AU G U ST • S E P TE M B E R 2016 EUR 5 SFR 7,50 Das Magazin für alpine Lebensfreude ES E R AUS G AB E IN DI AU G U ST • S E P TE M B E R 2016 6 Hütten für Mountainbiker 9 Zelte im Test GRENZFALL * BAYERISCHER AUF DER PURTSCHELLER-HÜTTE 16 GIPFEL IN DEUTSCHLAND *DIE NEUE SERIE MIT HANS ZIPPERT Südtiroler Klassik P. B. B., GZ 15Z040302 P, VE R L AG S P OSTAMT 1110 WI E N SCHLERNMASSIV & SEISER ALM IM GROSSEN PORTRÄT Die 25 schönsten Seen der Alpen * WANDERN AM RHEINSTEIG DIE DREI IMPOSANTESTEN TOUREN Inhalt AUGUST/SEPTEMBER 2016 76 Am Märchenfluss Der Rhein ist nicht nur der längste Fluss in Deutschland, er bietet auch einen 320 Kilometer langen Wanderweg. Am Rheinsteig findet man ungewöhnliche alpine Steige, sagenhafte Burgen und die wahrhaftige Loreley. 4 BERGWELTEN 146 REGIONEN COVERFOTO: SHUTTERSTOCK; FOTOS INHALT: PHILIPP HORAK, ANDREAS JAKWERTH(2), TOM KETT, PHILIP PLATZER 26S ommerfrische Die schönsten 25 Bergseen der Alpen. MENSCHEN 124 LEBEN 90 SPORT 48Nach oben treten Sechs Hüttenziele für Mountainbiker. 90Ü berflieger Vom Segeln hoch über dem Ennstal. 42H ütte an der Grenze Das österreichisch-bayerische Purtschellerhaus. 50Zippert steigt auf Hans Zippert auf Expedition am Brocken. 86B auen am Berg Im Gespräch: Architekt Florian Lüftenegger. 70Ein Fall für zwei Fünf Tipps bei Wetterstürzen in den Bergen. 102Verstecktes Gebirge Klassische Klettertouren im steirischen Gesäuse. 56Breiter Rücken Das vielseitige Schlern massiv in Südtirol. 120S eelenlandschaft Helge Timmerberg über den Himalaya. 124K ühler Kopf Ein Modeguide für den Hochsommer. 116Eisenbahnen Der Familienklettersteig am Brenner. 76Wassermarsch Mit der Loreley am Rheinsteig. 144König der Wellen Was Kajaker Olaf Obsommer mitnimmt. 130Valentins Favoriten Ein Pickel für kritische Situationen am Berg. 146Fels und Meer Bergsteigen und Surfen in Spaniens Norden. 16012 Jahre bis Tibet Historie: Asienreisende Alexandra David-Néel. 132D raußen daheim Neun Trekkingzelte auf dem Prüfstand. KOLUMNEN 110 Post von David Lama 158 Messners Philosophikum 166 Abwärts mit Nachförg STANDARDS 56 6Panorama 12Einstieg & Aufstieg 14Wege & Ziele 16Fragen & Antworten 18Wetter & Wissen 20 Kinder & Familie 22 Fels & Mensch 24 Gut & schön 164 Bergwelten bei ServusTV 168 Après-Berg 170 Vorschau, Impressum Coverbild: Der Pragser Wildsee in Südtirol. BERGWELTEN 5 Bis zur Marksburg (oben) bei Braubach (unten) und noch weiter: Der Rheinsteig bietet über dreihundert Kilometer Wandervergnügen. 76 BERGWELTEN WANDERN AM RHEINSTEIG Wassermarsch Breiter Fluss, weite Blicke: Warum es am Rhein so schön ist. Eine Antwort in drei Etappen. TEXT: MALTE RÖPER FOTOS: PHILIPP HORAK BERGWELTEN 77 Unterwegs in den Feldern oberhalb von Filsen: Es gibt viel mehr als nur den Rhein zu sehen. W ir sind überrascht. Nicht weil der Rhein uns schwer beeindruckt. Das war bei diesem zugleich lieblichen und gewaltigen Strom durch ein enormes Tal ja zu erwarten. Der Rhein ist Deutschlands Märchenfluss, Schauplatz von Nibelungensage, Wagner-Opern, Heinrich Heines Loreleygedicht. Und wer ihn hier von oben durch die Rheinschleifen fließen sieht, der fühlt, warum. UNESCO-Weltkulturerbe ist dieser Abschnitt, das Mittelrheintal, ja auch noch. Das alles ist großartig, formidabel, erhebend, aber nicht so überraschend wie der Weg, auf dem wir uns befinden. Der Rheinsteig als Wanderroute entlang Deutschlands größter Wasserstraße, da denkt man automatisch an einen breiten Hiking-Highway. Stattdessen steigen wir andächtig einen handbreiten Saumpfad 78 BERGWELTEN bergan, ducken uns unter Zweigen durch, hüfthoch hängen von links und rechts taufeuchte Halme in den Weg, die wir teilen wie Moses das Rote Meer. An manchen Hängen, die gleich unter dem Weg zum Wasser abfallen, wurde der Obst- und Weinbau aufgegeben, weil er auf den kleinen steilen Flächen nicht mehr rentabel war. Nun wuchert dort Buschund Strauchwerk, ein Paradies für Sing vögel, die einen Lärm veranstalten, dass es nur so eine Freude ist. Kirschbäume ragen rot gepunktet in den blauen Himmel und plötzlich saust ein Greifvogel so knapp an uns vorbei, man könnte einen Kirschkern nach ihm spucken. Und lauter Wiesen, auf denen die Seele einfach baumeln will. Nein, jetzt wollen wir nicht weiter, hier muss eine Pause her! Das Rheintal ist Kulturlandschaft, Schiffe, Züge, Autos fahren da unten, aber dass man hier so tief im Naturerlebnis versinken kann, das ist die zweite Überraschung. EINE TÜCKISCHE MAID Über dreihundert Kilometer ist der gesamte Rheinsteig lang, von Mainz bis zur alten Bundeshauptstadt Bonn folgt er dem Logo mit dem geschwungenen „R“, das den gewundenen Flusslauf wiedergibt. Der schönste und eindrucksvollste Abschnitt ist das Obere Mittelrheintal. Das Wort selbst klingt jetzt auch nicht viel spannender als „Postwertzeichen“, aber genau hier zieht der Rhein durch seine berühmte Schleifen, liegt alle naselang eine massige Burg am Weg. Wir befinden uns oberhalb von Braubach, eine Viertelstunde mit dem Auto von Koblenz nach Süden, und freuen uns auf die Etappen, die vor uns liegen. Hier konzentriert sich alles, was den Ruhm des „We call it a Klassiker“, würde Franz Beckenbauer sagen: Blick über den Rhein und die Spitznackfelsen in der Nähe der Loreley. Rheins ausmacht, und hier stehen wir jetzt und staunen. Hier ist die Loreley, das berühmteste Fleckchen am berühmten Rhein, der Fels, der hoch und schroff über einer für die Schiffer tückischen Passage aufsteigt. Immer wieder zerschellten Fähren und Lastkähne an diesem Felsen. Das ließ die Legende entstehen, nach der eine Nixe dahintersteckt, die nämliche Loreley, die dort oben ihre blonden Haare kämmt. Heute wählt man in Loreley alle paar Jahre eine junge Loreley, die die Gemeinde auf Messen vertritt. Mit der aktuellen, Theresa Lambrich, neunzehn Jahre alt und Jura-Studentin, sind wir unterwegs. Theresa kennt natürlich alle Varianten „ihrer“ Sage. Eine besagt, dass die Loreley den Grafen von Katzenelnbogen hätte heiraten sollen, ihn aber, wie das in Sagen halt gern so ist, nicht liebte und sich das Leben nahm. Vielleicht war es auch nur die Angst vor diesem albernen Nachnamen, wer heißt schon gerne „Katzenelnbogen“? Vielleicht hätten sie, lächelt Theresa, einfach in der Kapelle von Ehrenfeld heiraten sollen, in deren Nähe wir vorbeikommen: „Da war es bis vor ein paar Jahren so, dass man in den Altarraum nur durch eine Gaststätte kam, da hätte sie sich Mut antrinken können vor der Trauung.“ Und Theresas eigene Hochzeit? Die wird irgendwann auf der Loreley stattfinden, so viel ist sicher. WÄRMESPEICHER Um sich nie allzu weit vom Rhein zu entfernen, läuft der Steig quer durch die Seitentäler, die sich ebenso tief eingeschnitten haben wie der Rhein selbst, und folglich geht es auf den schmalen Wegen beständig hinunter und hinauf – wenn man die offiziellen Etappen des Rhein- „Loreley“ Theresa Lambach im stillen Brexbachtal am Saynsteig. BERGWELTEN 79 Auf schmalen Wegen – mit Blick auf Oberwesel – Höhenmeter sammeln. Bis zu eintausend am Tag. Man könnte den Gasthäusern ausweichen – man muss aber nicht. Burg Sterrenberg bei Kamp-Bornhofen. 80 BERGWELTEN steigs läuft, kommt man auf bis zu tau send Höhenmeter am Tag. Weniger ambi tionierte Wanderer laufen unten am Rhein entlang und lassen die Steigungen und zahlreichen Passagen aus, die Tritt sicherheit erfordern. Deswegen sind dort, wo es am schönsten ist, oft erstaunlich wenige unterwegs. Eine richtige Bergfahrt im klassischen Sinn ist es deswegen noch nicht, aber anspruchsvoll genug, dass sich hier viele auch für alpine Wanderungen vorbereiten. Ins Schwitzen kommen wir nicht nur wegen der Höhenmeter und der langen Etappen. Wie ein Hohlspiegel fängt das Rheintal die Sonne, zusätzlich speichert der dunkle Schieferboden die Wärme. Und da die Tiefdruckgebiete sich gern schon an den benachbarten Höhenrücken abregnen, bevor sie das Rheintal erreichen, ist es fast nirgendwo in Deutschland so warm und trocken wie hier; es reifen Wein, Feigen und neuerdings sogar Kiwis. Und dann liegt prompt schon das nächste Gast haus so verlockend am Weg. Als wir in Kaub im Weinhaus Bahles den Riesling testen, müssen wir uns auf einmal verdammt beeilen, um noch das Schiff zu erwischen, das uns zurück zum Auto bringen soll. Wir haben so lange ge träumt und getrödelt, jetzt springen wir auf und im gestreckten Galopp das Rheinufer entlang. Ein krönender Abschluss. Und wir erfahren, dass flussabwärts wandern das Erlebnis noch ein bisschen gesteigert hätte: Weil der Genuss der Rück fahrt per Schiff flussaufwärts nämlich dop pelt so lange dauert. Außerdem käme man auf die Art sogar noch zu einer richtigen „Bergfahrt“. So heißt es nämlich, erklärt der Kapitän, wenn das Schiff flussaufwärts fährt. WO DER RHEIN DIE KURVE KRIEGT Von Braubach nach Kamp-Bornhofen Gleich zu Beginn erhebt sich stolz die Marksburg, unter den zahlreichen Burgen dieser Gegend vielleicht die spektakulärste. Auf dem Weg nach Süden sammelt man Höhenmeter, durch viele kleine Seitentäler geht es hinab und wieder hinauf. Bis wir schließlich oberhalb der berühmten Kurve laufen, die der Rhein hier beschreibt – die Bopparder Rheinschleife (Bild), quasi ein echter U-Turn. Die Schleife selbst sieht man am besten von gegenüber am Gedeonseck, auch ein denkbares Feierabendziel für die Nachbesprechung der Etappe bei einem guten Riesling. Schönster und lohnendster Abschnitt sind die letzten Kilometer von Filsen nach Kamp-Bornhofen. > KONDITION ANSPRUCH ERLEBNIS Ausgangspunkt: Braubach Länge: 17 km Dauer: 5,5 h Höhendifferenz: 1.000 m BERGWELTEN 81 DAS HAUPT DER LORELEY Von St. Goarshausen nach Kaub Die Königsetappe. Gleich in Goarshausen gibt es die Möglichkeit zu einem Abstecher mit alpinem Ambiente, dem Rabeneck-Klettersteig. Der Loreleyfelsen mit dem großen Besucherzentrum bietet keinen annähernd so guten Ausblick wie die Felsen des Spitznacks, die einiges an Trittsicherheit erfordern, aber dafür viel einsamer sind. Gleiches gilt für die Roßsteinfelsen – „An diese Aussicht gewöhnt man sich nie“, erklärt ein Anwohner. In Kaub endet der lange Marsch an der auf einer Flussinsel gelegenen Zollburg, wo in alter Zeit die Schiffer fürs Weiterfahren zahlen mussten. In Kaub zum Rasten empfohlen: Weinhaus Peter Bahles. KONDITION ANSPRUCH ERLEBNIS Ausgangspunkt: St. Goarshausen Länge: 22 km Dauer: 7 h Höhendifferenz: 800 m WO DIE FEEN HARFE SPIELEN Am Traumpfad Saynsteig Nach den wuchtigen Aussichten am Rhein eine gemüt liche Tour in gänzlich anderer Umgebung. Stiller Höhepunkt ist das Brexbachtal (Bild), eine naturbelassene Auen- und Waldlandschaft. Der märchenhafte Eindruck wird noch verstärkt durch eine uralte Eisenbahnlinie mit efeubewachsenen Viadukten. Die Brexbachtalbahn wird möglicherweise in den nächsten Jahren als kleiner Museumszug wieder in Betrieb genommen, noch ist hier aber alles mucksmäuschenstill. Stellenweise dringt die Sonne kaum durch das dichte Laub, daher ein Tipp für heiße Sommertage. Wenn wir nicht schon die Loreley dabeihätten, wir würden hier gewiss die Feen beim Harfespiel hören. > KONDITION ANSPRUCH ERLEBNIS Ausgangspunkt: Parkplatz Schloss Sayn in Bendorf-Sayn Länge: 15 km Dauer: 6 h Höhendifferenz: 460 m 82 BERGWELTEN AM MÄRCHENFLUSS Wandern, wohnen und Wein trinken am Rheinsteig im Oberen Mittelrheintal. BRAUBACH Deut s ch l and Tsch e ch ie n Frankrei ch ANKOMMEN Neusiedler See Der Rhein ist einer der wichtigsten Verkehrswege Deutschlands. Die Bahn und zwei Bundesstraßen verlaufen direkt am Fluss, sodass man unkompliziert überall hinkommt. Nach Braubach, dem Zentrum des Oberen Mittelrheintals, braucht man mit dem Auto von Frankfurt (Süden) und Köln (Norden) jeweils etwa eineinhalb Stunden. Von beiden Orten gibt es auch direkte Zugverbindungen. Ein besonderes Erlebnis ist die Anreise per Schiff. Gemütlicher Aussichtspunkt über Kamp-Bornhofen WANDERN SCHLOSSHOTEL Das Hotel (Bild oben) bietet einen großartigen Blick über das Rheintal, dazu gibt es einen schönen Wellnessbereich. Liegt linksrheinisch – über den Fluss gelangt man mit der Fähre. Schlosshotel Rheinfels, Schlossberg 47 56329 St. Goar, Tel.: +49/6741/80 20 schloss-rheinfels.de HOFHAUS Der kleine Friederikenhof in Nochern (Gemeinde Loreley) liegt sehr ruhig abseits vom Rheintal. Er hat zwar nur eine einzige Ferienwohnung, aber dafür Landwirtschaft im Vollerwerbsbetrieb – idealer Kontrast zur Wucht der Burgen und des Rheins. Friederikenhof (Frauke Brost) 56357 Nochern, Tel.: +49/6771/25 71 friederikenhof-nochern.de Der Rheinsteig verläuft von Bonn nach Wiesbaden über insgesamt 320 Kilometer am rechten Rheinufer und ist vom Deutschen Wanderinstitut als Premiumwanderweg zertifiziert. Klingt bürokratisch, garantiert aber ein tolles Erlebnis - man läuft meist auf naturnahen Pfaden, Forst- oder Asphaltstraßen werden nur für sehr kurze Abschnitte genommen. Dazu kommen Rundwege und gut markierte Abstecher, die am Rheinsteig starten und dort wieder enden. Besonderes Schmankerl: Viele Etappen werden zur Rundtour, wenn man am Ende des Tages mit dem Schiff zurückkehrt. Letzte Fahrt ist aber oft schon am Nachmittag! Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt AG Frankenwerft 35, 50667 Köln Tel.: +49/221/208 83 18, www.k-d.com WEINKELLER Einer der besten Landgasthöfe der Region mit gut sortiertem Weinkeller. Zum Weißen Schwanen, Brunnenstraße 4 56338 Braubach, Tel.: +49/2627/98 20 zum-weissen-schwanen.de Weitere Informationen: Romantischer Rhein Tourismus GmbH An der Königsbach 8, 56075 Koblenz Tel.: +49/261 973 84 70 romantischer-rhein.de 84 BERGWELTEN GESCHICHTSSTUNDE Das Rheintal beeindruckt nicht nur als Landschaft. Unverwechselbar ist auch die lange Geschichte, die das Tal atmet. Dank der klimatisch günstigen Lage ist das Rheintal seit der frühen Eisenzeit – also seit fast 3.000 Jahren – besiedelt. Nach der Römerzeit ermöglichten die Zollabgaben der Rheinschifffahrt einen Reichtum, den die Fürsten in Pracht- und Wehrbauten steckten, die zum Großteil immer noch stehen. Wer mehr über die Geschichte des Rheintals erfahren will, kann das in einem der Kulturzentren tun (im Bild die Festung Ehrenbreitstein). Kulturzentrum in der Festung Ehrenbreitstein, 56077 Koblenz Tel.: +49/261/66 75 40 00 Römisch-Germanisches Zentralmuseum Ernst-Ludwig-Platz 2, 55116 Mainz Tel.: +49/6131/912 41 13, web.rgzm.de bergwelten.com/rheinsteig: 3D-Karten, Tourenbeschreibungen und aktuelles Wetter ZUSATZFOTOS: SCHLOSS RHEINFELS/CAROLINE LIMA, GDKE RHEINLAND-PFALZ/PFEUFFER ESSEN UND SCHLAFEN Jetzt im Abo! Die Schönheit der Berge neu entdecken. 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