Stellungnahme zum Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (9. GWB-ÄndG) Juli 2016 (25)\Kartellrecht\9. GWB-Novelle und Materialien\VPRT-Stellungnahme_9.GWB-Novelle.docx A. Vorbemerkung Der Verband Privater Rundfunk und Telemedien e. V. (VPRT) bedankt sich für die Möglichkeit, zum Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (nachfolgend: „GWB-E“) Stellung nehmen zu können. Für die rund 150 im VPRT vertretenen Medienunternehmen mit ihren vielfältigen Angeboten aus den Bereichen TV, Radio und Online ist ein gesetzlicher Rahmen, der den Wettbewerb, auch und insbesondere im Zuge der Digitalisierung, nachhaltig stärkt und gleichermaßen in der Lage ist, flexibel auf unternehmensübergreifende und marktrelevante Entscheidungen zu reagieren, ein wesentlicher Faktor für die Umsetzung neuer Unternehmenskonzepte und Ideen. Vor diesem Hintergrund ist es grundsätzlich zu begrüßen, dass die 9. GWB-Novelle – neben der gebotenen Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU – den Versuch unternimmt, Lösungsmöglichkeiten für jene Fragen aufzuzeigen, die sich angesichts fortschreitender Konvergenz, zunehmender Fragmentierung und der außergewöhnlich hohen Dynamik gerade auf den digitalen Medienmärkten für die betroffenen Unternehmen brennender denn je stellen. So greift der Referentenentwurf hierzu einige Punkte aus der zuletzt intensiv geführten Debatte auf, die maßgeblich – neben Äußerungen des Bundeskartellamtspräsidenten1 – durch das 68. Sondergutachten der Monopolkommission „Wettbewerbspolitik: Herausforderung digitale Märkte“2 als auch die Einsetzung und Arbeit der AG 3 „Kartellrecht und Vielfaltssicherung“ der Bund-Länder- 1 Interview mit Andreas Mundt in der Welt am Sonntag Nr. 28 vom 12. Juli 2015, S. 30, zum Aufbau einer eigenen Abteilung für Digitalwirtschaft und der Verfeinerung der PrognoseInstrumente für digitale Märkte. 2 http://www.monopolkommission.de/images/PDF/SG/SG68/S68_volltext.pdf. Kommission, in die sich der VPRT umfangreich eingebracht hat3, beeinflusst wurde. Bedenkt man indes, dass das federführende Ministerium im Rahmen der Arbeit der AG 3 der Bund-Länder-Kommission gegenüber den Ländern und den betroffenen Kreisen stets betont hat, man sehe abseits von Verfahrensfragen der Behördenzusammenarbeit keinen Anlass für materiell-rechtliche Neuregelungen im GWB zugunsten bestimmter Mediengattungen, so nimmt der VPRT die nunmehr angedachten Änderungen nur zugunsten der Presse – trotz der im Koalitionsvertrag niedergelegten Absicht – überrascht zur Kenntnis. Dies auch deshalb, da die notwendige konvergente Lösung für die sich mannigfaltig durch die Digitalisierung ergebenden Probleme nicht durch die Freistellung einzelner Gattungen erreicht werden kann. Ausgehend davon und angesichts des ebenfalls im Koalitionsvertrag formulierten Ziels, dass die Wettbewerbsfähigkeit unserer nationalen Medienunternehmen im internationalen Vergleich nicht beeinträchtigt werden darf4, sehen wir uns in unserer Forderung bekräftigt, vergleichbare Anpassungen zur Deregulierung auch für den Rundfunk im GWB vorzunehmen. Denn nur dann können die dort betroffenen Unternehmen ebenfalls auf den Umbruch der Medienlandschaft und die damit einhergehenden strukturellen Änderungen auch mit Blick auf die schützenswerte Medienvielfalt wettbewerbspolitisch adäquat reagieren. B. Im Einzelnen Im Nachfolgenden soll auf die wesentlichen Regelungsbereiche des Entwurfs eingegangen werden, soweit diese einen unmittelbaren oder mittelbaren Medienbezug aufweisen. Darüber hinaus erlauben wir uns, eigene Vorschläge zu einzelnen Punkten zu unterbreiten. Normen, die der Umsetzung der Richtlinie 2014/104/EU dienen, werden im Weiteren aus Gründen der Schwerpunktsetzung nicht kommentiert. 1. Maßnahmen zur sachgerechten Erfassung von Entwicklungen auf digitalen Märkten Der Referentenentwurf enthält eine Vielzahl von Regelungsvorschlägen, die darauf abzielen, den kartellrechtlichen Kriterienkatalog an die im Zuge der Digitalisierung geänderten Marktverhältnisse und -mechanismen anzupassen. So soll künftig der Annahme eines Marktes nicht mehr entgegenstehen, dass die Leistungserbringung unentgeltlich erfolgt (§ 18 Abs. 2a GWB-E) sowie bei der Prüfung der Marktstellung von Unternehmen auf mehrseitigen Märkten und 3 http://www.vprt.de/verband/positionen/content/vprt-nimmt-stellung-zu-kartellrecht-undvielfaltssicherung?c=4. 4 Vgl. Koalitionsvertrag zur 18. Legislaturperiode „Deutschlands Zukunft gestalten“, S. 135 (Hervorhebung im Original nicht vorhanden). 2/10 Netzwerken zusätzliche Merkmale, wie Lock-In-/Netzwerk-Effekte oder der Zugang zu Daten berücksichtigt werden. Damit wird eine wesentliche Forderung aufgegriffen, der gesteigerten Bedeutung von Daten, welche bei digitalen Geschäftsmodellen einen zentralen Wettbewerbsfaktor darstellen, bei der Bewertung von Marktmacht, mehr Rechnung zu tragen. Hierauf hatte unter anderem auch der VPRT unter Bezugnahme auf das 68. Sondergutachten der Monopolkommission hingewiesen. Es ist daher ausdrücklich zu begrüßen, dass potentielle datenbasierte Marktzutrittsschranken bzw. Wettbewerbsvorteile, welche bei Plattformen zusätzlich durch Lock-In- bzw. Netzwerk-Effekte noch verstärkt werden, nunmehr im Rahmen kartellrechtlicher Bewertung Berücksichtigung finden sollen. Gleiches gilt, soweit der Referentenentwurf vorsieht, im Wege der Zusammenschlusskontrolle das zusätzliche Aufgreifkriterium der „Gegenleistung“ einzuführen. Damit wird nachhaltig der begründeten Kritik begegnet, dass das bloße Anknüpfen an (ggf. noch nicht bzw. hinreichend vorhandene) Unternehmensumsätze als Hürde für die Fusionskontrolle – gerade bei datenbasierten Geschäftsmodellen – bislang zu kurz greift, um die wettbewerbliche Bedeutung solcher Unternehmen hinreichend zu erfassen. Denn gerade vergleichsweise umsatzschwache Unternehmen verfügen häufig über bedeutende Datensammlungen und Technologien, die perspektivisch die Basis für signifikante Marktstellungen (und dann auch für ein entsprechendes Umsatzpotenzial) bilden können, wie der Fall WhatsApp Inc. / Facebook Inc., auf den auch der Referentenentwurf explizit referenziert5, illustriert. Von daher ist es nur konsequent und verdient der Zustimmung, dass in Anlehnung an das Petitum der Monopolkommission, dem sich auch der VPRT angeschlossen hatte, zusätzlich zu den bisherigen Aufgreiftatbeständen insbesondere das Transaktionsvolumen, d.h. der Kaufpreis als typische Gegenleistung neu in den Normenkatalog der §§ 35 Abs. 1a, 38 Abs. 4a GWB-E, aufgenommen wurde, um Schutzlücken zu schließen. Eine Evaluierung der Erfahrungen aus der Anwendung der neuen Vorschriften (§§ 18 Abs. 8, 43a GWB-E) nach drei Jahren erscheint angemessen. 2. Ausnahme vom Kartellverbot nach § 1 GWB für verlagswirtschaftliche Zusammenarbeit zugunsten der Presse Mit der Neuregelung in § 30 Abs. 2b GWB-E wird eine Forderung zugunsten der Presse aus dem Koalitionsvertrag, wonach durch eine Reform des Kartellrechts die Möglichkeiten der betriebswirtschaftlichen Zusammenarbeit von Verlagen unterhalb der redaktionellen Ebene erleichtert werden soll, um damit den Ge5 Vgl. Ref-E, S. 73. 3/10 fahren für die Pressevielfalt im Umbruch der digitalen Medienlandschaft begegnen zu können, umgesetzt. Weder die Vorschrift als solche noch die dahinterliegenden wirtschaftlichen Beweggründe der Presseverlage sollen an dieser Stelle dem Grunde nach kritisiert werden. Überraschend ist indes, dass man bei der Lektüre der dazugehörigen Begründung eine Vielzahl von Argumenten findet, die das federführende Ministerium in der Debatte der AG 3 der Bund-Länder-Kommission noch mit einigem Nachdruck abgelehnt hat. So ist es sicherlich richtig, dass die wirtschaftliche Situation – gerade kleinerer Verlage – angesichts zunehmender Konkurrenz aus dem Internet angespannt ist und umgekehrt Finanzierungsmodelle im OnlineBereich noch nicht durchgehend erfolgreich sind. Aber wurde nicht immer wieder darauf hingewiesen, dass das Kartellrecht die Aufgabe hat, den Wettbewerb und nicht vor dem Wettbewerb zu schützen? Zuzustimmen ist der Begründung indes, soweit sie die getroffene gesetzgeberische Maßnahme mit Blick auf die schützenswerte Pressevielfalt für gerechtfertigt erachtet und insoweit den streng wirtschaftlichen Bewertungsmaßstab des GWB um Vielfaltsaspekte anreichert. Jedoch drängt sich einem die Frage auf, weshalb der Gesetzgeber in Zeiten nahezu vollständiger Medienkonvergenz die Vielfalt im Bereich der Presse als ein schützenswertes Gut erachtet, hingegen jedoch die materiell-rechtliche Berücksichtigung medialer Vielfalt in anderen Gattungen – konkret: im Rundfunk – trotz Vorliegens guter, vom Ministerium mit nahezu den gleichen Worten nunmehr selbst vorgetragener Gründe, weiterhin nicht umgesetzt wird? Insoweit muss man konstatieren, dass der Gesetzgeber die Problembeschreibung (zunehmender Wettbewerbsdruck auf den Medienmärkten durch neue Online-Player) als auch potentielle Lösungsmöglichkeiten (Berücksichtigung von Vielfalt als materiell-rechtliches wie wettbewerbspolitisches Gegengewicht) verinnerlicht hat, indes die daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu kurz greifen, als sie nur eine Mediengattung – hier: die Presse – berücksichtigen. Solche gesetzgeberischen Silo-Lösungen überzeugen, wie ausgeführt, im konvergenten Umfeld nicht und lassen sich auch nicht mit dem Eindruck mangelnder Notwendigkeit im Bereich des Rundfunks begründen. Denn dieser verfälschende Eindruck ist lediglich das Ergebnis des Umstands, dass sich der Rundfunk als hochregulierte Gattung – anders als die Presse – mit weitergehenden medienkonzentrationsrechtlichen Vorgaben aus Rundfunkstaatsvertrag und den jeweiligen Landesmediengesetzen konfrontiert sieht. Abschließend noch eine inhaltliche Anmerkung: Ausweislich der Begründung soll der neue § 30 Abs. 2b GWB-E ausschließlich Unternehmen begünstigen, die als Presse zu qualifizieren sind, jedoch auch den Bereich der Internetpresse umfassen. Gerade bei der sog. Internetpresse ergeben sich jedoch Definitions- und Abgrenzungsfragen zu Angeboten, die unter die Audiovisuelle MediendiensteRichtlinie (AVMD-Richtlinie) fallen. Nach unserem Verständnis kann § 30 Abs. 2b 4/10 GWB-E daher nur so zu verstehen sein, dass eine privilegierte verlagswirtschaftliche Zusammenarbeit der Presse ausschließlich dann zulässig ist, wenn es sich bei deren Angeboten im Internet nicht um solche handelt, die als Dienste im Sinne der AVMD-Richtlinie zu qualifizieren sind. Eine andere Auslegung würde einen überobligatorischen Wettbewerbsvorteil der Presse gegenüber den audiovisuellen Medien begründen und ließe sich auch nicht mehr mit den verschärften wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rechtfertigen. 3. Verstärkte Zusammenarbeit von Kartell- und Medienbehörden Der VPRT begrüßt ausdrücklich, dass durch die Änderung in § 50c Abs. 2 S. 2 GWB-E der Informationsaustausch zwischen Kartell- und Medienbehörden verbessert werden soll. Damit wird jedenfalls einer der Forderungen aus der Arbeit der AG 3 der Bund-Länder-Kommission Rechnung getragen, was ein erster Schritt ist, um die Belange der Medien besser in der Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts nachzuhalten. Für eine spürbar bessere inhaltliche Koordinierung von Kartell- und Medienbehörden bedarf es jedoch weiterführender Regelungen, wie im Nachfolgenden unter Ziff. 4 darzustellen ist. 4. Weitergehende Maßnahmen zur stärkeren Berücksichtigung vielfaltssichernder und -fördernder Aspekte in der kartellrechtlichen Praxis Ausgehend von dem im Koalitionsvertrag festgehaltenen Prüfauftrag, inwieweit das Kartellrecht den aktuellen Entwicklungen im Sinne der Konvergenz anzupassen ist, bleibt der Referentenentwurf, nicht zuletzt aufgrund der im Rahmen der AG 3 der Bund-Länder-Kommission gewonnenen Erkenntnisse, deutlich hinter den berechtigten Erwartungen der betroffenen Unternehmen zurück. Wie bereits unter Ziff. 2 ausgeführt, erkennt der Gesetzgeber zwar die Notwendigkeit der Berücksichtigung (auch) medienpolitischer Belange offensichtlich dem Grunde nach an. Umso bedauerlicher ist es, dass weitergehende Vorschläge zur stärkeren positiven Gewichtung von Medienvielfaltsaspekten bei der Fusionskontrolle oder bei der Frage der Freistellung vom Kartellverbot, bislang nicht aufgriffen wurden. Der VPRT plädiert daher nochmals nachdrücklich für die Aufnahme der nachfolgenden Regelungsvorschläge, die bereits Gegenstand unserer Stellungnahme zum Expertenworkshop „Kartellrecht und Vielfaltssicherung“ der AG 3 der BundLänder-Kommission Reform der Medienordnung waren und auf die wir ergänzend verweisen dürfen6. 6 http://www.vprt.de/verband/positionen/content/vprt-nimmt-stellung-zu-kartellrecht-undvielfaltssicherung?c=4. 5/10 a) Berücksichtigung von Medienvielfalt bei der Abwägungsklausel Ausgehend von dem in Art. 21 Abs. 4 der FKVO grundsätzlich bereits angelegten Gedanken einer ergänzenden Prüfung unter Vielfaltsgesichtspunkten und losgelöst von der derzeit durch die KEK vorgenommenen Doppelprüfung erscheint erforderlich, die Abwägungsklausel des § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 GWB de lege ferenda dahingehend zu erweitern, dass das BKartA auch (außer-)ökonomische Gesichtspunkte wie z.B. die Stärkung der Medienvielfalt in die Abwägung einbezieht. Ergänzend zu den bereits im Rahmen der Marktbetrachtung gemachten Ausführungen zur Berücksichtigung vielfaltssichernder (Verbraucher-)Vorteile ist noch auf Folgendes hinzuweisen: In der letzten Entscheidung des BKartA zur Zentralvermarktung der Bundesligarechte (BKartA v. 12.02.2006 – B6 – 114/10) wurde dem Zentralvermarktungsmodell maßgeblich zugutegehalten, dass erst durch eine Zentralvermarktung eine umfassende Berichterstattung über das Gesamtgeschehen in der Fußballbundesliga ermöglicht wird. Nicht zuletzt deshalb konnten die wettbewerblichen Bedenken gegen das Zentralvermarktungsmodell ausgeräumt werden. Auch dies lässt, wenn auch zunächst nur im Rahmen der Prüfung nach § 1 GWB, zumindest erste Anzeichen für die Berücksichtigung vielfaltssichernder medienpolitischer Erwägungen erkennen. Ähnliches klingt auch in der Metropole-Télévision Entscheidung des EuG aus dem Jahr 1996 an (EuG v. 11.06.1996, verb. Rs, T-528/93, T-542/93, T-543/93, T546/93 – Metropole-Télévision). Dort hatte das EuG die Berücksichtigung von nichtwettbewerblichen Interessen, wie bspw. der Meinungsvielfalt, im Rahmen einer Gesamtschau im Grundsatz für möglich gehalten. VPRT-Vorschlag: § 36 GWB – Grundsätze für die Beurteilung von Zusammenschlüssen (1) Ein Zusammenschluss, durch den wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde, insbesondere von dem zu erwarten ist, dass er eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt, ist vom Bundeskartellamt zu untersagen. Dies gilt nicht, wenn 1. die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen oder der Medienvielfalt eintreten und diese Verbesserungen die Behinderung des Wettbewerbs überwiegen, oder […] Zur Gewährleistung der gebotenen Fachkenntnis bei medienbezogenen Sachverhalten und zur Bewertung der Auswirkungen von Zusammenschlüssen auf die Medienvielfalt ist in diesen Fällen überdies die Monopolkommission am Verfahren zu beteiligen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. 6/10 b) Anpassung der Aufgreifschwellen in § 38 Abs. 3 GWG zugunsten des Rundfunks Die Umsatzmultiplikatoren des § 38 Abs. 3 GWB und die daraus resultierenden niedrigen Aufgreifschwellen bei Medienzusammenschlüssen sollten (auch) zugunsten des Rundfunks angepasst werden, um mehr Flexibilität bei Unternehmenszusammenschlüssen zu erreichen. Derzeit sieht § 38 Abs. 3 S. 2 GWB bei der Berechnung der maßgeblichen Umsätze von Rundfunkunternehmen eine Verzwanzigfachung der tatsächlichen Umsätze vor, was dazu führt, dass die Umsatzschwellen für die Zusammenschlusskontrolle bereits ab einem tatsächlichen gemeinsamen medienbefangenen Umsatz der Beteiligten von 25 Millionen Euro, anstatt wie sonst bei 500 Millionen Euro erreicht werden. Im Zuge der 8. GWB-Novelle wurde die Notwendigkeit einer Anpassung der Aufgreifschwellen (Reduzierung des bisherigen Faktors „20“ des § 38 Abs. 3 GWB auf nunmehr „acht“) im Bereich der Presse mit der fortschreitenden Entwicklung der digitalen Mediennutzung und dem durch eine Vielzahl neuer Anbieter und anderer Mediengattungen gestiegenen Wettbewerbsdruck begründet. Diese Feststellung war und ist sicherlich zutreffend, wie auch die Begründung des jetzigen Referentenentwurfs zeigt, wo es heißt, dass durch die eingeführten moderaten Erleichterungen für Presseverlage in der Fusionskontrolle eine Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Medien ermöglicht werden sollte7. Jedoch gilt dies in gleichem Maße für den Bereich des Rundfunks, im Speziellen für den Hörfunk. Neben dem intermedialen lokalen/regionalen Wettbewerb mit dem Medium „Print“ (welches erneut durch die vorgeschlagene Änderung in § 30 GWB-E im unmittelbaren Vergleich besser gestellt wird) sieht man sich im Hörfunk – heute noch stärker als 2012 – mit einer rasant wachsenden Anzahl an neuen Playern aus dem Bereich des Internets konfrontiert, die mit ihren Angeboten in unmittelbare Konkurrenz zum „klassischen“ Rundfunk treten. Der Onlinewerbemarkt wächst weiterhin konstant mit über sechs Prozent pro Jahr und hat somit auch spürbaren Einfluss auf die verwandten regionalen Werbemärkte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die online und mobile erzielten Netto-Werbeerlöse mit ca. 1,4 Milliarden Euro die im Radio erzielten Erlöse (ca. 740 Mio. Euro Netto), die sich auf über 300 Hörfunksender (derzeit ca. 250 private und ca. 60 öffentlich-rechtliche) verteilen, mittlerweile um das Doppelte übersteigen8. Eine spürbare Verringerung der im Hörfunk erzielbaren Werbeerlöse durch Abwanderung von Werbeträgern in andere Werbemärkte könnte – wie im Bereich der Presse – insbesondere für regionale und lokale Sender schnell zu einem gravierenden Finanzierungsproblem werden. Hier könnten die erhöhten Aufgreifschwellen und die damit anmeldefrei möglichen Zusammenschlüsse ein 7 Vgl. Ref-E, S. 53. Vgl. zu den Zahlen http://www.vprt.de/thema/marktentwicklung/marktdaten/umsätze/ werbeumsätze/content/nettowerbeumsätze-2015-elektronische-?c=0 8 7/10 geeignetes Mittel sein, um solche Negativeffekte abzufedern und im Ergebnis Medienvielfalt zu sichern. Bereits im Zuge der Konsultation der AG 3 „Kartellrecht und Vielfaltssicherung“ der Bund-Länder-Kommission haben wir für den konkreten Fall einen Formulierungsvorschlag unterbreitet, den wir an dieser Stelle nochmals einbringen möchten: VPRT-Vorschlag: § 38 GWB – Berechnung der Umsatzerlöse und der Marktanteile […] (3) Für den Verlag, die Herstellung und den Vertrieb von Zeitungen, Zeitschriften und deren Bestandteilen ist das Achtfache, sowie für die Herstellung, den Vertrieb und die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen und den Absatz von Rundfunkwerbezeiten ist das Zwanzigfache Achtfache der Umsatzerlöse in Ansatz zu bringen. c) Sektorspezifische Bereichsausnahme für Medien bei Kooperationen Im Gegensatz zur früheren Rechtslage (bis zur 7. GWB-Novelle von 2005) kennt das GWB heute kaum noch Bereichsausnahmen für bestimmte Wirtschaftsbereiche. Vereinzelt gibt es sie aber nach wie vor, z. B. für die Presse in § 30 Abs. 2a GWB (Presse-Grosso) oder auch dem neu zu schaffenden § 30 Abs. 2b GWB-E (Kooperationen) im Zuge der 9. GWB-Novelle. Daran könnte de lege ferenda auch eine weitergehende Bereichsausnahme für den Medienbereich anknüpfen. Sinn und Zweck des § 30 Abs. 2a GWB ist es, einen wirtschaftlich tragbaren, flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Presseerzeugnissen sicherzustellen. Dies soll insbesondere die Überallerhältlichkeit von kleineren, auflagenschwachen Publikationen ermöglichen. § 30 Abs. 2a GWB nimmt dazu das weitgehend auf abgesprochenen Gebietsmonopolen und einheitlichen Vertriebskonditionen beruhende Pressegroßhandelssystem (sog. Presse-Grosso) vom Anwendungsbereich des § 1 GWB aus. Die Vorschrift wird ergänzt durch § 30 Abs. 3 GWB a.E. der einem Missbrauch dieser Branchenvereinbarung vorbeugen soll. Im Interesse der Medienvielfalt könnten deshalb ähnlich wie bei der Bereichsausnahme für das Presse-Grosso -System in § 30 Abs. 2a GWB oder der nunmehr expliziten Kooperationsfreistellung in § 30 Abs. 2b GWB-E für die Presse auch die sonstigen Medien, etwa im Bereich Online-Videoplattformen von der Anwendung des § 1 GWB ausgenommen werden. Die im Rahmen von § 30 Abs. 2b GWB angeführten Gründe, wie die positive Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere auch kleinerer und mittlerer Anbieter, oder Vielfaltsaspekte, gelten hier wie da gleichermaßen. Um Bedenken hinsichtlich einer 8/10 missbräuchlichen Handhabung vorzubeugen, könnten insbesondere der Zugang zu entsprechenden Onlineplattformen und dessen Konditionen – in Erweiterung der Missbrauchsaufsicht aus §§ 18, 19 GWB – unter eine besondere Missbrauchsaufsicht des BKartA ähnlich § 30 Abs. 3 GWB gestellt werden. d) Zwingende Beteiligung der Landesmedienanstalten vor einer Untersagung Zumindest mit Eintritt in das Hauptprüfverfahren (sog. „Phase 2“ Prüfung eines Zusammenschlusses, § 40 Abs. 2 GWB) wären die Landesmedienanstalten zwingend zu beteiligen. Bei der beabsichtigten Untersagung eines Zusammenschlusses könnte ein an § 40 Abs. 4 GWB angelehnter Mechanismus zugunsten der Landesmedienanstalten eingeführt werden, der die neu gefasste bessere Abstimmung zwischen den Behörden nach § 50c GWB-E flankiert und stärkt. In Abweichung zur ursprünglichen Forderung im Rahmen der AG 3 der BundLänder-Kommission und in Berücksichtigung der vorgebrachten Bedenken einer unzulässigen Mischverwaltung im Falle einer „Einvernehmens“-Lösung, sieht der Vorschlag nunmehr eine Benehmensherstellung vor. Das „Benehmen“ bedeutet lediglich die (gutachtliche) Anhörung der Behörden, die da-durch Gelegenheit erhalten, ihre Vorstellungen in das Verfahren einzubringen. Eine Bindung des BKartA an die Auffassung der zu konsultierenden Behörden tritt nicht unmittelbar ein. In Fällen mit medienrechtlichem Bezug könnte die Anwendbarkeit von § 40 Abs. 4 GWB zunächst auf die Landesmedienanstalten ausgeweitet werden und die Untersagung eines Zusammenschlusses an deren „Benehmen“ geknüpft werden. Hierdurch könnten die Landesmedienanstalten medienvielfaltsfördernde Aspekte in die Zusammenschlusskontrolle einbringen. Ähnlich wie im ebenfalls nicht nur von rein ökonomischen Überlegungen gesteuerten Gesundheitssektor – der für den Zusammenhalt einer demokratischen Gesellschaft essentiell ist wie ein vielfältiges Medien- und Meinungsspektrum – könnten so medienspezifische Aspekte in der rein an wettbewerblichen Parametern ausgerichteten Zusammenschlusskontrolle effektiv berücksichtigt werden. VPRT-Vorschlag: § 40 GWB – Verfahren der Zusammenschlusskontrolle […] (4) Vor einer Untersagung ist den obersten Landesbehörden, in deren Gebiet die beteiligten Unternehmen ihren Sitz haben, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Im Anwendungsbereich des Staatsvertrages für Rundfunk und Telemedien ist vor einer Untersagung das Benehmen mit der zuständigen Landesmedienanstalt herzustellen. […] 9/10 5. Schaffung eines kartellrechtlichen Rahmens zur Ermöglichung einer gemeinsamen Selbstverpflichtung von Werbewirtschaft und Rechteinhabern Wie dem Wirtschaftsministerium bekannt, haben Verbände der Werbewirtschaft und der Rechteinhaberseite seit mehreren Jahren versucht, eine politisch ausdrücklich gewünschte gemeinsame Selbstregulierung zur Verhinderung von Werbeschaltungen auf illegalen Webseiten zu initiieren. Trotz intensiver Gespräche mit allen Beteiligten und mehreren moderierten Runden mit Bundeskartellamt und Wirtschaftsministerium ist es leider nicht gelungen, die verbleibenden kartellrechtlichen Bedenken an der beabsichtigten Ausgestaltung der Initiative hinreichend auszuräumen und sich auf eine Ausgestaltung mit dem Kartellamt zu verständigen, die aus Sicht der beteiligten Verbände noch einen tatsächlichen Mehrwert zu ohnehin bereits bestehenden Maßnahmen der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen bot. Nachdem also festzuhalten ist, dass der bestehende Rechtsrahmen die Ermöglichung einer solchen branchenübergreifenden Selbstregulierung jedenfalls nicht begünstigt, plädieren wir dafür, die Chance der 9. GWB-Novelle zu nutzen und eine stabile rechtliche Grundlage für ein solches, auch im Koalitionsvertrag angelegtes, Vorhaben zu schaffen. Ein möglicher Anknüpfungspunkt für eine Regelung könnte sein, Wettbewerbsregeln i. S. d. § 24 GWB ausdrücklich auch zwischen verschiedenen Wirtschaftsund Berufsvereinigungen bzw. deren Unternehmen zu ermöglichen, um den Elementen der Gemeinsamkeit und des branchenübergreifenden Charakters solcher Regeln hinreichend Rechnung zu tragen. Erwägenswert erscheint zudem, das dem leistungsgerechten Wettbewerb zuwiderlaufende Verhalten nach § 24 Abs. 2 GWB durch Aufnahme bestimmter Regelbeispiele (z. B. die Förderung rechtsverletzenden Verhaltens Dritter) zu konturieren. Auch die Aufnahme einer ergänzenden Begründung zu den §§ 1, 2 GWB sowie § 21 GWB erachten wir als zielführend, um, ausgehend von den gesammelten Erfahrungen aus der Diskussion um die Selbstregulierungsinitiative, klarzustellen, dass unter gewissen (engen) Voraussetzungen branchenübergreifende Vereinbarungen freizustellbar sind bzw. keinen Boykott-Verstoß begründen, soweit sie auf die Verhinderung offensichtlich rechtswidrigen Wettbewerbs abzielen und effektiver Rechtsschutz vor den nationalen Gerichten nicht erreicht werden kann. 10/10
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