Donnerstag, 14. Juli 2016 • Nr. 163 Neues aus der Beziehungskiste KIRCHEN Veränderte Finanzierungsregeln Léon Marx Es sei nie Absicht gewesen und es gehe auch nicht darum, alle Verbindungen zwischen Staat und Kirchen zu kappen, betonte Berichterstatter Lex Delles (DP) gleich eingangs seiner Erläuterung. Von einer Trennung zu sprechen, sei deshalb auch schlichtweg falsch. Vielmehr würden die Kirchen neue Freiheiten bekommen, was zu einer bereits erkennbaren Dynamisierung führen werde. Grundlage für die Reform der Beziehungen sind die im Januar 2015 von der Regierung mit den sechs anerkannten Glaubensgemeinschaften (katholische, protestantische, anglikanische, orthodoxe und jüdische Kirche, muslimische Glaubensgemeinschaft) abgeschlossenen Konventionen. Delles betonte mit Nachdruck, dass die Auszahlung der festgelegten „Enveloppe financière“ an die einzelnen Religionsgemeinschaften (siehe unsere Foto: Tageblatt-Archiv Nach der Abschaffung des Religionsunterrichts vergangene Woche stand gestern die Neuregelung der Kirchenfinanzierung auf der Tagesordnung des Parlaments. Das Szenario der Debatten war dabei wenig überraschend. Für die CSV führte Gilles Roth juristische Bedenken ins Feld, um sich einer gesetzlichen Umsetzung der Konventionen zu verweigern, die von der Regierung mit sechs Religionsgemeinschaften abgeschlossen wurden. Sechs Konventionen wurden beschlossen gestrige Ausgabe) an eine externe Prüfung der Jahreskonten gebunden ist. Derzeit übernimmt der Staat integral die Gehälter der Pfarrer. „Ominöse Referendumsfrage“ Als mandatierter Redner der CSV begrüßte Gilles Roth zwar die neuen Konventionen. Kritik gab es aber an der Form. Die Konventionen im Januar seien „unter dem Druck der ominösen vierten Referendumsfrage“ zustande gekommen. Damit habe die gesamte Finanzierung zur Disposition gestanden. Von einer Einigung im Konsens könne man deshalb nicht reden. Roth sprach auch von rechtlichen Unsicherheiten betreffend die Kompatibilität mit dem aktuellen Artikel 106 der Verfassung. Seine Kritik richtete sich dabei auch an den Staatsrat. Der habe viele Fragen aufgeworfen, aber keine Antworten gegeben. Auch würden die Gesetze nicht exakt „Orchestrierte Hinhaltetaktik“ APESS Gegenkandidaten stellen Vorstand Ultimatum Serge Kennerknecht Sollten bis zu diesem Datum keine Wahlen einberufen worden sein, werde man, gemeinsam mit anderen Mitgliedern, einen externen Verwalter mit eben diesem Auftrag einsetzen lassen. Demokratiedefizite und Handlungsunfähigkeit des aktuellen Übergangsvorstandes seien der dringende Grund, warum sie sich gezwungen sehen, die Öffentlichkeit über die aktuelle Situation zu informieren, so André Berns, Marco Breyer und Gilles Everling gegenüber der Presse. Gemeinsam mit Patrick Beil wollten sie sich am 25. März auf der Apess-Generalversammlung den Wahlen stellen, weil sie mit der Arbeit des bisherigen Vorstandes, der von Daniel Reding, Alain Kieffer, Eric Bruch und Pascal Zeihen gebildet wird, nicht zufrieden sind. Grund für die Gespaltenheit bei den Profes- Foto: Hervé Montaigu Der Streit innerhalb der Apess („Association des professeurs de l’enseignement secondaire et supérieur du Grand-Duché de Luxembourg“) geht in die nächste Etappe. Die vier Kandidaten, die sich auf der letzten Generalversammlung keiner Wahl stellen konnten, weil der Vorstand eine solche verhinderte, sprechen dem aktuellen Übergangsvorstand die Legitimität ab, Verhandlungen zu führen und fordern die Einberufung von Wahlen bis zum 13. Oktober des Jahres. André Berns soren ist das Abkommen, das das Gewerkschaftsbündnis Apess, SEW, Féduse im Juli 2015 mit Unterrichtsminister Claude Meisch unterschrieben hat („Accord intersyndical“). Hierin würden Lehrer zu zusätzlichen Sparbeiträgen herangezogen werden, während das bei anderen Beamten nicht der Fall sei. Handlungsunfähig sei der Übergangsvorstand, weil dessen Mandat seit der Generalversammlung vom 25. März abgelaufen sei. Die Generalversammlung hätte ihnen den Auftrag erteilt, noch vor den Pfingstferien Wahlen einzuberufen. Das sei nicht erfolgt. Danach sei man auf ein Datum vor den Sommerferien vertröstet worden. Auch das sei nicht geschehen. Dass die Wahlen im März nicht stattgefunden haben, liege daran, dass die Mannschaft Reding 400 Prokurastimmen in die Wahlen habe einbringen wollen. Laut Statuten darf jedes Mitglied nur eine Prokurastimme abgeben. Auch eine Briefwahl sei nicht in den Statuten vorgesehen. Zudem seien Apess-Mitglieder entweder nicht auf die Generalversammlung eingeladen worden oder aber an einer Teilnahme von einem privaten Sicherheitsdienst ausgeschlossen worden. Zum ersten Mal nämlich habe eine Apess-Generalversammlung nicht in einem Gymnasium, sondern in einem Hotel stattgefunden. Die Abweisung von ApessMitglieder sei damit begründet worden, dass sie nicht auf der Mitgliederliste stünden. „Die letzte Mitgliederliste, die wir kennen, stammt aus dem Jahre 2005“, so André Berns gestern. Von diesen Mitgliedern seien mindesten 30 inzwischen verstorben. Dass der aktuelle Vorstand es nicht fertigbringe, eine solche Liste zu erstellen, verstoße nicht nur gegen das Gesetz über Gesellschaften ohne Gewinnzwecke, so Berns weiter. Es bedürfe einer starken, geeinten, demokratischen, legitimen und handlungsfähigen Gewerkschaft. Die verschiedenen Gegenmanöver der Mannschaft um Reding seien nichts anderes als orchestrierte Hinhaltetaktik, die auf der Angst fuße, nicht mehr gewählt zu werden. den Inhalt der ausgehandelten Konventionen wiedergeben. „Eng politisch-ideologesch Spuermesür, déi juristesch net d’Strooss hält“, so seine Schlussfolgerung. Gast Gibéryen (ADR) sprach sogar von Erpressung. Juristisch seien die Konventionen deshalb wohl gar nicht gültig. Seine Partei sei für eine klare Trennung von Kirchen und Staat und könne den neuen finanziellen Beziehungen nicht zustimmen. Autonomie und Selbstbestimmung werden die Kirchen stärken, meinte Alex Bodry (LSAP). „Die Kirchen sind Bestandteil unserer Gesellschaft, aber nicht des Staats.“ Vor allem die katholische Kirche habe während Jahrhunderten gegen das Gleichheitsprinzip der Verfassung verstoßen und von Privilegien profitiert wie eine Staatsreligion, obwohl sie das nie war. Es sei schon merkwürdig, wie locker die CSV bisher immer mit juristischen Fragen im Zusammenhang mit der Finanzierung des Kultus umging, konterte Gilles Roth. Mit Artikel 106 befasste sich auch Marc Baum („déi Lénk“). Die Entflechtung von Staat und Kirchen gehe in die richtige Richtung. Diesen Artikel nicht abzuschaffen, lasse die Tür offen für eine künftige Regierung, diesen Entflechtungsprozess wieder rückgängig zu machen, befürchtet er. Die sechs Gesetze wurden in getrennten Abstimmungen mit dem jeweils identischen Ergebnis von 32 Ja-Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. CSV und ADR waren dagegen. Steuerreform und Spitalplan Die Regierung hat sich im Ministerrat unter anderem mit der geplanten Steuerreform beschäftigt. Die Gesetzesvorlage wurde gestern angenommen. Die Regierung hatte im Februar ihre Pläne für eine Steuerreform vorgestellt. So soll die Steuertabelle angepasst werden. Der Spitzensteuersatz soll bei einem höheren Einkommen wirken. Eingeführt wird ein Spitzensteuersatz von 41 Prozent für Einkommen ab 150.000 Euro und von 42 Prozent ab 200.000 Euro Einkommen (Steuerklasse 1). Abgeschafft wird ab 2017 die Sondersteuer von 0,5 Prozent. Außerdem sind eine Individualisierung der Steuern sowie eine Erhöhung der Quellensteuer auf Zinserträgen vorgesehen. Die gesamte Reform soll am 1. Januar 2017 in Kraft treten. Der Gesetzesentwurf zu einem neuen Spitalplan wurde ebenfalls vom Ministerrat angenommen. Der Spitalplan ist laut der Regierung „ein wichtiges Instrument um die Zusammenarbeit im Bereich der Krankenhäuser zu optimieren“. Die Regierung hebt hervor, dass sie sich bewusst für eine einzige „loi hospitalière“ entschieden hat, welche die Anzahl der benötigten Krankenhausbetten sowie die Anzahl der Krankenhausabteilungen regelt. Die Schaffung von Kompetenzzentren ist im Gesetz ebenfalls vorgesehen. Zudem soll ein „Comité national d’éthique hospitalier“ gegründet werden. Letztlich war die Klimabank, welche die Energiearmut bekämpfen soll, auch ein Thema beim Ministerrat. Die energetische Sanierung von bestehenden Gebäuden steht im Zentrum des von der Regierung angenommenen Gesetzesentwurfs. Luxemburgisch kommt zu kurz NATIONALITÄTSGESETZ Sprache ist wichtig Jennifer Muller Im Allgemeinen steht die „Chambre des fonctionnaires et employés publics“ (CHFEP) dem neuen Nationalitätsgesetz recht positiv gegenüber, bemängelt aber, dass die geforderten Kenntnisse der Luxemburger Sprache nicht in den Fokus gerückt wurden. Gestern stellte die CHFEP ihr Gutachten zum bevorstehenden Nationalitätsgesetz vor. Die CHFEP sieht die Luxemburger Sprache als wichtigstes Integrationselement. Im neuen Gesetzesentwurf sei dies aber nicht wirklich hervorgehoben worden. Aber auch andere Punkte sind für die CHFEP verbesserungsfähig. Sprachniveau beibehalten Zur Beantragung der Luxemburger Nationalität muss mit der neuen Gesetzgebung der Antragsteller mindestens fünf Jahre in Luxemburg gelebt haben, bisher waren es sieben. Des Weiteren können diese fünf Jahre mit Unterbrechungen sein, solange die Person ein Jahr vor ihrem Antrag Luxemburg als Hauptwohnsitz hatte. Mit dieser Bedingung zeigt sich die CHFEP unzufrieden. Sie fordert, dass die Person ununterbrochen während der vorherigen fünf Jahre in Luxemburg gelebt haben muss. Bezüglich der Sprachbedingungen sieht die aktuelle Gesetzge- bung vor, dass ein Sprachniveau B1 für des Verständnis sowie ein mündliches Sprachniveau A1 vorgesehen sind. Die Kammer spricht sich vehement dagegen aus, dass dieses Sprachniveau weiter abgesenkt werden soll. Die CHFEP unterstreicht, dass selbst diese Sprachkenntnis nicht ausreiche, um aktiv am alltäglichen sowie am politischen Geschehen in Luxemburg teilzunehmen. Dem Gesetzesentwurf zufolge kann in zehn Fällen der Erhalt der Nationalität über bestimmte Optionen bzw. Bedingungen genehmigt werden. Die Summierung solcher Spezialfälle könnte laut CHFEP jedoch zu erheblichem administrativen Durcheinander führen und die Einbürgerung noch komplexer gestalten. Auch hier würde laut CHFEP die Luxemburger Sprache sicherlich zu kurz kommen. Den Erhalt der Nationalität über diese Optionen würde laut Kammer dazu führen, dass eine Person eingebürgert wird, ohne dass der Antrag vom Justizministerium geprüft wurde. Auch mit diesem Punkt zeigt sich die Kammer unzufrieden. Bezüglich des Bodenrechts in zweiter Generation zeigt sich die CHFEP einverstanden. Nun, mit dem neuen Gesetz, soll das Bodenrecht ebenfalls für die erste Generation gelten. Auch mit dieser Änderung ist die Kammer einverstanden. Erinnert jedoch erneut daran, wie wichtig es ist, dass diejenigen, die ab dem 18. Lebensjahr die Nationalität automatisch erhalten, ausreichend Sprachkenntnisse aufweisen sollten. Persönlich erstellt für: asbl asti 10 POLITIK Tageblatt
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