44 Titelthema "×··×¥þß Zagreb Eine Kursfahrt Titelthema "×··×¥þß Fotografien von [emma] & [ johann] 45 S Das Land der Zwiespalte Seit 26 Jahren ist Kroatien unabhängig, seit zweieinhalb Jahren Mitglied der EU. Obwohl es mitten in Europa liegt, war für das Land der Weg vom kommunistischen Jugoslawien in die demokratische Union ein langer. Und er scheint immer noch nicht abgeschlossen zu sein. Denn während man sich europäisch gibt, werden der ehemalige Diktator Tito auf der einen Seite und die »Helden« des Unabhängigkeitskrieges auf der anderen Seite verehrt. Titelthema "×··×¥þß Eine Reportage von [ johann] 46 tramm stehen sie da, die Wachen auf ½¾ƾ3·¨ƾO·ßúƦ¨×ßŮŪ"Ó ¨½V¥ß߾量Ɵר½¨ß¨¥Ó¾ langen schwarzen Mänteln und großen V·¾×¾µ½·×>ߨž·¥·den. Während der Wachablösung brüllt ein Reiter markige Befehle, während ¨¾äßú¾VÅ·ß¾×·äߨÓßƦb¾× deutschen Touristen ist diese militärische Inszenierung unverständlich, doch die Kroaten scheinen ein anderes Verhältnis zu ihrer Geschichte und ihrer Nation zu haben. lÅÓŬŪ3¥Ó¾×¨¾×¨Ɵ¾¥·¾ ½5Ó¨ ¾ ¨¥Ó¾>¥ÓVÓ¨¾ä¾¥¾ ¨ ïÅÓ¾ƦÓ Vielvölkerstaat Jugoslawien – mit dem Tod seines Gründers Tito war sein Ende besiegelt. Doch wer trägt V¥ä·¾¾·äߨ ¾5Ó¨ ¾Ɵ¨¾xÓ··3ä Å׷慨׽ӵ¨Ó¾ƨmÓßÓ ßV¥ä·¾lÓÓ¥¾ ï¨VÓ¾¨Ɵ¨½¾×ßůŪ3¥Ó¾¥½¾ ×ŬƦm·ßµÓ¨ ר¾äÓÅо¨¥ß½¥ÓþèÓ½È ·¨¥ gehalten hatte? M ö c h t e m a n ¾äÓ¨¾¨¾¥¾ßïÅÓßä×V¨¥ß ×5ÓÅߨץ¾Vßß×¥¾Ɵ×ÅÓä¥ß½¾¨¾¾ Prachtbau aus der KuK-Zeit im Zentrum Zagrebs äúä×䥾Ʀ'¨ÓĖ¾ßר¥×Kroatische Zentrum þèÓ¨Ó¨¾¾Óä¾ ¾¾lßÓ·¾¨×¥¾5Ó¨ . Mit dem »Vaterländischen Krieg« ist dabei jedoch nicht, wie in ¾Ó¾7¾Ó¾ƟÓŬƦm·ßµÓ¨ ½¨¾ßƟ×Å¾Ó¾Ó ½¨ß½>¥Ó¾VÓ¨¾Ɵ¾××¾¾5ÓÅߨ¾× Unabhängigkeit stand. Im Vortragsraum scheint sich seit der Unabhängigkeit Kroatiens nichts verändert zu haben – man spürt den Mief der Tito-Zeit. Vor dem Fenster weht eine kroaߨץ!· Ɵ¾¾×xïÈ·ƾVßÓ¾ƾ¾¾ÓÓ äÓÅШץ¾b¾¨Å¾Ʀä ½]¨×¥¾ÓVß¨Ó¾×¨ß des Raums steht ein Buch, das sofort die hier vermitß·ßÅß×¥ĢÓèÓÓ¨¾ ßƦfÓ¨¾½úÓ×ßÈÓß¾ VßÓݾúä ÓÅ×ßµÓÅߨץ¾VßßläµÅîÓ×ߥßƞ »Das Ziel war die Stadt: Das Krankenhaus, das Waisenhaus …« Während des Vortrags hört man die einhellige Meinung ÓµÓÅߨץ¾R ¨Óä¾ ƞ¨VӾר¾V¥ä·ä¾ haben den Krieg provoziert. Man zeigt uns ein Video der Kämpfe in Vukovar und es sind erschütternde Bilder, wie wir sie heute ¾äÓä×5Ó¨ × ¨ß¾ï¨ÓbµÓ¨¾ÅÓVõÓ¨¾ kennen. Doch als wir einen zweiten Film sehen, der die Belagerung Dubrovniks durch serbische Einheiten zeigt, werden wir stutzig. Es sieht nicht so aus, als ob ××x¨·Ó¾ Ó¨ÓïÓƟ¨Vßߨ¾úä¾¥½¾Ʀ Auf eine Nachfrage diesbezüglich reagieren die beiden Referentinnen nach minutenlangen Rücksprachen auf kroatisch miteinander und sagen das die Rebellen nicht die »Erlaubnis« hatten Dubrovnik mit Flugzeugen anzugreifen. Doch wir fragen uns: Wer hält sich im Krieg an eine »Erlaubnis«? Ich stelle eine Frage, die in diesem Haus wahrscheinlich nur selten zu hören ist. Es geht um kroatische Kriegsverbrechen bei der Rückeroberung der besetzten Gebiete in der Krajina¨½VŽ½ÓūųųůƦm¨Ó ¨ß ½¾×¨¥úÈ Ó·¨¥ä¾× ßƟ××űŪǧÓlÓÓ¥¾ »Wir Kroaten nutzen nicht den Lauf der Geschichte um zu einem Schluss zu kommen. Sondern wir nutzen den Schluss, um den Lauf der Geschichte zu interpretieren.« Marko Smokvina, DOCUMENTA îž×ӨץÓV¨ßä× ¨¾ ¾ä¾nurŭŪOÓÅú¾ß¨ kroatische Armee verübt hätte. Im Gegenteil – man hat im Vorfeld alles getan, um eine Eskalation der Lage zu verhindern. Uns wundert aber, dass man trotz der ½è¥ä¾ ¾¨¾¾Ó¥·µäÓúÓx¨ß¨¾¾¾ Ó¨Đ×з¾ aus der Tasche ziehen konnte. Auf die Frage, wie viele Opfer denn es wirklich gab, gibt man sich erstaunlich äß·¨¥ƦVÅÅÓßú¨×¥ß¨¾ÓRӾߨ¾¾¾ƟÅ¥¾ Rücksprache mit ihrer Kollegin »Genug Opfer« – als würde sie eine Mitschuld verspüren. Generell entsteht bei uns der Eindruck, dass die kroatische Regierung den Eindruck vermitteln will, als dass es damals keine andere Möglichkeit gab, als ¨×¾5Ó¨ úäþè¥Ó¾ä¾×ר¥¨VÓ¾¨×¥äß ¾¨¥ßþèÓ¾ßץ䷨ ߥ¾Ɵ××ר¨¾läµÅîÓ unschuldige Zivilisten ermordeten. Als ich mit jemanden zusammen nach dem Vortrag eine der Referentinnen anspreche gibt diese sich wieÓ×ÐÓ襷¨¥ƦV¨½¨¾ßƟ××ר¾¨¥ß¾¨µÓÅߨschen Werte glaubt und diese nicht mit denen der EU vereinbar sind. Aber die Leute wollen die Mitschuld am 5žė¨µß¾¨¥ßï¥Ó¥¾ïÅ··¾Ʀm¨Óר¾¨ÓӨߨÓßƦ ¨¾OÓÅÐ ¾ƾV¥Åィßß¾¨¾¨¾½äÓÅШץ¾ Rechtsstaat und eine Mitarbeiterin, die nicht an die V¥¾ ·äßƟ¨×¨Óú¥·ßƨ×ǂ"¾ä DÐÓǁ das sie da unvermittelt rausgehauen hat, wäre dann Óµ·Ó·¨¥Ʀl¨··¨¥ß¨×ßר²¨¾VÓ¨¾Ɵ¨¥¨Ó¾äÓ ihren Job macht. E i n e n e u t r a l e r e D a r s t e l l u n g ×5žė¨µß×Ė¾ß man in einem Hinterhof in einer Wohnsiedlung im Westen Zagrebs. Das schlichte gelbe Haus gehört der NGO DOCUMENTA – Center for dealing with the past. Man ÓèÝßä¾×½¨ß5ĐƦlŽ>ߨž·×ßÅ·úƟï¨Ó¨½ x¾ßÓä½þèÓ¨Ó¨¾¾Óä¾ ¾¾lßÓ·¾¨×¥¾ Krieg vermittelt wird, ist hier nichts zu spüren. V¨ßŬŪŪŪÅÓ×¥ß¨Ó ¨Óä¾ ×ä¾¥¾ ¨ DÓ nisation den Folgen des Kroatien-Krieges nach. »Die Leute nehmen von der Geschichte, was sie Ó䥾ǁƟ× ß=ÓµÅV½Åµî¨¾îžDOCUMENTA. ǂb¾×Ɵï×ר¾¨¥ßÓ䥾Ɵþ··ßä¾ßÓ¾]¨×¥Ʀǁ =ÓµÅV½Åµî¨¾ ¨ßä¾×¨¾¾fÓ·¨µèÓ ¨"×¥¨¥ß5ÓÅߨ¾×¨½ŬŪƦ3¥Ó¥ä¾ÓßƦ× ¥ß îÅÓ··½ä½¨RÅ··5ÓÅߨ¾×¨½ŬƦm·ßµÓ¨ Ɵ·× ¥¨Ó¨¾×¥¨×ߨץÓVß··¨ß¾×ßßä¾ßÓ!è¥Óä¾ der radikalen Ustaša bestand und das Gedenken an die Verbrechen, die von den damaligen Machthabern verübt wurden. Doch auch die zwiespältige Rolle mit der jugoslawischen Vergangenheit und dem Unabhängigkeitskrieg spielt eine Rolle. Eine wirkliche Vergangenheitsbewältigung gibt es in 5ÓÅߨ¾¾¨¥ßƟמӾÓVßß ¨ß··×îÅÓƟ¨×ߨ =¨¾ä¾ =ÓµÅV½Åµî¨¾×ä¾DOCUMENTA. »Wir ïÅ··¾¨¾¾ÈĐ¾ß·¨¥¾¨·Å ¾Ó ¾ǁƟÓµ·Óß =Ó¨Ɵ¾··×=¨ßÓ¨ßÓ¨¾ÓDÓ ¾¨×ߨžƦ Denn auch, wenn die Helden des Unabhängigkeitskrieges gefeiert werden – die Opfer geraten in Vergessenheit. Viele waren entweder in serbischen oder kroatischen Lagern interniert und leiden bis heute unter den psychischen Folgen. Auch hier erkennt man wieder die Neutralität von DOCUMENTA – es macht keine Unterschied zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern. Das Feind-FreundV¥½Ɵ××½¾×ž×ß×ÅÅĢ¨¾5ÓÅߨ¾¾ßÓ¨ġƽ× Ė¾ß½¾¥¨Ó¾¨¥ßƦ Da es keine unabhängigen Zahlen über den Konė¨µß ¨ßƟ½è¥ßר¥¨¾OÓŲµßîžDOCUMENTA Óä½Ɵ··]Å×ÅÐÓ×5Ó¨ ×ú䨾ߨĖú¨Ó¾Ʀ Dazu müssen jeweils drei voneinander unabhängige Qä··¾ ä¾¾ïÓ¾Ʀ¾Ó׷ר½x¾ßÓä½þèÓ ¨Ó¨¾¾Óä¾ þèÓ¨Ó¨¾¾Óä¾ ¾¾lßÓ·¾¨×¥¾ Krieg setzt man hier bei der Aufarbeitung mehr auf Oral HistoryƟ·×ÅÐÓ×Ⱦ·¨¥"×ÐÓ¥½¨ßßÓÅĐ¾¾Ʀ »Man muss rausgehen, um authentische Daten zu µÅ½½¾ǁƟ× ß=Ó¨Ʀ Doch nicht nur die Vergangenheit will DOCUMENTA erforschen, sondern auch die neue Generation soll objektiv über den Krieg informiert werden. Es gibt Kunstausstellungen und andere Veranstaltungen, äÝÓ½ïÓ¾OÓŲµß¾V¥ä·¾ ½¥ßƟä½ Titelthema "×··×¥þß Grab des ersten Staatspräsidenten Franjo Tuđman auf dem Friedhof Mirogoj: Die »Helden« des Unabhängigkeitskrieges werden heute gefeiert, während die Opfer in Vergessenheit geraten 47 Titelthema "×··×¥þß D o c h w i e t i c k t die neue Generation, die DOCUMENTA äþµ·Ó¾ï¨··ƨ¨3ä ¾·¨¥¾Ɵ¨ä¾×äÓ¥¨¥Ó Vßß侨¥ÓV¥ä·þè¥Ó¾Ɵ×¥¨¾¾×ßÅ·úä ¨¥Ó Land zu sein. Mit Inbrunst singen sie ihre Nationalhymne, während viele uns eher ablehnen, die deutsche Hymne zu singen. Doch hinter diesem vordergründigen VßÅ·ú¨×ߨVߨ½½ä¾ ×¥·¥ßƞ5ÓÅߨ¾¥ß½¨ßŮŭƟů Prozent die dritthöchste Jugendarbeitslosigkeitsrate in der EU. Wenn man sie fragt, so sagen viele, dass sie ihrem Heimatland den Rücken kehren und in ein anderes europäisches Land auswandern wollen. Generell scheinen die Kroaten in der Gegenwart ᄄ 'ÅĐ¾ä¾ úä×¥¾Ʀ¨¾µ·¨¾VßÓݾä½Ó ×ßߨ ߨÅđú¨··¾Vßߨ×ߨµ¾Ʀƽ¨¾"ÓÅÝߨ·Ó èÓ Ó×¥¨¾ßר¥þèÓOÅ·¨ß¨µ¾¨¥ßמӷ¨¥ú䨾ßressieren. Mit der aktuellen sozialistischen Regierung ist man zwar nicht zufrieden, doch man akzeptiert sie notgedrungen. »Wenn wir die abwählen würden, würden die Nationalisten an die Macht kommen«, meint ein Zagreber, der lieber unerkannt bleiben will. Zum EU-Referendum ging niemand, generell stehen viele der EU eher kritisch gegenüber. ǂÓbƾ¨ßÓ¨ßßïÓîÅÓ··½þèÓ¨·¨ß¾ äßǁƟ× ß ·¾µV½Å·²¾îžӵÓÅߨץ¾Ð¾¾Ó ×Åú¨·½ÅµÓߨץ¾!Ó¨Ó¨¥ƾÓßƾVߨĢä¾ Ʀm¾¾ sie über die Entwicklung der letzten Jahre spricht, so ¾äßúßרÅĢ¾Vßúǂ5ÓÅߨ¾è߽ŵÓߨǁƦƽ × ¨ßᄄ ]Ó¾×ÐÓ¾úƟ¨=¨¾·¾×¥Ģ¨×ß ¾¨¥ß×¥Ó þ¥Óßä¾î¨·èÓ Ó¥¾× Vertrauen in die Politik verloren. Durch Planspiele, Podiumsdiskussionen und Workshops versucht die VߨĢä¾ ¨×·ß¾=ä×ßÓäúäÓ¥¾Ʀxä×½½¾ ½¨ß¾Ó¾VߨĢä¾ ¾ä¾DÓ ¾¨×ߨž¾ï¨··×¨¨ zahlreichen Zwiespalte bekämpfen, durch die Kroatien heute geprägt ist. 48 D e n n Z w i e s p a l t e gibt es in Kroatien viele. Da ist dieses Zurücksehnen nach den glorreichen Zeiten, als man noch Teil Jugoslawiens war. Es ist ein bisschen wie in der DDR und den Leuten die sagen »Es war nicht alles schlecht« – dass es damals eine Einheitspartei, Einheitspresse und eine Verfolgung Andersdenkender gab, vergisst man gerne. Und dann verehrt man noch die »Helden« des Vaterländischen Krieges, die aber genauso Verbrechen begangen ¥¾ï¨¨VÓ¾ƦÓ5Ó¨ ¾¾»ewigen Erzrivalen«VÓ¨¾ƽÓ¨×ßÓ"Óè¾ä¾ ×½õߥÅ×5ÓÅߨ¾×Ʀ All das passt nicht wirklich in das moderne Europa. m¨Óèµß×=ÓµÅV½Åµî¨¾îžÓDOCUMENTA aus: »Wir Kroaten nutzen nicht den Lauf der "×¥¨¥ßä½ú䨾½V¥·ä××úäµÅ½½¾ƦVžӾ ï¨Ó¾äßú¾¾V¥·ä××Ɵä½¾7ä Ó"×¥¨¥ß zu interpretieren.« Und so ist auch: Von außen ist Kroatien ein moder¾ÓäÓÅШץÓVßßƽť¾¾¾×¥¨¾ß× kommunistischer zu sein denn je. Es ist ein Land, das im Zwiespalt zu stecken scheint zwischen der Vergan ¾¥¨ßä¾Óxäµä¾ĢƦ 0
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