BIM in der Planung: Verbesserung im gesamten

Zeitschrift
Fachzeitschrift für Ressourcen, Bergbau, Geotechnik, Tunnelbau und Equipment
02 | 2016
Eindeutige Marktstrategien
für eine komplizierte Welt
Der strategische B2B-Partner für Marke, Marketing und Kommunikation
in erklärungsbedürftigen Umfeldern und technisch-wissenschaftlichen Märkten
DMT Marketing & Communications Consulting
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BIM
Naturgefahren
Hangsicherung
Injektionstechnik
Tunnelsanierung
Arlberg-Straßentunnel
Mining 4.0
Prozessoptimierung
Networking
Bewetterung
Gotthard-Basistunnel
bauma-Rückblick
GeoResources Verlag ISSN | Digital 2364-0278 • Druck 2364-8414 www.georesources.net Inhaltsverzeichnis
4 Impressum
Auf ein Wort
5 BIM in der Planung:
Verbesserung im gesamten Lebenszyklus
Joaquín Díaz und Christian Baier
Die Schaffung und Erhaltung effizienter nachhaltiger Infrastruktur ist eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung. BIM
trägt zur Verbesserung der Zusammenarbeit aller Beteiligten
eines Bauprojekts sowie zur Effizienz und Nachhaltigkeit der
Bauwerke bei. Mit BIM in der Planungsphase werden Weichen
für den ganzen Lebenszyklus eines Bauwerks gestellt.
Infrastruktur • Nachhaltigkeit • BIM • Prozessmanagement •
Kooperation • Software
Geotechnik
7 Die Bedeutung von Rutschungen
als zunehmende Naturgefahr
Johannes Feuerbach und Manuel Lauterbach
BIM-Modelle mit fünf Dimensionen – drei für die Geometrie und
zwei weitere für Zeit und Kosten – sollen den Bauablauf und die
Qualität der Bauausführung von Infrastrukturprojekten verbessern. Dieser Artikel erläutert, wie innovative intelligente mobile
Werkzeuge der RIB Software AG die Kommunikation und den Informationsaustausch zwischen Baustelle und Büro unterstützen.
Geotechnik • Tunnelbau • Infrastruktur • Kommunikation •
BIM • Equipment
Geotechnik – Produktmeldung
10 Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung ­
des Sylvensteinspeichers in Bayern
Götz Tintelnot
Der Arlbergtunnel ist der längste Straßentunnel Österreichs.
Die aktuelle Generalsanierung dieser Hauptverkehrsader zur
Erhöhung der Verkehrssicherheit stellt eine große logistische
Herausforderung dar, ist aber unvermeidbar. Dieser Artikel erläutert den Sanierungsumfang und die Vorgehensweise der
ASFINAG zur Bewältigung der Herausforderungen.
Tunnelbau • Großprojekt • Sanierung • Sicherheit •
Planung • Ausschreibung • Baubetrieb
Geotechnik • Hochwasserschutz • Dammbau • Injektion •
Abdichtung • Naturschutz
Geotechnik und tunnelbau
13 Eisenbahnlinien mithilfe digitaler
Modellierung bauen und betreiben
René Schumann
Im Hochbau hat sich Building Information Modeling (BIM) bereits
bewährt. Vorteile der digitalen Modellierung sind höhere Effizienz und Transparenz, bessere Zusammenarbeit, Zeit- und Kosteneinsparungen sowie Verringerung der Projektrisiken. An den
Bahnprojektbeispielen Metro Green Line in Katar und North­west
Rail Link in Australien wird gezeigt, dass BIM auch im Infrastrukturbereich erfolgreich eingesetzt werden kann. BIM erleichtert
die Analyse zur frühzeitigen Erkennung von Risiken. Erläutert
werden die wichtigen Komponenten Technologie, Menschen,
Prozesse, Richtlinien und Management für BIM. Zukünftig wird
BIM für viele Infrastrukturprojekte verbindlich gefordert und eingeführt werden. Daher werden auch derzeit stark nachgefragte
Aus- und Weiterbildungsangebote zu BIM angesprochen.
Tunnelbau • Geotechnik • Infrastruktur • Großprojekte •
BIM • Prozessmanagement
Inhaltsverzeichnis
Bergbau
31 Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte
Systeme im untertägigen Bergbau
Merchiers, Mavroudis und Pütz
Nach über 50-jähriger Nutzungsdauer wurde der Sylvensteinspeicher in Bayern mit einer zusätzlichen Dichtwand und einem neuen Messsystem ertüchtigt. Dieser Beitrag informiert
über eine Hartgelinjektion zur Stabilisierung und Abdichtung
im Rahmen dieser Baumaßname.
Tunnelbau
24 Arlberg-Straßentunnel in Österreich –
komplexe Generalsanierung und
Nachrüstung von Fluchtwegen
Christoph Wanker
Naturgefahren einschließlich Massenschwerebewegungen
nehmen zu. Sie fordern Menschenleben und verursachen erhebliche volkswirtschaftliche Schäden. Geotechniker haben
eine große Verantwortung, Schäden und ihre Auswirkungen zu
vermeiden oder einzugrenzen.
Geotechnik • Naturgefahr • Rutschung • Klimawechsel •
Forschung • Ausbildung
Geotechnik und Tunnelbau
20 „Baustellen-App“ für die ­Kommunikation zwischen
Baustelle und Büro in Infrastrukturprojekten
Verena Mikeleit
Neben den klassischen, mit dem Begriff Industrie 4.0 verbundenen Anwendungsfeldern wie Produktion und Mobilität
entpuppt sich gerade der untertägige Bergbau zunehmend zu
einem Hidden Champion auf diesem Gebiet. Getrieben durch
fallende Rohstoffpreise bei stetig steigenden Anforderungen
an die Humanisierung der Arbeit griff die Branche schon sehr
früh nach den durch „Industrie 4.0“ beschriebenen Lösungsansätzen: Vollintegrierte Systeme mit (teil-)autonomen Maschinen, die sich ohne menschliche Steuerung in und durch
Umgebungen bewegen und selbstständig Entscheidungen
treffen, sind im Bergbau schon heute keine Traumwelt mehr.
Die Branche hat bereits erfolgreich mit der Umsetzung von
„Bergbau 4.0“ begonnen.
Bergbau – Ideenwerkstatt
41 Der Bergbau endet nicht mit der Kohle!
Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand
Peter von Hartlieb
Das Netzwerk Bergbauwirtschaft in NRW wagt mit seinen in
der Vergangenheit sehr steinkohleorientierten Mitgliedern den
Blick über den eigenen Tellerrand. Nach einer geografischen Erweiterung des Blickwinkels auf die globalen Kohlenmärkte im
vergangenen Jahr sind in diesem Jahr alternative Märkte und
Fachgebiete im Fokus. Dieser Beitrag möchte daher zum Querdenken und zum interdisziplinären Austausch anregen, um
neue Geschäftsideen zu entwickeln.
Bergbau • Tunnelbau • Geotechnik • Networking •
Marktentwicklung • Land NRW • International
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net
Bergbau und Tunnelbau
für Einsätze mit langer Dauer gemeinsam und im engen Austausch mit dem Bergwerksbetreiber Goldcorp das Rettungsfahrzeug MRV 9000.
47 Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem
„Pressure Exchange System“
Jens H. Utsch
Das „Pressure Exchange System“ (P.E.S.) ist eine technische Komponente, die bei Anlagen zur Kühlung unter Tage an zentraler
Stelle zum Einsatz kommt. Das System bildet die Schnittstelle
zwischen den beiden Kreisläufen einer Kühlung – dem Primärkreislauf, der die übertägigen Anlagenteile der Kühlung mit
dem untertägigen P.E.S. verbindet, und dem untertägigen Sekundärkreislauf, der das P.E.S. mit den Verbrauchern (Kühlern)
verbindet. Die für die Effizienz einer Kühlanlage bedeutende
Funktion der Temperaturübertragung zwischen den Kreisläufen wird vom P.E.S. in besonderer Weise erfüllt. Die Arbeitsweise
und die damit verbundenen Vorzüge des Systems werden in
dem Artikel dargestellt.
Bergbau • Tunnelbau • Wetterkühlung • Equipment •
Effizienz
Bergbau – Produktmeldung
51 Rettungseinsätze in Bergwerken und Tunneln:
Sicherer und effizienter Transport der Rettungskräfte
Komplexe Bergbaubetriebe und lange Tunnel sind stets eine
große Herausforderung für die Sicherheit und Effizienz von Rettungseinsätzen. Paus und Dräger entwickelten insbesondere
Bergbau • Tunnelbau • Rettungsfahrzeug • Sicherheit •
Grubenwehr • Innovation
Bergbau
53 bauma 2016 – Technik-Messe der Superlative
Die Hand am Puls des globalen Bergbaus
Klaus Niehörster
Die weltweit größte Fachmesse für Bau- und Bergbaumaschinen in München war wieder einmal das vielbeachtete 3-JahresEreignis. Technische Spitzenleistungen, Know-how, Kompetenz
und Service konzentrierten sich in den Messehallen. In dieser
technischen Super-Show zeigte sich, dass auch die wirtschaftlichen und sogar politischen Impulse aufgegriffen und umgesetzt wurden. Hochprämiertes Hightech wird sehr bewundert,
doch dafür stimmen nicht überall die Rahmenbedingungen.
Stark im Kommen ist robustes, unkompliziertes, effizientes Gerät, mit dem gleichwohl nachhaltig gearbeitet werden kann.
Bloßer Export nach Übersee wird zunehmend flankiert von Kooperationen vor Ort, und diese Notwendigkeit fließt bereits in
die Produktplanungen mit ein.
bauma • Messen • Bergbau • Tunnelbau • Deutschland
Impressum
GeoResources Zeitschrift / Journal
2. Jahrgang, Fachzeitschrift für Bergbau,
Tunnelbau, Geotechnik und Equipment
Erscheinungsdatum: 07.07.2016
ISSN | Digital 2364-0278 • Druck 2364-8414
Erscheinungsweise:
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Sprache (GeoResources Journal) als Online-Ausgaben (www.georesources.net).
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Titelbild:
„DMT Marketing & Communications Consulting“ der DMT GmbH & Co. KG, Tochter des TÜV
NORD, stellt sich vor als strategischer B2B-Partner für Marke, Marketing und Kommunikation.
DMT Marketing & Communications Consulting
profitiert von besonderen Ausrichtungen, die
sie von anderen konventionellen B2B-Agenturen unterscheidet. Zu den Leistungen zählen
unter anderem:
▶▶ Strategieentwicklung für Marke, Marketing und Kommunikation
▶▶ Spezialisierung und Beratungskompetenz in technisch-wissenschaftlichen
Märkten – das Kerngeschäft der DMT
seit 1737
▶▶ Markt-Know-how und Marktentwicklung – durch Forschung, Verbandsarbeit und Kooperationen (u. a. EU,
EIT Raw Materials, Fraunhofer, VBGU,
VDMA)
▶▶ Business Development – Synergieeffekte durch DMT-Netzwerke und -Kontakte
▶▶ Kundenaffines Wertesystem und Verantwortungsbewusstsein
▶▶ Kompetenz durch mehr als 1.000 Ingenieure, auf die fachlich zugegriffen
werden kann.
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
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Auf ein Wort
5
BIM in der Planung:
Verbesserung im gesamten Lebenszyklus
Prof. Dr.-Ing. Joaquín Díaz und Dr.-Ing. Christian Baier, Technische Hochschule Mittelhessen (THM), Gießen, Deutschland
Die Schaffung und Erhaltung effizienter nachhaltiger Infrastruktur ist eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung. BIM trägt zur Verbesserung
der Zusammenarbeit aller Beteiligten eines Bauprojekts sowie zur Effizienz und Nachhaltigkeit
der Bauwerke bei. Mit BIM in der Planungsphase
werden Weichen für den ganzen Lebenszyklus eines Bauwerks gestellt.
Infrastruktur • Nachhaltigkeit • BIM •
Prozessmanagement • Kooperation • Software
E
ntwicklungen in der gesamten Baubranche – in
Unternehmen, Bundesministerien, Verbänden,
Kammern, Hochschulen etc. – zeigen, dass aktuell eine neue, digitale und integrative Methodik
für das ganzheitliche Planen, Bauen und Betreiben in
Deutschland etabliert wird. Diese Methodik wird als
Bauwerksinformationsmodellierung (BIM) oder im
Englischen als Building-Information-Modeling bezeichnet (Bild 1).
Die Einführung der Methodik wird massiv vom
Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und der planen-bauen 4.0 GmbH
unterstützt. Diese veröffentlichten 2015 den „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“. In dem Stufenplan
ist erstmals die Einführung sowie die verpflichtende
Anwendung der BIM-Methodik aufgezeigt. Ab 2020
sollen alle Infrastrukturprojekte des Bundes mit dem
Leistungsniveau 1 der in Deutschland eingeführten
BIM-Methodik bearbeitet werden. Ziel ist es, bis zum
Jahr 2020 Normen und Standards zu entwickeln. Diese
werden in Pilotprojekten evaluiert. Durch die Evaluierung und die daraus resultierende Verbesserung wird
ein funktionierendes Leistungsniveau 1 sichergestellt.
Das Resultat der Einführung der BIM-Methodik
ist die effiziente Integration und Kooperation aller am
Bau Beteiligten. Durch die Anwendung von BIM werden alle Lebenszyklusphasen (Entwickeln, Planen, Bauen, Betreiben, Umbau oder Rückbau) eines Bauwerks
ganzheitlich betrachtet. Die Entwicklung und Planung
bilden die maßgebliche Phase. Der Grundstein des optimierten Bauens und nachhaltigen Betreibens kann
einzig in der Entwicklung und Planung gelegt werden.
Mit BIM können bereits in der Planung Kosten, Termine und Qualitäten anhand von Varianten eines virtuellen Modells untersucht und gesichert werden.
Prozesses in die Produktion überführt. Mit dieser Vorgehensweise werden mögliche Probleme im Lebenszyklus auf ein Minimum reduziert. Bei der Erstellung
von Bauwerken wird bisher selten ein virtuelles Modell
durchgängig genutzt. Ein Grund dafür ist der niedrige
Digitalisierungsgrad im Bauwesen (Bild 2). Das Ende
der Planungs- und der Beginn der Bauphase sind daher
nicht gleichzusetzen mit der Marktreife und Einführung eines Produkts. Noch in der Bauphase kommt es
vielfach zu Nach- oder Anpassungsarbeiten. Häufig
anzutreffende Probleme sind Kosten- und Terminüberschreitungen sowie qualitative Defizite. Mit der neuen
Methodik sollen die Bauwerke in Bezug auf Kosten,
Zeit und Qualität in allen Lebenszyklusphasen optimiert werden. In den Ländern, in denen die BIM-Methodik bereits verpflichtend eingeführt wurde, ist das
nachweislich der Fall.
Nachhaltigkeit eines Bauwerks
Die Nachhaltigkeit im Bauwesen ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Die Baustoffe sowie technische
Anlagen sind Beispiele für einige ausschlaggebende
Faktoren, die zur Einhaltung der energetischen Grenzwerte dienen. Die Nutzungsart, der Standort oder die
Betriebsdauer sind ebenfalls maßgebende Faktoren. Ein
großer Teil dieser Faktoren kann vor der Planung erörtert und für die spätere Nutzungsphase berücksichtigt
werden.
Bild 1: BIM – die integrative Lösung
Das Bauwerk: Immer ein Prototyp
In den meisten Wirtschaftszweigen werden die Güter virtuell modelliert und erst nach Abschluss dieses
Díaz und Baier:
BIM in der Planung: Verbesserung im gesamten Lebenszyklus
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
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6
Auf ein Wort
Austausch dieser digitalen Ergebnisse oder Informationen ist aufgrund fehlender Schnittstellenkompetenzen
in der Baupraxis selten durchführbar. Ferner müssen
gemeinsame, digitale Informationsdatenbanken zur
Abstimmung zwischen Eigentümer, Fachplaner, Öffentlichkeit und Kontrollgremien Verwendung finden.
Die konsequente Anwendung der BIM-Methodik ermöglicht es dann, alle wichtigen Bauwerksinformationen, die bereits in der Projektentwicklung erörtert wurden, in die Planung einfließen zu lassen. Das trägt zum
Erfolg des Bau- und Nutzungsprozesses bei und fördert
die Kommunikation zwischen allen Beteiligten.
Effektive Bewertung der Nachhaltigkeit
durch BIM
Bild 2: Digitalisierungsgrad im Bauwesen
Quelle: TOP500 STUDIE 2014/ACCENTURE
Status Quo – Wissensinseln
Die Bewertung der Nachhaltigkeitsfaktoren soll zukünftig ganzheitlich in den Planungsprozess einfließen.
Aktuell existieren je nach Bauwerk einzelne Wissensinseln, die zwar fundierte, empirische oder mathematische Ergebnisse enthalten, jedoch ganzheitlich nicht
durch Ingenieure, Architekten oder Fachplaner in die
Bauwerksmodellierung integriert werden. Diese fragmentierte Situation ist dem Umstand geschuldet, dass
jedes Werkzeug zur Berechnung der Faktoren isolierte,
digitale Ergebnisse liefert. Diese Ergebnisse können in
der Regel jedoch nicht zusammengeführt werden. Ein
Kontakt
Technische Hochschule Mittelhessen (THM)
Wiesenstraße 14 35390 Gießen
Prof. Dr.-Ing. Joaquin Diaz
Dr.-Ing. Christian Baier
[email protected]@bau.thm.de
Veranstaltungstipp:
Eine gemeinsame, digitale Datenbasis mit Bauwerksinformationen ist das Fundament für eine effektive
Bewertung der Nachhaltigkeit. Bei einem Vergleich
zwischen der Planung mit traditionellen Methoden
und mit BIM zeigt sich, dass bei der Verwendung von
BIM wichtige Bauwerksinformationen bereits in einer
frühen Lebenszyklusphase – Konzeption oder Entwurfsplanung – benötigt werden. Zurzeit werden zur
Nachhaltigkeitsbewertung notwendige Bauwerksinformationen analog aufgenommen. Zur Bewertung
und Entscheidungsfindung im weiteren Prozess werden
ganzheitliche und kooperativ-vernetzte Bauwerksinformationen benötigt. Eine gemeinsame, digitale Basis mit
Bauwerksinformationen fördert das optimierte Bauen
und nachhaltige Betreiben und muss zur Verbesserung
der Wertschöpfungskette bereits vor dem eigentlichen
Entwurfsprozess beginnen.
Der Grundstein für eine erfolgreiche Einführung
der BIM-Methodik in Deutschland wurde mit dem
Stufenplan „Digitales Planen und Bauen“ gelegt. Bei
der Vorstellung des Stufenplans formulierte der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur
Alexander Dobrindt eine klare Aufgabenstellung:
„Erst virtuell, dann real bauen.“ Mit modernsten digitalen Methoden sollen Bauprojekte effizienter und im
Zeit- und Kostenrahmen realisiert werden. Um diesen
Schritt zu meistern, bedarf es der Kooperation und des
Verständnisses aller Beteiligten: BIM ist nämlich nicht
nur ein Werkzeug, sondern eine Methodik.
Ihre
Joaquín Díaz und Christian Baier
Kongress Infrastruktur digital planen und bauen 4.0
Termin:
7. und 8. September 2016
Ort:
HTM in Gießen
Thema:Was kommt auf Planer, Entscheider und Ausführende
der ­Baubranche im Jahr 2017 zu?
Informationen:http://www.thm.de/events/bim/
Eine Veranstaltung des Fachbereichs Bauwesen der Technischen Hochschule Mittelhessen, der Deutschen Bahn sowie der Kooperationspartner
RIB, Autodesk und Leica Geosystems
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Díaz und Baier:
BIM in der Planung: Verbesserung im gesamten Lebenszyklus
Geotechnik
7
Die Bedeutung von Rutschungen
als zunehmende Naturgefahr
Prof. Dr. Johannes Feuerbach, 1. Vorsitzender, und Dr. Manuel Lauterbach, Geschäftsführer, Forschungsstelle Rutschungen an der
J. Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland
Gesellschaftliche Bedeutung von
Massenschwerebewegungen
Naturgefahren, zu denen Massenschwerebewegungen,
wie Erdrutsche und Felsstürze, zählen, führen jährlich
weltweit zu volkswirtschaftlichen Schäden in Milliardenhöhe. So zählte die Münchener RückversicherungsGesellschaft im Jahr 2015 1.060 Schadenereignisse von
Naturkatastrophen (Bild 1). Hydrologische Ereignisse
(Überschwemmungen und Massenschwerebewegungen) machten dabei 42 % der Fälle, 24 % der 23.000
Todesopfer, 28 % der Geamtschäden und 100 Mrd.
US$ und 19 % der davon versicherten Schäden von 30
Mrd. US$ aus.
Auch in Deutschland werden von der Steilküste an
der Ostsee über die Mittelgebirgslandschaft bis in den
Alpenraum jedes Jahr zahlreiche Rutschereignisse registriert, von denen einige Sachschäden in Millionenhöhe
verursachen (Bild 2). Ereignisse wie in Nachterstedt
(2009), Stein an der Traun (2010), Kap Arkona auf
Rügen (2011), Mössingen-Öschingen (2013) und Linz
am Rhein (2015) dokumentieren sowohl die kurze
zeitliche Abfolge als auch die flächenhafte Verbreitung.
Die Rutschung in Nachterstedt und der Abbruch von
Lockergesteinsmassen auf den Strand am Kap Arkona
forderten sogar Todesopfer.
Naturgefahren einschließlich Massenschwerebewegungen nehmen zu. Sie fordern Menschenleben und verursachen erhebliche volkswirtschaftliche Schäden. Geotechniker haben eine große
Verantwortung, Schäden und ihre Auswirkungen
zu vermeiden oder einzugrenzen.
Geotechnik • Naturgefahr • Rutschung •
Klimawechsel • Forschung • Ausbildung
Infolge des Bevölkerungswachstums und des damit
verbundenen Ausbaus der Infrastrukturen sowie der
prognostizierten Klimaveränderungen ist mit einer Zunahme der Ereignisse zu rechnen. Der Umgang mit der
Naturgefahr „Massenschwerebewegung“ erfordert interdisziplinäre Ansätze. Außer der wirtschaftlichen und
finanziellen Dimension sind der politische, der gesellschaftliche und der fachlich-geotechnische Fokus zu berücksichtigen. Es müssen Risiken eingeschätzt, Schäden
vermieden und im Falle bereits eingetretener Schäden
den Betroffenen geholfen und Sanierungsmaßnahmen
durchgeführt werden.
Als Geotechniker haben wir eine große Verantwortung bei der Gefahrenbeurteilung sowie der Auswahl,
Bemessung und Installation von Sicherungs- und Stabilisierungssystemen. Die Forschung zu Georisiken kann
Bild 1: Geographische Übersicht von Schadenereignissen im Jahr 2015 weltweit
Quelle: Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft
Feuerbach und Lauterbach:
Die Bedeutung von Rutschungen als zunehmende Naturgefahr
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
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8
Geotechnik
Bild 2: Rutschung in Lohme auf Rügen, Deutschland, am 19.03.2005
mit der Weiterentwicklung von Analysemethoden und
der Ermittlung instabiler Hang- und Böschungsareale
mithilfe rechnergestützter Modellierungen und komplexer Geodatenanalysen zur Verminderung der Gefährdung von Menschen und vorhandenen und geplanten Infrastrukturen durch Massenschwerebewegungen
beitragen. Auch in die gesellschaftliche und politische
Diskussion müssen sich Geotechniker mit ihrem
Know-how einbringen. Das setzt eine solide Ausbildung und ständige Weiterbildung voraus.
Forschung und Entwicklung
Die Forschungsstelle Rutschungen an der Johannes
Gutenberg-Universität Mainz hat das Ziel zur zur
Bild 3: Ingenieurgeologisch-klimatisches Modell zur GIS-basierten Analyse der Rutschungssuszeptibilität infolge
prognostizierter Klimaänderungen [1]
GeoResources Zeitschrift 2| 2016
www.georesources.net Feuerbach und Lauterbach:
Die Bedeutung von Rutschungen als zunehmende Naturgefahr
Geotechnik
Schadensreduzierung und Katastrophenvorsorge beizutragen. Sie führt in eigener Regie Forschungsprojekte durch, beispielsweise ein Projekt im Auftrag der
Bundesanstalt für Straßenwesen [1]. Sie beteiligt sich
auch an Kooperationsprojekten, wie dem noch laufenden von der DFG geförderten Projekt „Rutschungsdatenbank Rheinland-Pfalz“ [2], welches gemeinsam mit
dem Landesamt für Geologie und Bergbau RheinlandPfalz bearbeitet wird.
Aus- und Weiterbildung
Mit ihrem Weiterbildungsseminar zum Thema Rutschungen, das in diesem Jahr bereits zum 16. Mal
stattfindet (s. Infokasten), möchte die Forschungsstelle Rutschungen zur fachlichen Wissensvermittlung, zum interdisziplinären Austausch und zur Verbreitung neuer Erkenntnisse aus Wissenschaft und
Praxis beitragen.
Ausblick
Aufgrund der prognostizierten Klimaveränderungen
in den nächsten Jahrzehnten mit einer Zunahme von
Stark­regen­ereignissen in Mitteleuropa wird es in jetzt
noch stabilen Hang- und Böschungsbereichen vermehrt zu Rutschereignissen kommen. Ziel von aktuellen Forschungsarbeiten sollte es daher sein, solche
gefährdete Bereiche auf der Grundlage digitaler Modellierungen und Geodatenanalysen zu erfassen und
eine Gefahren- und Risikoabschätzung durchzuführen.
Mithilfe dieser Analysen können – auch zur Verminderung der wirtschaftlichen Schäden – bereits vor einem
Versagensfall Konzepte zu Sicherungs- bzw. Stabilisierungsmaßnahmen ausgearbeitet werden.
9
Quellen
[1] Krauter, E.; Kumerics, C.; Feuerbach, J.; Lauterbach, M.:
Abschätzung der Risiken von Hang- und Böschungsrutschungen durch die Zunahme von Extremwetterereignissen. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen
(BASt), Heft S 75, 2012.
[2] Landesamt für Geologie und Bergbau, Rheinland-Pfalz
(o.J.): Mapserveranwendung Rutschungsdatenbank
Rheinland-Pfalz.
http://www.lgb-rlp.de/ms_rutschungsdatenbank.html
[eingesehen am 23.05.2016]
Forschungsstelle Rutschungen e. V. an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (FSR)
Die im Jahr 1997 als interdisziplinäres Netzwerk gegründete Forschungsstelle Rutschungen forscht und lehrt praxisnah und interdisziplinär zum
Thema der Hang- und Böschungsstabilitäten, um zur Schadensreduzierung, zur Katastrophenvorsorge und zur Sensibilisierung für das Thema
beizutragen.
Die Forschungsstelle Rutschungen bietet einmal im Jahr das zweitägige Weiterbildungsseminar „Fachtagung Rutschungen“ an.
Kontakt für weitere Informationen:
Forschungsstelle Rutschungen e. V.
an der J. Gutenberg-Universität Mainz
c/o Geo-Center Mainz
Mombacher Str. 49-53
D - 55122 Mainz
Tel. +49 6131 384083
[email protected]
www.forschungsstellerutschungen.de
Prof. Dr. Johannes
Feuerbach
Dr. Manuel
Lauterbach
ist 1. Vorsitzender
der Forschungsstelle
Rutschungen e. V.
ist Geschäftsführer
der Forschungsstelle
Rutschungen e. V.
Kontakt:
[email protected]
Kontakt:
[email protected]
Feuerbach und Lauterbach:
Die Bedeutung von Rutschungen als zunehmende Naturgefahr
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10
Geotechnik – Produktmeldung
Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung
­des Sylvensteinspeichers in Bayern
Götz Tintelnot, TPH Bausysteme GmbH, Hamburg, Deutschland
Kurzbeschreibung der
­Gesamtbaumaßnahme
Der Sylvensteinspeicher in Bayern erfüllt seit mehr als
einem halben Jahrhundert eine wichtige Aufgabe im
Hochwasserschutz – bei großen Hochwasserabflüssen
schützt er insbesondere die Stadt Bad Tölz und die
Landeshauptstadt München (Bild 1). Die lange Betriebszeit und außergewöhnliche Belastungen durch
extreme Hochwasserereignisse hatten ihre Spuren
am Staudamm hinterlassen. Daher wurde der Sylvensteinspeicher durch eine zusätzliche Dichtwand im
Staudamm und Untergrund und ein neues Sickerwassermesssystem ertüchtigt (Bild 2). Das neue Messsystem besteht aus Dränagepfählen für das Sickerwasser
und einem Sickerwasser­stollen. Die Ertüchtigung dien-
Nach über 50-jähriger Nutzungsdauer wurde der
Sylvensteinspeicher in Bayern mit einer zusätzlichen Dichtwand und einem neuen Messsystem
ertüchtigt. Dieser Beitrag informiert über eine
Hartgelinjektion zur Stabilisierung und Abdichtung im Rahmen dieser Baumaßname.
Geotechnik • Hochwasserschutz • Dammbau •
Injektion • Abdichtung • Naturschutz
te der Anpassung an den heutigen Stand der Technik
und der Vorsorge gegen die Folgen möglicher Klimaveränderungen. Nähere Informationen zum Ertüchtigunskonzept und zur Bauausführung können [1] und
[2] entnommen werden.
Bild 1: Talsperre Sylvensteinspeicher mit einem Rückhaltevolumen von 79 Mio. m³
Quelle: Wasserwirtschaftsamt Weilheim
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Tintelnot:
Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers
Geotechnik – Produktmeldung
11
Zweck der Injektion
Für den Bau des 190 m langen Sickerwasserstollens
mit einem Durchmesser von 3,05 m wurde zunächst
ein Zufahrtsstollen in den Fels gesprengt und von einer Startkaverne am Ende des Stollens mit einer Tunnelbohrmaschine der Sickerwasserstollen durch den
180 m langen Staudamm gebohrt. Durch einen 43 m
tiefen, gesprengten Zielschacht wurde die Tunnelbohrmaschine wieder geborgen.
Die Erkundungsbohrungen ergaben, dass im Übergangsbereich zwischen gewachsenem Fels und geschüttetem Damm mit stark schwankenden Durchlässigkeiten hinter der Startkaverne sowie vor dem Zielschacht
gerechnet werden musste (Bild 3). Um Probleme beim
Vortrieb der Tunnelbohrmaschine zu minimieren und
das Eindringen von Wasser in der Startkaverne sowie
im Zielschacht zu verhindern, musste dieser unberechenbare Gesteinsbereich stabilisiert und abgedichtet
werden. Unter Berücksichtigung der Infrastruktur, der
Umweltauflagen im FHH-Gebiet sowie der engen örtlichen Gegebenheiten kam eine Stabilisierung durch
Vereisung nicht in Frage. Zur Stabilisierung und Abdichtung wurde eine Injektion ausgeführt.
Bild 2: Prinzipskizze des ertüchtigten Staudamms mit neuer Dichtwand,
Dränagepfählen und Sickerwasserstollen
Quelle: TPH Bausysteme GmbH
Allgemeines zu Injektionsmitteln
Verschiedene Injektionsmittel sind geeignet, trockene
oder feuchte Kiesschüttungen, Sande usw. zu stabilisieren. Die Injektion erfolgt über Packer oder Injektionslanzen direkt in die zu stabilisierenden Bereiche
[3]. Durch chemische Reaktion oder physikalische Zustandsänderung erhärtet der Injektionsstoff und wird
nach dem Verpressen form- und ortbeständig. Der injizierte Bereich wird dadurch verfestigt und gleichzeitig
abgedichtet. Bei der Auswahl des Injektionsmittels sind
vielfältige Aspekte und insbesondere die Durchlässigkeit des Bodens zu beachten.
Moderne Gele sollen aus technischer und umwelttechnischer Sicht zwingend der sogenannten 5. Generation entsprechen. Diese Gele basieren weder auf
Wasserglas, noch enthalten sie Acrylamide. Sie sind
dauerbeständig und sollten grundwasserhygienisch unbedenklich sein. Seit dem Jahr 2008 können Acrylatgele vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) für
Injektionen in den Baugrund allgemein bauaufsichtlich
zugelassen werden. Ein Beispiel einer derartigen Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung ist [4, 5]
Planung und Ausführung der
­Injektionen
Für die Stabilisierung in diesem Projekt bot sich der
Einsatz von Acrylatgelen als Injektionsmittel an. Acrylatgele sind extrem niedrigviskose Injektionsmittel
aus Derivaten der Acryl- und Methacrylsäure sowie
Aminen und Salzen. Nach Vermischung steht eine Lösung mit wasserähnlicher Konsistenz zur Verfügung.
Wassergefüllte Kapillare dicht gelagerter Sande oder
Schluffe können penetriert werden. Die Reaktionszeit
lässt sich zwischen 90 Sekunden und 90 Minuten, in
Bild 3: Bereich der Hartgelinjektion (blau gekennzeichnet) am Übergang zwischen Fels und geschüttetem Damm
Quelle: TPH Bausysteme GmbH
Abhängigkeit der Umgebungs- sowie Bodentemperatur
einstellen.
In der Technischen Universität München wurde
eine Serie von Injektionstests zur Auswahl des Injektionsmittels und der Injektionsparameter durchgeführt.
Dazu wurden die Sieblinie des Untergrunds und die
Sättigung im Inneren des Damms nachgestellt. Unter
Annahme einer 20-prozentigen Sättigung wurde bei
Probeinjektionen neben der Variation von Injektionsparametern auch unterschiedliche technologische Vorgaben hinsichtlich Fördermenge, Injektionsdruck sowie
Anordnung und Verpresszyklen der Manschettenrohre
getestet.
Ausgewählt wurde eine Hartgelinjektion mit dem
Acrylatgel SolidCryl der TPH Bausysteme GmbH [6].
Dieses Acrylatgel erzielte bei den Laboruntersuchungen
zufriedenstellende Ergebnisse. Die injizierten Bereiche
Tintelnot:
Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net
12
Geotechnik – Produktmeldung
wiesen trotz völliger Sättigung nach der Injektion mit
dem erwähnten Acrylathartgel eine Druckfestigkeit
von über 3 N/mm2 auf, während trockene Bereiche
nach der Injektion sogar eine Druckfestigkeit von über
15 N/mm2 entwickelten.
Die schwer einzuschätzenden Übergangsbereiche
vor der Startkaverne und dem Zielschacht wurden vor
dem Durchfahren der Tunnelbohrmaschine durch
Hartgelinjektion stabilisiert.
Fazit
Trotz der schwer einzuschätzenden Bodenverhältnisse
im Start- und Zielbereich konnten die gestellten technischen und ökologischen Anforderungen mit Hartgelinjektion ohne Vereisung erfüllt werden. Es wurde so
umweltschonend wie möglich vorgegangen. Die angestrebten Festigkeiten wurden erreicht. Der Sickerwasserstollen konnte trotz der schwierigen Bedingungen
mit einer Tunnelbohrmaschine erstellt werden.
[3] Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen:
Abdichten von Bauwerken durch Injektion ABI-Merkblatt. Fraunhofer IRB verlag, 3. Auflage, 2014
[4] Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt): Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für Hydrogel „RUBBERTITE“ als Schleierinjektion. Zulassungsnummer
Z-101.29-3, Geltungsdauer vom 1. Januar 2014 bis zum
1. Januar 2019
[5] TPH Bausysteme GmbH: Technisches Datenblatt
RUBBERTITE
[6] TPH Bausysteme GmbH: Technisches Datenblatt SOLIDCRYL
Götz Tintelnot
ist Geschäftsführer
der TPH Bausysteme
GmbH.
Quellenverzeichnis
[1] Wasserwirtschaftsamt Weilheim: Sylvensteinspeicher.
http://www.wwa-wm.bayern.de/hochwasser/hochwasserschutzprojekte/dammsylvenstein/
[2] Lang, T.; Overhoff, G.: Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers mit Schlitzwand und Sickerwassersammelsystem. Korrespondenz Wasserwirtschft, 2015 (8), Nr. 6, S.
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Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers
Geotechnik und Tunnelbau
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Eisenbahnlinien mithilfe digitaler
Modellierung bauen und betreiben
Dipl.-Ing. René Schumann, International Operations Director, Hochtief Vicon GmbH, Essen, Deutschland
Einführung
Ein gut funktionierendes Transportnetzwerk ist für
ein Wirtschaftssystem unerlässlich und die Voraussetzung für das künftige Wachstum eines Landes. Eine
effiziente Transportinfrastruktur (Bild 1) trägt nicht
nur zu unmittelbarem wirtschaftlichen Wachstum
bei, sondern bietet Verbrauchern kürzere und zuverlässigere Reisezeiten, die letztlich Vorteile für das gesamte Wirtschaftssystem schaffen. In unserer stark
von Wettbewerb geprägten Zeit geht es in der Infrastrukturindustrie vor allem um Effizienz. Politische
Entscheidungsträger für moderne, konkurrenzfähige
und produktive Transportinfrastrukturprojekte sind
verpflichtet, effizientere, transparentere und stärker auf
Zusammenarbeit ausgerichtete Verfahren zur Projektabwicklung umzusetzen.
Methoden wie Building Information Modeling
(BIM), die durch innovative Technologien unterstützt
werden, haben im Hoch- und Infrastrukturbau großes
Potenzial. BIM verfolgt einen informations- und modellorientierten Ansatz, der darauf abzielt, die Planung,
den Bau und den Betrieb eines Bauwerks zu vereinfachen. Das Verfahren verwendet ein intelligentes digitales Modell mit drei oder mehr Dimensionen, um
verschiedene Aspekte eines Projekts zu simulieren und
zu analysieren. Im Hochbau hat sich BIM bereits bewährt, denn es bringt Vorteile, wie höhere Transparenz,
eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten, wesentliche Zeit- und Kosteneinsparungen
sowie eine Verringerung der Projektrisiken, mit sich.
Infrastruktur- und Hochbau unterscheiden sich in ei-
Im Hochbau hat sich Building Information Modeling (BIM) bereits bewährt. Vorteile der digitalen
Modellierung sind höhere Effizienz und Transparenz, bessere Zusammenarbeit, Zeit- und Kosteneinsparungen sowie Verringerung der Projektrisiken. An den Bahnprojektbeispielen Metro Green
Line in Katar und North­west Rail Link in Australien wird gezeigt, dass BIM auch im Infrastrukturbereich erfolgreich eingesetzt werden kann. BIM
erleichtert die Analyse zur frühzeitigen Erkennung von Risiken. Erläutert werden die wichtigen
Komponenten Technologie, Menschen, Prozesse,
Richtlinien und Management für BIM. Zukünftig
wird BIM für viele Infrastrukturprojekte verbindlich gefordert und eingeführt werden. Daher
werden auch derzeit stark nachgefragte Aus- und
Weiterbildungsangebote zu BIM angesprochen.
Tunnelbau • Geotechnik • Infrastruktur •
Großprojekte • BIM • Prozessmanagement
nigen Aspekten voneinander. Den Bedarf nach mehr
Effizienz, Transparenz und Zusammenarbeit in den
Projekten gibt es jedoch in beiden Branchen. Immer
mehr öffentliche und private Organisationen im Infrastruktursektor erkennen den Mehrwert von BIM. Als
großer Kunde weist der öffentliche Sektor bereits den
Weg zur landesweiten Umsetzung von BIM für Projekte
im Bereich Transport- und Verkehrsinfrastruktur.
„Wir starten eine Offensive zur Digitalisierung der
Baubranche. Mit modernsten digitalen Methoden sollen
Bauprojekte effizienter und im Zeit- und Kostenrahmen
Bild 1: Beispiel eines Verkehrsinfrastrukturprojekts
Quelle aller Bilder: Hochtief Vicon
Schumann:
Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
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Geotechnik und Tunnelbau
realisiert werden. Wir werden Planen und Bauen mit
BIM für unsere Infrastrukturprojekte ab 2020 verbindlich machen. Mit Pilotprojekten optimieren wir den
Einsatz dieser Planungsmethoden. Das ist eine Modernisierungsoffensive für die weltweit tätige deutsche Bauindustrie“, erläuterte der Bundesminister für Verkehr und
digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt [1].
Die Nachfrage nach BIM im Transport- und Verkehrsinfrastruktursektor steigt stetig. Aber ist die Branche dafür bereit? Die Hochtief Vicon GmbH hat im
Rahmen internationaler Infra­struktur­projekte bereits
seit Jahren Erfahrungen bei der Anwendung von BIM
gesammelt. Dabei wurde deutlich, dass der informations- und modellorientierte BIM-Ansatz die Art und
Weise verändert, wie Transport- und Verkehrsinfrastrukturprojekte entwickelt, gebaut und betrieben werden. Die richtige Strategie für die BIM-Implementierung: sorgfältige Planung zu Beginn eines Projekts, eine
Zusammenarbeit zwischen Partnern, der Aufbau von
Wissen und Schulungen in Bezug auf die Lieferkette
sowie ein gemeinsames Verständnis dafür, wie BIM den
Lebenszyklus von Infrastrukturprojekten verbessern
kann, sind nur einige der wichtigen Aspekte, die erforderlich sind, wenn die Industrie zusätzlichen Nutzen
aus Methoden wie BIM ziehen will.
Was bedeutet BIM für Bahn- und
andere Infrastrukturprojekte?
Der Bau eines digitalen Modells vor Baubeginn ermöglicht dem gesamten Projektteam, Themen, wie
Planungskoordination, Bauablaufplanung, Baustellenlogistik, Kostenplanung oder Asset Management, die
während des Baus aufkommen, bereits in den Anfangsphasen des Projekts zu visualisieren und zu analysieren.
Veränderungen, die aus dieser frühen Analyse resultieren, können über die digitale Repräsentanz einfacher,
schneller und kostengünstiger umgesetzt werden. Auch
werden Schäden verhindert, die in der Realität entstehen können, wenn Probleme unentdeckt bleiben. BIM
bringt im gesamten Verlauf von Infrastrukturprojekten
Vorteile – von der Bestandsaufnahme über die Planung,
die Datenerhebung, den Bau, die Dokumentation und
die Inbetriebnahme bis hin zur Instandhaltung während der Nutzungsdauer. Laut einer Studie zum USamerikanischen Infrastrukturmarkt aus dem Jahr 2012
[2] meldeten 44 % der Projekteigner insgesamt bessere
Projektergebnisse und eine Verringerung der Nachbesserungen dank BIM. Mehr als 30 % der Eigentümer betonten die Vorteile von BIM, wie beispielsweise weniger
Mängelrügen und Rechtsstreitigkeiten, weniger Fehler
in der Planung, kürzere Zyklusdauern im Arbeitsablauf
und eine kürzere Projektdauer. 22 % der Infrastruktureigentümer bestätigten zudem, dass die Baukosten geringer als ursprünglich geplant ausfielen.
Fallstudien zur Implementierung von
BIM in Bahnprojekten
Doha Metro in Katar
In einem BIM-Arbeitsablauf müssen mehrere Projektbeteiligte zusammenarbeiten und digitale Informationen miteinander teilen. Oftmals besteht jedoch das
Risiko, dass nicht alle Informationen zeitnah zur Verfügung stehen oder von den Beteiligten falsch ausgelegt werden. Der „BIM-Implementierungsplan“ ist ein
wichtiges Instrument, um sämtliche Parteien darin zu
unterstützen, die Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten zu erkennen, die mit dem BIM einhergehen.
Eines der fortschrittlichsten Metrosysteme der
Welt, die Doha Metro in Katar, hat den großen Schritt
gewagt und BIM weitgreifend umgesetzt (Bild 2). Das
Doha Metro Projekt ist Teil des ambitionierten Bahn-
Bild 2: 3D-Modell des Doha Metro-Projekts in Katar
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Schumann:
Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben
Geotechnik und Tunnelbau
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Bild 3: Übersicht über die BIM-Aktivitäten für die Metro in Doha
projekts, welches Katar, Saudi-Arabien und Bahrain
durch ein Netzwerk von Güter- und Personentransportsystemen verbindet. Die Grüne Linie (Metro
Green Line, MGL), eine der vier wichtigsten Metrolinien, besteht aus 15 km langen Zwillingstunneln und
sechs U-Bahn-Stationen. Während der Planungs- und
Bauphase ist die Hochtief Vicon GmbH an der BIMImplementierung, dem BIM-Management und der
Umsetzung zahlreicher BIM-Anwendungen beteiligt
(Bild 3).
BIM ist nicht auf unabhängige technische Prozesse
beschränkt. Die BIM-Implementierung und das BIMManagement beziehen leitende Projektbeteiligte mit
folgenden Zielen ein:
▶▶ Gegenseitiges Vertrauen und Verständnis aufzubauen
▶▶ Projektübergreifende Veränderungen auszuführen
▶▶ Eine von Zusammenarbeit geprägte Atmosphäre zu
schaffen
▶▶ Das Team mithilfe von Werkzeugen und Schulungen zu unterstützen, die gesetzten BIM-Ziele zu
erreichen.
Verträge, Grundsätze und Standards müssen darauf
ausgerichtet sein, die Zusammenarbeit zu unterstützen
und zu fördern. Die Hochtief Vicon GmbH hat das
MGL-Projekt durch die Bereitstellung eines BIM-Managers als Schlüsselperson innerhalb des Projektteams
unterstützt. Die Hauptaufgabe des BIM-Managers ist
die Sicherstellung der reibungslosen Implementierung,
indem er die Mitarbeit aller Beteiligten einfordert.
Starre Äste brechen im Wind. In einem innovativen Prozess muss man sich an Veränderungen anpassen
können. Daher ist nicht nur der BIM-Manager, sondern das gesamte Team – vom Management bis hin
zum Ausführenden – entscheidend für den Umgang
mit Veränderungen, die BIM für die Arbeitspraktiken
einer Organisation mit sich bringt. Die Hochtief Vicon
GmbH hat ihr Hauptaugenmerk von Anfang an auf die
Einrichtung eines funktionierenden BIM-Teams inner-
halb des MGL-Projekts gelegt. Die BIM-Teammitglieder erhielten projektspezifische BIM-Schulungen. Das
Team wurde von den BIM-Spezialisten hinsichtlich der
technischen Aspekte, aber auch in Bezug auf die grundlegenden Prozesse für alle BIM-Anwendungen angeleitet. In den Schulungen ging es um 3D-Koordination,
4D-Bauablaufplanung, modellbasierte Mengenermittlung und die Zertifizierung des BIM-Managers. 3DModelle, die vom Planungsteam vorbereitet wurden,
bildeten die Grundlage für die Koordinationsbesprechungen. Die kontinuierliche Arbeit mit dem 3D-Modell führte zur Verbesserung der Planungsqualität und
schlussendlich auch der Bauqualität. 4D-Simulationen
boten die nützliche Möglichkeit, die Baubarkeit des
vorgeschlagenen Entwurfs zu analysieren, für alle Projektbeteiligten ein besseres Verständnis zu schaffen
und die Zeitpläne zu optimieren. Die regelmäßige Ermittlung der modellbasierten Mengen hat zur besseren
Kostenkontrolle beigetragen, indem die Kostenauswirkungen aufgrund von Entwurfsänderungen unmittelbar während der Entwurfsentwicklung nachverfolgt
werden konnten. Die Hochtief Vicon GmbH verließ
das Projekt nach erfolgreicher BIM-Implementierung
und -Schulung, auf deren Grundlage das BIM-Team des
Bauunternehmens seine Arbeit aufnehmen konnte.
Sydney Metro
Bahnprojekte, insbesondere Metrolinien, werden meistens in eine bereits vorhandene Stadtinfrastruktur mit
dicht bevölkerten Gebieten integriert. Die Entwicklung
solcher Bahnlinien erfordert eine umfangreiche Koordination zwischen unterschiedlichen staatlichen Einrichtungen, Bauunternehmen, Lieferanten und anderen
Projektbeteiligten. Ein wichtiger Aspekt besteht darin,
die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt
den richtigen Personen bereitzustellen. Die Verwaltung
der Informationen ist entscheidend, damit die Ziele in
Verbindung mit Zeitplanung, Kosten und Qualität erreicht werden.
Die Sydney Metro, eines der größten Infrastruktur-
Schumann:
Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben
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Geotechnik und Tunnelbau
Bild 4: 3D-Modell der Metro in Sydney – Endstation der Metrolinie und Wartungsbereich
projekte in Australien, hat BIM zu Hilfe genommen,
um projektbezogene Informationen zu verwalten und
eine auf Zusammenarbeit ausgelegte Arbeitsumgebung
für die Projektbeteiligten zu schaffen. Das 3D-Modell
der Metro in Sydney bildet die Grundlage für die Datenverwaltung während der Bauphase und den anschließenden Betrieb der Metro. Bild 4 zeigt das 3D-Modell
der Endstation der Metrolinie und den Bereich, in dem
die Züge gewartet werden. Die Hochtief Vicon GmbH
unterstützt die erste Phase dieses Projekts „Northwest
Rail Link“ durch die Umsetzung des im eigenen Haus
entwickelten, integrierten BIM-Systems „Online Rail
Information System (ORIS)“. ORIS ist ein webbasier-
tes Projektmanagementsystem, das speziell für die Kontrolle und Auswertung des Datenmaterials von Bahnprojekten entwickelt wurde, um deren Realisierung und
Betrieb effizienter zu steuern.
Um ORIS und seine Vorteile zu verstehen, muss
man zunächst einmal verstehen, wie in einem typischen
Transportinfrastrukturprojekt Daten verwaltet werden. Das Datenmanagement besteht aus drei Schritten
(Bild 5). Der erste Schritt ist die Datenbeschaffung.
Bereits vorhandene Projektinformationen, wie Zeitpläne, Dokumente, Zeichnungen etc., werden strukturiert
in einer zentralen Datenbank zusammengeführt. Der
zweite Schritt besteht darin, die erhobenen Daten in
Bild 5:Projektkommunikationsebenen
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Schumann:
Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben
Geotechnik und Tunnelbau
Prozesse und Workflows einzubinden. Hier werden die
numerischen und geometrischen Daten verarbeitet und
entsprechend ihrer Relevanz sortiert. Der Geschäftswert wird im dritten Schritt geschaffen, indem die Daten analysiert und gezielt für verschiedene Anwendergruppen zur Verfügung gestellt werden, wie Berichte
und Kostenschätzungen für das Management, Modelle
für die technische Dokumentation, Fotodokumentation, Abnahmen und zahlreiche andere Funktionen.
Baustellen werden zunehmend komplex und
schneller. Dank der verfügbaren mobilen Technologien ist der Prozess der Datenbeschaffung viel einfacher
geworden. Mit ORIS kann das Projektteam für Northwest Rail Link die Daten in Echtzeit digital erheben
und darauf zugreifen – unabhängig vom Standort oder
der Beteiligungsebene. Kundenspezifische Formulare werden mit mobilen Geräten oder einer OnlinePlattform verwendet, um die erforderlichen Daten zu
erheben. Im Laufe des gesamten Projekts werden etwa
100.000 solcher Formulare über ORIS versendet. Das
System ist online verfügbar und hat eine web-basierte
Schnittstelle, sodass sämtliche Projektbeteiligten jederzeit und überall auf diese Informationen zugreifen
können (Bild 6). Die Bereitstellung einer leicht verständlichen Analyse der erhobenen Daten hilft dabei,
ein gemeinsames Verständnis für das Projekt zwischen
den unterschiedlichen beteiligten Teams sicherzustellen.
Mit ORIS werden der Erhebung und Analyse sämtlicher Arten von Informationen keine Grenzen gesetzt.
Einige der nützlichsten Anwendungen von ORIS im
Rahmen des Projekts sind:
▶▶ Bereitstellung einer gemeinsamen 3D-Plattform,
um verschiedene Designpakete zu visualisieren
▶▶ Ermittlung und Analyse der Mengen aus dem 3DModell
▶▶ Bereitstellung von Informationen zu Vor-Ort-Abnahmen
▶▶ Digitale Erhebung und Speicherung technischer
Anfragen vor Ort
▶▶ Simulation des Projektzeitplans am 3D-Modell, um
den Bauablauf zu visualisieren
▶▶ Prüfung der täglichen Berichte der verschiedenen
Projektpartner
▶▶ Berichtswesen zum Arbeits-, Gesundheits- und
Umweltschutz
17
Bild 6:Datenmanagement
Qualitätssteigerungen sowie Zeit- und Kosten­einsparungen durch verbesserte Interoperabilität der Daten, einen nachverfolgbaren Änderungsprozess und eine Kombination der
Geometrie mit anderen Daten
Umsetzung der BIM-Prozesse.
Das Online Rail Information System, das im Rahmen des Sydney Metro-Projekts zum Einsatz kommt, ist
eins von vielen Beispielen dafür, wie ein BIM-basiertes
Produktionssystem die gesamtheitliche und komplexe
Entwicklung von Bahnprojekten unterstützen kann.
Die Schritte zum BIM
Fünf BIM-Komponenten
Technologie ist ein wichtiger Bestandteil des Building
Information Modeling. Die Wahl der richtigen Software, Hardware, Plattformen für den Datenaustausch,
Kommunikationsmittel etc. ist von entscheidender
Bedeutung für die erfolgreiche BIM-Implementierung.
Ohne Körper schlägt das Herz jedoch ins Leere. Um
den vollen Nutzen von BIM auszuschöpfen, sollten fünf
Komponenten – Technologie, Prozesse, Menschen,
Richtlinien und Management – ganzheitlich angewendet werden (Bild 7). „Technologie gibt uns Macht, doch
sie kann und wird uns nicht sagen, wie wir diese Macht
Bild 7: Fünf wesentliche BIM-Komponenten
Der BIM-Manager der Hochtief Vicon GmbH in Sydney überwacht sämtliche Angelegenheiten in Bezug
auf das 3D-Modell und stellt zugleich sicher, dass die
generierten Daten so effizient wie möglich verwendet
und koordiniert werden. Er bildet die Schnittstelle
zwischen den Projektbeteiligten, sammelt projektspezifische Anforderungen, legt Prozesse fest, koordiniert
deren Umsetzung und testet alle Systeme, ehe sie in Betrieb genommen werden. Er ist für die Transparenz der
Projektdaten verantwortlich. Darüber hinaus führt er
Schulungen durch und unterstützt die Projektbeteiligten in der Verwendung des ORIS-Systems und bei der
Schumann:
Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben
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Geotechnik und Tunnelbau
nutzen sollen“, sagte der Philosoph und Gelehrte Jonathan Sacks.
Ohne die richtigen Prozesse kann keine Technologie wirksam sein. BIM erleichtert die Zusammenarbeit
zwischen den Projektpartnern, doch es bringt auch
wesentliche Änderungen mit sich, wie Informationen
geteilt, kommuniziert, bereitgestellt und von den jeweiligen Parteien verwaltet werden. Bei Infrastrukturprojekten ist aufgrund der Projektgrößen die Definition
der Prozesse besonders wichtig, um Risiken zu verringern und sicherzustellen, dass alle Parteien effizient und
reibungslos zusammenarbeiten können.
Mit den richtigen Werkzeugen und Prozessen
kann eine Bewertung der Fähigkeiten der beteiligten
Personen erfolgen – ein wichtiger Faktor, bevor BIM
in einem Projekt eingesetzt wird. Das richtige Maß an
Schulungen und Unterstützung sollte geplant und bereitgestellt werden, sodass gewährleistet ist, dass die Beteiligten die erforderliche Qualifikation haben, um die
BIM-Ziele des Projekts zu erreichen.
Richtlinien, Standards und Spezifikationen wirken
sich signifikant darauf aus, wie Projekte geplant, gebaut
und schließlich über ihre gesamte Lebensdauer hinweg
betrieben werden. Richtlinien bilden eine essenzielle
BIM-Komponente, die ab den frühen Phasen des Projekts verstanden und integriert werden sollte.
Ein strukturierter und effektiver Managementansatz ist erforderlich, um sicherzustellen, dass das Team
aus den richtigen Menschen besteht und diese die richtigen Werkzeuge, Verfahren und Grundsätze anwenden. Das Management spielt eine zentrale Rolle, wenn
es darum geht, dass die übrigen vier wesentlichen BIMKomponenten Technologie, Prozesse, Menschen und
Richtlinien im Einklang stehen.
„Nur wenn man all diese Komponenten beherrscht,
können sämtliche BIM-Vorteile im Projekt gehoben werden”, kommentiert Dirk Schaper, Geschäftsführer der
Hochtief Vicon GmbH. Da immer mehr Unternehmen
die Bedeutung des Managements für BIM erkennen,
wird die Funktion eines BIM-Managers künftig eine
Standardanforderung für Projekte sein.
Schulung und Zertifizierung
Building Information Modeling gewinnt im Transportund Verkehrsinfrastruktursektor zunehmende Bedeutung. Die Nachfrage nach kompetenten BIM-Kräften
steigt innerhalb der Branche stetig. Viele Universitäten
in unterschiedlichen Teilen der Welt haben angefangen, BIM-spezifische Schulungs- und Zertifizierungsprogramme umzusetzen, um diese Nachfrage zu bedienen. Eine solche Institution ist die Ruhr-Universität
Bochum. Sie hat ihre Kräfte mit der Hochtief Vicon
GmbH gebündelt. Die Universität bietet seit dem Sommersemester 2016 den Zertifikatskurs „BIM Professional“ an.
Dieser neue Kurs bietet die ersten standardisierten Schulungen und Zertifizierung für künftige BIMFachleute. Die Teilnehmer werden sechs thematisch
strukturierte Module in den Bereichen Technologie,
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Prozesse, Menschen und Richtlinien belegen und lernen, wie Projekte mithilfe bewährter BIM-Methoden
und -Werkzeuge effizienter verwaltet werden können.
„Mit dem Zertifikat „BIM Professional für Hochbau und
Infrastruktur“ gibt es dann endlich einen Nachweis für
BIM-Fachwissen“, wie Schaper verspricht.
Der BIM-Zertifikatskurs richtet sich an Fachkräfte im Bereich Ingenieurwesen, Architektur und Projekt- oder Baumanagement. Die Teilnehmer können
an dem Kurs in Teilzeit teilnehmen. Sie profitieren von
den umfangreichen praktischen Erfahrungen der Schulungsleiter. Nach dem erfolgreichen Abschluss erhalten
die Teilnehmer das „BIM Professional“-Zertifikat, das
als erstes in Deutschland von planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planesn, Bauens und
Betreibens mbH, Berlin, anerkannt wird. Die Gesellschaft ist eine Initiative aller relevanten Verbände und
Kammerorganisationen der Wertschöpfungskette
Planen, Bauen und Betreiben in Deutschland zur Einführung von digitalen, den gesamten Lebenszyklus von
Bauwerken sowie Immobilienprojekten abbildenden
Geschäftsprozessen [3].
Eine der größten Herausforderungen bei der einheitlichen Umsetzung von BIM in einem Projekt
besteht in den unterschiedlichen Fähigkeiten der Beteiligten. Da jedoch immer mehr Universitäten den
BIM-Markt erschließen und professionelle Kurse anbieten, die darauf ausgerichtet sind, wie BIM in der
Planungs-, Bau- und Betriebsphase eines Projekts integriert werden kann, wird die derzeit noch vorhandene
Lücke zwischen Angebot und Nachfrage von BIMFachkräften nach und nach geschlossen werden.
Die Zukunft von BIM
Qualitativ hochwertige Infrastruktur wirkt sich positiv auf wirtschaftliches Wachstum aus und fördert den
Handel. Laut einem Bericht der OECD [4] könnte die
Nachfrage nach Personen- und Güterbahnverkehr weltweit um etwa 2 bis 3 % jährlich ansteigen, während sich
das BIP bis zum Jahr 2030 möglicherweise verdoppelt.
Auch der Bedarf nach hochwertiger Infrastruktur wird
in Zukunft steigen. Um wettbewerbsfähig und effizient
zu bleiben, wird die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Projektpartnern wichtiger denn je. Methoden wie Building Information Modeling (BIM) werden
eine wichtige Rolle spielen und werden langfristig zum
Industriestandard werden, um die Zusammenarbeit zu
erleichtern und verbessern.
Innovative Umsetzungsstrategien, BIM-basierte
Produktionssysteme, wie ORIS und andere moderne
Technologien, werden es Projektteams möglich machen, die Vorteile von BIM zu nutzen und auf dieser
Grundlage moderne, wettbewerbsfähige und effiziente
Infrastrukturprojekte zu entwickeln. Die USA, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Norwegen, Finnland
und Singapur sind nur einige der vielen Wegbereiter der
verpflichtenden Einführung von BIM auf nationaler
Ebene. Künftig werden wahrscheinlich nationale BIMStandards speziell für den Verkehrs- und Transportinf-
Schumann:
Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben
Geotechnik und Tunnelbau
rastruktursektor in vielen Ländern entwickelt und vom
öffentlichen Sektor vorgeschrieben.
Die Verkehrs- und Transportinfrastruktur sind die
Stütze unserer Wirtschaftssysteme und unserer Zukunft. Ein effizienter, transparenter und auf Zusammenarbeit basierender ganzheitlicher Ansatz für Infrastrukturprojekte trägt dazu bei, verantwortungsvoll
und sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen und
die öffentliche Akzeptanz für solche Projekte zu verbessern. Mit BIM bauen wir digital, noch vor dem ersten
Spatenstich.
Quellen
[1] Dobrindt, A.: Stufenplan zur Einführung von Building
Information Modeling (BIM) bis 2020. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 15.12.2015,
URL der Pressemitteilung: https://www.bmvi.de/
SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2015/152-dobrindt-stufenplan-bim.html
[2] McGraw-Hill: The Business Value of BIM for Infrastructure. McGraw-Hill Construction Smart Market
Report, 2012, Berichts-URL: http://static-dc.autodesk.net/content/dam/autodesk/www/industries/civil-infrastructure/transportation-infrastructure/Docs/
business_value_of_bim_for_infrastructure_smartmarket_report__2012.pdf
[3] Planen bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des
Planens, Bauens und Betreibens mbH: Die Initiative.
URL der Website: http://planen-bauen40.de
[4] OECD: Strategic Transport Infrastructure Needs to
2030 – International Futures Programme. 2011, Berichts-URL: https://www.oecd.org/futures/infrastructureto2030/49094448.pdf
19
Dipl.-Ing.
René Schumann
René Schumann ist
International
Operations Director der
Hochtief Vicon GmbH
mit Niederlassungen
in Deutschland, Katar,
dem Vereinigten
Königreich und Indien,
die zu den führenden
Dienstleistern und
Beratern für virtuelle Konstruktion und BIM
gehört.
René Schumann kam 1998 mit einem Abschluss in Konstruktivem Ingenieurbau zur Hochtief AG. Er unterstützte Hochtief in der Umsetzung virtueller Konstruktionstechniken, die zur
Gründung der Hochtief Vicon GmbH im Jahr 2007
führten. Schumann war von Anfang an Head of
Operations von Hochtief Vicon und berät in dieser Funktion Kunden der gesamten Branche. Er
ist einer der Schöpfer der Vicon-Methode und die
treibende Kraft hinter dem Fokus auf Pragmatismus und Kundennutzen.
2009 gründete Hochtief Vicon eine Zweigstelle in Katar, deren Leitung René Schumann als Managing Director übernahm. Er brachte das Team
in eine führende Position im Nahen Osten und
widmet sich als International Operations Director
weiter den internationalen Märkten.
Kontakt:
Hochtief ViCon GmbH
[email protected]
www.hochtief-vicon.de
Schumann:
Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben
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20
Geotechnik und Tunnelbau
„Baustellen-App“ für die ­Kommunikation
zwischen Baustelle und Büro
in Infrastrukturprojekten
Verena Mikeleit, tech-PR, Süßen, Deutschland
Dokumentation des Baustellen­
geschehens – Theorie und Praxis
Ein 5D-BIM-Modell (BIM für Building Information
Modeling) soll auf großen Baustellen im Infrastrukturbereich eine transparente Kommunikation zwischen
allen am Projekt Beteiligten ermöglichen, also auch
zwischen Büro und Baustellenteams vor Ort: Diese
Forderung des Bundesministeriums für Verkehr und
digitale Infrastruktur (BMVI) soll dazu beitragen, die
Herausforderungen von Großprojekten zu meistern
[1], und gleichwohl Impulse für kleinere Projekte sowie
Bauvorhaben der Länder und Kommunen geben.
In der Theorie klingt das sinnvoll, doch wie kann
diese Forderung in der Baustellenpraxis umgesetzt
werden? Die Baustellen von Verkehrsprojekten sind
oft sehr groß und und in viele Abschnitte unterteilt.
Neben eigenen Kolonnen des Hauptauftragnehmers
sind in der Regel weitere Fremdfirmen mit zahlreichen
Mitarbeitern, Baumaschinen und -geräten im Einsatz.
Die Dokumentation und die Berichterstattung erfolgen
häufig händisch mit Zetteln, die am Ende jedes Tages
in verschiedenen Aktenordnern in den Baucontainern
für die weitere Bearbeitung abgeheftet und erst später
in die digitale Verarbeitung überführt werden – wenn
Bild 1: Klassische Dokumentation und Ablage in Papierform
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net BIM-Modelle mit fünf Dimensionen – drei für die
Geometrie und zwei weitere für Zeit und Kosten –
sollen den Bauablauf und die Qualität der Bauausführung von Infrastrukturprojekten verbessern.
Dieser Artikel erläutert, wie innovative intelligente mobile Werkzeuge der RIB Software AG die
Kommunikation und den Informationsaustausch
zwischen Baustelle und Büro unterstützen.
Geotechnik • Tunnelbau • Infrastruktur •
Kommunikation • BIM • Equipment
überhaupt (Bild 1). Wichtige Informationen für die
durchgängige Dokumentation und die korrekte Abrechnung erreichen die verantwortlichen Stellen immer
wieder zu spät oder unvollständig.
Digitales Modell für die Anforderungen
einer Baustelle
So wie beschrieben sieht die Realität leider oft auch
noch aus, wenn Unternehmen im Straßen-, Tief- und
Infrastrukturbau dazu übergehen, digitale BIM-Modelle einzusetzen. Die Modelle enthalten alle relevanten Informationen für die Aufgaben und deren Dokumentation am Bau, also ein 3D-Modell der Bauaufgabe
plus Zeit- und Kostenplan. Doch die Anwendung des
Modells draußen auf der Baustelle gelingt oft nicht.
Deswegen hat die RIB Software AG zusätzlich zu ihrer 5D-Softwarelösung für den Tiefbau intelligente
Werkzeuge für den Einsatz auf der Baustelle entwickelt
(Bild 2). Die iTWO-Unternehmenslösung beschreibt
das Gesamt-Software-System für die Arbeit mit BIMModellen und verbindet dreidimensionale Geometrie
mit Zeit- und Kosteninformationen innerhalb einer
Software iTWO 5D. Dabei ist iTWO civil die CADKomponente für den Tiefbau. Die Komponente civil
bereitet das CAD-Modell auf und integriert dieses mit
zusätzlichen Attributen in den iTWO-5D-Gesamtprozess. Die Komponente iTWO OnSite ist eine zusätzliche, ergänzende App für mobile Endgeräte, die das
Modell aus iTWO 5D abbildet und so dem Baustellenpersonal zugänglich macht.
„Ob Management von Defekten, Leistungsmeldung
oder Bautagesberichte (Bild 3): Uns war es ein Anliegen, eine Systemlösung zu schaffen, die die Verantwortlichen im Büro stets mit aktuellen Informationen von
Mikeleit:
„Baustellen-App“ für transparente ­Kommunikation zwischen Baustelle und Büro in ­Infrastrukturprojekten
Geotechnik und Tunnelbau
den Baustellen versorgt und dabei gleichzeitig einfach
in der Anwendung und für die Voraussetzungen einer
Baustelle geschaffen ist“, erklärt RIB-Produktmanager
Maximilian Kroner.
Das Prinzip der Lösung ist: Jeder Verantwortliche
für eine bestimmte Aufgabe, beispielsweise den Einbau
einer Frostschutzschicht eines Bauabschnitts, erhält
exakt und nur diejenigen Informationen des Gesamtmodells, die für seine auszuführenden Tätigkeiten auch
von Relevanz sind. Diese stehen auf einem Tablet mit
einfacher Touch- und Wischbedienung oder alternativ
einem Laptop zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung
(Bild 4). „Von Vorteil für den Baustelleneinsatz sind so
genannte „Rugged-Geräte“, führt Kroner weiter aus.
„Sie sind wasser- und spritzfest und dürfen im Gegensatz zu einem Smartphone oder Standard-Tablet auch
mal runterfallen, ohne dass sie dabei Schaden davontragen.“
21
Bild 2: Prinzipskizze der durchgängigen Softwarelösung zur digitalen
Kommunikation zwischen Baustelle und Büro
BIM-Modell auf Aufgabenschwerpunkte
reduziert
Die von der RIB Software AG entwickelte App für die
Baustelle für die aktuellen Windows-Betriebssysteme
von Microsoft überträgt – bei aktiver, mobiler Verbindung – permanent Baustellendaten von der Baustelle
– iTWO OnSite Tablet – ins Baustellenbüro – iTWO
OnSite Office – (Bild 2). Liegt keine Verbindung vor,
synchronisiert das System die Daten bei Rückkehr
ins Baustellenbüro. Aus dem Baustellenbüro werden
die neuen und aktuellen Daten gezielt in das Büro
des Unternehmens in das Gesamtprojekt übermittelt.
Diese Übertragung erfolgt gewöhnlich am Abend
oder einmal pro Woche. „Welche Informationen die
Baustelle verlassen, entscheidet zum Beispiel der für
die auszuführende Gesamtleistung verantwortliche
Oberbauleiter“, erklärt Andreas Dieterle aus dem RIBProduktmanagement für den Bereich Tiefbau und Infrastruktur. Denn der Oberbauleiter erteilt die Freigabe
für die Informationen, die vom Baustellenbüro an das
Büro in der Zentrale übertragen werden. Bevor er diese
Freigabe erteilt, kann er stets die Historie der im System
eingegangenen Meldungen seiner Teams einsehen und
– sofern erforderlich – nachprüfen, ob zum Beispiel die
zuletzt eingegangenen Leistungsmeldungen über den
Baustellenstand korrekt sind. „Der Oberbauleiter entscheidet dabei auch, welche Kollegen draußen ein mobiles Gerät mit der App nutzen dürfen und welche Zugriffsrechte der jeweilige User auf das Modell erhält“, so
Dieterle. “Ziel dabei ist, die Informationen stets auf das
Wesentliche zu reduzieren“, erklärt der Produktmanager. „Das spart Zeit im Gesamtprozess.“
Sowohl beim Oberbauleiter als auch bei den Mitarbeitern, die die App direkt am Geschehen nutzen,
werden stets nur arbeitsrelevante Modellinformationen
bereitgestellt. Das iTWO-System auf den mobilen Endgeräten ist soweit verschlankt, dass sich die Bedienung
schnell und leicht erlernen lässt. Auch für Baustellenmitarbeiter, die wenig IT-affin sind, soll das System
leicht zu bedienen sein und nur die Funktionalitäten
Bild 3: Tablet mit iTWO OnSite
Bild 4: Tablet mit Touch- und Wischbedienung
Mikeleit:
„Baustellen-App“ für transparente ­Kommunikation zwischen Baustelle und Büro in ­Infrastrukturprojekten
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
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Geotechnik und Tunnelbau
und für die keine Kosten im System kalkuliert wurden.
Das ist ein großer Vorteil für Baumaßnahmen im Straßen- und Tiefbau, bei denen nicht selten überraschende, unvorhergesehene Ereignisse an der Tagesordnung
sind. So ergeben sich häufig Bauverzögerungen wegen
verspäteter Materiallieferungen. Die Software hilft dabei, solche Ereignisse mit wenigen Berührungen am
Touchscreen im System aufzunehmen, sodass die Gründe für eine Verspätung zu jeder Zeit dokumentiert und
für alle Beteiligten ersichtlich sind.
Fertigstellungsgrade zeitnah melden
Bild 5: Mängelbehebung mit iTWO OnSite
haben, die vor Ort gebraucht werden. Das ist die Idee
des Herstellers und war die Aufgabenstellung bei der
Entwicklung des Programms mit dem Namen „iTWO
OnSite“.
Mängelmanagement leicht gemacht
Baumängel sollen mit dem Programm auf einfache Weise per Touch-Technologie erfasst und gemeldet werden
(Bild 5). Möglich ist außerdem, einen Screenshot des
Modells zur Bestimmung der exakten Position sowie ein
Foto des Defekts beizufügen. Bei relevanten und nicht
eindeutig zu klärenden Fällen können erfasste Mängel
bei Bedarf über einen Drucker im Baucontainer direkt
ausgedruckt und gegengezeichnet werden. Auf diese
Weise ist sofort dokumentiert, welche Mängel in der
Bauausführung vorliegen und wie diese beseitigt werden.
Prozessorientierte Arbeitshilfe
Bautagesberichte und Leistungserfassung
per App
iTWO ist ein umfangreiches Softwaresystem, das alle
Informationen eines Bauvorhabens von der ersten Vorplanungsphase durchgängig beinhaltet. Geometriedaten
sowie Zeit- und Kosteninformationen sind dabei in einem 5D-Modell (3D plus Zeit plus Kosten) integriert.
Das Modell arbeitet prozessorientiert, enthält also
alle Vorgänge und das zugehörige Datum, an dem Aufgaben laut Plan zu erledigen sind. Dank der Vielzahl an
Informationen im System können Mitarbeiter auf den
Baustellen ihre Aufgaben im Detail virtuell sichten. Bei
einer Straße können sie beispielsweise vorab am Tablet
verfolgen, welche Schichten nacheinander eingebaut
werden und zu welchem Datum ihre Aufgabe erledigt
sein soll. Das integrierte Bautagebuch ermöglicht zudem eine exakte Dokumentation des Wetters, des eingesetzten Personals sowie der Maschinen und Geräte.
Weiter können auch Leistungen aufgenommen
werden, die zunächst nicht im Plan vorgesehen waren
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Eine Maßnahme kann erst dann abgerechnet werden,
wenn die Leistung abschließend und ohne Mängel
durchgeführt wurde. Für das Controlling innerhalb
der modellorientierten Arbeit kann jederzeit angezeigt
werden, welche Tätigkeiten zu welchem Datum fertiggestellt sein sollen. In der Praxis zeigt das Modell im
Büro häufig einen anderen Zustand an als vor Ort auf
der Baustelle. Viele Abschnitte werden als noch nicht
ausgeführt angezeigt, obwohl diese gemäß Zeitplan
schon lange auf fertiggestellt stehen müssten. Dies sorgt
immer wieder für Klärungsbedarf und somit häufig zu
verspäteter Rechnungsstellung. Mit der Lösung iTWO
OnSite kann direkt am Modell und in der Örtlichkeit
der Fertigstellungsgrad eingegeben werden. Mit einer
mobilen Lösung ist eine zeitnahe Meldung wesentlich
einfacher umzusetzen. Wenn trotzdem eine Meldung
fehlt, kann sie aus dem Büro direkt von der Baustelle
angefordert werden.
Korrekte Leistungsmeldung
mit QR-Codes
Wichtig für eine korrekte Leistungsmeldung ist die
eindeutige Zuordnung jedes zu verbauenden Objekts
in der Software. „Aus iTWO civil heraus und somit in
iTWO wird jedes Objekt mit einer eindeutigen ID versehen“, weiß Andreas Dieterle. Benötigt das Büro also
beispielsweise umgehend die Info von der Baustelle, ob
ein bestimmter Kanalschacht planmäßig fertiggestellt
wurde, benötigt die Baustellencrew zur Prüfung nur
den zugehörigen QR-Code. Der QR-Code wird aus
der ID generiert und ist somit eindeutig. Sobald der
QR-Code gescannt ist, zeigt das Modell dem Bearbeiter das gesuchte Objekt – zum Beispiel den Kanaldeckel
– an. Der Bearbeiter kann nun sofort die Information
eingeben, ob das Objekt im Plan ist, und den Fertigstellunggrad direkt am Modell eintragen. Diese Meldung
fließt bei der nächsten Datensynchronisierung ins Gesamtmodell ein und steht somit im zentralen 5D-Modell zur Verfügung.“
Möglich ist mit solchen QR-Codes auch eine
schnelle Objektfindung im Modell nach der Herstellung oder dem Einbau vor Ort. Über das Modell wird
die Produktion gemäß vorgesehenem Zeitplan angestoßen. Bereits bei der Herstellung oder Lieferung von Objekten, beispielsweise Schachtringen, Betonleitwänden
oder Schutzleitplanken, wird der QR-Code aus dem
Gesamtmodell integriert. Über Abruf des QR-Codes
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Geotechnik und Tunnelbau
vor Ort direkt am eingebauten Objekt lässt sich somit
das Bauteil exakt im Gesamtmodell auf dem Tablet finden und weiter qualifizieren. Bauen 4.0 – so kann es in
der Praxis mit iTWO aussehen.
IT-Einsatz auf Baustellen vorantreiben
„Gerade weil das Gesamtsystem umfangreiche Kenntnisse voraussetzt, ist es unabdingbar wichtig, die App
für den Außeneinsatz auf das Wesentliche für die Baustellencrew zu reduzieren“, fügt Maximilian Kroner
hinzu.“ Der IT-Einsatz auf Baustellen ist heute noch
kein Standard. Einfache, mobile Lösungen werden
verstärkt angenommen und durch innovative Bauunternehmen gezielt in die Praxis eingeführt. Unsere Aufgabe ist es, diese mit einem praxistauglichen, leicht zu
bedienenden Programm sukzessive zu unterstützen.“
Bei der Weiterentwicklung des iTWO-Systems und
der Baustellen-App stehen daher immer die Anforderungen der Praxis und der Komfort im Baustellenalltag
im Fokus. Im Rahmen von Fachveranstaltungen überall
in Deutschland stellen Andreas Dieterle und seine Kollegen die neuen Features von iTWO, iTWO civil sowie
iTWO OnSite vor. „Anregungen von Bauunternehmen sind uns jederzeit willkommen, denn wir wollen
den praktischen Einsatz so komfortabel wie möglich
gestalten“, fasst der Produktmanager zusammen.
Ausblick
Aktuell wird die Baustellen-App um die Möglichkeit
erweitert, GNSS-Koordinaten mit dem mobilen Gerät
zu erfassen. Diesen Wunsch haben diverse Bauunternehmen, die im Tiefbaubereich tätig sind, geäußert, da-
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mit sie die Position von Objekten und Gegebenheiten
dem System von der Baustelle aus ohne größeren Aufwand zuweisen können. Schließlich sind im Tiefbau
im Gegensatz zum Hochbau die Projekte in der Regel
georeferenziert. Dieterle abschließend: „Diese und
weitere Kundenwünsche helfen uns dabei, die iTWOUnternehmenslösung für den durchgängigen Einsatz
im Infrastrukturbereich kontinuierlich zu verbessern.“
Quellen
[1] BMVI: Reformkommission Bau von Großprojekten –
Endbericht. 29.06.2015.
Verena Mikeleit
Fachjournalistin,
tech-PR, Süßen,
Deutschland, schrieb
diesen Artikel im
Auftrag der RIB Software AG.
Weitere Auskünfte
zu Straßenbau-,
Tiefbau- und Infrastrukturmanagementlösungen erteilt der
Vertrieb Civil Solutions der RIB Software AG.
Kontakt:
Tel. +49 711 7873-770
Fax +49 711 7873-88374
E-Mail [email protected]
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„Baustellen-App“ für transparente ­Kommunikation zwischen Baustelle und Büro in ­Infrastrukturprojekten
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Tunnelbau
Arlberg-Straßentunnel in Österreich –
komplexe Generalsanierung und
Nachrüstung von Fluchtwegen
Dipl.-HTL Ing. Christoph Wanker, Projektleiter Arlbergtunnel, ASFINAG Bau Management GmbH, Innsbruck, Österreich
Der Arlbergtunnel ist der längste Straßentunnel
Österreichs. Die aktuelle Generalsanierung dieser
Hauptverkehrsader zur Erhöhung der Verkehrssicherheit stellt eine große logistische Herausforderung dar, ist aber unvermeidbar. Dieser Artikel
erläutert den Sanierungsumfang und die Vorgehensweise der ASFINAG zur Bewältigung der Herausforderungen.
Tunnelbau • Großprojekt • Sanierung •
Sicherheit • Planung • Ausschreibung •
Baubetrieb
Einleitung
Der Arlberg-Straßentunnel mit einer Länge von knapp
14 km ist der längste Straßentunnel Österreichs und
neben dem Arlberg-Eisenbahntunnel die wichtigste
und einzige gesicherte ganzjährig befahrbare innerösterreichische Ost-West-Verbindung zwi­schen den Bundesländern Tirol und Vorarlberg. Er bildet die Scheitelstrecke der S 16 und liegt zwischen St. Anton in Tirol
und Langen in Vorarlberg. Der Arlbergtunnel ist Teil
des transeuropäischen Straßennetzes und hat auch regional eine sehr große Bedeutung in der Tourismusregion
(Bild 1).
Mit dem Bau des Arlberg-Straßentunnels wurde im
Jahr 1974 begonnen (Bilder 2 und 3). Bereits vier Jahre
später konnte das damals 4 Mrd. Schilling teure Projekt dem Verkehr übergeben werden. Heute rollen bis
zu 8.000 Fahrzeuge pro Tag durch den Tunnel, bis zum
Jahr 2025 sollen es schon etwa 9.700 sein. Nach mehr
als 35 Jahren Betriebszeit wird der Tunnel von 2014 bis
2017 durch den Betreiber ASFINAG (Autobahnenund Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft)
einer Generalsanierung und Nachrüstung unterzogen,
die ganz im Zeichen einer erhöhten Verkehrssicherheit
steht.
Überblick über das Sanierungsprojekt
Zur Erfüllung der Anforderungen des StraßentunnelSicherheitsgesetzes (STSG) [1] ist bis spätestens April
2019 die Nachrüstung von Fluchtwegen, Pannenbuchten etc. erforderlich. Darüber hinaus wird für den seit
dem Jahr 1978 in Betrieb befindlichen Straßentunnel
eine Generalsanierung durchgeführt (Bilder 4 und 5).
Bild 1: Winterliche Arlbergregion
Quelle: Fotolia@AndiPu
Bild 2: Bau des Arlbergtunnels in den 1970er-Jahren – Blick auf
die Baustelle
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www.georesources.net Bild 3: Bau des Arlbergtunnels in den 1970er-Jahren – Ausbrucharbeiten
Wanker:
Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen
Tunnelbau
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Bild 4: Tunnelquerschnitt mit Kennzeichnung von Maßnahmen
zur Nachrüstung von Fluchtwegen und Pannenbuchten
Aufgrund der Verkehrszahlen und der Prognosewerte
wird der Arlbergtunnel als Gegenverkehrstunnel weiter betrieben. Die sicherheitstechnische Aufrüstung
erfüllt alle damit verbundenen Auflagen und Richtlinien. Der Arlbergtunnel wird durch die Sanierungs- und
Adaptierungs­maßnahmen zum sichersten Gegenverkehrstunnel ausgebaut.
Die wesentlichen Maßnahmen der Investition in
Höhe von 160 Mio. € sind:
▶▶ Neubau von acht Pannenbuchten am Nordulm
und drei Kavernen für Versorgungsanlagen
▶▶ Bau eines zusätzlichen Fluchtwegs im Bereich des
Zuluftkanals auf einer Länge von 14 km mit 37
neuen Auf- und Abgängen
▶▶ Einbau einer Hochdruck-Sprühnebelanlage
▶▶ Installation von Thermoscanneranlagen vor den
Tunnelportalen
▶▶ Erneuerung der elektrotechnischen Einrichtungen
Schwierigkeiten im Planungsprozess
Die Planung für dieses Projekt, die federführend
von der IL - Ingenieurbüro Laabmayr & Partner ZT
GesmbH, Salzburg, ausgeführt wurde, begann im November 2010. Ursprünglich war eine Verdichtung der
Verbindungsstollen zwischen Straßentunnel und Ei-
Bild 5: Tunnelquerschnitt mit Kennzeichnung von Maßnahmen zur
Generalsanierung
senbahntunnel von derzeit ca. 1.700 m Abstand auf ca.
850 m Abstand als gemeinsames Projekt mit den ÖBB
als Planungsgrundlage definiert. Alle Baumaßnahmen
wären über den Straßentunnel erfolgt. Seitens ÖBB
wurde jedoch Ende 2012 mitgeteilt, dass für den Eisenbahntunnel keine Verkürzung der Fluchtwegabstände
erforderlich ist. In der Folge wurde der Projektausstieg
der ÖBB abgewickelt, und die erforderlichen Umplanungen auf die Erfordernisse der ASFINAG wurden
eingeleitet.
Mehr Sicherheit mit einem besonderen
Konzept
Nachrüstung von Fluchtwegen
und ­Pannenbuchten
Bereits zwischen 2004 und 2007 wurden insgesamt
acht Flucht- und Rettungswege zwischen Bahn- und
Straßentunnel errichtet – als gemeinsame Investition
von ASFINAG und ÖBB in Höhe von 49 Mio. €. Das
Fluchtwegkonzept mit Fluchtwegen im Abstand von
maximal 500 m beinhaltet die bereits 2004 bis 2007
hergestellten Flucht- und Rettungswege (FRW 1)
zwischen dem Arlberg-Eisenbahntunnel und dem
Arlberg-Straßentunnel sowie weitere 37 Fluchtwege
Bild 6: Neues Fluchtwegkonzept für den Arlberg-Straßentunnel – Lage der Fluchtwege
Wanker:
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Tunnelbau
Bild 7: Halbkreisförmiger Aufgang vom Fahrraum in den Zuluftkanal
(Bild 6), welche künftig größtenteils als halbkreisförmige Aufgänge vom Fahrraum in den Zuluftkanal an
der Tunneldecke führen (Bild 7). Von dort führen die
Fluchtwege bis zu den Ab- bzw. Ausgängen in sogenannte Sammelräume oder auch ins Freie. Flüchtende
können so im Brandfall sicher über den Zuluftkanal zu
den geschützten Sammelräumen zwischen Bahn- und
Straßentunnel geführt werden. Gerade im Ernstfall ist
das rasche Erreichen dieser Bereiche lebensrettend, weil
jede Sekunde zählt.
Bedingt durch die ursprüngliche Projektkonzeption mit Errichtung einer zweiten Tunnelröhre wurden
die bestehenden 16 Pannenbuchten am Südulm hergestellt. Daher werden im Zuge der STSG-Adaptierungsmaßnahmen acht neue Pannenbuchten am Nordulm
errichtet.
Tunnelausrüstung
Feuerlöschnischen
In allen neuen und bestehenden Pannenbuchten werden Feuerlöschnischen entsprechend dem sicherheitstechnischen Standard gebaut.
Entwässerungssystem
Mit der Errichtung einer neuen Schlitzrinne wird das
Entwässerungssystem von einem Mischsystem auf ein
Trennsystem umgebaut und dem Stand der Technik
angepasst.
Löschwasseranlage
Die gesamte Löschwasseranlage (LÖWA) im Tunnel
wird erneuert. Nachdem der gesamte nördliche erhöhte Seitenstreifen (LÖWA, Schlitzrinne usw.) erneuert
worden ist, erfolgt auch die Adaptierung von 167 Revisionsnischen am Nordulm im Zuge der gegenständlichen Sanierungsarbeiten.
Thermoscanner erkennen überhitzte
­Schwerfahrzeuge
An beiden Portalen des Arlbergtunnels werden Thermoscanneranlagen errichtet, um Lkws mit auffälligen
Überhitzungserscheinungen automatisch auszufiltern
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www.georesources.net und nicht in den Tunnel einfahren zu lassen. Dieses
Sicherheitssystem hat sich beim Karawankentunnel
bestens bewährt. Potenzielle Gefahrenquellen werden
damit schon vor der Tunneldurchfahrt ausgeschaltet.
Sprühnebelanlage verbessert
­Brandbekämpfung
Eine moderne Hochdruck-Sprühnebelanlage wird installiert, die der hohen Hitzeentwicklung im Brandfall
entgegenwirken soll und so den Fluchtweg zusätzlich
absichert. Das Besondere an dieser Sprühnebelanlage ist, dass sofort nach Erkennen eines Brandherds im
Tunnel das Sicherheitssystem für den betroffenen Abschnitt die Sprühnebelanlage auslöst. Über feine Düsen
werden unter hohem Druck Wassertropfen im Tunnel­
inneren verbeitet. Es bildet sich ein Wassernebel, der
die Temperatur des Brandherds gleich nach Entstehen
reduziert. Somit erfolgt automatisch ein erster Schritt
zur Brandbekämpfung, noch bevor die Feuerwehr an
den Einsatzort gelangt. Im Bereich der Betriebsgebäude St. Jakob und Langen werden Wasserbehälter mit
einem Volumen von je ca. 300 m3 für die Sprühnebelanlage eingebaut.
Rumpelmarkierungen gegen
­Frontalzusammenstöße
Als Mitteltrennung wurden sogenannte „Rumpelmarkierungen“ in die Fahrbahn eingefräst. Beim Überfahren dieser Markierungen werden Autofahrer im wahrsten Sinne des Wortes wachgerüttelt. Diese Hilfsmittel
sollen folgenschwere Frontalzusammenstöße verhindern.
Lüftungsanlage, Beleuchtung, Betriebs- und
Sicherheitsausstattung und Sonstiges
Neben der Adaptierung und Revision der gesamten
Lüftungsanlage werden die Tunnelbeleuchtung sowie
die gesamte Betriebs- und Sicherheitsausstattung (Video-, Funk-, Notruf-, Verkehrs- und Leittechnik) inklusive der gesamten Verkabelung und Steuerung erneuert.
Die bestehenden Türen und Tore werden ausgetauscht
und der Tunnelanstrich ertüchtigt. Außerdem werden
baulich drei Betriebsräume (Stummel mit FQ Quer-
Wanker:
Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen
Tunnelbau
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schnitt mit ca. 50 m Länge) für die Mittelspannungsanlagen und Trafos im Tunnel errichtet. In den Galerien
am Ost- und Westportal mit einer Länge von 1.600 m
werden umfangreiche Betonsanierungsmaßnahmen
durchgeführt.
„Tunnelohren“ für untypische ­Geräusche
Schließlich wird der Tunnel noch mit dem intelligenten Akustiksystem AKUT ausgestattet. Dabei nehmen Spezialmikrofone die Tunnelgeräusche auf. Bei
untypischen Geräuschen – etwa quietschenden Reifen
oder zuschlagenden Autotüren – wird in der nächsten
Überwachungszentrale schneller als durch Video oder
andere Sicherheitsausrüstungen Alarm geschlagen.
Abstimmung von Bauplanung und
­Verkehrsführung in der Bauzeit
Neben der detaillierten Untersuchung zu den weiträumigen Ausweichrouten für die Sperrzeiten wurde bereits zwei Jahre vor Baubeginn eine umfangreiche Informationskampagne für alle Stakeholder und Betroffenen
eingeleitet.
Geologie im Bereich des Tunnels und
der ­neuen Fluchtstollen
Das Projektgebiet liegt zur Gänze in der schwächer metamorphen Phyllit-Gneis-Zone am Nordrand der Silvretta-Masse im Nahgebiet der E-W-streichenden Deckengrenze, welche die Kristallinabfolge im Süden von
den Nördlichen Kalkalpen trennt. Dieses Lineament
zwischen Karbonat- und Kristallinabfolge zeichnet sich
morphologisch in den Talbildungen (Stanzertal, Steßbach Graben, Arlensattel, Alpe Rauz und Klostertal)
nach. Die Tunneltrassen des bestehenden Arlberg-Straßentunnels liegen gänzlich in der Phyllit-Gneis-Zone.
Somit sind auch alle geplanten Fluchtstollen in dieser
tektonischen Einheit situiert (Bilder 8 und 9). Die Gesteinsschichten innerhalb des Projektgebiets haben eine
intensive polymetamorphe Überprägung und eine starke Tektonisierung (Schieferung, Verfaltung, Bildung
von Kataklasiten und Kakiriten in intensiv zerlegten
Bereichen und Störungszonen) erfahren. Die retrograden Metamorphosebedingunen bewirken in weiten Be-
sps-marketing.com
Bereits zu Planungsbeginn war klar, dass für die bauliche Umsetzung Sperren der wichtigsten Ost-West-Verbindung unumgänglich sind. Für diese Phasen wurde
auch die Umsetzung eines Lkw-Schienenersatzverkehrs
für den Bereich Schnann bis Langen in die Planungsüberlegungen einbezogen. Mehrere Ausführungsvarianten in der Bandbreite (Bauen unter Verkehr bis hin
zum Bauen der zweiten Tunnelröhre Arlbergtunnel)
wurden ausgearbeitet und gegenübergestellt. Sowohl
ein Bauen unter Verkehr als auch der Bau einer zweiten Tunnelröhre wurden als nicht umsetztbare Ausführungsvarianten ausgeschieden.
Unter größtmöglicher Berücksichtigung der regionalen Bedeutung des Arlbergtunnels sowie der
Wichtigkeit der Tourismusregion wurde im Zuge der
Planung eine saisonale Gliederung der Baumaßnahme
entwickelt, die sicherstellt, dass der Arlbergtunnel in
den Wintermonaten von November bis April am Tag
behinderungsfrei befahren werden kann. Die Zeiten
für Vollsperren des Tunnels wurden auf die Sommermonate 2015 und 2017 begrenzt und zusätzlich noch
eine definierte Anzahl einzelner Nachtsperren zugelassen. Die Gesamtmaßnahme wurde gegliedert in:
▶▶ Tätigkeiten ohne Verkehrsbeeinträchtigung, deren
Ausführung nicht begrenzt wurde und daher sowohl am Tag als auch bei Nacht möglich ist
▶▶ Tätigkeiten im Verkehrsraum oder mit Beeinflussung des Verkehrsraums, deren Ausführung auf die
Nachtstunden begrenzt wurde, da für die Nacht
wechselseitige Portalanhaltungen erfolgen, die sicherstellen, dass der Verkehr an den erforderlichen
Behinderungen gesteuert vorbeigeführt wird
Wir sehen Gebirge
nicht als Hindernis.
Sondern als
unsere Materie.
Manfred Eder, Dipl.-Ing.
Als Spezialist in der Planung von alpinen Tunneln folgen wir bei unserer Arbeit den Grundsätzen der Neuen
Österreichischen Tunnelbauweise. Diese international anerkannte und von uns optimierte Methode steht für
höchste Flexibilität und sichert unseren Auftraggebern maximale Wirtschaftlichkeit in der Umsetzung. Dafür
stehen wir mit unserem Namen und unserem Herzblut.
Das ist tunnel expert engineering.
www.laabmayr.at
Wanker:
Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen
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Tunnelbau
Bild 8: Vortrieb eines Fluchtstollens
Bild 9: Sicherung eines Fluchtstollens
reichen eine Phyllonitisierung der Gneise, Granitgneise
und Glimmerschiefer innerhalb der Phyllit-Gneis-Zone. Aufgrund des hohen Erkundungsgrads der Geologie und der daraus gewonnen positiven und guten Erkenntnisse sind aus derzeitiger Sicht keine gravierenden
weiteren Auswirkungen zu erwarten.
Projektbezogenes Ausschreibungs­modell
Vergabe an Generalunternehmer
Aufgrund der komplexen Zusammenhänge und Verknüpfungen zwischen den baulichen Erfordernissen
und Tätigkeiten und den Teilen der Elektro- und Maschinentechnik, die im Gesamtprojekt zu berücksichtigen sind, wurde von der ASFINAG die Ausschreibung und Vergabe an einen Generalunternehmer für
zwingend erforderlich erachtet. Für Sanierungsprojekte wurde das bereits mehrfach erfolgreich praktiziert.
Die Schnittstellenkoordination und Organisation der
detaillierten Abläufe wird in diesem Fall in die Beauftragung des Unternehmers eingebunden. Für die Sanierung des Arlbergtunnels wurde keine Alternative zum
gewählten Ausschreibungsmodell gesehen.
Vertragsgestaltung zur Optimierung der
technischen Planung und des Ablaufs
Unter dem Titel „Kreatives Bauen im Bestand“ wurde
in Kooperation mit der VIBÖ (Vereinigung Industrieller Bauunternehmen Österreichs) ein Modell entwickelt, das es dem Unternehmer ermöglicht, auch nach
Angebotslegung und Beauftragung Optimierungen im
Projekt vorzunehmen. Als zusätzlicher Anreiz für dieses
Modell wird eine Teilung des aus der Optimierung entstehenden monetären Bonus fixiert. Der Unternehmer
erhält zwischen Beauftragung und Baubeginn einen
Zeitraum für seine Überlegungen zur Projektoptimierung. So sollen die praktische Erfahrung und die in den
meisten Fällen guten Lösungsansätze der ausführenden
Unternehmen genutzt werden. Die Erfahrungen sollen
bei Folgeprojekten berücksichtigt werden, um effizienter zu planen und auszuführen. Die OptimierungsvorGeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net schläge des beauftragten Unternehmens werden in der
Folge auf Qualität und Gleichwertigkeit geprüft und
bei Zustimmung in die Ausführungsplanung übernommen. Mit Abschluss der technischen Planungs- und
Ablaufoptimierung erfolgt eine Vertragsanpassung
einschließlich Deckelung für die optimierten Ausführungsteile. Beim Projekt Arlbergtunnel wurde das
Modell „Kreatives Bauen im Bestand“ als Pilotprojekt
umgesetzt. Dazu wurden die prinzipiellen Ansätze an
die Gegebenheiten und Besonderheiten des Projekts
angepasst und in die Ausschreibung integriert. Trotz
der großen Komplexität des Bauvorhabens und der speziellen Rahmenbedingungen konnten kreative Ideen
umgesetzt werden, die beiden Vertragsparteien Vorteile
bringen.
Bauausführung
Zwei Totalsperren außerhalb
der Wintersaison
Eine möglichst reibungslose Verkehrsführung während
der Sanierungs- und Umbauarbeiten im Arlberg-Straßentunnel war eine große logistische Herausforderung
für die Planung und Bauausführung. Die Errichtung
der neuen Fluchtwege ist ohne Sperren nicht möglich,
da während der Bauarbeiten die Sicherheitseinrichtungen im Tunnel nicht zur Verfügung stehen. Zwei
Vollsperren in den Jahren 2015 und 2017 waren oder
sind daher unumgänglich. Die ASFINAG ergriff dazu
im Vorfeld in Zusammenarbeit mit Behörden, Einsatzorganisationen und den Ländern Tirol und Vorarlberg
sämtliche Maßnahmen, damit der Verkehr in dieser Zeit
möglichst ohne Probleme über die Umleitungsstrecken
fließen kann – über den Arlbergpass beziehungsweise
großräumig über Deutschland und die Schweiz.
Die erste Totalsperre ab 21. April 2015 wurde plangemäß am 14. November 2015 beendet. Seit dem 15.
November 2015, rechtzeitig zu Beginn der Wintersaison, ist der Tunnel wieder befahrbar. Es wird jedoch
ohne Unterlass an der Verbesserung der Verkehrssicherheit im Arlbergtunnel gearbeitet. Verkehrsanhaltungen
Wanker:
Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen
Tunnelbau
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finden in den Nachtstunden zwischen 20.00 und 05.00
Uhr morgens statt. Dabei kommt es zu abwechselnden
Anhaltungen von rund 30 Minuten an den Tunnelportalen. Autofahrer können also in abwechselnder Richtung trotz der Arbeiten durch den einröhrigen Tunnel
fahren (Bild 10). Gearbeitet wird an sieben Tagen in
der Woche. Die zweite Vollsperre des Arlbergtunnels
ist für Mitte April 2017 bis Ende September 2017 geplant.
Die Nacht wird zum Tage – Arbeiten nur
unter strengsten Sicherheitsauflagen
Der Aufwand für die Generalsanierung und die Errichtung der neuen Fluchtwege im Arlbergtunnel ist enorm
– vor allem was die Sicherheit für Autofahrer und für
die Arbeiter im Tunnel betrifft: Eigene Kontrollfahrzeuge begleiten den Verkehr durch den Tunnel und
melden, sobald der Weg für die andere Richtung frei
ist. Die größte Herausforderung ist die Einbindung des
Baustellenverkehrs. Im Tunnel sind die Baustellenfahrzeuge in beiden Richtungen unterwegs. Dies muss auf
den Verkehr, der zusätzlich in eine Richtung durch den
Tunnel geführt wird, abgestimmt werden. Auf die Einhaltung der Zeiten wird minutiös geachtet. Die genaue
Zahl der Anhaltungen pro Nacht ist abhängig vom Arbeitsfortschritt und Verkehrsaufkommen.
Dafür hat die ASFINAG vorgesorgt: Ein flexibles
System in der Baustelle mit zusätzlichen Mitarbeitern
in der Überwachungszentrale und Sicherungsposten
im Tunnel ermöglicht es, kurzfristig den Verkehr aus
der anderen Richtung freizugeben. Somit können zu
lange Wartezeiten mit einer schnellen Reaktion verhindert werden.
Ebenfalls hilfreich sind eigene „Countdown-Informationstafeln“, die dem Autofahrer die Wartezeit bereits frühzeitig signalisieren – und zwar bei Schnann
und dem Malfonbachtunnel auf Tiroler Seite, bei der
Raststation und Klösterle und direkt am Portal des
Arlbergtunnels auf Vorarlberger Seite. Der Autofahrer
hat dann selber die Wahl, ob er die Sperre abwarten
will.
Bild 11:Thermoscanner vor Tunnelportal
Bild 10:Sicherungsmaßnahmen für Arbeiten im Verkehrsraum
Derzeitiger Stand der Arbeiten
Die Zwischenbilanz nach Abschluss der ersten Vollsperre des Arlbergtunnels kann sich sehen lassen. 36 der insgesamt 37 zusätzlichen Fluchtwege sind baulich bereits
hergestellt, acht weitere Pannenbuchten im Rohbau fast
zur Gänze fertig. Sieben Lüfter wurden ausgebaut, generalüberholt und wieder eingebaut. Auch die Entwässerung und Löschwasserversorgung wurden während der
Vollsperre des Arlbergtunnels komplett erneuert. Der
Bau der Hochdruck-Sprühnebelanlage ist zu 80 % abgeschlossen.
Nur wenige der neuen Sicherheitsmaßnahmen sind
jedoch jetzt schon für den Autofahrer merkbar. Spürbar etwa ist die neue Rumpelmarkierung im Tunnelinneren, die als Mitteltrennung in die Fahrbahn eingefräst wurde. Beim Überfahren der Markierung werden
Autofahrer im wahrsten Sinne des Wortes wachgerüttelt – ein in anderen Tunneln bereits erprobtes Hilfsmittel, um folgenschwere Frontalzusammenstöße zu
verhindern.
Bild 12:Anfahrt zum Thermoscanner
Wanker:
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Tunnelbau
Sichtbar wiederum sind die beiden Thermoscanner an den Tunnelportalen, die bereits in Betrieb sind
(Bild 11). Lkw fahren – vom Fließverkehr getrennt
(Bild 12) – durch den Scanner und werden im Falle
überhitzter Fahrzeugteile per Schranken vor dem Tunnel angehalten. Ein eigener Platz zum Auskühlen ist an
beiden Portalen des Arlbergtunnels vorhanden. Nach
dem Abkühlen können die Lkw den Tunnel problemlos
durchfahren.
Bis Herbst 2017 erhält der Tunnel auch eine LEDBeleuchtung der neuesten Generation. Auf einer
Länge von knapp 400 m setzt die ASFINAG bereits
jetzt eine Testreihe der neuen Beleuchtung ein, um
möglichst viele Erfahrungen mit dieser Technologie
zu sammeln.
Fazit
Den Kunden der ASFINAG, den Tunnelnutzern, wird
nach Abschluss all dieser Arbeiten ein dem modernsten
Stand der Technik entsprechender sicherer Tunnel zur
Verfügung stehen.
Quellen
[1] Österreichisches Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie: Straßentunnel-Sicherheitsgesetz – STSG.
Zahlen, Daten, Fakten rund um die
­Baustelle
Eckdaten der Nachrüstung und Generalsanierung des Arlberg-Straßentunnels
▶▶ 50.000 Sicherungen und Automaten
▶▶ 122.000 Systemdatenpunkte für die Einbindung in die Überwachungszentale
▶▶ 52 km Kabeltrassen im gesamten Tunnel
▶▶ 10.100 Stück Leuchten zur Demontage ▶▶ 1.100 Stück seitliche LED-Leiteinrichtungen
▶▶ 3.000 Stück neue LED-Leuchten zur Installation
▶▶ 2.000 Stück Notrufleuchten allein im Zuluftkanal
▶▶ 1.250 km neue Verkabelung im gesamten
Tunnel, davon allein 63 km Kabel für die
Beleuchtung
▶▶ Neue Straßenentwässerung im gesamten
Tunnel
▶▶ Neue Löschwasserleitung
▶▶ Neue Hochdruck-Sprühnebelanlage
▶▶
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▶▶
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▶▶
▶▶
Gesamtlänge inklusive Galerien: 15.508 m
Inbetriebnahme: 1. Dezember 1978
Investition neu: 160 Mio. €
Baubeginn: September 2014
Abschluss: September 2017
Ende erste Vollsperre: 14. November 2015
Nächste Vollsperre: 18. April 2017 bis 26. September 2017
Anzahl der Pannenbuchten im Endausbau: 24
Flucht- und Rettungswege im Bestand: 8
Anzahl zusätzlicher Fluchtwege über Zuluftkanäle: 37
Fluchtwegabstand im Endausbau: < 500 m
Neu errichtete Pannenbuchten: 8
Täglicher Verkehr: 8.000 Fahrzeuge/24 h
Prognoseverkehr bis 2025: 9.700 Fahr­zeuge/24 h
Christoph Wanker
ist zuständiger
Projektleiter der
ASFINAG für die
Sanierung und die
Errichtung zusätzlicher Fluchtwege im
Arlberg-Straßentunnel. Wanker arbeitet
schon seit 25 Jahren
für die ASFINAG an
wesentlichen Großprojekten wie der
Errichtung der zweiten Röhre des Pfändertunnels
samt Sanierung der Bestandsröhre oder eben
dem Umbau des längsten Straßentunnel
Österreichs – des Arlbergtunnels.
Kontakt: [email protected]
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Wanker:
Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen
Bergbau
31
Industrie-4.0-Champion
– Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau
Prof. Dr.-Ing. Andreas Merchiers, Bochum University of Applied Sciences, Bochum, Deutschland
Dr.-Ing. Fiona Mavroudis, Eickhoff Bergbautechnik GmbH, Bochum, Deutschland
Matthias Pütz, Schalker Eisenhütte Maschinenfabrik GmbH, Bochum, Deutschland
In diesem Beitrag werden exemplarisch zwei Anwendungen der Eickhoff-Gruppe aus unterschiedlichen
Bereichen der bergmännischen Prozesskette dargestellt: Die schneidende Kohlengewinnung im Strebbergbau sowie die Zugförderung im Erzbergbau. Mit
ihren innovativen, auf die Bedürfnisse der Kunden
angepassten Produkten ist die Eickhoff-Gruppe seit
über 150 Jahren eines der führenden Unternehmen bei
der technologischen Weiterentwicklung des mechanisierten Bergbaus. Dabei bildet gerade die Automatisierung der eigenen Produkte über die Systemgrenze der
Maschine hinaus einen Schwerpunkt aktueller Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten.
Erwartungen und Herausforderungen
des Marktes
Die Optimierung des Gewinnungsprozesses ist der
Schlüssel zu wirtschaftlich erfolgreichem Bergbau:
Die Kosten pro Tonne gewonnenen Wertminerals
sind maßgeblich abhängig von der Performance und
den Kosten des eingesetzten Equipments, zudem von
Neben den klassischen, mit dem Begriff Industrie
4.0 verbundenen Anwendungsfeldern wie
Produktion und Mobilität entpuppt sich gerade
der untertägige Bergbau zunehmend zu einem
Hidden Champion auf diesem Gebiet. Getrieben
durch fallende Rohstoffpreise bei stetig steigenden
Anforderungen an die Humanisierung der Arbeit
griff die Branche schon sehr früh nach den durch
„Industrie 4.0“ beschriebenen Lösungsansätzen:
Vollintegrierte Systeme mit (teil-)autonomen
Maschinen, die sich ohne menschliche Steuerung
in und durch Umgebungen bewegen und
selbstständig Entscheidungen treffen, sind im
Bergbau schon heute keine Traumwelt mehr. Die
Branche hat bereits erfolgreich mit der Umsetzung
von „Bergbau 4.0“ begonnen.
Bergbau • Zulieferindustrie • Industrie 4.0 •
Mining 4.0 • Innovation • Walzenlader •
Gleisförderung
Bild 1: Entwicklung des Kohlenpreises
Quelle der Grafik: index mundi
Merchiers, Mavroudis und Pütz:
Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net
32
Bergbau
dessen Verfügbarkeit und den aufzuwendenden Ressourcen an Energie und Manpower. Eine Optimierung
dieser Faktoren schlägt sich direkt in den Produktionskosten je Tonne Wertmineral nieder; eine Steigerung
der Betriebspunktkonzentration durch eine leistungsfähigere Produktionskette senkt die Kosten für die untertägige Infrastruktur. Aus dieser Motivation heraus
wachsen die Anforderungen hinsichtlich Qualitätsteuerung und Produktivität sowie Automatisierung stetig
an. Die Maschinentechnik verlangt nach ständiger Weiterentwicklung; der Einsatz innovativer Technologien
wird immer wichtiger.
Weitere Schwerpunkte bei der Forschungs- und
Entwicklungsarbeit ergeben sich aus der zunehmenden Sensibilisierung für Sicherheitsstandards – hier sei
besonders der australische Markt hervorgehoben. Die
Abwehr akuter und die Verhinderung möglicher Gefahren sowie die Vermeidung erheblicher Belastungen
für Mitarbeiter und Umwelt gewinnen im weltweiten
Bergbau immer mehr an Bedeutung. Von den Betriebsmittelzulieferern werden effiziente Lösungen erwartet,
um Berufserkrankungen vorzubeugen und um Mensch
und Maschinen ganzheitlich zu schützen. So sind beispielsweise trotz aller Forschungsbemühungen und
Fortschritte bei der Staubbekämpfung die gesetzlichen Emissionsstandards schwer zu erreichen und die
„schwarze Lunge“ (Silikose) konnte noch nicht besiegt
werden.
Daneben hat die Branche derzeit einige zusätzliche
Herausforderungen zu meistern. Nach dem generellen
Preisverfall im Rohstoffmarkt (Bild 1) verfolgen die
Bergbaukonzerne die Strategie des Produktivitätszuwachses ohne weitere Erhöhung der Investitionskosten.
Dies wirkt sich direkt auf die Maschinenhersteller und
Zulieferer aus. Nach den jüngsten Prognosen wird sich
dieser Trend kurz- bis mittelfristig fortsetzen. Der inkrementierte Wettbewerbs- und Marktdruck fordert
eine Steigerung der Produktionsraten bei gleichzeitiger
Bild 2: Bergbau 4.0 – Grundverständnis der Zusammenhänge und
Zielsetzungen
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Minimierung der Förderkosten pro Tonne. Ein Ziel,
welches nicht leicht zu erfüllen ist angesichts des immer
komplexer werdenden Abbaus verfügbarer Ressourcen
und der damit einhergehenden Arbeitsbedingungen.
Folgen für die Zulieferer
Wie können Zulieferer auf die Erwartungen des Marktes reagieren? In naher Zukunft wird es keine grundlegenden Veränderungen der bergbautechnischen
Prozesse geben: Das Wertmineral wird an meist infrastrukturell ungünstigen Orten der Welt in der Regel
untertägig aus dem Gesteinsverbund gelöst, dies so selektiv wie möglich, um wertloses Nebengestein aus der
weiteren Verarbeitung zu halten. Das Haufwerk wird
am Gewinnungsort geladen und zu Tage gefördert,
dort dann aufwändig aufbereitet, um ein verkaufsfähiges Produkt zu erhalten. Das größte Potenzial für Neuerungen wird innerhalb dieser Technologiekette dem
Bereich der Informationstechnologie zugeschrieben.
Die Felder Sensorik, Datenanalyse und der Ausbau
durchgängiger Kommunikationssysteme bieten zahlreiche Ansatzpunkte für innovative und substanzielle
Verbesserungen.
Neue Technologien und ein ganzheitlicher Ansatz
können die Produktivität und Flexibilität nachhaltig
steigern und heben das Thema Automatisierung auf
eine neue Ebene. Die Vision des mannlosen Steinkohlengewinnungsbetriebs (Streb), in dem der Mensch
sich von einer sicheren Leitwarte aus auf Assistenzund Überwachungsfunktionen konzentriert ist dabei
ein wesentliches Ziel. Die kontinuierliche technische
Weiterentwicklung der Betriebsmittel und der Einsatz
innovativer Technologien in Kombination mit der
Verdichtung von Daten führen bereits heute zu einem
hohen Automatisierungs- und Steuerungsgrad beim
Abbauprozess.
Bergbau 4.0
Diese auch unter dem Oberbegriff Bergbau 4.0 zusammengefasste Transformation der untertägig
eingesetzten(Sub-) Systeme Lösen, Laden und Fördern
hat die Zielsetzung, die Komplexität zu beherrschen.
Technikgetrieben wird – durch Vermeidung von Nebenzeiten und Erhöhung des Outputs – in bestehenden
Strukturen Einfluss auf die betriebliche Leistung genommen. Die zu verfolgenden Ansätze geben jedoch zunächst
ein sehr heterogenes Bild ab. Zur Strukturierung der Ansätze und zur Verdeutlichung der Wirkzusammenhänge
eignet sich das Prinzip des Regelkreises (Bild 2):
Die Regelstrecke bilden dabei die direkten und indirekten Prozesse innerhalb der Subsysteme entlang der
bergmännischen Prozesskette (Lösen, Laden, Fördern).
Die schneidende Gewinnung im Strebbau ist beispielsweise ein solches Subsystem. Hier interagieren Walzenlader, Förderer und Ausbau. Im Bereich der Förderung
bildet die Zugförderung, bestehend aus den Prozessen
Beladen, Transport und Entladen, ein solches zu optimierendes System. Unter Nutzung der zunehmenden
Möglichkeiten in der Informations- und Kommunika-
Merchiers, Mavroudis und Pütz:
Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau
Bergbau
tionstechnik sowie Vernetzung gilt es, das Zusammenwirken – eben die Kollaboration – innerhalb dieser
Regelstrecke zu optimieren. Sie kann entsprechend
auch als das „intelligent-kollaborative“ Element einer
zukünftigen Bergbau-4.0-Infrastruktur angesehen werden. Zielsetzung sind die Steigerung von Flexibilität
und Effizienz in bestehenden Mustern.
Der Regler hat hingegen die Aufgabe, diese bestehenden Muster zu beeinflussen beziehungsweise
zu verändern. Er kann damit auch als das „lernende“
Element einer zukünftigen Bergbau 4.0 Infrastruktur
angesehen werden. Durch ihn kommt der revolutionäre Charakter von Industrie 4.0 zum Vorschein; denn
erst durch die konsequente horizontale und vertikale
Vernetzung von Menschen, Maschinen, Objekten und
IKT-Systemen (IKT = Informations- und Kommunikationstechnik) ist eine solche Regelung von Subsystemen im Bergbau überhaupt möglich. Ausgangspunkt
bilden die Outputgrößen (Informationen) der Regelstrecke, also der Kernprozesse Lösen, Laden, Fördern.
Grundvoraussetzung für die Regelung ist dabei deren
Digitalisierung. Die Schaffung von Transparenz, d. h.
die Verfügbarmachung und die Möglichkeit zur Weiterverarbeitung dieser Daten ist für den „Lernprozess“
konstituierend. In der Folge lassen sich dann in weiteren Schritten Wirkzusammenhänge erkennen, deren
Modellierung wiederum Prognosen zulässt, auf deren
Basis Entscheidungen getroffen werden können. Die
inhaltliche Abfolge von Transparenz, Analyse, Prognose und Entscheidung entspricht dabei auch dem
zeitlichen Vorgehen bei der Implementierung dieser
„lernenden“ Strukturen in den Subsystemen. Dabei ist
diese Logik nicht nur auf die jeweiligen Subsysteme
33
beschränkt; sie lässt sich auch auf die komplette bergmännische Prozesskette ausweiten.
Bergbau 4.0 in der
schneidenden Gewinnung
Der Schlüssel einer „intelligent-kollaborativen“ Infrastruktur liegt in der Vernetzung der Sensortechnik der
Gewinnungsmaschine und der Gesamtheit aller beteiligten Strebkomponenten. Dazu ist ein hohes Maß an
Koordination und Verständnis im Umgang mit Spezialdaten notwendig; der Technologiewechsel im Bergbau
dauert in der Regel relativ lange. Gründe hierfür sind
hohe finanzielle Risiken im Falle einer auch nur geringfügigen Verschlechterung der Performance durch unvorhergesehene Effekte im Systemwechsel. Hohe Anforderungen an die Zulassung neuer Techniken für den
untertägigen Einsatz, aber auch die sich ständig ändernden Umgebungsbedingungen und die notwendige Bewährung in der Praxis erschweren es, Automatisierungssysteme zu etablieren, die in anderen Industriezweigen
schon Stand der Technik sind.
Seit der Einführung des Eickhoff-Walzenladers im
Jahr 1954 implementierte das Unternehmen eine Reihe von technisch bedeutenden Weiterentwicklungen,
wie zum Beispiel die Funkfernsteuerung im Jahr 1966,
die Industrie-PCs (IPC) im Jahr 2001, das Steuerungskonzept EiControl im Jahr 2005, die sensortechnische
Erweiterung EiControlPlus im Jahr 2007 und schließlich die parametrierte Steuerung EiControlSB im Jahr
2008. Seit dem Jahr 2010 fokussiert sich die Weiterentwicklung des Walzenladers immer mehr auf eine mechatronische Disziplin, in der Maschinenbau, Elektrotechnik sowie Software eng miteinander verschmelzen. Zu
Bild 3: Sensorik am Walzenlader
Merchiers, Mavroudis und Pütz:
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Bergbau
Bild 4: Umfelderfassungsysteme am Walzenlader
erkennen ist dies vor allem am steigenden Sensor- und
Softwareanteil in den Maschinen sowie an einer zukunftsweisenden Daten- und Kommunikationsinfrastruktur [1].
Der Walzenlader ist heute mit zahlreichen Sensoren
ausgerüstet, die unterschiedliche Aufgaben redundant
übernehmen und idealerweise ein unterschiedliches
Funktionsprinzip verfolgen (Bild 3). Sensoren zur relativen und absoluten Positionsbestimmung sowie zur
Navigation beispielsweise liefern eine detaillierte Darstellung des Strebprofils. In Verbindung mit einer hochkomplexen Steuerungsalgorithmik erlaubt dies eine bis
auf wenige Millimeter genaue Steuerung des Abbauprozesses. Weitere Sensoren zur geologischen Umfelderkennung verbessern die Abbaugenauigkeit und das
Einhalten der Lagerstättengrenzen beim Gewinnungsschnitt. Sensoren zur geometrischen Umfelderfassung
erkennen vorausschauend potenzielle Gefahrenstellen
und vermeiden Kollisionen der Maschine zum Beispiel
mit dem Ausbau. Die Registrierung und die Bewertung der äußeren und inneren Umwelt der Maschinen
erfolgt mit Sensoren zur Ermittlung des Maschinenzustands und der -performance. Abgerundet wird die
Sensortechnik durch ein Diagnosesystem zur schnellen
Fehleranalyse und einfachen Wartung. Daten und historische Ereignisse werden hierbei aufgezeichnet und
eine zustandsbasierte Instandhaltungsplanung ermöglicht. Der Walzenlader ist darüber hinaus in der Lage,
Eigendiagnosen über seinen Zustand und seine Belastung sowie Plausibilitätsprüfungen durchzuführen.
Video-Monitoring-Systeme ermöglichen die Fahrwegüberwachung und Fernsteuerung. Weitere graphische Digitalanzeigen bieten Zugriff auf Sensoren,
akustische Signalgeber und Eingabegeräte. Der Kommunikationsfluss zwischen Mensch und Maschine wird
hierdurch deutlich verbessert. Die Weiterentwicklung
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net der Sensortechnik spielt dabei eine herausragende
Rolle, denn je autonomer die technische Anwendung,
desto mehr Informationen benötigt sie über ihre physikalische Umgebung und über sich selber. Sie ist „der
Schlüssel für alle Bestrebungen, Maschinen und Anlagen autonom zu gestalten“. Bereits integrierte Sensorkonzepte zur Umfelderfassung werden durch eine
echtzeitfähige Verarbeitungslogik und zunehmende Eigenintelligenz verfeinert. Die optimierten Systeme sind
in der Lage, in den höchst dynamischen und extremen
untertägigen Bedingungen nahezu fehlerlos zu arbeiten, sich autonom ihrer Einsatzumgebung anzupassen
und die Selbststeuerung zu übernehmen (Bild 4) [1, 2].
Beipiel: Der Walzenlader im
Zentrum von Bergbau 4.0
Betrachtet man das Gesamtstrebsystem, ist der Walzenlader das zentrale, kollaborierende Element. Er kommuniziert kontinuierlich mit Ausbau und Förderer (Bild 5).
Informationen, wie Fördererbeladung, Standort des
Walzenladers, aktive Erkennung von Kolli­sionsgefahren
und andere Verfahrens- und Prozessdaten, werden ausgetauscht und zum Steuerstand und zur Leitwarte nach
über Tage gesendet. Nach der Durchfahrt des Walzenladers werden die Schilde vollautomatisch gesetzt und der
Förderer gerückt. Die Steuerung der Fördererantriebe
und der Kettenspannung erfolgt durch Bestimmung der
Fördererbeladung und der Lastsituation an den Getrieben. Werden Unregelmäßigkeiten beim Prozess beobachtet – wie zum Beispiel ein zu tief gesetzter Ausbau
– wird die Situation bewertet und es werden entsprechende Maßnahmen getroffen. Beispielsweise stoppt ein
Haltesignal den Walzenlader und das Wartungspersonal
unter und über Tage wird informiert.
Voraussetzung sind dabei leistungsfähige und zuverlässige Kommunikationssysteme. Die derzeit im
Merchiers, Mavroudis und Pütz:
Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau
Bergbau
35
Bild 5: Der Walzenlader als zentrales Element im Streb
Bergbau eingesetzten Systeme erfüllen alle etablierten
Industriestandards. Sie sind redundant ausgelegt, können energiekabelgebunden sein oder auch auf DSL,
Lichtwellenleiter (LWL) oder WLAN basieren. Intern
ist der Walzenlader über ein Bussystem vernetzt, das die
Sensortechnik einschließt. Die Kommunikation untereinander, mit dem Steuerstand und mit der Leitwarte
erfolgt über Ethernet. Dabei werden unterschiedliche
Protokolle zur Datenübertragung genutzt. Die gesamte
Signalübertragung ist entweder komplett eigensicher
oder gekapselt.
Taktgeber für den Steuerungsprozess ist die State-Based-Automatik EicontrolSB (state-based =
Zustandsbasiert). Sie ist das Herzstück der Walzenladersteuerung und unterteilt den Schneidprozess methodisch in unterschiedliche und unabhängige Schritte. Die sogenannten Zustände sind klar definiert und
bilden einen geschlossenen Zyklus. Der vordefinierte
Prozess kann vom Anwender jedoch beliebig verändert,
erweitert und somit jederzeit auf die externen Erfordernisse angepasst werden. Die sequenzielle Abarbeitung
der Sollwerte der Zustandstabelle ist abhängig vom
Prozessablauf: Die Maschine reagiert selbstständig und
maßgeschneidert auf wechselnde Bedingungen. Der
Maschinenfahrer kann dabei vor Ort oder von einer
abgesetzten Leitwarte aus die Operationen verfolgen,
korrigieren und den Prozess verändern.
Außerdem wird aber auch eine effizientere Ausnutzung
von Lagerstätten – besonders in sehr niedrigen Mächtigkeiten bis 1,2 m – möglich, da keine Mindestabbauhöhe für das Bedienpersonal mehr erforderlich ist und
somit deutlich weniger Nebengesteinsproduktion anfällt. Dies funktioniert nur durch Vollautomatisierung
und/oder Fernsteuerung aller beteiligten Subsysteme
(Bild 6).
Der Bediener kann dabei von der Leitwarte aus
mithilfe von Strebkameras, Sensoren und PositionieBild 6: Niedrigwalzenlader SL 300L-Strebmächtigkeit 1,2-1,8 m
Mehr Möglichkeiten: Von der Fernsteuerung bis zur Vollautomatisierung
Der Rückzug des Personals aus der Gefährdungszone
ist ein zentraler Vorteil zunehmender Automatisierung.
Merchiers, Mavroudis und Pütz:
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Bergbau
Bild 7: Integrierte Strebsteuerung des Typs MARCO mit Eickhoff-Walzenlader
rungssoftware den Gewinnungsprozess steuern und
überwachen. Die Anbindung des Steuerstands an den
Walzenlader erfolgt über TCP/IP-Protokolle, die über
redundante Powerline-Modem- und Glasfaserverbindungen übertragen werden. Die Funktionen werden
durch Joystick, Handheld-Controller oder semi-automatisiert durch temporäre manuelle Eingriffe übernommen. Bei letzteren werden nur Korrekturen mit
minimalem Steuerungseingriff vorgenommen. Diese
Punkte wurden bei der Entwicklung des neuen Niedrigwalzenladers SL300L von Eickhoff (Bild 7) konsequent umgesetzt.
Das nächste Level ist die vollständige Vernetzung aller beteiligten Subsysteme. Für eine Vollautomatisierung
müssen alle Strebelemente im direkten Zusammenhang
weiterentwickelt werden. Die Schaffung von bereichsübergreifender Transparenz ist die Grundvor­aussetzung
für weiterführende Analysen, die Ableitung von Prognosen und sich hieraus ergebende Entscheidungsoptionen. Denn erst mit der durchgängigen Aufnahme
und Bereitstellung aller relevanten Daten lassen sich
entscheidungsunterstützende Systeme wie zum Beispiel
Grenzschichterkennungssysteme effektiv einsetzen.
Intelligenter Bergbau implementiert daher Informationstechnologie in der Gesamtkette: Von der Exploration der Lagerstätte über die geologische Modellierung,
die Planung und Durchführung der Gewinnungsoperationen bis hin zu den abbaubegleitenden infrastrukturellen Funktionsbereichen wie beispielsweise Transport
und Logistik. Mittels Bergbau 4.0 und innovativer Kommunikationstechnologien gelingt der Übergang von der
Fernsteuerung zur vollständig autonomen Operation.
Walzenlader, Ausbau, Förderer, Brecher und Bandanlage
werden in ein übergeordnetes 3D-Streb-Controlsystem
integriert. Hiermit werden alle relevanten Daten eingezogen und übergreifend verfügbar gemacht.
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Als Herausforderung steht dabei die Auswertung
großer Datenmengen (Big Data) an. Millionen von
Sensordaten müssen analysiert und interpretiert werden. Hochleistungsfähige Analysesysteme machen dabei Big Data transparent: Sie erkennen Zusammenhänge und ermöglichen eine proaktive Kommunikation
aller Subsysteme (Bild 8).
Die ständige Verfügbarkeit, Analyse und Korrelation aller Personen-, Maschinen- und Prozessdaten sind
die Basis von Bergbau 4.0. Das durchgängige EventLogging ermöglicht dabei maximal fundierte Störungsdiagnosen. Das System erhöht die Prognosefähigkeit
und erlaubt Reaktionen auf Prozessabweichungen in
Echtzeit. Ein weitgehendes Parametermanagement verleiht dem System zudem die notwendige Flexibilität. Es
ermöglicht die Implementierung weiterer funktionserweiternder Systemelemente – wie zum Beispiel Umfeld- und Zustandserfassungssysteme.
Das 3D-Streb-Controlsystem, das in verschiedenen
Hierarchie- und Kommunikationsebenen abläuft, ermöglicht aufeinander abgestimmte Steuerbefehle für
alle beteiligten Strebelemente. Dabei sorgt eine größtmögliche Autarkie und Redundanz – von der Sensortechnik hin bis zur Gesamtheit der lokalen Teilsysteme –
für maximale Betriebssicherheit des Systems.
Bergbau 4.0 in der Zugförderung
Ein weiteres Beispiel aus der Eickhoff-Gruppe ist die
untertägige Zugförderung der zur Unternehmensgruppe gehörenden Schalker Eisenhütte im Hartgesteinsbergbau. Hierbei handelt es sich vornehmlich um die
horizontale Förderung bei den Abbauverfahren Blockbruchbau (Block Caving) und Teilsohlenbruchbau
(Sublevel-Caving): Das Gestein wird hier mithilfe von
Ladern (LHDs) auf der Gewinnungssohle (Extraction
Level) in Rolllöcher (Ore-Passes) verbracht, an deren
Merchiers, Mavroudis und Pütz:
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Bergbau
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Bild 8: Funktionsweise des Strebreglers
unteren Enden, auf der Fördersohle (Haulage Level),
die Beladung der Lokomotiven erfolgt. Der Transport
führt dann zur Übergabestelle an die vertikale Förderung, d. h. nach über Tage (Bild 9).
Für dieses in sich abgeschlossene System hat die
Schalker Eisenhütte gemeinsam mit ihren Partnern
Nordic Minesteel (Be- und Entladung, Waggons mit
Bodenentleerung) und Bombardier Transportation
(Zugautomation) eine vollautomatische, mannlose
Lösung für Hochleistungsbergwerke entwickelt. Die
Gruben El Teniente (Codelco), Kiruna (LKAB) und
Grasberg (Freeport) setzen dieses System bereits erfolgreich ein. Insbesondere im Hinblick auf den Einsatz
mehrerer Lokomotiven lässt sich eine deutlich höhere
Fahrttaktung und damit Produktivitätssteigerung erzielen. Gleichzeitig ist es möglich, auf Rundkurse zu
verzichten und stattdessen Back-and-Forth-Operationen (Vor und Zurück-Operationen) zu realisieren. Die
Kosten für das Auffahren von Strecken können somit
signifikant reduziert werden [3].
Die Regelstrecke besteht in diesem Fall aus der
Kollaboration von Beladung, Zugtransport und Entladung. Analog zum Strebsystem im Kohlenbergbau sind
die einzelnen Elemente der Regelstrecke mit einer Vielzahl von Sensoren und Steuerungselementen ausgestattet. Diese ermöglichen es den Elementen sich selbst zu
optimieren; gleichzeitig ermöglichen sie jedoch auch,
in Interaktion miteinander zu treten.
Vereinfacht dargestellt sieht beispielsweise die
Selbstregelung des Elements Lokomotive wie folgt aus:
Über die verwendete Sensortechnik im Antriebsstrang
werden Zugkräfte, Leistungsverbrauch und Tempe-
raturen kontinuierlich erfasst, um entsprechend den
Regelgrößen Geschwindigkeit und Energieverbrauch
das Zugsystem – bestehend aus Lokomotive und Wagen – zu steuern [4].
Mit Blick auf die Kollaboration der einzelnen Elemente untereinander erfordert insbesondere der Entladevorgang einen großen Abstimmungsbedarf – in
diesem Fall zwischen Zug (Lok und Wagen) und der
Bodenentleerung. Bei diesem Entladesystem übernimmt ein externes Traktionsrollensystem den Antrieb
des Zugs im Bereich der Entladung. Lokomotive und
Wagen werden über einen Trichter geleitet; die Böden
der Wagen öffnen sich nach unten – geführt durch eine
Schiene (Bild 10). Die durch die Entleerung eines jeden
einzelnen Wagens auftretenden dynamischen Belastungen auf das Zugsystem müssen durch intelligente Steuerungsvorgänge des Traktionsrollensystems ausgeglichen
werden, sodass der Zug mit konstanter GeschwindigBild 9: Kollaboration im Zugfördersystem
Merchiers, Mavroudis und Pütz:
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Bergbau
Bild 10:Beispiel des vollautomatischen
Schalke-Zugfördersystems bei LKAB
keit den Bereich passieren kann und die Lokomotive
im Anschluss übergangslos und unterbrechungsfrei die
Weiterfahrt des Zugverbands übernehmen kann [5].
Die eigentliche Regelung – und damit das Lernende Element der 4.0-Architektur – kommt auf der Ebe-
ne des Gesamtsystems Zugförderung zum Tragen. Die
Vollautomatisierung des Systems sowie die sich dahinter verbergenden Regelungsalgorithmen ermöglichen
die Integration sowohl zustandsorientierter als auch
vergangenheitsbasierter Daten; entsprechend prognosefähig ist das System: Die Züge fahren die Beladestationen nicht nach einem vorgegebenen Muster ab, sondern reagieren auf Zustände in der Regelstrecke (z. B.
Warteschlange an der Entladestation) bei gleichzeitiger
Optimierung der Transportzyklen auf der Basis von
Prognosen. Es wird nicht nur analysiert, welche Beladestation bereit ist, sondern auch welche Beladestation
dann bereit sein wird, wenn der Zug dort eintrifft.
Ein Objekt-Controller im Zusammenspiel mit einem zentralen Zugkontrollzentrum bildet in diesem
System die Kommunikationsplattform zwischen der
Lokomotive und den Be- und Entladestationen. Die
Steuerung erfolgt über Weichen beziehungsweise Weichenantriebe (Point Machines) und die Signalisierung
(Bild 11). Dabei kontrolliert das System die Abstände
und die Einhaltung der Geschwindigkeit der Lokomotiven untereinander. Dazu ist die Fahrstrecke in
mehrere Bereiche eingeteilt, welche sich, abhängig von
Geschwindigkeit, Position und Bremswegen, flexibel
anpassen, um höchstmögliche Effizienz bei größtmöglicher Sicherheit zu gewährleisten.
Bild 11:Vereinfachtes Beispiel einer System-Architektur für ein Zugfördersystem
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www.georesources.net Merchiers, Mavroudis und Pütz:
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Bergbau
Um Kollisionen zwischen den Zügen zu verhindern,
überwacht die speicherprogrammierbare Steuerung
(SPS) des Zugautomatisierungssystems auf der Lokomotive den Abstand zwischen den Lokomotiven. Dazu
erhält jede Lokomotive mittels WLAN-Datenübertragung die Positionen aller anderen Lokomotiven. Die
Software in der SPS vergleicht kontinuierlich die eigene
Position mit der Position der anderen Lokomotiven. Ist
der vordefinierte Abstand zu gering, wird die Geschwindigkeit reduziert oder eine Zwangsbremsung eingeleitet. Parallel wird diese Überwachung auch direkt vom
Koordinationsrechner durchgeführt, da auch dort die
aktuelle Position jeder Lokomotive abgespeichert wird.
Während ein Objekt-Controller die Kollaboration
der Systemelemente regelt, übernimmt eine übergeordnete Speicherprogrammierbare Steuerung (Coordination PLC, Koordinationsrechner) die Steuerung
des Gesamtsystems. Hier laufen die Daten der unterschiedlichen Akteure zusammen. Dies sind zum einen
die klassischen Zustandsdaten:
▶▶ Wo befindet sich welcher Zug in welchem Zustand?
▶▶ Welche Beladestation ist aktiv?
▶▶ Was passiert an den Entladestationen?
Zum anderen bedient sich der Koordinationsrechner
aber auch der Vergangenheitsdaten: Unterschiede in
den Beladezeiten je Station sowie Ladezyklen der Batterien auf den Lokomotiven werden bei der Planung der
Transporte mit berücksichtigt. Zur Verbesserung der
Prognosegenauigkeit können zudem Parameter, die bisher starr im System hinterlegt sind, in Abhängigkeit der
jeweiligen Belastungssituation (z. B. Anzahl der im Einsatz befindlichen Lokomotiven und Beladestationen)
variabel in das Prognosemodell einfließen. Typischerweise sind dies Größen wie Übergabe- und Wartezeiten.
Fazit
Grundvoraussetzung bei diesen Beispielen wie auch bei
anderen Anwendungen ist ein hoher Umsetzungsgrad
bei den vorgestellten Reglervoraussetzungen, also die
Schaffung von Systemtransparenz, d. h. die Erfassung
und Speicherung aller das System und die Zustände beschreibenden Daten sowie deren zielgerichtete Auswer-
39
tung im Sinne von Korrelationsanalysen. Erst hierdurch
kann das tiefere Systemverständnis aufgebaut werden,
mittels dessen auch bei automatisierten Lösungen noch
Produktivitätsreserven gehoben werden können.
Die Potenziale zur Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Kostensenkung und signifikanter Steigerung der
Sicherheit in Bergwerksbetrieben sind Anlass und Motivation, die Thematik als wesentliche Leittechnologie
der Zukunft zu verfolgen. Mit den vorgestellten Systemen und Technologien ist der Gedanke Bergbau 4.0 bereits in leistungsfähiger und erprobter Verfahrens- und
Steuerungstechnik für hochbelastete Produktions- und
Fördersysteme realisiert worden. Im nächsten Schritt
steht nun die umfassende Vernetzung der komplexen
untertägigen Systeme sowie die kontinuierliche Optimierung der Leistungs- und Kostenfaktoren entlang der
bergmännischen Prozesskette Lösen-Laden-Fördern an.
Literatur:
[1] Nienhaus, K.; Mavroudis, F.; Hackelbörger, B.: Walzenlader Automation und Kommunikation – Ein Leitfaden
zum autonomen Walzenlader. Vortrag AIMS, RWTH
Aachen, 2009.
[2]Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie:
Multimodale
Sensorik-Konzepte
der
Umwelterkennung/-modellierung
[3] Bergstroem, R.; Sterner, T.; Nordstroem, T.: Heavy haul
1365 meter underground. IHHA meeting, Calgary,
2011.
[4] Merchiers, A.; Brudek, G.; Mackenzie, S.: The Renaissance of Underground Rail Haulage – Why upcoming
Mining Projects focus on this Hidden Champion. In:
Mineral Resources and Mine Development, Fifth Aachen International Mining Symposium, Aachen, 2015.
[5] Merchiers, A.; Brudek, G.; Dammers, M.: Advantages
and Applications of Rail Haulage Systems in Underground Hard Rock Mining Operations. In: Glückauf
Mining Report, Gesamtverband Steinkohle e. V., Herne,
2015.
[6] Merchiers, A.; Mavroudis, F.: Reaktion der EickhoffGruppe auf die Anforderungen von Industrie 4.0. Vortrag, Forum Bergbau 4.0, RWTH Aachen, 2015.
Merchiers, Mavroudis und Pütz:
Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau
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Bergbau
Prof. Dr.-Ing.
Andreas Merchiers
Dr.-Ing.
Fiona Mavroudis
hat ein Maschinenbaustudium sowie ein
wirtschaftswissenschaftliches Zusatzstudium absolviert.
Schwerpunktthemen seiner
beruflichen Laufbahn
bildeten stets die
Herausforderungen
produzierender Unternehmen: Die Umsetzung
des Lean-Gedankens entlang der Wertschöpfungskette, die Gestaltung von Produktions- und Logistikstrukturen sowie die Einführung und Weiterentwicklung von Industrie 4.0
Anwendungen im Maschinenbau/Bergbau.
Seine akademische Ausbildung hat Andreas
Merchiers an der RWTH Aachen mit der Promotion zum Dr.-Ing. abgeschlossen.
Andreas Merchiers ist heute Professor an der
Hochschule Bochum. Er lehrt und forscht im
Bereich Produktionsmanagement und
Technische Investitionsplanung. Zusätzlich ist er
als Industrieberater tätig.
ist Gruppenleiterin für
Sensortechnik und
Automation bei der
Eickhoff-Bergbautechnik GmbH.
Sie studierte und
promovierte an der
RWTH Aachen. Bereits
hier legte sie den
Schwerpunkt ihrer
wissenschaftlichen Arbeit auf die Themenbereiche Sensorik und Automation in der
Rohstoffindustrie.
Kontakt: [email protected]
Kontakt: [email protected]
Dr.-Ing.
Matthias Pütz
blickt auf eine 27-jährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen
des
untertägigen Bergbaus zurück, welche
1989 mit einer
Ausbildung bei der
RAG begann. Sein
spezielles Fachgebiet war hier die Automatisierung des Schildausbaus. Weitere Schritte im Berufsleben waren
der Vertrieb und die Projektleitung komplexer
Steuerungssysteme für den Schildausbau bei
der Marco Systemanalyse und Entwicklung
GmbH. Seit 10 Jahren ist Matthias Pütz nun in der
Unternehmensgruppe Eickhoff tätig, im Bereich
Vertrieb Walzenlader und Continuous Miner, seit
Juni 2014 im Bereich Bergbau- und Tunnellokomotiven des Eickhoff-Unternehmens
Schalker Eisenhütte Maschinenfabrik GmbH.
Kontakt: [email protected]
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Merchiers, Mavroudis und Pütz:
Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau
Bergbau – Ideenwerkstatt
41
Der Bergbau endet nicht mit der Kohle!
Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand
Peter von Hartlieb, Netzwerk Bergbauwirtschaft, EnergieAgentur.NRW, Düsseldorf, Deutschland
Motivation
Bis zum endgültigen Ausstieg aus der subventionierten untertägigen deutschen Steinkohlenförderung im
Jahr 2018 ist nicht mehr viel Zeit. Zudem kommen die
deutschen Tagebaue der Braunkohleproduzenten mehr
und mehr unter Druck. Diese Veränderungen sind insbesondere für bisher steinkohleorientierte Bergbauzulieferer und -dienstleister in Nordrhein-Westfalen mit
ihrer langjährigen Tradition und wertvollen Expertise
eine große Herausforderung. Zum Erhalt von Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen sind Kreativität und
zukunftsträchtige neue Ideen, Strategien und Partner
zu ihrer Umsetzung gefragt. Diesen Zielen dient das
Netzwerk Bergbauwirtschaft der EnergieAgentur.
NRW (EA/NW Bbw). Der Austausch im Netzwerk
fördert die Entwicklung von Ideen und nutzt Synergien
zu ihrer Umsetzung.
Im vergangenen Jahr befassten sich die Koordinatoren und Mitglieder des Netzwerks insbesondere mit
den traditionellen globalen Kohlenmärkten [1] – also
dem geografischen Blick über den Tellerrand (Bild 1).
Das Jahr 2016 steht nun unter dem Leitmotto: „Alternative Märkte, alternative Absatzgebiete“ – also dem
fachlichen Blick über den Tellerrand. Dieser Beitrag
möchte daher zum Querdenken und interdisziplären
Austausch zwischen den Fachgebieten Bergbau, Tunnelbau und Geotechnik anregen.
Das Netzwerk Bergbauwirtschaft in NRW wagt mit
seinen in der Vergangenheit sehr steinkohleorientierten Mitgliedern den Blick über den eigenen
Tellerrand. Nach einer geografischen Erweiterung
des Blickwinkels auf die globalen Kohlenmärkte
im vergangenen Jahr sind in diesem Jahr alternative Märkte und Fachgebiete im Fokus. Dieser
Beitrag möchte daher zum Querdenken und zum
interdisziplinären Austausch anregen, um neue
Geschäftsideen zu entwickeln.
Bergbau • Tunnelbau • Geotechnik •
Networking • Marktentwicklung • Land NRW •
International
Gemeinsamkeiten zwischen Bergbau,
Tunnelbau und Geotechnik
Fließende Grenzen
Die Fach- bzw. Arbeitsgebiete Bergbau, Tunnelbau und
Geotechnik haben gemeinsame Wurzeln, fließende
Grenzen und überraschend viele Überlappungen. Oft
wird der Bergbau in Deutschland – unterstützt durch
die Medien und direkt Betroffenen – gedanklich auf den
Bereich unter Tage und Steinkohle beschränkt. Bergbau
ist aber deutlich mehr und auch in Deutschland nicht am
Bild 1: Netzwerk Bergbauwirtschaft in NRW nahm im Jahr 2015 Kontakt mit den traditionellen internationalen
Kohlenmärkten auf
Von Hartlieb:
Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net
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Bergbau – Ideenwerkstatt
Bild 2: NRW-Gemeinschaftsstand auf der bauma 2016 in München
Bild 3: Ventilatoren und Entstaubungsanlagen für australisches Tunnelprojekt
Quelle: CFT GmbH Compact Filter Technic
Bild 4: Windenanlage von Siemag-Tecberg im Gotthard-Basistunnel
Quelle: Deilmann-Haniel GmbH
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Ende. Ein aktueller Bericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat dazu Erstaunliches
„zu Tage“ gebracht [2, 3]. Über 40 verschiedene Rohstoffe werden nämlich in Deutschland gewonnen. Diese
heimischen mineralischen Roh- und Energierohstoffe
sind eine wichtige Grundlage für die wirtschaftliche
Wertschöpfung in Deutschland. Der Anteil von zurzeit
noch 6 Mio. t Jahresförderung im Steinkohlenbergbau
ist nur ein kleiner und bescheidener Anteil davon.
Besucher und Aussteller der bauma im April dieses
Jahres in München konnten beobachten, dass viele Unternehmen nicht nur im Bergbau, nur im Tunnelbau
oder nur in der Geotechnik, sondern in zwei oder drei
dieser Bereiche tätig sind. So gab es in der klassischen
„Bergbauhalle“ auch interessante Informationen für
den Tunnelbau und die Geotechnik – auch bei Ausstellern am NRW-Gemeinschaftsstand (Bild 2).
Die Beilage „Market Place 1.0“ in der GeoResources
Zeitschrift 1 | 2016 enthält eine Matrix mit 80 Unternehmen oder Institutionen, von denen etwa 30 % die
Branchen Bergbau und Tunnelbau, 5 % die Branchen
Bergbau und Geotechnik und 10 % alle drei Branchen
als eigenes Tätigkeitsgebiet angeben. Die Angaben beruhen sicher noch nicht auf einer repräsentativen Stichprobe für die Branchen, zeigen aber doch den Trend,
dass es viele Verbindungen zwischen den drei Bereichen
gibt und die größte gemeinsame Schnittmenge zwischen dem Berg- und Tunnelbau liegt. Zu beachten ist
allerdings auch, dass die Trennschärfe zwischen Tunnelbau und Geotechnik auch nicht ganz eindeutig ist. In
der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e. V. gibt es
eine Fachsektion Tunnelbau, wobei der Tunnelbau auch
Bereiche hat, die eher nicht zur Geotechnik zählen.
Anwendungsbeispiele für gelungenenes
interdisziplinäres Zusammenwirken
Eine exemplarische Auswahl von Anwendungsbeispielen soll zeigen, dass durch interdisziplinäre Zusammenarbeit interessante Lösungen mit einem Mehrwert für
die Beteiligten entwickelt werden können:
▶▶ Bohr- und Sprengtechnik: Erfahrungen aus dem
Bergbau können auch im bergmännischen Tunnelbau genutzt werden, wie beispielsweise beim Auftreten von Methangas beim Vortrieb des Scheibengipfeltunnels in Reutlingen [4].
▶▶ Tunnelbelüftung: Für den untertägigen Bergbau
entwickelte Ventilatoren und Entstaubungsanlagen
finden Anwendung im Tunnelbau, wie beispielsweise im australischen Tunnelgroßprojekt „NorthConnex“ (Bild 3).
▶▶ Schachtbau und Schachtfördertechnik: Beim
Bau besonders langer und tiefliegender Tunnel, wie
dem gerade eingeweihten Gotthard-Basistunnel in
der Schweiz (Bild 4), werden die im Bergbau gesammelten Erfahrungen des Schachtbaus und der
Schachtförderung sowie der Wetterkühlung genutzt [5, 6, 7].
▶▶ Tunnelsanierung unter Betrieb: Bei der Aufweitung von Eisanbahntunneln der Deutschen Bahn
Von Hartlieb:
Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand
Bergbau – Ideenwerkstatt
▶▶
▶▶
▶▶
▶▶
AG unter Betrieb wurden erfolgreich Tunnelvortriebsportale genutzt, um die Ausbrucharbeiten bei
laufendem Bahnbetrieb zu ermöglichen, beispielsweise im Frauenberger Tunnel [8] und im Jähroder
Tunnel (Bild 5). Ein solches Tunnelvortriebsportal
wurde von einem Zulieferer unter Nutzung seiner
im Bergbau gewonnenen Erfahrung entwickelt.
Tunnel-/Schrägschachtbau mit großer Längsneigung: Für die Auffahrung von Schrägschächten für Rolltreppen in Londoner U-Bahnstationen
wurde ein an Schienen aufgehängter sogenannter
Excavator (Bild 6) mit einem Arm für die Befestigung eines Reißlöffels, eines Hydraulikhammers
oder eines Arbeitskorbs entwickelt und nach erstmaliger erfolgreicher Anwendung gleich mehrfach
preisgekrönt. Auch diese Entwicklung nutzte die
Erfahrungen aus dem untertägigen Bergbau.
Zugangstunnel/Schrägschächte für Bergwerke:
Für neue Bergwerke sind häufig lange Zugangswege erforderlich. Für solche Zugangsstunnel bzw.
Schrägschächte werden auch erfolgreich und wirtschaftlich Tunnelvortriebsmaschinen (Bild 7) und
damit Know-how aus dem Tunnelbau im Bergbau
eingesetzt, beispielsweise in Grosvenor [9].
Tunnelwehr: Da die Feuerwehren in Deutschlandüberwiegend nicht für untertägige Einsätze qualifiziert und ausgerüstet sind, wird damit begonnen,
Tunnelwehren zu bilden – beispielsweise beim Alb­
abstiegstunnel [10]. Dazu werden die langjährigen
Erfahrungen mit Grubenwehren aus dem Bergbau
genutzt.
Tailings: Zur zuverlässigen Abdichtung von Tailings werden in der Geotechnik erprobte Systeme
mit Geokunststoffen und Nachweismethoden aus
der Geotechnik genutzt [11].
Mögliche Einsatzbereiche für BergbauKnow-how in Tunnelbau und Geotechnik
43
Bild 5: Tunnelvortriebsportal zur Aufweitung des Jähroder Tunnels
der Deutschen Bahn AG
Quelle: GTA
▶▶ Umweltschutz
▶▶ BIM und Mining 4.0
Zugang zu Infrastrukturprojekten mit
Potenzial
Marktaussichten im Bereich des
­unterirdischen Bauens
In Deutschland und international besteht ein großer
Bedarf an Infrastruktur im Verkehrssektor, im Bereich
der Energieversorgung, der Deponierung einschließlich
Bild 6: Excavator für Auffahrung von Schrägschächten für Rolltreppen
in U-Bahnstationen
Quelle: GTA
Folgende Bereiche bieten Potenzial für die Einbringung von Know-how aus dem Bergbau in den Tunnelbau und die Geotechnik und gemeinsame Entwicklungen:
▶▶ Bohr- und Sprengtechnik für bergmännischen
Tunnelbau
▶▶ Tunnelbelüftung und -klimatisierung
▶▶ Schachtbau
▶▶ Fördertechnik
▶▶ Optimierung des Arbeitsablaufs im bergmännischen Tunnelbau durch innovative Geräte
▶▶ Tunnelsanierung
▶▶ Schrägschachtbau
▶▶ Brandschutz und Tunnelwehr
▶▶ Deponiegasbehandlung
▶▶ Recycling von mineralischen Baustoffen
▶▶ Kavernen und Endlagerung
▶▶ Verbesserung der Arbeitssicherheit
▶▶ Vorbeugende Maßnahmen zur Betriebssicherheit
im Zusammenhang mit der Zunahme von Hochwasserereignissen durch den Klimawandel
Von Hartlieb:
Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
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Bergbau – Ideenwerkstatt
Bild 7: Einsatz einer Tunnelvortriebsmaschine für Schrägschächte in australischem Steinkohlenbergwerk Grosvenor
Quelle: The Robbins Company
Endlagerung. Durch die Urbanisierung sind insbesondere in innerstädtischen Bereichen von Megastädten
innovative Verkehrskonzepte gefragt und erhebliche
Investitionen in unterirdische Verkehrsbauten zu erwarten. Im Bereich von Neubau- und Sanierungsprojekten sind nachhaltige umweltverträgliche, effiziente
und preiswerte Lösungen gefragt, die Akzeptanz in der
Bevölkerung finden – eine große Herausforderung für
alle Beteiligten. Verbesserungen im gesamten Lebenszyklus von der Planung über die Bau- bis zur Betriebsphase sind erwünscht. Sie betreffen die Zusammenarbeit,
innovative Baustoffe und Technologien, modifizierte
qualitätsorientierte Bauprozesse, Verbesserungen in der
Arbeitssicherheit sowie neue automatisierte Techniken
zur Überwachung, zur Inspektion und zur Instandsetzung. Die „Reformkommission Großprojekte“ gibt in
ihrem Abschlussbericht interessante Hinweise dazu
[12].
Seit mehr als 35 Jahren führt die STUVA eine
Statistik zum Tunnelbau in Deutschland und veröffentlicht jährlich die aktualisierten Daten mit Analyse
und Ausblick zu laufenden und geplanten Bauvorhaben
[13]. Der Bundesverkehrswegeplan [14] gibt Hinweise
zu den geplanten Projekten und Investitionssummen in
Deutschland. In anderen Ländern gibt es in der Regel
entsprechende Investitionspläne. Der Sachstandsbericht 2015 des STUVA-Arbeitskreises „Tunnelinstandsetzung Straße“ gibt einen guten Überblick zu den Verfahren für die Instandsetzung sowie zur Nachrüstung
und Erneuerung in den DACH-Ländern [15, 16].
Es führt im übrigen kein Weg daran vorbei, den
Markt zu beobachten und im Blick zu behalten, also
die Bekanntmachungen und Vergabeportale der jeweils
zuständigen Ministerien, der Verkehrsgesellschaften für
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net öffentliche Verkehrsmittel und der ausschreibenden
Stellen für den Straßenbau oder der jeweiligen Energieversorger.
Marktzugang
Bei Großprojekten werden die Aufträge in der Regel
nach einer Präqualifikationsphase an ARGEN bzw.
Joint Ventures erteilt, die wiederum im Nachgang
Zulieferer beauftragen. Auch unterschiedliche Betreibermodelle kommen zur Anwendung, bei denen
nicht nur der Bau eines Infrastrukturprojekts vergeben wird.
Zur Einhaltung der nach dem jeweiligen Baurecht
relevanten Vorschriften und Regelwerke ist es erforderlich, sich damit zu beschäftigen. Dasselbe gilt für die
Vertragsbedingungen, die sehr stark variieren können.
In Deutschland gibt es beispielsweise bisher kaum partnerschaftliche Verträge, was sich aber in naher Zukunft
voraussichtlich ändern soll.
Um als Zulieferer oder Spezialdienstleister Zugang
zum Markt zu finden, ist der rechtzeitige Austausch
mit potenziellen Auftraggebern ausschlaggebend. Für
den Bau des Fehmarnbelttunnels wurden beispielsweise
schon vor der Vergabe an bietende ARGEN direkt von
Femern AS Leitfäden für Subunternehmer und Zulieferer veröffentlicht und ein Marktportal eingerichtet,
in dem Zulieferer ihre Produkte und Dienstleistungen
anbieten können (Bild 8). Insbesondere wenn die Produkte und Dienstleistungen für die Angebotsabgabe
des potenziellen Auftraggebers relevant sind, ist eine
Zuarbeit für die Einbindung des eigenen innovativen
Lösungsanteils – gegebenenfalls gemeinsam mit Kooperationspartnern – in der Projektierungsphase von
Vorteil oder notwendig.
Von Hartlieb:
Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand
Bergbau – Ideenwerkstatt
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Nützliche Organisationen
Im Infokasten ist eine Auswahl von Organisationen
zusammengestellt, die für den fachübergreifenden Austausch, die Entwicklung von Geschäftsideen und deren
Umsetzung nützlich sein können. Das sind einerseits
Organisationen, mit denen das Netzwerk Bergbauwirtschaft bereits konkret kooperiert, und andererseits weitere Organisationen, die für den fachübergreifenden
Austausch mit den Fachgebieten Tunnelbau und Geotechnik interessant sein können.
Das Netzwerk Bergbauwirtschaft unterstützt Unternehmen auf ausgewählten Auslandsmärkten zusammen mit den Kompetenzzentren Bergbau und Rohstoffe der Auslandshandelskammern (Kanada, Peru,
Chile, Brasilien, Australien, Südafrika) und weiteren
Akteuren, wie dem VDMA Mining, der Fachvereinigung Auslandsbergbau (FAB) oder der DERA (Deutsche Rohstoffagentur), bei der Bewertung, Anbahnung
und gegebenenfalls anschließenden Anschubkoordination neuer Projekte. Synergieeffekte durch Bündelung
des fachlichen Know-hows und der Kenntnisse über
die Zielmärkte mit ihren Besonderheiten und Aufteilung der Arbeit im jeweiligen Team tragen zur Effizienz
und damit zur Kostenreduktion bei. Das Netzwerk bietet eine Gesprächsplattform zur Bildung von Allianzen.
Ausblick
Als Koordinatoren des Netzwerks Bergbauwirtschaft
möchten wir den Austausch intensiv fortsetzen und
konkret werden. Mit wem möchten wir sprechen
oder in unseren Fachgruppen arbeiten? Natürlich mit
unseren Mitgliedern, aber auch mit Vertretern von
Unternehmen, die noch Mitglied werden möchten,
und mit Vertretern aus den Branchen Tunnelbau und
Geotechnik, die uns den Blick über den Tellerrand in
ihren Bereich ermöglichen und etwas von uns erfahren
möchten.
Im vergangenen Jahr, dem ersten aktiven Jahr unseres Netzwerks haben wir mit unseren Mitgliedern
schon vieles angeschoben. Auch politische Unterstützung haben wir auf Delegationsreisen erfahren. Nun
gilt es jedoch, konkrete Allianzen zu bilden, wobei uns
flankierend verschiedene Organisationen im In- und
Ausland unterstützen. Und für den interdisziplinären
Austausch mit Tunnelbauern ist ein Panel zum Thema
„Tunnelbau/konstruktiver Ingenieurbau“ in Vorbereitung.
Bild 8: Leitfaden für Zulieferer
Quelle: Femern AS
[4] Schälicke, H.: Scheibengipfeltunnel Reutlingen – Tunnelvortrieb im Braunjura. GeoResources Zeitschrift
1 | 2014, S. 23-32s
[5] Flender, M.: Gotthard-Basistunnel: Die Schachtförderanlagen von Sedrun – Teil 1: Rohbauphase. GeoResources Zeitschrift 1 | 2015, S. 25-34. http://www.georesources.net/download/GeoResources-Zeitschrift-1-2015.
pdf
[6] Flender, M.: Gotthard-Basistunnel: Die Schachtförderanlagen von Sedrun – Teil 2: Umrüstungs- und Betriebsphase. GeoResources Zeitschrift 2 | 2015, S. 27-39.
http://www.georesources.net/download/GeoResources-Zeitschrift-2-2015.pdf
[7] Schöneshöfer, M.; Ahlbrecht, T.: Gotthard-Basistunnel:
Planung und Ausführung der Einbauten für den Schacht
Sedrun I. GeoResources Zeitschrift 2 | 2015, S. 40-50.
http://www.georesources.net/download/GeoResources-Zeitschrift-2-2015.pdf
[8] Simon, S.: Erneuerung bestehender Eisenbahntunnel bei
der DB AG. Taschenbuch für den Tunnelbau 2012, 36.
Jahrgang, VGE Verlage, Essen, 2011
Bild 9: Netzwerk Bergbauwirtschaft engagiert sich beim bauma-Forum
Quelle: Messe München
Quellen
[1] v. Hartlieb-Wallthor, P.: Globale Bergbaumärkte – Länderreports des Netzwerkes Berbauwirtschaft. Sonderausgabe . Sonderausgabe Bergbau, 2015
[2] Elsner, H.: Bergbau in Deuschland immer noch sehr aktiv. GeoResources Zeitschrift 1 | 2016, S. 11.
[3] Elsner, H.; Schmitz, M.: Rohstoffgewinnung in
Deutschland – von tiefen Löchern und kleinen Flittern.
Commodity TopNews 48, BGR, Februar 2016. Link:
http//www.bgr.bund.de
Von Hartlieb:
Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
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Bergbau – Ideenwerkstatt
[9] Stone, L.; Willis, D.: Innovativer Crossover TVM-Vortrieb auf dem Steinkohlenbergwerk Grosvenor in Aus­
tralien. GeoResources Zeitschrift 3 | 2015, S. 28-34
[10] Behr, A.; Rauscher, M.: Albabstieg: Tunnelwehr ist einsatzbereit! Geotechnik Zeitschrift 3 | 2015, S. 23-27
[11] Sost, E.; Tarnowski, C.: Abdichtungen im Bergbau in
Afrika. 32. Fachtagung „Die sichere Deponie“ Sicherung von Deponien und Altlasten mit Kunststoffen,
SKZ, 2015, S. 115-132
[12] Bundeministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Reformkommission Bau von Großprojekten –
Komplexität beherrschen – kostengerecht, termintreu
und effizient. Endbericht. 2015, www.bmwi.de
[13]Schäfer, M.: Tunnelbau in Deutschland: Statistik
2014/2015, Analyse und Ausblick. Tunnel, 8/2015,
S. 22-33 und zusätzliche Detailtabellen (www.stuva.de)
[14] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Bundesverkehrswegeplan 2030. www.bmvi.de
[15] Eder, M.; Heimbecher, F.; Koch, F.; Haack, A.: Sachstandsbericht 2015 des STUVA-Arbeitskreises „Tun­
nel­instand­setzung Straße“. STUVA-Tagung 2015, Forschung + Praxis 46, S. 228-34.
[16] ASFINAG, Wien (A); ASTRA, Bern (CH); STUVA,
Köln (D) (Federführung): Sachstandsbericht 2015 „Instandsetzung von Straßentunneln“. Forschung +Praxis
47, Ernst & Sohn, 2015
Übersicht nützlicher Organisationen mit Links
▶▶
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▶▶
▶▶
▶▶
Netzwerk Bergbauwirtschaft der Energieagentur NRW (EA/NW Bbw): www.energieagentur.nrw
VDMA Mining: http://mining.vdma.org/home
FAB Fachvereingigung Auslandsbergbau und Internationale Rohstoffaktivitäten in der VRB: www.consulting-fab.de
Verband der Bergbauzulieferindustrie e. V.: www.foerderverein-bergbauzulieferer.de
DERA Deutsche Rohstoffagentur in der BGR: www.deutsche-rohstoffagentur.de
Kompetenzzentren Bergbau und Rohstoffe der Auslandshandelkammern in Australien, Brasilien, Chile, Kanada, Peru und
Südafrika:
http://australien.ahk.de/industriefokus/kompetenzzentrum-bergbau-und-rohstoffe/
E-Mail: [email protected]
http://chile.ahk.de/alt/business-center/kompetenzzentrum-bergbau-rohstoffe/
http://peru.ahk.de/
http://kanada.ahk.de/kontakt/
http://suedafrika.ahk.de/kompetenzzentrum/bergbau-rohstoffe/
▶▶ Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen e. V. (DAUB): ­www.daub-ita.de
▶▶ Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e. V. (DGGT): www.dggt.de
▶▶ International Tunnelling Association ITA: https://www.ita-aites.org/en/
Peter
von HartliebWallthor
ist Bereichsleiter
Bergbauwirtschaft
der Energieagentur.
NRW in Düsseldorf
in Deutschland und
gestaltet in dieser
Funktion aktiv den
Austausch im Netzwerk Bergbauwirtschaft mit, wie beispielsweise auf der bauma auf
dem Gemeinschaftsstand NRW und beim baumaForum (Bild 9). In diesem Jahr liegt der Fokus
insbesondere im fachübergreifenden Austausch
der Netzwerkmitglieder mit Fachleuten aus den
Bereichen Tunnelbau und Geotechnik.
Kontakt:
Tel. +49 211 210 944 16
[email protected]
www.energieagentur.nrw
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Von Hartlieb:
Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand
Bergbau und Tunnelbau
47
Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem
„Pressure Exchange System“
Dr. Jens H. Utsch, Siemag Tecberg GmbH, Haiger, Deutschland
Einleitung
Die Eröffnung des neuen Gotthard-Basistunnels am
1. Juni 2016 ist für das deutsche Unternehmen für
Bergbautechnik Siemag Tecberg Anlass, auf ein äußerst
interessantes Bauvorhaben zurückzublicken. Im Rahmen dieses Projekts wurden Anlagen und Konstruktionen der Schachtfördertechnik von Siemag Tecberg
geliefert und die Schachtförderanlage zur Versorgung
des mittleren Abschnitts der Tunnelbaustelle während
der gesamten Bauzeit betrieben [1, 2].
Darüber hinaus war das Unternehmen mit einer
sehr interessanten technischen Lösung am untertägigen
Kühlsystem beteiligt. An zentraler Stelle der Anlage
zur Kühlung der Tunnelbaustelle kam ein sogenanntes
Pressure Exchange System (P.E.S.) der Siemag Tecberg
zum Einsatz [3]. Funktionsweise und Bedeutung des
patentierten Systems als wesentliche Komponente einer Untertagekühlung mit zentraler übertägiger Kühlanlage werden in diesem Artikel beschrieben.
Herausforderung Bergbau
Die Entwicklung des Bergbaus ist zum einen durch
das Vordringen in zunehmend größere Tiefen gekennzeichnet und zum anderen durch die Intensivierung
des Maschineneinsatzes. Beide Entwicklungen ziehen
steigende Anforderungen an Kühlung und Lüftung der
Bergwerke nach sich.
Auch in Regionen, in denen über Tage extrem tiefe Temperaturen herrschen, können unter Tage hohe
Gebirgstemperaturen von 50 °C und mehr auftreten.
Doch auch bei geringeren Gebirgstemperaturen von
weniger als 30 °C können dennoch – auch lokal – höhere Temperaturen zum Beispiel durch den Betrieb von
Maschinen entstehen, welche eine Klimatisierung erforderlich machen.
So wie die Schachtförderanlage als Hauptschlagader eines Bergwerks zu verstehen ist, kommt auch der
Klimatisierung zentrale Bedeutung für den Betrieb des
Bergwerks zu. So sind Kühlung und Lüftung nicht allein eine Frage der allein schon bedeutenden Arbeitseffizienz, sondern bei entsprechenden Bedingungen auch
des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes.
Das Konzept der zentralen
übertägigen Kühlung
Zur Kühlung eines Bergwerks sind verschiedene Konzepte denkbar. Die Kälteerzeugung ist grundsätzlich
sowohl über als auch unter Tage möglich.
Kühlanlagen mit untertägigen Kältemaschinen
sind durch verschiedene Nachteile gegenüber zentra-
Das „Pressure Exchange System“ (P.E.S.) ist eine
technische Komponente, die bei Anlagen zur
Kühlung unter Tage an zentraler Stelle zum Einsatz kommt. Das System bildet die Schnittstelle
zwischen den beiden Kreisläufen einer Kühlung
– dem Primärkreislauf, der die übertägigen Anlagenteile der Kühlung mit dem untertägigen
P.E.S. verbindet, und dem untertägigen Sekundärkreislauf, der das P.E.S. mit den Verbrauchern
(Kühlern) verbindet. Die für die Effizienz einer
Kühlanlage bedeutende Funktion der Temperaturübertragung zwischen den Kreisläufen wird
vom P.E.S. in besonderer Weise erfüllt. Die Arbeitsweise und die damit verbundenen Vorzüge des
Systems werden in dem Artikel dargestellt.
Bergbau • Tunnelbau • Wetterkühlung •
Equipment • Effizienz
len Kälteanlagen über Tage gekennzeichnet. So sind
für die Aufstellung von Kältemaschinen unter Tage
ggf. zusätzliche Kavernen erforderlich. Wartung und
Reparatur sind aufwändiger als bei über Tage aufgestellten Kältemaschinen. Verschmutzungen, für die
untertägige Kältemaschinen anfällig sind, mindern deren Wirkungsgrad. Da für untertägige Kältemaschinen
die Rückkühlung über Tage erfolgt, entsteht durch die
Schachtleitungen, über die das erwärmte Wasser hierzu
nach über Tage gefördert wird, ein hoher Wärmeeintrag, der wiederum eine insgesamt höhere erforderliche Kühlleistung nach sich zieht. Hinzu kommt, dass
untertägige Kältemaschinen mit Schlagwetterschutz
auszurüsten sind. Die Kälteerzeugung in einer zentralen
übertägigen Kälteanlage hingegen gleicht diese Nachteile aus.
Bei einer zentralen übertägigen Kälteanlage wird das
von der Kälteanlage (Kältemaschine und Rückkühlung)
erzeugte Kaltwasser über den Vorlauf eines sogenannten „Primärkreislaufs“ nach unter Tage geleitet, um dort
die „gespeicherte Kälte abzugeben“; über den Rücklauf
des Primärkreislaufs gelangt das erwärmte Wasser von
unter Tage zurück zur übertägigen Kälteanlage, um wieder abgekühlt zu werden. Die Temperaturabgabe unter
Tage erfolgt an den sogenannten „Sekundärkreislauf “,
der – getrennt vom Primärkreislauf – unter Tage zirkuliert und das infolge des Temperaturtauschs abgekühlte
Wasser (Kaltwasser) zu den Kühlern vor Ort transportiert. Dort wird die Luft auf Zieltemperatur abgekühlt.
Nach dem dort erfolgten Temperaturaustausch (zwischen Wasser und Luft) strömt das Warmwasser zurück,
Utsch:
Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net
48
Bergbau und Tunnelbau
getauscht; vielmehr wird das von über Tage zugeführte
Kaltwasser gegen das von unter Tage zugeführte Warmwasser getauscht. Das Kaltwasser gelangt dann über
den Sekundärkreislauf zu den Verbrauchern und das
Warmwasser über den Primärkreislauf zurück zur übertägigen Kälteanlage. Das Prinzip des P.E.S. entspricht
dem einer Druckschleuse. Aufbau und Funktionsweise
des P.E.S. werden im Weiteren detailliert erläutert.
Das Bild 1 zeigt schematisch das Prinzip der zentralen übertägigen Kühlanlage mit einem P.E.S. an der
Schnittstelle zwischen dem Primär- und dem Sekundärkreislauf. Beim konventionellen Konzept wird diese
Schnittstelle z. B. von einem Hochdruck-NiederdruckWärmetauscher gebildet.
Bild 1: Zentrale Kühlanlage mit einem P.E.S.
Aufbau und Funktionsweise
des „Pressure Exchange Systems“
Quelle: Siemag Tecberg GmbH
wiederum zum Temperaturaustausch mit dem Primärkreislauf.
Konventionelles Kühlungskonzept
Bei konventionellen Konzepten strömen die beiden
Kreisläufe in einem Wärmeübertrager (z. B. Hochdruck-Niederdruck-Wärmetauscher) aneinander entlang und tauschen die Temperatur/den Energieinhalt
aus; d. h., das über den Primärkreislauf zugeführte Kaltwasser „gibt die Kälte“ an den Sekundärkreislauf ab,
nimmt dabei Wärme auf und strömt als Warmwasser
zurück zur übertägigen Kälteanlage. Währenddessen
wird das über den Rücklauf des Sekundärkreislaufs zugeführte Warmwasser durch den Temperaturaustausch
abgekühlt und strömt als Kaltwasser zu den Verbrauchern (Kühlern). Die beiden Kreisläufe sind voneinander getrennt und werden im Wärmeübertrager derart aneinander vorbeigeführt, dass ein Temperaturaustausch erfolgt.
Progressives Kühlungskonzept
Anders beim progressiven Konzept mit einem P.E.S.
Vom P.E.S. wird nicht nur die Temperatur (Energie)
Bild 2: Anschluss der drei Rohrkammern an die senkrechten Verteilerrohre
Quelle: Siemag Tecberg GmbH
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Das Pressure Exchange System wurde unter der deutschen Bezeichnung „Dreikammerrohraufgeber“ entwickelt. In dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck,
dass ein P.E.S. im Wesentlichen aus drei waagerecht
angeordneten Rohren beziehungsweise Rohrkammern
besteht, an deren beiden Mündungen jeweils zwei senkrecht angeordnete Verteilerrohre angeschlossen sind
(Bild 2). Über eines dieser senkrechten Verteilerrohre
sind alle drei Rohrkammern mit dem Primärkreislauf
verbunden, über das andere mit dem Sekundärkreislauf.
Ventile an den Übergängen zu den Verteilerrohren dienen dazu, die einzelne Rohrkammer jeweils entweder
dem Primärkreislauf zuzuschalten oder dem Sekundärkreislauf.
Während des Betriebs wechselt jede Rohrkammer
von Prozessschritt zu Prozessschritt zwischen den folgenden drei Betriebszuständen:
(A)Füllen mit Kaltwasser und Fördern des Warmwassers nach über Tage über den Primärkreislauf
(B)Druckausgleich der mit Kaltwasser aus dem Primärkreislauf gefüllten Kammer
(C)Füllen mit Warmwasser und Fördern des Kaltwassers unter Tage über den Sekundärkreislauf
Ist eine Rohrkammer über entsprechende Ventilstellung dem Primärkreislauf zugeschaltet (Kammer A
im Bild 3), so wird sie über diesen Kreislauf mit Kaltwasser von der übertägigen Kälteanlage gefüllt. Das im
vorherigen Prozessschritt in diese Kammer eingeströmte Warmwasser wird gleichsam durch das nun einströmende Kaltwasser verdrängt und über den Rücklauf
des Primärkreislaufs nach über Tage zur Kälteanlage
gefördert. Die Zu-Tage-Förderung des Warmwassers
erfolgt nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren: Durch das über den Vorlauf in die Rohrkammer
einströmende Kaltwasser herrscht in der Rohrkammer
ein hoher hydrostatischer Druck, der sich aus dem Höhenunterschied zwischen der übertägigen Kühlanlage
und dem untertägigen P.E.S. ergibt und die Förderung
des Warmwassers nach über Tage bewirkt. Diese Förderleistung wird allenfalls durch geringe Rohrreibungsverluste gemindert. Aufgrund des im Primärkreislauf
Utsch:
Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“
Bergbau und Tunnelbau
herrschenden hohen Drucks wird dieser Kreislauf auch
als Hochdruckkreislauf bezeichnet.
Das P.E.S. als Schnittstelle zwischen den beiden
Kreisläufen verbindet diese einerseits miteinander,
ermöglicht andererseits, die beiden Kreisläufe mit unterschiedlich großen Drücken zu betreiben. Der dazu
erforderliche Druckausgleich erfolgt im Betriebszustand B.
Während sich eine Rohrkammer im Zustand A befindet, sind bei einer zweiten Rohrkammer, die zuvor
mit Kaltwasser gefüllt wurde, im Betriebszustand B
die Hauptventile geschlossen. Lediglich kleinere Ventile, durch welche die Rohrkammer über Bypassleitungen mit dem Sekundärkreislauf verbunden ist,
sind geöffnet. Dadurch wird der hohe Druck aus dem
zuvor durchlaufenen Prozessschritt (Einströmen des
Kaltwassers von über Tage) abgebaut. Dieser Druckausgleich ist notwendig. So wird Druckstößen und
dadurch zu erwartenden Schäden in den Rohrleitungen vorgebeugt. Mit diesen wäre zu rechnen, wenn die
Hauptventile zum Niederdruckkreislauf ohne Druckausgleich geöffnet würden und der hohe Druck in der
mit Kaltwasser gefüllten Rohrkammer schlagartig auf
den weitaus geringeren Druck in der Rohrleitung des
Sekundärkreislaufs treffen würde.
Die dritte Kammer ist währenddessen dem Sekundärkreislauf zugeschaltet (Betriebszustand C), über den
mithilfe einer Pumpe das nach dem Druckausgleich
im Prozessschritt zuvor in der Rohrkammer bereitstehende Kaltwasser zu den Kühlern (Verbrauchern) in
der Strecke geleitet wird. Über die Kreislaufwirkung
strömt gleichzeitig das im Prozessschritt zuvor infolge
„Temperaturabgabe“ an die Kühler erwärmte Wasser
zurück in die Rohrkammer.
In diesem Sinne wird jede Rohrkammer von Prozessschritt zu Prozessschritt durch entsprechende Ventilstellung von einem Zustand in den nächsten versetzt
und durchläuft nacheinander alle drei Betriebszustände. Durch die Arbeit mit drei Rohrkammern wird die
anhaltende Zirkulation in beiden Kreisläufen ermöglicht.
Vorzüge des
„Pressure Exchange Systems“
Die Funktionsweise des P.E.S. ist durch folgende drei
Funktionsprinzipien gekennzeichnet:
▶▶ Austausch des in den Kreisläufen zirkulierenden
Wassers
▶▶ Prinzip der kommunizierenden Röhren
▶▶ Druckausgleich zwischen den beiden Kreisläufen
Der entscheidende Vorteil einer Kühlanlage mit einem
P.E.S. im Vergleich zu alternativen Lösungen ergibt sich
aus dem Prinzip des Austauschs des in den Kreisläufen
zirkulierenden Wassers. Aufgrund dieser Tatsache, dass
das Kaltwasser über den Primärkreislauf in eine Rohrkammer strömt und kurze Zeit später, im übernächsten
Prozessschritt, in den Sekundärkreislauf weitergeleitet
wird (durchgeschleust wird), erfährt das Wasser nur ei-
49
Bild 3: Drei Rohrkammern und Ventile eines P.E.S. – schematische Darstellung
Quelle: Siemag Tecberg GmbH
nen geringen Temperaturverlust von weniger als 0,5 K
[4].
Das zum Vergleich heranzuziehende Alternativkonzept ist – wie vorstehend schon erläutert – eine zentrale
Kälteanlage mit einem Hochdruck-Niederdruckwärmetauscher anstelle eines P.E.S. an der Schnittstelle
zwischen Primärkreislauf (Hochdruckkreislauf ) und
Sekundärkreislauf (Niederdruckkreislauf ). Die beiden
Konzepte sind hinsichtlich der anderen Komponenten
vergleichbar. Grundsätzlich können Anlagen zwar auch
mit einem Plattenwärmetauscher ausgestattet werden.
Weil diese Geräte aber nicht so hohem Druck ausgesetzt werden können, sind Plattenwärmetauscher nur
in geringen Teufen realisierbar. In diesen Bereichen bilden Kühlanlagen mit einem P.E.S. aus wirtschaftlichen
Gründen in der Regel keine sinnvolle Alternative. Auch
wenn jeder Einzelfall unter Berücksichtigung verschiedener Parameter individuell zu beurteilen ist, nimmt bei
Teufen von weniger als 200 bis 300 m die Wettbewerbsfähigkeit der Lösung mit einem P.E.S. ab.
Aufgrund des mit der Teufe zunehmenden hydrostatischen Drucks kommen bei größeren Teufen, in denen ein P.E.S. wirtschaftlich interessant wird, wie schon
erwähnt, Hochdruck-Niederdruck-Wärmetauscher als
Alternative in Frage. Allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet fällt die Entscheidung dann
zugunsten des P.E.S. aus, wenn die höheren Aufwendungen bei der Beschaffung durch Effizienzvorteile
beim Betrieb ausgeglichen werden.
Durch die geringeren Temperaturverluste von weniger als 0,5 K im Vergleich zu mehr als 2 bis 3 K bei
Wärmetauschern ist weniger Energie zur Kälteerzeugung erforderlich und ebenso sind für die notwendige
Pumpenleistung Einsparungen zu verzeichnen, da der
gesamte Wasserdurchfluss durch das System geringer ist.
Utsch:
Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net
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Bergbau und Tunnelbau
Erfahrungen
Die aufgrund ihrer einfachen Idee faszinierende Technik des „Pressure Exchange Systems“ ist seit ihrem
Markteintritt bei mehr als 30 Projekten zur Anwendung gekommen, darunter überwiegend Bergwerke,
aber auch einzelne Tunnelbauvorhaben, wie der Bau des
neuen Gotthard-Basistunnels.
Die gelieferten Anlagen zeichnen sich erfahrungsgemäß durch einen gleichbleibenden Wirkungsgrad
über die Produktlebensdauer und geringe Stillstandszeiten für Wartung aus. Als weiterer Vorteil ist auch der
geringe Platzbedarf unter Tage zu nennen.
Die Größenordnungen der Kühlanlagen mit P.E.SSystemen, gemessen an der Leistung, bewegen sich
zwischen 4 und 60 MW. Bei der größten Kühlanlage
mit 60 MW für ein 2.400 m tiefes Goldbergwerk in
Südafrika handelt es sich allerdings um vier miteinander gekoppelte P.E.S.-Systeme, verteilt auf zwei Sohlen
(– 1.200 m und – 2.400 m) [5].
An diesen Beispielen, sowohl einzelne Anlagen zwischen 4 und 20 MW zu realisieren als auch Großkühlanlagen durch Kombination mehrerer P.E.S.-Systeme
zu bilden, zeigt sich die Variations- und Anpassungsfähigkeit der Technik ebenso wie in der stufenweisen Erweiterbarkeit eines P.E.S.-Systems.
Diese Möglichkeit der Erweiterbarkeit (und ebenso
der Reduzierbarkeit) eines Systems wird der Tatsache
gerecht, dass Bergwerke durch ständige Veränderung
über ihren Lebenszyklus gekennzeichnet sind und das
P.E.S.-System der Entwicklung des Bergwerks flexibel
angepasst werden kann.
Die bisher zwar noch nicht so zahlreichen Anwendungsbeispiele im Tunnelbau, wie beim Gotthard-Basistunnel, zeigen, dass die ursprünglich für den Bergbau
entwickelte Technik des P.E.S. auch sinnvoll auf den
Tunnelbau übertragen werden kann. In diesem Sinne
ist Siemag Tecberg bestrebt, Lösungen zur Untertagekühlung künftig auch verstärkt für den Tunnelbau zu
entwickeln.
Literatur:
[1] Flender, M.: „Gotthard-Basistunnel: Die Schachtförderanlagen von Sedrun“, Teil 1, GeoResources Zeitschrift 1/2015, S. 25 -34. GeoResources Verlag, Duisburg. 2015
[2] Flender, M.: „Gotthard-Basistunnel: Die Schachtförderanlagen von Sedrun“, Teil 2, GeoResources Zeitschrift 2/2015, S. 27-39. GeoResources Verlag, Duisburg. 2015
[3] Utsch, J. H.: „Gotthard-Basistunnel – Pressure Exchange System: Kühltechnologie für die Arbeit unter
Tage“, Tunnel 3/2016, S. 62. Bauverlag, Gütersloh.
2016
[4] Utsch, J. H.: „Underground Cooling – the concept of
the Pressure Exchange System (P.E.S.)”. In: Conference
transcript of International conference „Technologies of
underground of minerals” within the 20th International
exhibition of technologies and equipment for mining
and processing of minerals, p. 21f f. MiningWorld Russia, 26-28.4.2016, Moscow, Russia. 2016
[5] „60 MW-Grosskühlanlage mit 4 P.E.S.-Systemen“,
Technische Information. Siemag Tecberg GmbH, elektr.
Ressource (www.siemag-tecberg.com)
Dr. Jens H. Utsch
studierte Bauingenieurwesen und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kassel. Am
Institut für Bauwirtschaft der Universität Kassel
wurde er im Jahr 2007 promoviert und übernahm
danach Tätigkeiten als Projektmanager und
Dozent. Seit 2009 ist er bei bei Siemag Tecberg.
Zunächst war er dort im Bereich Endlagertechnik
tätig, seit einem Jahr ist er Projekt Manager im
Bereich Untertage-Kühlung.
Kontakt:
E-Mail: [email protected]
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net Utsch:
Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“
Bergbau und Tunnelbau – Produktvorstellung
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Rettungseinsätze in Bergwerken und Tunneln:
Sicherer und effizienter Transport
der Rettungskräfte
Hermann Paus Maschinenfabrik GmbH, Emsbüren, Deutschland
Veranlassung
Bergbaubetriebe und ihre Infrastruktur entwickeln
sich weiter, wachsen und werden komplexer. Aus diesem Grund verlängern sich Fahrstrecken und -zeiten.
Hierdurch ergeben sich neue Herausforderungen zur
Erfüllung der Sicherheitsanforderungen – auch bei
Goldcorp Inc., einem der weltweit führenden Goldproduzenten. Sicherheit sei einer der Grundwerte und
eine treibende Kraft, meint Markus Uchtenhagen, Projektmanager bei Goldcorp. Eine Konsequenz sei die
Berücksichtigung alternativer Rettungsmethoden in
den Gruben. Die Nutzungszeiten der Atemschutzgeräte und die körperlichen Einschränkungen und Grenzen
seien unter den anspruchsvolleren zeitlichen Bedingungen nicht mehr geeignet, die großen Reichweiten im
Einsatzfall zu bewältigen.
Um längere Einsatzzeiten trotz der begrenzten Nutzungszeit der Atemschutzgeräte ermöglichen zu können, hat die Hermann Paus Maschinenfabrik GmbH
(Paus), Emsbüren, in Zusammenarbeit mit der Drägerwerk AG & Co. KGaA (Dräger), Lübeck, Deutschland, das Mine Rescue Vehicle MRV 9000 entwickelt.
Das Fahrzeug erlaubt es den Rettungskräften, sich im
Schutz der Kabine ohne Aktivierung der Atemschutzgeräte im kontaminierten Bereichen zu bewegen. So
bleibt die volle Kapazität der Atemschutzgeräte erhalten.
Komplexe Bergbaubetriebe und lange Tunnel
sind stets eine große Herausforderung für die
Sicherheit und Effizienz von Rettungseinsätzen.
Paus und Dräger entwickelten insbesondere für
Einsätze mit langer Dauer gemeinsam und im
engen Austausch mit dem Bergwerksbetreiber
Goldcorp das Rettungsfahrzeug MRV 9000.
Bergbau • Tunnelbau • Rettungsfahrzeug •
Sicherheit • Grubenwehr • Innovation
zeug mit einer Nutzlast von 4 t ist für besondere Anforderungen unter schwierigen Grubenbedingungen
mit Strecken bis hinunter zu einem Querschnitt von
3,7 m x 3,7 m gebaut. Ein leistungsstarker, wassergekühlter Motor in Kombination mit einem durchzugsstarken hydrostatischen Fahrantrieb, der Allradantrieb
und die spezielle Federung der Achsen mit großer Bodenfreiheit bieten dem Fahrer und den Passagieren besten Fahrkomfort. So wird eine Höchstgeschwindigkeit
Bild 1: Neues Rettungsfahrzeug für Gruben- und Tunnelwehren
Quelle: Hermann Paus Maschinenfabrik GmbH
Erfolgreiche Kooperation
Laut Kent Armstrong, Global Business Manager bei
Dräger sah man die Mission zur Entwicklung eines
neuen Grubenwehrfahrzeugs für die Ansprüche von
Grubenrettungskräften im 21. Jahrhundert. Dabei seien die Bedürfnisse und Anforderungen von Goldcorp
exakt berücksichtigt worden. Gemeinsam konzipierte
man ein Fahrzeug, das für die Grubenwehrrettung eingesetzt werden kann. Mit Paus gewann man einen weiteren Partner, der seine Erfahrung im Bau robuster und
grubengängiger Fahrzeuge einbrachte.
Ausstattung
Der MRV 9000 (Bild 1) basiert auf dem bewährten
Paus MinCa 18A, einem vielseitigen Fahrzeug, das flexibel an unterschiedliche Kundenwünsche angepasst
werden kann. Das manövrierfähige und robuste Fahr
Rettungseinsätze in Bergwerken und Tunneln: Sicherer und effizienter Transport der Rettungskräfte
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
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52
Bergbau und Tunnelbau – Produktvorstellung
von 33 km/h auch bei schwierigen Straßenbedingungen oder extremen Steigungen (bis 60 %) erreicht und
macht den Paus MinCa 18A zu einem wirtschaftlichen,
sicheren und verlässlichen Transportfahrzeug im untertägigen Berg- und Tunnelbau.
Die Rettungskräfte können mit dem MRV 9000 in
einer klimaüberwachten Umgebung von und zur Unfallstelle fahren. Die Fahrerkabine bietet ausreichend
Platz für zwei Personen. Das gesamte Fahrzeug wird mit
Überdruck versorgt. Der hintere Teil des Fahrzeugs bietet Platz für weitere sieben Personen incl. eines Schleifkorbs für einen verletzten Kameraden. Die ergonomisch
gestalteten Sitze bieten genug Raum für die Rettungskräfte, auch mit angelegten Atemschutzgeräten.
Fahrerkabine und Aufbau sind mit einem eigenen
Belüftungssystem ausgestattet. Hierdurch ist die Kabine unabhängig von der Umgebungsluft. Während eines
Einsatzes kann das System zudem über Druckflaschen
drei Mal komplett geflutet werden, um die Kabinenluft
von eingedrungenen Kontaminationen zu reinigen.
Eine Klimaanlage verbessert das Sicherheitsniveau.
Sie reduziert die Luftfeuchtigkeit und schützt das Rettungsteam vor Überhitzung. Passagiere in Fahrerkabine
und Festaufbau können über ein integriertes Kommunikationssystem kommunizieren. Des Weiteren sind
außen an der Front und am Heck des Fahrzeugs Wärmebildkameras sowie eine Gasüberwachungsanlage
angebracht. Die Informationen werden den Passagieren
GeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net direkt auf den Bildschirmen in der Fahrerkabine und
dem Festaufbau angezeigt.
Nutzen im Einsatzfall
Mit dem Dräger MRV 9000 kann die Einsatzzeit der
Mannschaft am Einsatzort verlängert werden, da die
Fahrzeit nicht mit eingerechnet werden muss. Die
Druckluftzylinder bieten eine Überdruck-Atemumgebung für alle Passagiere. Während der Fahrt werden die
unabhängigen Atemschutzgeräte von den Rettungskräften getragen, müssen jedoch nicht aktiviert werden,
bis es für den Einsatz nötig ist.
Während des Rettungseinsatzes mit den aktivierten
Atemschutzgeräten, wird der Luftfluss im MRV manuell auf die potenziell zu versorgenden Passagiere im
Fahrzeug über ein Bedienpult reduziert. Nach erfolgreichem Einsatz kehren alle Beteiligten zum Lebenserhaltungssystem zurück. Zusätzlicher Atemschutz ist
nach dem Eintreten in Fahrerkabine und Festaufbau
nicht länger notwendig. Nach einer Rüstzeit von nur
45 min ist das Fahrzeug bereits für den nächsten Einsatz
gewappnet.
Fazit des Bergwerksbetreibers
„Dank des Fahrzeugs sind wir in der Lage, die Sicherheit unserer Angestellten zu verbessern. Dieses Fahrzeug öffnet ein neues Kapitel im Bereich der Grubenrettung“, betont Markus Uchtenhagen.
Rettungseinsätze in Bergwerken und Tunneln: Sicherer und effizienter Transport der Rettungskräfte
Bergbau
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bauma 2016 – Technik-Messe der Superlative
Die Hand am Puls des globalen Bergbaus
Dipl.-Volksw. Klaus Niehörster, Journalist, Düsseldorf
Wir haben uns auf der Messe umgesehen, mit den Experten auf ihren Ständen aber auch unter den Besuchern gesprochen und greifen einige typische Eindrücke heraus:
Die Bergbau- und Schmalspurlokomotiven der Fritz
Rensmann GmbH & Co., Dortmund, sind weltweit
im Einsatz. Kostenreduzierung durch zustandsorientierte Instandhaltung werden als Trümpfe auf dem
umkämpften Markt betont. „Geringe Ausfälle und optimierte Wirkungsgrade“ summieren sich bei Eickhoff,
Bochum, in der Antriebstechnik zu einem Verkaufsschlager. Ein Beispiel: Der SL 750 EiControlPlus mit
Infrarot- und Radar-Sensorik – ausgezeichnet mit dem
bauma-Innovationspreis – gilt weltweit als einer der
leistungsstärksten Walzenlader. Die Vortriebsmaschine
HRE der GHH Fahrzeuge, Gelsenkirchen, für das effektive Auffahren von Tunneln und Strecken, verbindet
die Vorteile einer Teilschnittmaschine, eines flexiblen
Bohrwagens und eines effektiven Baggers. Siemag Tecberg, Haiger, konzentriert sich als Systemanbieter im
fördertechnischen Maschinen- und Anlagenbau in der
Schacht- und Fördertechnik sowie in der Bergwerksund Tunnelkühlung.
Kundenspezifische Lösungen sind ein bleibender
Eindruck der diesjährigen bauma mit den Schwerpunkten Effizienz und Sicherheit. Immer mehr nimmt
die virtuelle digitalisierte Präsentation zu, denn auf diese Weise lässt sich ein weiterer Megatrend der bauma
glänzend darstellen: Multifunktionalität.
Innovative Bergbautechnik aus NRW –
unter und über Tage weltweit ganz vorn
Während der Steinkohlenbergbau im Ruhrrevier fast
ganz zum Erliegen gekommen ist, orientieren sich die
nach vor vitalen Bergbautechnikunternehmen vor Ort
anhaltend global. Sie haben die Energiemärkte der Zukunft im Blick und passen ihr Angebot den individuellen Standorten in Übersee an. Kernthemen sind und
bleiben die Nachhaltigkeit und Produktivität des modernen Bergbaus.
Mit Prosper-Haniel in Bottrop gibt es gerade noch
eine Steinkohlenzeche an der Ruhr, die im vollen Saft
ist. Dafür ist das Revier aber gespickt mit hochkarätigen bergbautechnischen Unternehmen. Beides geht
bestens zusammen. Global sind die Rahmenbedingungen härter geworden. Schärfere Konkurrenz, Knappheit der Ressourcen, schlechtere Gehalte des Gesteins
und schwierigere Lagerstätten lauten die Herausforderungen, ergänzt durch Umweltbelastungen wie Staub-
Die weltweit größte Fachmesse für Bau- und Bergbaumaschinen in München war wieder einmal das
vielbeachtete 3-Jahres-Ereignis. Technische Spitzenleistungen, Know-how, Kompetenz und Service
konzentrierten sich in den Messehallen. In dieser
technischen Super-Show zeigte sich, dass auch
die wirtschaftlichen und sogar politischen Impulse aufgegriffen und umgesetzt wurden. Hochprämiertes Hightech wird sehr bewundert, doch dafür
stimmen nicht überall die Rahmenbedingungen.
Stark im Kommen ist robustes, unkompliziertes, effizientes Gerät, mit dem gleichwohl nachhaltig gearbeitet werden kann. Bloßer Export nach Übersee
wird zunehmend flankiert von Kooperationen vor
Ort, und diese Notwendigkeit fließt bereits in die
Produktplanungen mit ein.
bauma • Messen • Bergbau • Tunnelbau •
Deutschland
und Lärmemissionen bis hin zur geforderten absoluten
Sicherheit für die Bediener.
Know-how-Verlagerung
Thyssenkrupp, ein Anbieter von Tagebautechnik
und -systemen, präsentiert eine neue Generation von
Kompakt-Schaufelradbaggern: „Barracuda“ und „Mine
Shark“ können zur Gewinnung harter Materialien mit
Druckfestigkeiten von bis zu 50 MPa eingesetzt werden. Werden Schaufelradbagger heute überwiegend
für den Abbau weicher und mittelharter Materialien
mit Druckfestigkeiten bis zu 20 MPa genutzt, ist dieser neu konstruierte Gerätetyp in der Lage, innerhalb
eines breiten Materialspektrums einschließlich Kohle,
Kalkstein, Phosphat, Kali, gefrorener Materialien unter
Winterbedingungen sowie in den dazugehörigen Abraumschichten zu arbeiten.
Lückenlose Online-Diagnose
„Ins Ausland zu gehen, ist die Überlebensstrategie für
die deutsche Bergbautechnik“, sagt Günter Apel. Der
Leiter des Geschäftsfelds Mining, Consulting & Engineering bei der Essener DMT berichtet, dass die Technik oft 1 : 1 übertragen werden könne. In jedem Fall
anspruchsvollste Hochtechnologie zu liefern, ist aber
nicht der Weg, denn oft komme es allein auf solide Robustheit an. Vordringlich gefragt sind Abbau-, Transport-, Entstaubungs-, Explosionsschutz-, Sicherheitsund Wettertechnik.
Niehörster:
bauma 2016 – Technik-Messe der Superlative: Die Hand am Puls des globalen Bergbaus
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Bergbau
Weltweit sind Bergbau- und Schmalspurlokomotiven der Fritz Rensmann GmbH & Co. KG, Dortmund,
im Einsatz. Deren Fahrzeugmanagementsystem ruDi
verblüfft mit einer lückenlosen Erfassung der Betriebsdaten, die sowohl eine Online-Diagnose als auch eine
Standortverfolgung zulässt.
Bei GHH Fahrzeuge, Gelsenkirchen, stechen das
Hightech-Produktsegment sowie die Forschungs- und
Entwicklungs-Roadmap besonders heraus. Vor allem
neue Antriebe, Automatisierung, Arbeitssicherheit und
Gesundheitsschutz sind dabei im Blick sowie Wartung
und Service. Bewährtes („Proven Tech“) wird dabei keineswegs vernachlässigt. Bei letzterem werden insbesondere einfache Hydraulik sowie ein Minimum an Elektronik eingesetzt. Der auf Dauerfestigkeit ausgelegte
Stahlbau ermöglicht Rebuilds und damit ein „Second
Life“. Ebenso ist im High-Tech-Produktsegment der
GHH dauerfester Stahlbau die Basis. Neue Antriebe,
beispielsweise EDS – Efficient Drive System und hydrostatischer Antriebsstrang ermöglichen Wirkungsgrad- und Produktivitätssteigerungen sowie einfachere
Bedienung.
Schnittstellen zwischen
über und unter Tage
Zum Produktspektrum der Neuhäuser GmbH in Lünen gehören Schienen, Weichen und Materialtransportsysteme für Einschienenhänge- und Flurbahnen.
Hinzu kommen raupengeführte Fahrzeuge zum Rauben schwerer Schilde sowie Bohrsysteme zum Sprengloch- und Ankerbohren, Entgasen, Entspannen und
Kernlochbohren. Firmenchef Jürgen Neuhäuser betont
die deutsche Innovationskraft in Sachen Bergbautechnik rund um den hohen Anspruch „total quality“. Internationale Allianzen mit Zulieferern einzugehen, das hat
sich für dieses Unternehmen bestens bewährt.
Ausdrücklich auf Hightech ist der Hersteller Siemag Tecberg, Haiger, spezialisiert. Beispielhaft steht
dafür das Seilwechselsystem für ein Kupfer- und Goldbergwerk in der mongolischen Wüste Gobi, „die weltweit größte mobile Mehrseil-Friktionswinde“. Sie ist
Herzstück des „regelmäßig erforderlichen Förderseil­
auflege- und Wechselprozesses“. Mit dieser Maschine
können bis zu sechs Seile mit einer Zugkraft von 185 t
mit 12 m/min schnell und sicher in Schachtanlagen
aufgelegt und gewechselt werden. Die Anlage ist auf
ein eigens angefertigtes Schwerlastchassis gebaut und
kann hierdurch mit einer Zugmaschine bewegt werden. Auch Bergwerks- und Tunnelkühlung gehören
zum Programm der Siemag Tecberg. Bei der Kühlung
übernimmt das P.E.S. (Pressure Exchange System) die
Schnittstelle zwischen der übertägigen Kühlanlage und
dem untertägigen Kühlnetz.
Walzenlader auf Rekordjagd
„Unter Tage ganz vorn“ ist der Anspruch der Gebr.
Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH,
Bochum. Rund 50 Walzenlader baut das Unternehmen
im Jahr, von denen 95 %, Tendenz steigend, ins AusGeoResources Zeitschrift 2 | 2016
www.georesources.net land gehen. Im Portfolio sind einige ausgesprochene
Renner. So macht die neuentwickelte Walzenladerautomatisierung EiControlPlus den automatischen Strebbetrieb möglich. Damit kann sich der Kumpel ganz
auf die Überwachung konzentrieren. Die Maschine
ist mit Sensoren zum „Sehen“, „Hören“ und „Fühlen“
ausgestattet und erledigt die Kommunikation mit der
Leitwarte des Bergwerks gleich mit – ein wesentlicher
Schritt in Richtung autonome Gewinnung.
Der ganzheitliche Ansatz der Automatisierung von
Walzenladern sorgt dafür, wesentliche Vorteile bei der
nachhaltigen Gewinnung von Steinkohle zu erreichen.
Weniger wertloses Nebengestein muss über mehrere Kilometer per Bandanlagen und Schächte nach Übertage
gehoben werden. Weiterer Vorteil: der vollautomatisierte Betrieb macht auch die Ausbeutung dünner Flöze
möglich, die derzeit noch oft genug in der Lagerstätte
zurückgelassen werden. Als 2001 in Südafrika und
der VR China zwei Eickhoff-Walzenlader mit 5,5 m
Schneidhöhe in Betrieb gingen, war das Weltrekord. Im
Jahr 2007 kam erstmals der Eickhoff SL 1000 mit einer
Schneidhöhe von 6 m zum Einsatz, und der SL 1000
mit 8,6 m Schneidhöhe ist in der Konstruktion.
Schlüsselfertiges Engineering
zur Entstaubung
Wo staub- und gasförmige Stoffe, die zur Belastung
der Umwelt und der Arbeitskräfte vor Ort führen können, ausgefiltert, ausgewaschen und gebunden werden,
kommt es auf extrem hohe Wirkungsgrade an. Ventilatoren, Wetterkühlanlagen, Grubengasabsauganlagen
und Wetterheizungen sind „das lufttechnische Gesamtpaket“ der CFT GmbH Compact Filter Technic,
Gladbeck. Für die Gladbecker Konstrukteure liegt auf
der Hand, dass ihre Entstaubungstechniken im untertägigen Explosionsschutz eine große Rolle spielen. Und
das ganz besonders im Steinkohlenbergbau, wo mit erhöhten Methangas- und Kohlenstaubkonzentrationen
zu rechnen ist.
Die in Gladbeck gefertigten Trockenentstauber
erreichen Abscheidegrade von nahezu 100 %. Damit
werden die weltweit geforderten Richtwerte für Staubbelastungen an Arbeitsplätzen deutlich unterschritten,
hat die DMT GmbH & Co. KG, Essen, ermittelt. Die
Anlagen sind modular aufgebaut. Sowohl kompakte
Baugrößen als auch flexible Erweiterungen sind möglich. Dabei reicht das Leistungsspektrum von 30 bis
3.000 m³/min je Anlage. Die Filtermedien reichen von
Kompakt-Elementen aus Nadelfilz mit mikroporöser
Schaum- und Teflonbeschichtung bis hin zu verschiedenem Sintermaterial.
Reine Luft auch in kritischen Umgebungen
schaffen Nassentstauber. Je nach Einsatzgebiet
und Ausführung leistet CFT-Gerät Abscheidegrade von 99,2 bis 99,5 % bei Leistungen von 60 bis
1.500 m³/min. Dabei strömt die staubhaltige Rohluft
in den Nass­entstauber und trifft auf einen von Spezialdüsen erzeugten Wasserschleier. Das Gemisch aus
Staub, Wasser und Luft passiert ein Tropfenabschei-
Niehörster:
bauma 2016 – Technik-Messe der Superlative: Die Hand am Puls des globalen Bergbaus
Bergbau
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CFT Trockenentstauber Typ HRKS 1/800 zur Entstaubung von
Brech- und Siebanlagen, Einsatz im deutschen Steinkohlenbergbau
der-Paket, in dem der Staub durch Wasser vollständig
gebunden wird. Zum Engineering gehören auch Grubengasabsaugung und -verwertung. Das komplette
Portfolio des sehr breit aufgestellten Entstaubungsspe-
CFT Trockenentstauber Typ HRKS 1/800 zur Schachtentstaubung, Einsatz im deutschen Steinkohlenbergbau
zialisten summiert sich in dessen eigener Beschreibung
zur „schlüsselfertigen Entstaubung von Tunnelbaustellen, Kippstellen, Aufbereitungsanlagen, Bunkern oder
Schachtförderanlagen“.
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