen müssen von den Mitarbeiterinnen respektiert werden. Der Kontakt zwischen Streetworkerinnen und ihrem Klientel muss auf Freiwilligkeit beruhen. Wünschen Personen keinen Kontakt, haben Streetworkerinnen dies zu akzeptieren. Dabei sollten sie jedoch mögliche Ambivalenzen berücksichtigen. Trotz erster Ablehnung besteht manchmal gleichzeitig durchaus ein Bedürfnis nach Kontakt. Bei den Aufgaben und Ziele werden fünf Schwerpunkte deutlich: 1.) Aufsuchende Sozialarbeit mit Kontaktangebot Kontakt herstellen und aufrechterhalten (Kommstruktur durchbrechen) Kontinuierliches Kontaktangebot ohne an Bedingungen gebunden zu sein kennenlernen und miterleben der Lebenswelt der Klientinnen Abbau von Schwellenängsten Aufbau und Pflege eines Kontaktnetzes in der Szene 2.) Gesundheitsvorsorge Harm Reduction (Sekundärprävention) Safer Use- & Safer Sex-Beratung Krisenintervention 3.) Beratung psychosoziale Beratung und Betreuung über Angebote des Hilfesystems informieren Unterstützung und Hilfen zur existentiellen Grundversorgung Wiedereingliederung in das Hilfesystem 4.) Begleitung und Vermittlung prozessorientierte Intensivbetreuung Begleitung zu Behörden, Ärzten, Krankenhäusern etc. Vermittlung an weiterführende soziale, medizinische und/oder drogentherapeutische Einrichtungen Mediation: Vermittlung zwischen den Klientinnen und Institutionen, Angehörigen etc. Kontaktieren von Behörden, Angehörigen und Ärzten vor Ort durch ein Mobilfunktelefon Betreuung im Gefängnis Freizeitpädagogische Maßnahmen 5.) Öffentlichkeitsarbeit Lobby-Arbeit Vernetzungsarbeit Die Streetworkerinnen des TrebeCafé sehen sich folgenden Arbeitsprinzipien verpflichtet: - Akzeptanz und Freiwilligkeit - Parteilichkeit und Anonymität - Verbindlichkeit und Kontinuität - mobil und flexibel - kostenlos und anonym - geschlechtsspezifisch - niederschwellig - szenenah und zu szenespezifischen Zeiten - Orientierung an den Mädchen 4 Arbeitsansatz Streetwork und Angebote der Straßensozialarbeit 4.1 Tätigkeitsmerkmale der Aufsuchenden Straßensozialarbeit Die permanente Pflege des Beziehungsnetzes mit den Klientinnen sowie die eigentliche sozialarbeiterische Präventions-, Unterstützungs- und Betreuungstätigkeit bilden zwei gleichgewichtige Säulen unserer Arbeit. Durch das Aufsuchen direkt auf der Straße kann zu den Mädchen und jungen Frauen, die den Kontakt zu ihren Familien, Einrichtungen der Jugendhilfe, sowie zu allen gesellschaftlichen Sozialisationsinstanzen abgebrochen haben (oder kurz davor stehen), wieder eine Annäherung stattfinden. Die Streetworkerinnen treffen dabei in der „Gastrolle“ die Jugendlichen an ihren Orten und Lebensräumen, treffen Verabredungen, überbringen Informationen, machen sich bekannt und werden neuen Jugendlichen vorgestellt. Die Sozialarbeiterinnen stellen einen ersten Kontakt her und sorgen dafür, dass bereits bestehende Kontakte und Beziehungen zu den Mädchen erhalten und gepflegt werden. Der Wunsch nach Begleitung zu Ämtern etc. kann direkt vor Ort erfüllt werden. Durch das Aufsuchen der Klientinnen in ihrer eigenen Lebenswelt wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Dynamik des Lebens auf der Strasse es oft nicht zulässt, Termine einzuhalten, die häufig Tage zuvor vereinbart wurden. Ebenso finden während der Streetwork Beratungsgespräche und Einzelfallhilfe auf der Straße, in umliegenden Cafés oder in den Räumen des TrebeCafé statt. Vor Ort können Begleitungen zu verschiedenen Institutionen arrangiert werden. Mit der Verlagerung der Beratung auf die Strasse wird der Kontakt aufrechterhalten, ebenso können Schwellenängste bezüglich des Besuchs der Einrichtung und Vorurteile über andere Institutionen des Hilfesystems abgebaut werden. Dies verlangt von den Mitarbeiterinnen genaue Kenntnisse über bestehende Hilfsangebote, weshalb Vernetzung und Kooperation mit anderen Einrichtungen wichtige Qualitätsmerkmale darstellen. Die Streetworkerinnen des TrebeCafé sind immer zu zweit unterwegs. Dieses bietet den Kolleginnen Schutz in den unterschiedlichen Situationen auf der Straße und ermöglicht einen umfassenderen Einblick bzw. Überblick in die Szenen, da ein Austausch direkt möglich ist. Einerseits, um Handlungsfähigkeit in Gefahrensituationen zu erhalten, andererseits, um ein gemeinsam reflektiertes Bild der Szenen, der Personen und Orte zu gewinnen. Gehen die Mitarbeiterinnen auf die Strasse, ist es ihnen möglich Veränderungen in der Szene schneller wahrzunehmen (verstärkte Vertreibung und Repression, höhere Mobilität der Klientinnen, stärkere Verelendung, veränderte Konsummuster) und präziser auf die veränderten Bedürfnisse der Klientinnen einzugehen (veränderte Streetworkzeiten, aufsuchen anderer Orte, Verteilen von Vitamintabletten, Getränken, Angebot einer Krankenschwester etc.). So wird eine Fehlplanung an den Bedürfnissen der Mädchen und jungen Frauen vorbei vermieden. Das Erleben der Mädchen und jungen Frauen in ihrer Lebenswelt ermöglicht es sie besser kennen zu lernen und ihre Stärken besser wahrzunehmen, was Grundlage zu einem Beratungs- und Betreuungsprozess sein kann. Die Arbeit geschieht auf der Basis von Akzeptanz der selbstgewählten Lebensweise, Parteilichkeit für Mädchen, Freiwilligkeit der Zusammenarbeit und Anonymität. Streetworkerinnen müssen mit den ihnen bekannt werdenden Informationen absolut vertraulich und diskret umgehen. Sie werden nur dann von den Frauen akzeptiert, wenn diese sich der Vertraulichkeit sicher sein können. Zum Schutz der aufgesuchten Personen und zur Sicherung einer freien Gesprächsatmosphäre ist es wichtig, dass die Streetworkerinnen nicht verpflichtet werden können, gegenüber anderen Institutionen Angaben zu machen (nach § 203 StGB). Zusätzlich zur Schweigepflicht (nach § 203 StGB) sollte dies ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht absichern. Die Freiwilligkeit des Kontakts ist eine unverzichtbare Grundvoraussetzung qualitativ guter Streetwork. Institutionen sollten auch Versuche von Dritten (z.B. Polizei, Politik, Justiz) klar zurückweisen, Streetworkerinnen in ordnungspolitische Zusammenhänge einzubinden. Die Verlagerung von Prävention und Betreuung an die Orte, an denen die Mädchen und jungen Frauen ihren Alltag leben, erhöht Kontaktchancen und Kontaktfrequenz. Prozesse psychosozialer Beratung und Unterstützung erfahren eine Intensivierung, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Beim alltäglichen Zusammentreffen können Alltagsprobleme unmittelbar und schnell angegangen werden. Die Streetworkerinnen können frühzeitig prophylaktisch intervenieren in einer Phase, in der Jugendliche keinesfalls - sei es aufgrund mangelnder Problemeinsicht oder Schwellenangst einrichtungsgebundene Unterstützung nachfragen würden. Beratung auf der Straße erfordert Vertrauen und Vertrautheit. Entscheidend wirkt hier der Faktor Zeit. Zeit haben, Zeit lassen und Geduld zu üben, ist eine wesentliche Qualität von Streetwork. Auf dieser Grundlage und aus der Situation des Aufsuchens und steten Kontaktes auf der Straße ergeben sich vielfältige Anknüpfungspunkte für Sofort- und Einzelfallhilfen und für Beratung. Persönliche Beziehungen zu Szeneangehörigen, insbesondere zu jenen, die andere Angebote psychosozialer Arbeit - z.B. institutionelle Beratungsangebote - meiden, sind die Arbeitsgrundlage von Streetworkerinnen. Sie sollten ein möglichst umfangreiches Netz an Beziehungen in der Szene haben und über den Kreis ihres direkten Kontaktnetzes hinaus bekannt sein. Qualität von Streetwork ist stark an die Person der Streetworkerinnen gebunden. Persönliche Akzeptanz in der Zielgruppe gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen dieses Arbeitsansatzes. Um sich ein Kontaktnetz in ihrer Szene aufzubauen, sollten Streetworkerinnen - regelmäßig an Szenetreffs präsent sein, - ihre Arbeitszeit auf die Szenegewohnheiten abstimmen, - flexibel auf Szeneveränderungen reagieren, - aktiv sein, um Leute kennen zu lernen, - Beziehungen und Kontakte pflegen, - ihre Position und Funktion transparent machen, - Vertraulichkeit und Diskretion wahren (Schweigepflicht), - Kontakte prinzipiell auf freiwillige Basis stellen, - Grenzen, die ihnen von der Szene gesetzt werden, respektieren und - bei aller Integration doch noch persönliche Distanz bewahren "Sich bekannt machen" umfasst "offensive" Formen der Kontaktaufnahme. Eine offensive Kontaktaufnahme kann in bestimmten Situationen leichter sein, wenn Streetworkerinnen Materialien "in der Hand haben". Sich in angebrachter Form und im richtigen Moment vorzustellen, erfordert einiges soziales Geschick. 4.2 Begleitungen zu anderen Institutionen Ein wichtiger Bestandteil sozialpädagogischer Betreuung im Rahmen von Streetwork besteht im Angebot, bei Behördengängen zu begleiten. Die Frauen haben häufig Schwierigkeiten, ihre Rechte gegenüber Behörden (Sozial-, Jugend-, Wohnungs-, Gesundheitsamt etc.) durchzusetzen. Eine Begleitung durch Streetworkerinnen gibt moralische Unterstützung und erhöht die Chance auf Durchsetzung von Rechtsansprüchen. Die Streetworkerinnen des TrebeCafé begleiten Klientinnen bei Bedarf zu Behörden, Ärzten und Institutionen des Hilfesystems. 4.3 Aufsuchende Arbeit in anderen Institutionen und in der eigenen Wohnung Diese Form der mobilen, aufsuchenden Arbeit besteht zum überwiegenden Teile aus Besuchen von Klientinnen im Krankenhaus, um die Betreuung bei stationären Krankenhausaufenthalten aufrecht zu erhalten. Die Mitarbeiterinnen besuchen Mädchen regelmäßig im Krankenhaus, halten Kontakt, beraten und leiten weiterführende Hilfen ein. Die Mädchen und jungen Frauen sind im Krankenhaus häufig eher bereit und in der Lage sich auf Gespräche einzulassen, sie können besser zuhören und Veränderungsperspektiven entwickeln. Die so formulierten Wünsche und Ziele können in einen weiterführenden Beratungs- und Betreuungsprozess einfließen. Gleiches gilt für Besuche in Justizvollzugsanstalten, wobei hier der Kontakt zusätzlich durch Pakete und Briefe aufrechterhalten wird. Weitere Angebote sind Besuche in der Entgiftung und in Jugendhilfeeinrichtungen, um z.B. eine Überleitung zu schaffen und einen plötzlichen Beziehungsabbruch zu vermeiden. In Einzelfällen können Klientinnen auch im eigenen Wohnraum aufgesucht werden, z.B. beim Einzug, bei einmaligen aufwendigen Aufräumaktionen oder als Unterstützung bei Elternbesuchen. Auch hier kann übergangsweise eine Betreuung stattfinden, um dem Mädchen eine Gewöhnung an das Leben in den „eigenen vier Wänden“ zu erleichtern. 4.4 Einzelfallhilfe / flexible Betreuung auf der Straße Eine Stärke psychosozialer Beratung im Rahmen von Streetwork besteht in der Möglichkeit, diese im Lebensfeld der Betroffenen zu verankern. Entgegen einem gelegentlich geäußerten Vorurteil sind Betreuungsbeziehungen im Rahmen von Streetwork keinesfalls weniger "intensiv" als im Rahmen innerinstitutioneller Beratung und Psychotherapie. Während psychosoziale Beratung und Therapie im Setting einer Beratungsstelle immer mit dem Transfer-Problem, der Übertragung von Einsichten und Entschlüssen aus der Beratungs-/Therapiesituation in den Alltag, zu kämpfen hat, stellt sich dieses Problem vor Ort beratenden Streetworkerinnen, die von vornherein näher an den Lebensumständen der Betroffenen arbeiten, in geringerem Ausmaß. Die Streetworkerinnen betreuen Mädchen und junge Frauen auf der Straße, begleiten sie, „von der Straße aus“ zu Institutionen, führen Beratungsgespräche und bereiten die Klientinnen auf andere Einrichtungen vor ohne, dass die jungen Frauen, die Anlaufstelle besuchen. 5 Rahmenbedingungen der Straßensozialarbeit des TrebeCafé 5.1 Ortsbeschreibung Streetwork geschieht unmittelbar in der Szene der jungen Frauen und bezieht das gesamte Umfeld mit ein. Die Mitarbeiterinnen suchen die Mädchen im gesamten Stadtgebiet, Schwerpunkt Bahnhofsumfeld und Innenstadt, auf. Die Sozialarbeiterinnen halten sich zu festen Zeiten an verschiedenen Orten auf, an denen Trebegängerinnen anzutreffen sind und suchen dort Kontakt zu ihnen in ihrem Umfeld. Da sich Streetwork an den Bedürfnissen des Klientels orientiert, sind die Orte flexibel zu betrachten, das heißt Streetwork findet dort statt, wo sich die Szene/das Klientel aufhält. In den letzten Jahren ist aufgrund der Vertreibungspolitik seitens der Stadt und der damit verbundene Verdrängung aus dem öffentlichen Raum eine erhöhte Mobilität der unterschiedlichen Szenen festzustellen. Die Aufenthaltsorte des Klientels dezentralisieren sich zunehmend. Feste Treffpunkte gibt es kaum noch oder werden nur kurz und punktuell aufgesucht. Aus Angst vor Kontrollen durch Polizei und Ordnungsamt verstecken sich viele Mädchen und sind daher auch für die Streetworkerinnen nur noch schwer auffindbar. Das erfordert auch eine erhöhte Mobilität und Flexibilität von den Mitarbeiterinnen, die von diesen in dem inzwischen erforderlichen Maße nur durch Aufbietung hoher personeller und zeitlicher Ressourcen geleistet werden kann. 5.2 Streetwork-Zeiten Es ergeben sich keine oder kaum Kontaktmöglichkeiten, wenn Arbeitszeit und Zeitrhythmus der Szene zu sehr auseinander klaffen. Streetwork-Arbeitszeiten sollten sich deshalb flexibel an Szenegewohnheiten orientieren (Unterschiedliche Tages- und Nachtzeiten, klientenorientiert + flexibel). 5.3 Streetwork-Ausstattung / Arbeitsmaterialien Um Beratung direkt vor Ort zu leisten, sind die Streetworkerinnen mit Handys ausgerüstet. Es können so direkt Termine vereinbart, Kontakt zu Eltern aufgenommen werden u.ä.. Ein Mobilfunktelefon ermöglicht es, auf Wunsch und Bedarf, direkt Termine für die Mädchen und jungen Frauen bei unterschiedlichen Hilfeeinrichtungen ab zu sprechen oder Kontakte zu vermitteln. Die Klientinnen haben auch die Möglichkeit mit einem Mobilfunktelefon Kontakt zu Behörden oder Familienangehörigen aufzubauen oder wieder auf zunehmen und Termine zu vereinbaren. Neben dem Streetwork zu Fuß stehen den Streetworkerinnen Monatstickets für den ÖPNV, Fahrräder und ein Auto zur Verfügung. Wichtige Arbeitsutensilien sind die Taschen der Streetworkerinnen. Diese Taschen erleichtern den Mädchen einerseits das Erkennen der Streetworkerinnen, schützt sie aber auch andererseits davor, von Passanten oder auch Ordnungskräften als Klientinnen angesehen zu werden. Dieses entspricht dem Bedürfnis der Mädchen, sich unauffällig im offenen Raum zu bewegen. Die Taschen beinhalten: > Utensilien zum Safer-Use > Utensilien zum Safer Work > Grundversorgung (Vitamine, Essen, Getränke) > Infomaterialien Diese „Gastgeschenke“ erleichtern den Eintritt in das „Wohnzimmer Strasse“ der Mädchen und jungen Frauen. Ein Kontakt kommt leichter zustande, in dem sich dann auch Gespräche entwickeln können. Streetworkerinnen sollten einen kleinen Etat für unbürokratische schnelle Hilfe zur Verfügung haben. Neben dem zur Deckung eigener Unkosten notwendigen Handgeld ist es für Streetworkerinnen in sozial desintegrierten Szenen von großem Vorteil, wenn sie kleinere finanzielle Mittel haben, um in Notlagen ihrer Klientinnen schnell und unbürokratisch etwas unter die Arme greifen zu können. Streetworkerinnen in fast allen Arbeitsbereichen sind darauf angewiesen, sich an Lokalitäten aufzuhalten, an denen Kosten für Verzehr oder Eintritt entstehen. Einladungen zu einem Getränk, zum Essen o.ä. erleichtern das Entstehen von Kontakten. Die so entstehenden Kosten sind nicht unerheblich und sollten ohne großen bürokratischen Aufwand ersetzt werden. Eine Abrechnung nach Quittung ist unrealistisch und trägt der Tatsache, dass es sich häufig um eine Summierung von Bagatellbeträgen handelt, nicht Rechnung. Besser, aber immer noch umständlich stellt sich die Unkostenerstattung nach persönlicher Abrechnung dar. Monatliche Pauschalen in angemessener (szenenabhängiger) Höhe sind am unkompliziertesten. 5.4 Finanzen Die beiden halben Streetworkerinnen-Stellen im TrebeCafé sind zu 100% spendenfinanziert. 5.5 Mitarbeiterinnenprofil Streetwork konfrontiert mit ungewohnten Lernnotwendigkeiten und Kommunikationserfordernissen. Das sicherheitsgebende Arrangement der Tageseinrichtung TrebeCafé verlassend machen sich Streetworkerinnen auf, um sich in Netzwerke einzuklinken, in denen mitunter schwer durchschau- und nachvollziehbare Interaktionsstrukturen und Werteorientierungen gelten. Die anfängliche Kontaktaufnahme und Kontaktsicherung sowie der längerfristige Aufbau tragfähiger Beziehungen erfordern von Streetworkerinnen in der Regel weit mehr Eigeninitiative, Frustrationstoleranz, Beharrungsvermögen sowie Einfühlsamkeit als eine einrichtungsgebundene Tätigkeit. In der Rolle von 'Fremden' oder gar 'Eindringlingen' müssen sie mitunter viel Zeit und Energie investieren, um als Vertrauensperson Akzeptanz zu finden. Focussiert auf die Sozialarbeiterinnen hängt der Erfolg von Streetwork über die bloßen fachlichen Handlungskompetenzen hinaus wesentlich von deren subjektiven Ressourcen ab, d.h. von deren lebensweltadäquaten Interaktionskompetenzen. 6 Kooperationen & Vernetzung 6.1 Aufbau und Pflege eines institutionellen Netzes Neben dem Kontaktnetz in der Szene sind gute institutionelle Kontakte das zweite Standbein von Streetwork. Von institutionellem Hintergrund losgelöste Streetwork verliert an Wert für beide Seiten: Die Zielgruppe kann nicht die Ressourcen und Unterstützungsmöglichkeiten der Institutionen in Anspruch nehmen. Um ein institutionelles Kontaktnetz aufzubauen und zu pflegen, sollten Streetworkerinnen einen gewissen Anteil ihrer Arbeitszeit in ihrer Institution präsent sein, sich an institutionsübergreifenden Gremien beteiligen und formelle und informelle Kontakte zu anderen Institutionen knüpfen. Streetworkerinnen können zwar nicht als 'Schlepper' für Institutionen fungieren, müssen aber im Einzelfall weiterverweisen und Möglichkeiten der eigenen und anderer Institutionen nutzen können. In der Regel kann der Arbeitsansatz Streetwork erst in einem institutionellen Verbundsystem seine Möglichkeiten voll entfalten. Streetwork sollte als Teil eines umfassenderen Hilfe- und Unterstützungsnetzes (innerhalb der Trägerinstitution oder institutionsübergreifend) für die jeweilige Zielgruppe konzipiert werden. Nur ein Kooperationsnetz, in dem Kolleginnen innerhalb von Institutionen die Bedürfnisse der Betroffenen angemessen aufgreifen, gewährleistet die Stärkung dieses brüchigen Fadens der Klientinnen. Je nach sozialer und materieller Situation der betroffenen Szene gehören zu einem Unterstützungsnetz nicht nur (psycho-)soziale Versorgungsangebote, sondern auch Angebote konkreter Hilfestellung (z.B. Übernachtungseinrichtungen für sozial desintegrierte Drogenabhängige oder Stricher, Möglichkeiten für eine allgemein-medizinische Grundversorgung, Absicherung materieller Grundbedürfnisse etc.). 6.2 Interne Kooperationen Eine Anlaufstelle ist ohne Streetwork nicht denkbar da die meisten Mädchen sehr großes Misstrauen haben. Bei vielen kommt erst ein Kontakt nach mehrmaligen Ansprechen zustande. Streetwork erleichtert den Mädchen den Zugang in das TrebeCafé, da sie bereits Mitarbeiterinnen auf der Straße kennen lernten. Die ersten Kontakte auf der Straße erhalten eine Intensivierung in den Räumlichkeiten des TrebeCafé. Die Mädchen können sich dort ausruhen und für ein paar Stunden den Stress auf der Straße entkommen. Erst in einer stressfreien, freundlichen Umgebung können Menschen beginnen über ihr Leben nachzudenken und Perspektiven zu entwickeln. Die Wechselwirkung Streetwork und Anlaufstelle ist nicht zu unterschätzen. Die Erfahrung in den letzten Jahren hat gezeigt, dass die Resonanz der Anlaufstelle zurückgeht, wenn über einen längeren Zeitraum Streetworkeinsätze ausfallen bzw. unregelmäßig erfolgen. Das wiederum hat einen Einbruch der Kontakte zur Folge. 6.3 Externe Kooperationen Streetworkerinnen sollten formelle und informelle Kontakte zum größten Teil der Institutionen, die sich auf der lokalen Ebene mit Belangen ihrer Zielgruppe beschäftigen, haben. Zu Streetwork gehören Aktivitäten zum Aufbau und zur Pflege eines informellen und formellen Kooperationsnetzes mit anderen Institutionen. Insbesondere ein Erfahrungsaustausch mit anderen Streetworkerinnen kann wichtig sein, zumal sich oft Zielgruppen vermischen (z.B. Obdachlose und Drogenabhängige, Prostitution und Drogenszene). Um personelle und zeitliche Ressourcen zu schonen und die Vernetzung mit anderen Institutionen auszubauen, sind wir dazu übergegangen, einige Streetworkeinsätze in Kooperation mit anderen Einrichtungen zu gestalten. Ebenso können Schwellenängste bezüglich des Besuchs der Einrichtung und Vorurteile gegenüber anderen Institutionen des Hilfesystems abgebaut werden. Vernetzung und Kooperation mit anderen Einrichtungen stellen wichtige Qualitätsmerkmale dar. 6.4 Netzwerkarbeit regional und überregional Streetworkerinnen sollten an interinstitutionellen Organisationen (Arbeitskreise, Gremien), die Belange ihrer Zielgruppe betreffen, teilnehmen. Die Mitarbeiterinnen des TrebeCafé wirken in folgenden Arbeitskreisen und Projektgruppen mit: - Projektgruppe „Randgruppen in der Innenstadt“ - Arbeitskreis Streetwork der Arbeitsgemeinschaft nach § 95 BSHG i.v.m. & 72 BSHG - Arbeitsgemeinschaft Streetwork Rheinland - Landesarbeitsgemeinschaft Streetwork, mobile Jugendarbeit Nordrhein-Westfalen e.V. Streetworkerinnen sollten in der lokalen Öffentlichkeit und den örtlichen Institutionen darauf hinarbeiten, daß - ihre Zielgruppe nicht ausgegrenzt wird, - Szeneinteressen Gehör finden, - materielle Lebensumstände der Szene verbessert und - ihre soziale Infrastruktur gestärkt werden sowie - individuelle Interessen von Szeneangehörigen Berücksichtigung finden. - Intervention für Szeneinteressen in anderen Institutionen (z.B. Krankenhäuser, Justiz, Beratungsstellen) - Intervention für individuelle Interessen (z.B. Sozialhilfeantrag) in anderen Institutionen - Initiierung ergänzender Hilfseinrichtungen und Durchsetzung neuer Hilfseinrichtungen 7 Dokumentation & Qualitätssicherung 7.1 Dokumentation Alle Streetworkeinsätze werden protokolliert und in einer Statistik am Ende des Jahres ausgewertet. Die Protokolle beinhalten statistische Zahlen (z.B. wie viele Spritzen ausgegeben wurden), als auch die einzelnen Kontakte zu den Frauen mit den wichtigsten Informationen. Sie werden auch den anderen mitarbeiterinnen des TrebeCafé zur Verfügung gestellt. Die ausgewerteten Protokolle dienen als Basis der Qualitätssicherung der Arbeit, z.B. um herauszufinden, zu welcher Tageszeit es am Sinnvollsten ist Streetwork zu machen und an welchen Orten. 7.2 Qualitätssicherung Um die Qualität von Streetwork zu verbessern, sind geeignete formelle und informelle Möglichkeiten zur Reflexion der Arbeitspraxis unverzichtbar: Team-Supervision, Teamsitzungen und informelle Kollegengespräche. Die emotionale Belastung durch aufsuchende Arbeit ist in der Regel größer als bei (psycho-) sozialer Arbeit innerhalb von Institutionen. Um die persönlichen Belastungen aufzufangen und nicht vorschnell ein Burn-Out zu provozieren, sollten Streetworkerinnen im Team arbeiten mit ausreichenden Möglichkeiten zum Erfahrungsaustausch. Nur so besteht die Aussicht, die spezifischen Belastungen, die mit aufsuchender Arbeit notwendigerweise verbunden werden, ausreichend aufzufangen. Die gegenwärtige Ausbildung in psychosozialen Berufen bereitet nicht nennenswert auf die spezifischen Probleme aufsuchender Sozialarbeit vor. Es fehlt aber auch an angemessenen Weiterbildungsmöglichkeiten.
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