Predigt vom 17. Juli - Hoffnungskirche zu Pankow

Evangelische Hoffnungskirchengemeinde Berlin-Pankow
PREDIGT im Gottesdienst am 8. Sonntag nach Trinitatis, 17. Juli 2016 in der Hoffnungskirche
(Textgrundlage: Epheser 5,8b-14)
von Pfarrer i.R. R. Thieswald
Liebe Gemeinde!
„Nun aber seid ihr Licht in dem Herrn. Lebt nun auch als Kinder des Lichts“
Wir alle kennen wohl Menschen, die die Dunkelheit regelrecht krank macht. Und
irgendwann beginnt es bei diesen Menschen, auch innen drin dunkel zu werden.
Wenn sie dann nicht aufpassen, werden sie depressiv.
Man sagt, dass dies bei Menschen in den nordeuropäischen Ländern besonders
häufig zu beobachten ist. Bei der langen winterlichen Dunkelheit dort auch
verständlich. Wie wohltuend ist es dann, wenn es draußen endlich wieder länger hell
ist. Es dauert nicht lange und auch innen drin wird es wieder ein wenig heller und die
betrübten Gemüter hellen sich auf.
Das zeigt, wie abhängig wir vom Licht sind. Auch wir, die wir damit vielleicht nicht so
spürbar zu tun haben, wissen das nur zu gut.
Wie die Pflanzen Licht zum Wachsen brauchen, brauchen wir Menschen Licht zum
Leben – auf verschiedenste Weise: Ohne Licht könnten wir nicht sehen. Ohne Licht
würden die Pflanzen nicht wachsen, von deren Verzehr wir leben. Ohne Licht könnte
unsere Haut, könnte unser Körper nicht leben.
Kurz gesagt: Ohne Licht kein Leben. Wir sind auf ganz natürliche und körperliche
Weise Kinder des Lichts. Wir kommen auf die Welt – und erblicken das Licht der
Welt. Wir müssen sterben und unser Lebenslicht erlischt.
Viele Menschen meinen: Unser Leben ist „eines langen Tages Reise in die Nacht“,
um es mit dem Titel eines Schauspiels von Eugene O'Neill zu sagen. Das Leben –
„eines langen Tages Reise in die Nacht.“ Wir meinen, es wird immer dunkler und die
Zukunft liegt in Finsternis... Und nicht selten- zugegebener Maßen- fühlt sich das
Leben so an. Gerade in diesen letzten Tagen ist dies wieder so der Fall, bedingt
durch das schreckliche Ereignis.
Richtig ist aber auch, wer für die Zukunft nur Schwarz sieht, der macht bald selbst
einen düsteren Eindruck. Darum ist es so notwendig, dass wir uns dem Licht öffnen,
wieder- bildlich gesprochen- Licht in unsere Herzen, unsere Seelen lassen, so dass
wir dann auch Wärme und Helligkeit ausstrahlen können.
Um es mit einem Bild zu sagen: Es ist mit uns Menschen wie mit einem Haus, das in
strahlendem Sonnenlicht liegt. Man kann die Fenster durch Rollläden verschlossen
halten, dann ist im Inneren alles dunkel. Wir müssen nicht versuchen, wie von den
Schildbürgern berichtet, Licht in Säcken hineinzutragen zu wollen. Vergebliches
Unterfangen. Sobald wir aber die Rollläden aufziehen, strömt das Licht, das längst
da war, hinein und erhellt und wärmt alles im Inneren.
Von daher ist es kein Wunder, dass das mit dem Licht auch im Glauben und in der
Bibel immer wieder Thema ist: „Ihr wart früher Finsternis“, schreibt der Apostel
Paulus, „nun aber seid ihr Licht in dem Herrn! Lebt nun auch als Kinder des Lichts.“
Lebt, was ihr schon seid!
Ja, „Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust“. Da hat Herr von Goethe schon
Recht. Licht und Finsternis- ein Begriffspaar, wie es gegensätzlicher kaum sein kann.
Eine kleine Geschichte muss ich dazu erzählen:
Ein alter Indianer saß mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden
und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten.
Der Junge sagte nach einer Weile des Schweigens: „Weißt du, wie ich mich
manchmal fühle? Es ist, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen miteinander
kämpfen würden. Der eine ist rachsüchtig, aggressiv und grausam. Der andere
hingegen ist liebevoll, sanft und mitfühlend. Welcher von beiden wird wohl den Kampf
um mein Herz gewinnen?“ „Der Wolf, den du fütterst“, antwortete der Alte.
Vielleicht würde Paulus, hätte er diese Geschichte gekannt, gesagt haben: Füttert
den Wolf „der Güte, der Gerechtigkeit und Wahrheit“. Lebt also als Kinder des Lichts.
Was in unserem Predigttext über das Licht gesagt ist, muss man unbedingt
mitdenken. Das Licht ist zuerst da. Und es ist das Licht, das seine Kinder
hervorbringt. Deshalb ja auch „Kinder des Lichts“. Diese Reihenfolge ist wichtig.
Diese Reihenfolge entlastet uns. Denn sie macht deutlich: Dieses Licht, um das es
hier geht, scheint lange bevor wir sind, lange bevor wir es mitbekommen, auch dann,
wenn wir es nicht mitbekommen.
Das ist wie mit der richtigen Sonne. Sie lässt uns leben – auch wenn wir nicht an sie
denken. Wie die Sonne unseren äußeren Menschen leben lässt, so lässt das Licht
Gottes unseren inneren Menschen leben – lange bevor wir es merken und auch
dann, wenn wir es nicht merken. Wir sind seine Kinder, „Kinder des Lichts“. Er ruft
uns ins Dasein.
Ja, das Licht ist zuerst da. Das ist entlastend. D.h., unsere Zuweisungen sind gar nicht
gefragt. Nicht wir teilen ein, haben darüber zu befinden, wer im Licht und wer in der
Finsternis lebt, sondern Gott rückt uns ins rechte Licht. Und von da aus ergibt sich alles
andere.
Der Schlüssel zu dieser Erkenntnis liegt im letzten Satz: „Wach auf, der du schläfst, und steh
auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten!“ (V. 14) Die Neutestamentler haben
herausgefunden, dass es sich dabei um einen Weckruf aus der Taufliturgie handelt, der über
den (erwachsenen) Täuflingen nach dem Untertauchen ausgerufen wurde. „Gott hat dir in
Christus neues Leben geschenkt – nun wach auf, werde lebendig! Gott hat dich aus der
Finsternis in das Licht seiner Liebe gestellt – nun lebe auch als ein Kind des Lichts!“ Also,
wie gesagt, lebe, was du bereits bist!
Wer ins Licht gerückt wird, fängt selber an zu leuchten. Er strahlt aus, was er
empfangen hat. Durch Christus sind wir Kinder des Lichts! Von daher erschließen
sich alle anderen Aussagen unseres Textes
Wenn wir als Kinder des Lichts sog. „Werke der Finsternis“, also das Tun, das die Dunkelheit
sucht, aufdecken, um in der Sprache unserer Luther- Bibel zu bleiben, dann nicht, indem wir
mit dem Finger darauf zeigen und uns danach überheblich abwenden- in dem Bewusstsein,
selber auf der richtigen Seite zu stehen. „Das Licht scheint in der Finsternis“, sagt das
Evangelium von Jesus. Und so dürfen auch wir als Kinder des Lichts unser Licht leuchten
lassen. Wir überwinden das Dunkle und Böse nicht, indem wir uns darüber erheben, sondern
nur, indem wir das Gute aufleuchten lassen, das uns anvertraut ist. Das ist kein fauler
Kompromiss. Natürlich bleibt Licht Licht und Finsternis bleibt Finsternis. Aber als solche, die
sich von der Liebe Jesu leiten lassen, gehen wir liebevoll-eindeutig und nicht
besserwisserisch auf die Welt und aufeinander zu und miteinander um.
Wir werden in der Welt gebraucht, damit auch durch uns die Kraft des Lichtes auch die
dunkelsten Ecken unserer Gesellschaft erreicht. Gerade in unserer zunehmend
multikulturellen und multireligiösen Umwelt sind zwar Fanatismus und Überheblichkeit
unangebracht, ja, verbieten sich. Unseren Glauben und unser Christsein aber eindeutigliebevoll und im guten Sinne selbstbewusst, überzeugt leben, das ist und bleibt notwendig.
Liebevoll einladend allen gegenüber, das dürfen wir sein. Dann muss uns nicht bange sein.
Das ist eine wichtige Erkenntnis für unser Selbstverständnis als Christen in der Welt. Nicht
Rückzug aus der Welt ist angesagt; nicht die Welt mit ihrer Dunkelheit sich selbst
überlassen. „Lasst Gottes Licht durch euch scheinen in der Welt, dass sie den Weg zu ihm
findet“, so singen wir und das gilt auch weiterhin.
Wie kann das gehen? „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!“, so Paulus „Die
Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Im Licht der Liebe
Gottes kann Gutes bei uns heran wachsen. Die Finsternis bringt keine Früchte
hervor. Davon kann man nicht leben. Bei uns aber wächst etwas, wenn vielleicht
auch manchmal, zugegeben, ein wenig mickrig, mit Flecken oder Faulstellen. Aber
es wächst! Wir bringen die Früchte nicht aus eigener Kraft hervor, aber wir können
mithelfen, dass sie gedeihen; dass sie für andere einladend und verlockend
aussehen.
„Ihr seid das Licht der Welt – nun lebt als die Kinder des Lichts!“ Wie steht es um uns
als christliche Gemeinde?
Manche Kritiker werfen uns vor, es sei nicht weit her mit unserer Leuchtkraft. „Bei
den Christen geht es auch nicht anders zu als überall auf der Welt. Die streiten auch
und kriegen das mit der Wahrheit und Gerechtigkeit auch nicht besser hin.“ Diese
Kritik hören wir, nehmen sie uns zu Herzen, hoffentlich
Aber, ihr Lieben, ich muss sagen, mir macht unser Predigttext Mut, und ich bleibe bei
meiner Kirche, auch wenn ich meine Fragen und meine Kritik habe, ja, ich bleibe bei
meiner Kirche mit ihren großen Leuchten und mit ihren kleinen Lichtern.
Wenn ich unsere Kirche mit diesem Blick der Liebe betrachte, dann entdecke ich
viele Kinder des Lichts und viele gute Früchte im Leben der Gemeinden, natürlich
auch in unserer Hoffnungsgemeinde mit den vielen Ehrenamtlichen und
Hauptamtlichen, in der bunten Vielfalt unseres reichen Gemeindele-bens. Das alles
aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen.
Wer sonst, wenn nicht wir als von Gott geliebte Menschen, können dieses Licht
weitertragen?
‚Füttert den Wolf der Güte, der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Lebt, was ihr schon längst
seid! Denkt daran, den Lichtwolf in euch zu füttern‘. So würde vielleicht der alte weise
Indianer heute zu uns sprechen, und vielleicht würde Paulus uns heute so oder ähnlich
schreiben.
„Die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.“ Es gibt sie, diese
Früchte, und mögen wir sie uns nicht klein reden lassen und selber dazu beitragen, dass sie
unter uns und bei mir wachsen können – damit auch andere auf den Geschmack kommen.
Mögen wir mithelfen, dass sich das Licht der Liebe ausbreitet und die Dunkelheit dieser Welt,
ja, auch die Dunkelheit in mir und in dir mehr und mehr überwindet. Amen.
Es gilt das gesprochene Wort.