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Samstag, 09. Juli 2016
Grüne stellen Bedingungen
"Energiepolitische Rückwärtsrollen beenden"
Ein Gastbeitrag von Anton Hofreiter und Oliver Krischer
Die Grünen stellen Bedingungen für den Eintritt in eine Koalition nach der Bundestagswahl 2017: Sie wollen die
Deckelung beim Ausbau der erneuerbaren Energien beseitigen und die Stromnetze offensiv ausbauen.
In dieser Woche passierte die zweite Novelle des Erneuerbare­Energien­Gesetzes der Großen Koalition innerhalb dieser
Legislaturperiode den Bundestag. Die Novelle ist zu Recht auf scharfe Kritik gestoßen. Mit dem aktuellen EEG­
Gesetzesvorschlag der schwarz­roten Koalition bleiben Klimaschutz und Bürgerenergien auf der Strecke, Investitionen werden
behindert und zehntausende Arbeitsplätze in der Erneuerbaren­Branche gefährdet. Ein ganzer Industriezweig wird durch die
Bundesregierung sehenden Auges gegen die Wand gefahren. Für uns Grüne ist klar, dass wir nach dem Wahljahr 2017 ein
neues EEG brauchen, das Klimaschutz und Energiewende ernst nimmt.
Die Bundesregierung nimmt billigend in Kauf, dass das Wachstum der Erneuerbaren Energien abrupt auf weniger als die Hälfte
der letzten Jahre ausgebremst wird. Mit der aktuellen EEG­Novelle werden außerdem Solar­ und Windkraft in komplizierte
Ausschreibungsverfahren gezwängt, die Bürgergenossenschaften vom Markt ausschließen werden. Und nicht zuletzt droht in
weiten Teilen Deutschlands der Bau von Windparks unrentabel zu werden.
Unternehmerinnen und Unternehmern fehlt damit bei dieser Bundesregierung wieder einmal die dringend notwendige
Planungssicherheit. Denn bei der anstehenden EEG­Novelle – übrigens die fünfte innerhalb von fünf Jahren ­ geht es um weit
mehr als Vergütungssätze für Wind­ und Sonnenstrom. Es geht um die Zukunft einer Schlüsselbranche, ohne die Klimaschutz
und wirtschaftliches Wachstum undenkbar sind.
Die aktuelle Novelle des EEG passt leider allzu gut ins energiepolitische Gesamtbild der Großen Koalition. Nach dem schwarz­
gelben Chaos rund um den Atomausstieg und die Energiewende der letzten Legislaturperiode hätten die letzten drei Jahre
genutzt werden müssen, um die drei zentralen Herausforderungen der Energiewende anzugehen.
1. Die schwarz­rote Bundesregierung hätte den Netzausbau offensiv vorantreiben müssen, denn der
Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Netzausbau müssen miteinander Schritt halten.
2. Die Bundesregierung hätte einen Ausstieg aus dem dreckigen Kohlestrom in Angriff nehmen
müssen. Solange Kohlestrom die Netze verstopft, sabotiert er die Energiewende.
3. Die Bundesregierung muss für faire Preise sorgen und nicht die Industrie noch stärker von der
EEG­Umlage befreien und die Haushaltskunden dafür die Zeche zahlen lassen und am Ende
behaupten, die EEG­Umlage sei zu hoch.
An keine dieser Herausforderungen hat sich die Große Koalition herangetraut. Beim Netzausbau hat Wirtschaftsminister Sigmar
Gabriel zwei Mal mit neuen Planungsverfahren überrascht und den Stromleitungsbau in eine Endlos­Bürokratieschleife gezerrt.
Die Konflikte vor Ort und mit CSU­Chef Horst Seehofer hat Gabriel zaudernd ausgesessen. An den Kohleausstieg wollte die
Große Koalition schon gar nicht ran. Im Gegenteil, sie hat der Kohlelobby viel Geld hinterhergeworfen. Stattdessen wurde der
Ausbau der Erneuerbaren gedrosselt was das Zeug hält.
Die gute Nachricht dieser Tage ist: Die aktuelle EEG­Novelle wird die letzte der Großen Koalition sein. In einem Jahr besteht
die Möglichkeit, die energiepolitische Stümperei der Großen Koalition zu beenden. Für uns Grüne ist klar: Wir werden die
Wiederbelebung der Energiewende ins Zentrum unseres Wahlkampfes stellen. Und sie ist für uns zentraler Maßstab für jede
Regierungsbeteiligung.
Deutschland muss seine Anstrengungen für den Klimaschutz erheblich verstärken, um im internationalen Verbund den
weltweiten Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Das ist der glasklare Handlungsauftrag des Pariser
Klimaschutzabkommens vom Dezember letzten Jahres.
Wir wollen der Energiewende neuen Schwung verleihen und verloren gegangenes Vertrauen in die Energiewende
zurückgewinnen. Für eine erfolgreiche Energiewende braucht es sowohl den Mut, die großen Konflikte anzupacken als auch
Augenmaß und gutes Management, um offenkundige Zielkonflikte zu gestalten.
Für eine Regierungsbeteiligung und als Maßstab beim Ausbau der Erneuerbaren Energien gilt für uns:
1. EEG 2.0 auf den Weg bringen: Damit beseitigen wir den Deckel, der die Erneuerbaren künstlich
begrenzt. Und wir sichern, dass die Energiewende eine Bürgerenergiewende bleibt, getragen von
vielen Schultern und nicht nur von einer Handvoll großer Konzerne, wie es CDU/CSU und SPD
bevorzugen. Mit uns bleiben zukunftsfähige Arbeitsplätze erhalten und werden neue geschaffen.
2. Sozial verträglichen Kohleausstieg einleiten: Damit schützen wir nachhaltig das Klima. Mit
einem Fonds unterstützen wir einen Strukturwandel und verleihen den betroffenen Regionen eine
neue Perspektive.
3. Offensive für den Netzausbau eröffnen: Viele Stromnetze in Deutschland sind veraltet und
müssen modernisiert werden. Gleichzeitig müssen im Rahmen der Energiewende neue
Stromleitungen gebaut werden. Wir werden diese Netzertüchtigung beziehungsweise diesen
Netzausbau transparent, kostengünstig bürgernah und ohne bürokratische Verzögerungen
gestalten.
Dr. Anton Hofreiter ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer ist stellvertretender Vorsitzender und
Energie­Experte der Fraktion.
Quelle: n­tv.de