Zeitschrift Fachzeitschrift für Ressourcen, Bergbau, Geotechnik, Tunnelbau und Equipment 02 | 2016 Eindeutige Marktstrategien für eine komplizierte Welt Der strategische B2B-Partner für Marke, Marketing und Kommunikation in erklärungsbedürftigen Umfeldern und technisch-wissenschaftlichen Märkten DMT Marketing & Communications Consulting Earth. Insight. Values. www.dmt-group.com/marketing DMT_34_062016_Anzeige_MuCC_RZ.indd 1 05.07.16 17:38 BIM Naturgefahren Hangsicherung Injektionstechnik Tunnelsanierung Arlberg-Straßentunnel Mining 4.0 Prozessoptimierung Networking Bewetterung Gotthard-Basistunnel bauma-Rückblick GeoResources Verlag ISSN | Digital 2364-0278 • Druck 2364-8414 www.georesources.net Inhaltsverzeichnis 4 Impressum Auf ein Wort 5 BIM in der Planung: Verbesserung im gesamten Lebenszyklus Joaquín Díaz und Christian Baier Die Schaffung und Erhaltung effizienter nachhaltiger Infrastruktur ist eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung. BIM trägt zur Verbesserung der Zusammenarbeit aller Beteiligten eines Bauprojekts sowie zur Effizienz und Nachhaltigkeit der Bauwerke bei. Mit BIM in der Planungsphase werden Weichen für den ganzen Lebenszyklus eines Bauwerks gestellt. Infrastruktur • Nachhaltigkeit • BIM • Prozessmanagement • Kooperation • Software Geotechnik 7 Die Bedeutung von Rutschungen als zunehmende Naturgefahr Johannes Feuerbach und Manuel Lauterbach BIM-Modelle mit fünf Dimensionen – drei für die Geometrie und zwei weitere für Zeit und Kosten – sollen den Bauablauf und die Qualität der Bauausführung von Infrastrukturprojekten verbessern. Dieser Artikel erläutert, wie innovative intelligente mobile Werkzeuge der RIB Software AG die Kommunikation und den Informationsaustausch zwischen Baustelle und Büro unterstützen. Geotechnik • Tunnelbau • Infrastruktur • Kommunikation • BIM • Equipment Geotechnik – Produktmeldung 10 Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers in Bayern Götz Tintelnot Der Arlbergtunnel ist der längste Straßentunnel Österreichs. Die aktuelle Generalsanierung dieser Hauptverkehrsader zur Erhöhung der Verkehrssicherheit stellt eine große logistische Herausforderung dar, ist aber unvermeidbar. Dieser Artikel erläutert den Sanierungsumfang und die Vorgehensweise der ASFINAG zur Bewältigung der Herausforderungen. Tunnelbau • Großprojekt • Sanierung • Sicherheit • Planung • Ausschreibung • Baubetrieb Geotechnik • Hochwasserschutz • Dammbau • Injektion • Abdichtung • Naturschutz Geotechnik und tunnelbau 13 Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben René Schumann Im Hochbau hat sich Building Information Modeling (BIM) bereits bewährt. Vorteile der digitalen Modellierung sind höhere Effizienz und Transparenz, bessere Zusammenarbeit, Zeit- und Kosteneinsparungen sowie Verringerung der Projektrisiken. An den Bahnprojektbeispielen Metro Green Line in Katar und Northwest Rail Link in Australien wird gezeigt, dass BIM auch im Infrastrukturbereich erfolgreich eingesetzt werden kann. BIM erleichtert die Analyse zur frühzeitigen Erkennung von Risiken. Erläutert werden die wichtigen Komponenten Technologie, Menschen, Prozesse, Richtlinien und Management für BIM. Zukünftig wird BIM für viele Infrastrukturprojekte verbindlich gefordert und eingeführt werden. Daher werden auch derzeit stark nachgefragte Aus- und Weiterbildungsangebote zu BIM angesprochen. Tunnelbau • Geotechnik • Infrastruktur • Großprojekte • BIM • Prozessmanagement Inhaltsverzeichnis Bergbau 31 Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau Merchiers, Mavroudis und Pütz Nach über 50-jähriger Nutzungsdauer wurde der Sylvensteinspeicher in Bayern mit einer zusätzlichen Dichtwand und einem neuen Messsystem ertüchtigt. Dieser Beitrag informiert über eine Hartgelinjektion zur Stabilisierung und Abdichtung im Rahmen dieser Baumaßname. Tunnelbau 24 Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen Christoph Wanker Naturgefahren einschließlich Massenschwerebewegungen nehmen zu. Sie fordern Menschenleben und verursachen erhebliche volkswirtschaftliche Schäden. Geotechniker haben eine große Verantwortung, Schäden und ihre Auswirkungen zu vermeiden oder einzugrenzen. Geotechnik • Naturgefahr • Rutschung • Klimawechsel • Forschung • Ausbildung Geotechnik und Tunnelbau 20 „Baustellen-App“ für die Kommunikation zwischen Baustelle und Büro in Infrastrukturprojekten Verena Mikeleit Neben den klassischen, mit dem Begriff Industrie 4.0 verbundenen Anwendungsfeldern wie Produktion und Mobilität entpuppt sich gerade der untertägige Bergbau zunehmend zu einem Hidden Champion auf diesem Gebiet. Getrieben durch fallende Rohstoffpreise bei stetig steigenden Anforderungen an die Humanisierung der Arbeit griff die Branche schon sehr früh nach den durch „Industrie 4.0“ beschriebenen Lösungsansätzen: Vollintegrierte Systeme mit (teil-)autonomen Maschinen, die sich ohne menschliche Steuerung in und durch Umgebungen bewegen und selbstständig Entscheidungen treffen, sind im Bergbau schon heute keine Traumwelt mehr. Die Branche hat bereits erfolgreich mit der Umsetzung von „Bergbau 4.0“ begonnen. Bergbau – Ideenwerkstatt 41 Der Bergbau endet nicht mit der Kohle! Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand Peter von Hartlieb Das Netzwerk Bergbauwirtschaft in NRW wagt mit seinen in der Vergangenheit sehr steinkohleorientierten Mitgliedern den Blick über den eigenen Tellerrand. Nach einer geografischen Erweiterung des Blickwinkels auf die globalen Kohlenmärkte im vergangenen Jahr sind in diesem Jahr alternative Märkte und Fachgebiete im Fokus. Dieser Beitrag möchte daher zum Querdenken und zum interdisziplinären Austausch anregen, um neue Geschäftsideen zu entwickeln. Bergbau • Tunnelbau • Geotechnik • Networking • Marktentwicklung • Land NRW • International GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Bergbau und Tunnelbau für Einsätze mit langer Dauer gemeinsam und im engen Austausch mit dem Bergwerksbetreiber Goldcorp das Rettungsfahrzeug MRV 9000. 47 Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“ Jens H. Utsch Das „Pressure Exchange System“ (P.E.S.) ist eine technische Komponente, die bei Anlagen zur Kühlung unter Tage an zentraler Stelle zum Einsatz kommt. Das System bildet die Schnittstelle zwischen den beiden Kreisläufen einer Kühlung – dem Primärkreislauf, der die übertägigen Anlagenteile der Kühlung mit dem untertägigen P.E.S. verbindet, und dem untertägigen Sekundärkreislauf, der das P.E.S. mit den Verbrauchern (Kühlern) verbindet. Die für die Effizienz einer Kühlanlage bedeutende Funktion der Temperaturübertragung zwischen den Kreisläufen wird vom P.E.S. in besonderer Weise erfüllt. Die Arbeitsweise und die damit verbundenen Vorzüge des Systems werden in dem Artikel dargestellt. Bergbau • Tunnelbau • Wetterkühlung • Equipment • Effizienz Bergbau – Produktmeldung 51 Rettungseinsätze in Bergwerken und Tunneln: Sicherer und effizienter Transport der Rettungskräfte Komplexe Bergbaubetriebe und lange Tunnel sind stets eine große Herausforderung für die Sicherheit und Effizienz von Rettungseinsätzen. Paus und Dräger entwickelten insbesondere Bergbau • Tunnelbau • Rettungsfahrzeug • Sicherheit • Grubenwehr • Innovation Bergbau 53 bauma 2016 – Technik-Messe der Superlative Die Hand am Puls des globalen Bergbaus Klaus Niehörster Die weltweit größte Fachmesse für Bau- und Bergbaumaschinen in München war wieder einmal das vielbeachtete 3-JahresEreignis. Technische Spitzenleistungen, Know-how, Kompetenz und Service konzentrierten sich in den Messehallen. In dieser technischen Super-Show zeigte sich, dass auch die wirtschaftlichen und sogar politischen Impulse aufgegriffen und umgesetzt wurden. Hochprämiertes Hightech wird sehr bewundert, doch dafür stimmen nicht überall die Rahmenbedingungen. Stark im Kommen ist robustes, unkompliziertes, effizientes Gerät, mit dem gleichwohl nachhaltig gearbeitet werden kann. Bloßer Export nach Übersee wird zunehmend flankiert von Kooperationen vor Ort, und diese Notwendigkeit fließt bereits in die Produktplanungen mit ein. bauma • Messen • Bergbau • Tunnelbau • Deutschland Impressum GeoResources Zeitschrift / Journal 2. Jahrgang, Fachzeitschrift für Bergbau, Tunnelbau, Geotechnik und Equipment Erscheinungsdatum: 07.07.2016 ISSN | Digital 2364-0278 • Druck 2364-8414 Erscheinungsweise: GeoResources erscheint mit 4 Ausgaben pro Jahr in deutscher (GeoResources Zeitschrift) und 4 Ausgaben in englischer Sprache (GeoResources Journal) als Online-Ausgaben (www.georesources.net). Zusätzlich erscheinen Zeitschrift und Journal in angepasster Auflagenhöhe in gedruckter Form. Bei Interesse an einem gedruckten Exemplar setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung, um weitere Informationen zu erhalten ([email protected]). Bezugspreis: online-Ausgaben kostenfrei, Print-Ausgaben 100 € je Sprache, kombiniert 150 €, Studenten 50 % Rabatt, incl. Porto, Verpackung und dt. Steuern. Chefredaktion: Dr.-Ing. M.A. Katrin Brummermann Mobil: +49 151 70 888 162 E-Mail:[email protected] Dipl.-Ing. Manfred König Mobil: +49 172 244 16 16 E-Mail:[email protected] Media und Anzeigen: Monika Motzfeld, Media Managerin E-Mail:[email protected] [email protected] Mobil: +49 1523 70 39 111 Herstellung/Layout/DTP: Herbert Stimper E-Mail: [email protected] Gudrun Klick E-Mail: [email protected] www.grafiklick.de Druck: Makossa Druck und Medien GmbH, Gelsenkirchen Herausgeber: GeoResources Portal Manfred König Oleanderweg 12 47228 Duisburg Mobil: +49 172 244 1616 Tel.: +49 2043 93 75 222 E-Mail: [email protected] Copyright: Alle Rechte vorbehalten ©GeoResources Portal, Duisburg, www.georesources.net Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne die Genehmigung des Copyrightinhabers in irgendeiner Form, durch Fotokopie, Mikrofilm oder andere Verfahren, reproduziert oder in eine von Maschinen oder Datenverarbeitungsanlagen verwendbare Form gebracht und genutzt werden. Ausgenommen sind Wissenschaft und nichtkommerzieller Unterricht. Eine Anzeige der Nutzung ist erwünscht. Die Inhalte der eingereichten Manuskripte bleiben im Eigentum der Autoren (Verfasser), solange die Einreichung unentgeltlich erfolgte. Die inhaltliche Verantwortung für mit Namen gekennzeichnete Beiträge und gelieferte Fotos und Grafiken übernimmt der Verfasser. Titelbild: „DMT Marketing & Communications Consulting“ der DMT GmbH & Co. KG, Tochter des TÜV NORD, stellt sich vor als strategischer B2B-Partner für Marke, Marketing und Kommunikation. DMT Marketing & Communications Consulting profitiert von besonderen Ausrichtungen, die sie von anderen konventionellen B2B-Agenturen unterscheidet. Zu den Leistungen zählen unter anderem: ▶▶ Strategieentwicklung für Marke, Marketing und Kommunikation ▶▶ Spezialisierung und Beratungskompetenz in technisch-wissenschaftlichen Märkten – das Kerngeschäft der DMT seit 1737 ▶▶ Markt-Know-how und Marktentwicklung – durch Forschung, Verbandsarbeit und Kooperationen (u. a. EU, EIT Raw Materials, Fraunhofer, VBGU, VDMA) ▶▶ Business Development – Synergieeffekte durch DMT-Netzwerke und -Kontakte ▶▶ Kundenaffines Wertesystem und Verantwortungsbewusstsein ▶▶ Kompetenz durch mehr als 1.000 Ingenieure, auf die fachlich zugegriffen werden kann. GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Inhaltsverzeichnis Auf ein Wort 5 BIM in der Planung: Verbesserung im gesamten Lebenszyklus Prof. Dr.-Ing. Joaquín Díaz und Dr.-Ing. Christian Baier, Technische Hochschule Mittelhessen (THM), Gießen, Deutschland Die Schaffung und Erhaltung effizienter nachhaltiger Infrastruktur ist eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung. BIM trägt zur Verbesserung der Zusammenarbeit aller Beteiligten eines Bauprojekts sowie zur Effizienz und Nachhaltigkeit der Bauwerke bei. Mit BIM in der Planungsphase werden Weichen für den ganzen Lebenszyklus eines Bauwerks gestellt. Infrastruktur • Nachhaltigkeit • BIM • Prozessmanagement • Kooperation • Software E ntwicklungen in der gesamten Baubranche – in Unternehmen, Bundesministerien, Verbänden, Kammern, Hochschulen etc. – zeigen, dass aktuell eine neue, digitale und integrative Methodik für das ganzheitliche Planen, Bauen und Betreiben in Deutschland etabliert wird. Diese Methodik wird als Bauwerksinformationsmodellierung (BIM) oder im Englischen als Building-Information-Modeling bezeichnet (Bild 1). Die Einführung der Methodik wird massiv vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) und der planen-bauen 4.0 GmbH unterstützt. Diese veröffentlichten 2015 den „Stufenplan Digitales Planen und Bauen“. In dem Stufenplan ist erstmals die Einführung sowie die verpflichtende Anwendung der BIM-Methodik aufgezeigt. Ab 2020 sollen alle Infrastrukturprojekte des Bundes mit dem Leistungsniveau 1 der in Deutschland eingeführten BIM-Methodik bearbeitet werden. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 Normen und Standards zu entwickeln. Diese werden in Pilotprojekten evaluiert. Durch die Evaluierung und die daraus resultierende Verbesserung wird ein funktionierendes Leistungsniveau 1 sichergestellt. Das Resultat der Einführung der BIM-Methodik ist die effiziente Integration und Kooperation aller am Bau Beteiligten. Durch die Anwendung von BIM werden alle Lebenszyklusphasen (Entwickeln, Planen, Bauen, Betreiben, Umbau oder Rückbau) eines Bauwerks ganzheitlich betrachtet. Die Entwicklung und Planung bilden die maßgebliche Phase. Der Grundstein des optimierten Bauens und nachhaltigen Betreibens kann einzig in der Entwicklung und Planung gelegt werden. Mit BIM können bereits in der Planung Kosten, Termine und Qualitäten anhand von Varianten eines virtuellen Modells untersucht und gesichert werden. Prozesses in die Produktion überführt. Mit dieser Vorgehensweise werden mögliche Probleme im Lebenszyklus auf ein Minimum reduziert. Bei der Erstellung von Bauwerken wird bisher selten ein virtuelles Modell durchgängig genutzt. Ein Grund dafür ist der niedrige Digitalisierungsgrad im Bauwesen (Bild 2). Das Ende der Planungs- und der Beginn der Bauphase sind daher nicht gleichzusetzen mit der Marktreife und Einführung eines Produkts. Noch in der Bauphase kommt es vielfach zu Nach- oder Anpassungsarbeiten. Häufig anzutreffende Probleme sind Kosten- und Terminüberschreitungen sowie qualitative Defizite. Mit der neuen Methodik sollen die Bauwerke in Bezug auf Kosten, Zeit und Qualität in allen Lebenszyklusphasen optimiert werden. In den Ländern, in denen die BIM-Methodik bereits verpflichtend eingeführt wurde, ist das nachweislich der Fall. Nachhaltigkeit eines Bauwerks Die Nachhaltigkeit im Bauwesen ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Die Baustoffe sowie technische Anlagen sind Beispiele für einige ausschlaggebende Faktoren, die zur Einhaltung der energetischen Grenzwerte dienen. Die Nutzungsart, der Standort oder die Betriebsdauer sind ebenfalls maßgebende Faktoren. Ein großer Teil dieser Faktoren kann vor der Planung erörtert und für die spätere Nutzungsphase berücksichtigt werden. Bild 1: BIM – die integrative Lösung Das Bauwerk: Immer ein Prototyp In den meisten Wirtschaftszweigen werden die Güter virtuell modelliert und erst nach Abschluss dieses Díaz und Baier: BIM in der Planung: Verbesserung im gesamten Lebenszyklus GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 6 Auf ein Wort Austausch dieser digitalen Ergebnisse oder Informationen ist aufgrund fehlender Schnittstellenkompetenzen in der Baupraxis selten durchführbar. Ferner müssen gemeinsame, digitale Informationsdatenbanken zur Abstimmung zwischen Eigentümer, Fachplaner, Öffentlichkeit und Kontrollgremien Verwendung finden. Die konsequente Anwendung der BIM-Methodik ermöglicht es dann, alle wichtigen Bauwerksinformationen, die bereits in der Projektentwicklung erörtert wurden, in die Planung einfließen zu lassen. Das trägt zum Erfolg des Bau- und Nutzungsprozesses bei und fördert die Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Effektive Bewertung der Nachhaltigkeit durch BIM Bild 2: Digitalisierungsgrad im Bauwesen Quelle: TOP500 STUDIE 2014/ACCENTURE Status Quo – Wissensinseln Die Bewertung der Nachhaltigkeitsfaktoren soll zukünftig ganzheitlich in den Planungsprozess einfließen. Aktuell existieren je nach Bauwerk einzelne Wissensinseln, die zwar fundierte, empirische oder mathematische Ergebnisse enthalten, jedoch ganzheitlich nicht durch Ingenieure, Architekten oder Fachplaner in die Bauwerksmodellierung integriert werden. Diese fragmentierte Situation ist dem Umstand geschuldet, dass jedes Werkzeug zur Berechnung der Faktoren isolierte, digitale Ergebnisse liefert. Diese Ergebnisse können in der Regel jedoch nicht zusammengeführt werden. Ein Kontakt Technische Hochschule Mittelhessen (THM) Wiesenstraße 14 35390 Gießen Prof. Dr.-Ing. Joaquin Diaz Dr.-Ing. Christian Baier [email protected]@bau.thm.de Veranstaltungstipp: Eine gemeinsame, digitale Datenbasis mit Bauwerksinformationen ist das Fundament für eine effektive Bewertung der Nachhaltigkeit. Bei einem Vergleich zwischen der Planung mit traditionellen Methoden und mit BIM zeigt sich, dass bei der Verwendung von BIM wichtige Bauwerksinformationen bereits in einer frühen Lebenszyklusphase – Konzeption oder Entwurfsplanung – benötigt werden. Zurzeit werden zur Nachhaltigkeitsbewertung notwendige Bauwerksinformationen analog aufgenommen. Zur Bewertung und Entscheidungsfindung im weiteren Prozess werden ganzheitliche und kooperativ-vernetzte Bauwerksinformationen benötigt. Eine gemeinsame, digitale Basis mit Bauwerksinformationen fördert das optimierte Bauen und nachhaltige Betreiben und muss zur Verbesserung der Wertschöpfungskette bereits vor dem eigentlichen Entwurfsprozess beginnen. Der Grundstein für eine erfolgreiche Einführung der BIM-Methodik in Deutschland wurde mit dem Stufenplan „Digitales Planen und Bauen“ gelegt. Bei der Vorstellung des Stufenplans formulierte der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt eine klare Aufgabenstellung: „Erst virtuell, dann real bauen.“ Mit modernsten digitalen Methoden sollen Bauprojekte effizienter und im Zeit- und Kostenrahmen realisiert werden. Um diesen Schritt zu meistern, bedarf es der Kooperation und des Verständnisses aller Beteiligten: BIM ist nämlich nicht nur ein Werkzeug, sondern eine Methodik. Ihre Joaquín Díaz und Christian Baier Kongress Infrastruktur digital planen und bauen 4.0 Termin: 7. und 8. September 2016 Ort: HTM in Gießen Thema:Was kommt auf Planer, Entscheider und Ausführende der Baubranche im Jahr 2017 zu? Informationen:http://www.thm.de/events/bim/ Eine Veranstaltung des Fachbereichs Bauwesen der Technischen Hochschule Mittelhessen, der Deutschen Bahn sowie der Kooperationspartner RIB, Autodesk und Leica Geosystems GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Díaz und Baier: BIM in der Planung: Verbesserung im gesamten Lebenszyklus Geotechnik 7 Die Bedeutung von Rutschungen als zunehmende Naturgefahr Prof. Dr. Johannes Feuerbach, 1. Vorsitzender, und Dr. Manuel Lauterbach, Geschäftsführer, Forschungsstelle Rutschungen an der J. Gutenberg-Universität Mainz, Deutschland Gesellschaftliche Bedeutung von Massenschwerebewegungen Naturgefahren, zu denen Massenschwerebewegungen, wie Erdrutsche und Felsstürze, zählen, führen jährlich weltweit zu volkswirtschaftlichen Schäden in Milliardenhöhe. So zählte die Münchener RückversicherungsGesellschaft im Jahr 2015 1.060 Schadenereignisse von Naturkatastrophen (Bild 1). Hydrologische Ereignisse (Überschwemmungen und Massenschwerebewegungen) machten dabei 42 % der Fälle, 24 % der 23.000 Todesopfer, 28 % der Geamtschäden und 100 Mrd. US$ und 19 % der davon versicherten Schäden von 30 Mrd. US$ aus. Auch in Deutschland werden von der Steilküste an der Ostsee über die Mittelgebirgslandschaft bis in den Alpenraum jedes Jahr zahlreiche Rutschereignisse registriert, von denen einige Sachschäden in Millionenhöhe verursachen (Bild 2). Ereignisse wie in Nachterstedt (2009), Stein an der Traun (2010), Kap Arkona auf Rügen (2011), Mössingen-Öschingen (2013) und Linz am Rhein (2015) dokumentieren sowohl die kurze zeitliche Abfolge als auch die flächenhafte Verbreitung. Die Rutschung in Nachterstedt und der Abbruch von Lockergesteinsmassen auf den Strand am Kap Arkona forderten sogar Todesopfer. Naturgefahren einschließlich Massenschwerebewegungen nehmen zu. Sie fordern Menschenleben und verursachen erhebliche volkswirtschaftliche Schäden. Geotechniker haben eine große Verantwortung, Schäden und ihre Auswirkungen zu vermeiden oder einzugrenzen. Geotechnik • Naturgefahr • Rutschung • Klimawechsel • Forschung • Ausbildung Infolge des Bevölkerungswachstums und des damit verbundenen Ausbaus der Infrastrukturen sowie der prognostizierten Klimaveränderungen ist mit einer Zunahme der Ereignisse zu rechnen. Der Umgang mit der Naturgefahr „Massenschwerebewegung“ erfordert interdisziplinäre Ansätze. Außer der wirtschaftlichen und finanziellen Dimension sind der politische, der gesellschaftliche und der fachlich-geotechnische Fokus zu berücksichtigen. Es müssen Risiken eingeschätzt, Schäden vermieden und im Falle bereits eingetretener Schäden den Betroffenen geholfen und Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden. Als Geotechniker haben wir eine große Verantwortung bei der Gefahrenbeurteilung sowie der Auswahl, Bemessung und Installation von Sicherungs- und Stabilisierungssystemen. Die Forschung zu Georisiken kann Bild 1: Geographische Übersicht von Schadenereignissen im Jahr 2015 weltweit Quelle: Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Feuerbach und Lauterbach: Die Bedeutung von Rutschungen als zunehmende Naturgefahr GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 8 Geotechnik Bild 2: Rutschung in Lohme auf Rügen, Deutschland, am 19.03.2005 mit der Weiterentwicklung von Analysemethoden und der Ermittlung instabiler Hang- und Böschungsareale mithilfe rechnergestützter Modellierungen und komplexer Geodatenanalysen zur Verminderung der Gefährdung von Menschen und vorhandenen und geplanten Infrastrukturen durch Massenschwerebewegungen beitragen. Auch in die gesellschaftliche und politische Diskussion müssen sich Geotechniker mit ihrem Know-how einbringen. Das setzt eine solide Ausbildung und ständige Weiterbildung voraus. Forschung und Entwicklung Die Forschungsstelle Rutschungen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat das Ziel zur zur Bild 3: Ingenieurgeologisch-klimatisches Modell zur GIS-basierten Analyse der Rutschungssuszeptibilität infolge prognostizierter Klimaänderungen [1] GeoResources Zeitschrift 2| 2016 www.georesources.net Feuerbach und Lauterbach: Die Bedeutung von Rutschungen als zunehmende Naturgefahr Geotechnik Schadensreduzierung und Katastrophenvorsorge beizutragen. Sie führt in eigener Regie Forschungsprojekte durch, beispielsweise ein Projekt im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen [1]. Sie beteiligt sich auch an Kooperationsprojekten, wie dem noch laufenden von der DFG geförderten Projekt „Rutschungsdatenbank Rheinland-Pfalz“ [2], welches gemeinsam mit dem Landesamt für Geologie und Bergbau RheinlandPfalz bearbeitet wird. Aus- und Weiterbildung Mit ihrem Weiterbildungsseminar zum Thema Rutschungen, das in diesem Jahr bereits zum 16. Mal stattfindet (s. Infokasten), möchte die Forschungsstelle Rutschungen zur fachlichen Wissensvermittlung, zum interdisziplinären Austausch und zur Verbreitung neuer Erkenntnisse aus Wissenschaft und Praxis beitragen. Ausblick Aufgrund der prognostizierten Klimaveränderungen in den nächsten Jahrzehnten mit einer Zunahme von Starkregenereignissen in Mitteleuropa wird es in jetzt noch stabilen Hang- und Böschungsbereichen vermehrt zu Rutschereignissen kommen. Ziel von aktuellen Forschungsarbeiten sollte es daher sein, solche gefährdete Bereiche auf der Grundlage digitaler Modellierungen und Geodatenanalysen zu erfassen und eine Gefahren- und Risikoabschätzung durchzuführen. Mithilfe dieser Analysen können – auch zur Verminderung der wirtschaftlichen Schäden – bereits vor einem Versagensfall Konzepte zu Sicherungs- bzw. Stabilisierungsmaßnahmen ausgearbeitet werden. 9 Quellen [1] Krauter, E.; Kumerics, C.; Feuerbach, J.; Lauterbach, M.: Abschätzung der Risiken von Hang- und Böschungsrutschungen durch die Zunahme von Extremwetterereignissen. Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Heft S 75, 2012. [2] Landesamt für Geologie und Bergbau, Rheinland-Pfalz (o.J.): Mapserveranwendung Rutschungsdatenbank Rheinland-Pfalz. http://www.lgb-rlp.de/ms_rutschungsdatenbank.html [eingesehen am 23.05.2016] Forschungsstelle Rutschungen e. V. an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (FSR) Die im Jahr 1997 als interdisziplinäres Netzwerk gegründete Forschungsstelle Rutschungen forscht und lehrt praxisnah und interdisziplinär zum Thema der Hang- und Böschungsstabilitäten, um zur Schadensreduzierung, zur Katastrophenvorsorge und zur Sensibilisierung für das Thema beizutragen. Die Forschungsstelle Rutschungen bietet einmal im Jahr das zweitägige Weiterbildungsseminar „Fachtagung Rutschungen“ an. Kontakt für weitere Informationen: Forschungsstelle Rutschungen e. V. an der J. Gutenberg-Universität Mainz c/o Geo-Center Mainz Mombacher Str. 49-53 D - 55122 Mainz Tel. +49 6131 384083 [email protected] www.forschungsstellerutschungen.de Prof. Dr. Johannes Feuerbach Dr. Manuel Lauterbach ist 1. Vorsitzender der Forschungsstelle Rutschungen e. V. ist Geschäftsführer der Forschungsstelle Rutschungen e. V. Kontakt: [email protected] Kontakt: [email protected] Feuerbach und Lauterbach: Die Bedeutung von Rutschungen als zunehmende Naturgefahr GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 10 Geotechnik – Produktmeldung Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers in Bayern Götz Tintelnot, TPH Bausysteme GmbH, Hamburg, Deutschland Kurzbeschreibung der Gesamtbaumaßnahme Der Sylvensteinspeicher in Bayern erfüllt seit mehr als einem halben Jahrhundert eine wichtige Aufgabe im Hochwasserschutz – bei großen Hochwasserabflüssen schützt er insbesondere die Stadt Bad Tölz und die Landeshauptstadt München (Bild 1). Die lange Betriebszeit und außergewöhnliche Belastungen durch extreme Hochwasserereignisse hatten ihre Spuren am Staudamm hinterlassen. Daher wurde der Sylvensteinspeicher durch eine zusätzliche Dichtwand im Staudamm und Untergrund und ein neues Sickerwassermesssystem ertüchtigt (Bild 2). Das neue Messsystem besteht aus Dränagepfählen für das Sickerwasser und einem Sickerwasserstollen. Die Ertüchtigung dien- Nach über 50-jähriger Nutzungsdauer wurde der Sylvensteinspeicher in Bayern mit einer zusätzlichen Dichtwand und einem neuen Messsystem ertüchtigt. Dieser Beitrag informiert über eine Hartgelinjektion zur Stabilisierung und Abdichtung im Rahmen dieser Baumaßname. Geotechnik • Hochwasserschutz • Dammbau • Injektion • Abdichtung • Naturschutz te der Anpassung an den heutigen Stand der Technik und der Vorsorge gegen die Folgen möglicher Klimaveränderungen. Nähere Informationen zum Ertüchtigunskonzept und zur Bauausführung können [1] und [2] entnommen werden. Bild 1: Talsperre Sylvensteinspeicher mit einem Rückhaltevolumen von 79 Mio. m³ Quelle: Wasserwirtschaftsamt Weilheim GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Tintelnot: Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers Geotechnik – Produktmeldung 11 Zweck der Injektion Für den Bau des 190 m langen Sickerwasserstollens mit einem Durchmesser von 3,05 m wurde zunächst ein Zufahrtsstollen in den Fels gesprengt und von einer Startkaverne am Ende des Stollens mit einer Tunnelbohrmaschine der Sickerwasserstollen durch den 180 m langen Staudamm gebohrt. Durch einen 43 m tiefen, gesprengten Zielschacht wurde die Tunnelbohrmaschine wieder geborgen. Die Erkundungsbohrungen ergaben, dass im Übergangsbereich zwischen gewachsenem Fels und geschüttetem Damm mit stark schwankenden Durchlässigkeiten hinter der Startkaverne sowie vor dem Zielschacht gerechnet werden musste (Bild 3). Um Probleme beim Vortrieb der Tunnelbohrmaschine zu minimieren und das Eindringen von Wasser in der Startkaverne sowie im Zielschacht zu verhindern, musste dieser unberechenbare Gesteinsbereich stabilisiert und abgedichtet werden. Unter Berücksichtigung der Infrastruktur, der Umweltauflagen im FHH-Gebiet sowie der engen örtlichen Gegebenheiten kam eine Stabilisierung durch Vereisung nicht in Frage. Zur Stabilisierung und Abdichtung wurde eine Injektion ausgeführt. Bild 2: Prinzipskizze des ertüchtigten Staudamms mit neuer Dichtwand, Dränagepfählen und Sickerwasserstollen Quelle: TPH Bausysteme GmbH Allgemeines zu Injektionsmitteln Verschiedene Injektionsmittel sind geeignet, trockene oder feuchte Kiesschüttungen, Sande usw. zu stabilisieren. Die Injektion erfolgt über Packer oder Injektionslanzen direkt in die zu stabilisierenden Bereiche [3]. Durch chemische Reaktion oder physikalische Zustandsänderung erhärtet der Injektionsstoff und wird nach dem Verpressen form- und ortbeständig. Der injizierte Bereich wird dadurch verfestigt und gleichzeitig abgedichtet. Bei der Auswahl des Injektionsmittels sind vielfältige Aspekte und insbesondere die Durchlässigkeit des Bodens zu beachten. Moderne Gele sollen aus technischer und umwelttechnischer Sicht zwingend der sogenannten 5. Generation entsprechen. Diese Gele basieren weder auf Wasserglas, noch enthalten sie Acrylamide. Sie sind dauerbeständig und sollten grundwasserhygienisch unbedenklich sein. Seit dem Jahr 2008 können Acrylatgele vom Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) für Injektionen in den Baugrund allgemein bauaufsichtlich zugelassen werden. Ein Beispiel einer derartigen Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung ist [4, 5] Planung und Ausführung der Injektionen Für die Stabilisierung in diesem Projekt bot sich der Einsatz von Acrylatgelen als Injektionsmittel an. Acrylatgele sind extrem niedrigviskose Injektionsmittel aus Derivaten der Acryl- und Methacrylsäure sowie Aminen und Salzen. Nach Vermischung steht eine Lösung mit wasserähnlicher Konsistenz zur Verfügung. Wassergefüllte Kapillare dicht gelagerter Sande oder Schluffe können penetriert werden. Die Reaktionszeit lässt sich zwischen 90 Sekunden und 90 Minuten, in Bild 3: Bereich der Hartgelinjektion (blau gekennzeichnet) am Übergang zwischen Fels und geschüttetem Damm Quelle: TPH Bausysteme GmbH Abhängigkeit der Umgebungs- sowie Bodentemperatur einstellen. In der Technischen Universität München wurde eine Serie von Injektionstests zur Auswahl des Injektionsmittels und der Injektionsparameter durchgeführt. Dazu wurden die Sieblinie des Untergrunds und die Sättigung im Inneren des Damms nachgestellt. Unter Annahme einer 20-prozentigen Sättigung wurde bei Probeinjektionen neben der Variation von Injektionsparametern auch unterschiedliche technologische Vorgaben hinsichtlich Fördermenge, Injektionsdruck sowie Anordnung und Verpresszyklen der Manschettenrohre getestet. Ausgewählt wurde eine Hartgelinjektion mit dem Acrylatgel SolidCryl der TPH Bausysteme GmbH [6]. Dieses Acrylatgel erzielte bei den Laboruntersuchungen zufriedenstellende Ergebnisse. Die injizierten Bereiche Tintelnot: Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 12 Geotechnik – Produktmeldung wiesen trotz völliger Sättigung nach der Injektion mit dem erwähnten Acrylathartgel eine Druckfestigkeit von über 3 N/mm2 auf, während trockene Bereiche nach der Injektion sogar eine Druckfestigkeit von über 15 N/mm2 entwickelten. Die schwer einzuschätzenden Übergangsbereiche vor der Startkaverne und dem Zielschacht wurden vor dem Durchfahren der Tunnelbohrmaschine durch Hartgelinjektion stabilisiert. Fazit Trotz der schwer einzuschätzenden Bodenverhältnisse im Start- und Zielbereich konnten die gestellten technischen und ökologischen Anforderungen mit Hartgelinjektion ohne Vereisung erfüllt werden. Es wurde so umweltschonend wie möglich vorgegangen. Die angestrebten Festigkeiten wurden erreicht. Der Sickerwasserstollen konnte trotz der schwierigen Bedingungen mit einer Tunnelbohrmaschine erstellt werden. [3] Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen: Abdichten von Bauwerken durch Injektion ABI-Merkblatt. Fraunhofer IRB verlag, 3. Auflage, 2014 [4] Deutsches Institut für Bautechnik (DIBt): Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für Hydrogel „RUBBERTITE“ als Schleierinjektion. Zulassungsnummer Z-101.29-3, Geltungsdauer vom 1. Januar 2014 bis zum 1. Januar 2019 [5] TPH Bausysteme GmbH: Technisches Datenblatt RUBBERTITE [6] TPH Bausysteme GmbH: Technisches Datenblatt SOLIDCRYL Götz Tintelnot ist Geschäftsführer der TPH Bausysteme GmbH. Quellenverzeichnis [1] Wasserwirtschaftsamt Weilheim: Sylvensteinspeicher. http://www.wwa-wm.bayern.de/hochwasser/hochwasserschutzprojekte/dammsylvenstein/ [2] Lang, T.; Overhoff, G.: Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers mit Schlitzwand und Sickerwassersammelsystem. Korrespondenz Wasserwirtschft, 2015 (8), Nr. 6, S. 356-361. Kontakt: [email protected] Exzellente Ingenieurleistungen rund um die Geotechnik Seit über 30 Jahren Ihr Partner bei Begutachtung, Erkundung, Planung und Überwachung in der Geotechnik Altbergbau Tunnelbau Brückenbau Umwelttechnik Wasserbau Naturschutz Beweissicherung Ingenieurgeologie Hydrogeologie Geotechnik Spezialtiefbau Altlastensanierung Hang- und Böschungssicherung Steinschlagschutz Rockfall-Software Felsbau www.dr-spang.de GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Neubau Tunnel Pforzheim Felssicherung Zachenberg Talbrücke Rahmede Ingenieurgesellschaft für Bauwesen, Geologie und Umwelttechnik mbH Tel.: (02302) 914 020, [email protected] Witten - Esslingen - Frankfurt - Freiberg - Naumburg - Nürnbeg Tintelnot: Hartgelinjektion im Projekt zur Ertüchtigung des Sylvensteinspeichers Geotechnik und Tunnelbau 13 Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben Dipl.-Ing. René Schumann, International Operations Director, Hochtief Vicon GmbH, Essen, Deutschland Einführung Ein gut funktionierendes Transportnetzwerk ist für ein Wirtschaftssystem unerlässlich und die Voraussetzung für das künftige Wachstum eines Landes. Eine effiziente Transportinfrastruktur (Bild 1) trägt nicht nur zu unmittelbarem wirtschaftlichen Wachstum bei, sondern bietet Verbrauchern kürzere und zuverlässigere Reisezeiten, die letztlich Vorteile für das gesamte Wirtschaftssystem schaffen. In unserer stark von Wettbewerb geprägten Zeit geht es in der Infrastrukturindustrie vor allem um Effizienz. Politische Entscheidungsträger für moderne, konkurrenzfähige und produktive Transportinfrastrukturprojekte sind verpflichtet, effizientere, transparentere und stärker auf Zusammenarbeit ausgerichtete Verfahren zur Projektabwicklung umzusetzen. Methoden wie Building Information Modeling (BIM), die durch innovative Technologien unterstützt werden, haben im Hoch- und Infrastrukturbau großes Potenzial. BIM verfolgt einen informations- und modellorientierten Ansatz, der darauf abzielt, die Planung, den Bau und den Betrieb eines Bauwerks zu vereinfachen. Das Verfahren verwendet ein intelligentes digitales Modell mit drei oder mehr Dimensionen, um verschiedene Aspekte eines Projekts zu simulieren und zu analysieren. Im Hochbau hat sich BIM bereits bewährt, denn es bringt Vorteile, wie höhere Transparenz, eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten, wesentliche Zeit- und Kosteneinsparungen sowie eine Verringerung der Projektrisiken, mit sich. Infrastruktur- und Hochbau unterscheiden sich in ei- Im Hochbau hat sich Building Information Modeling (BIM) bereits bewährt. Vorteile der digitalen Modellierung sind höhere Effizienz und Transparenz, bessere Zusammenarbeit, Zeit- und Kosteneinsparungen sowie Verringerung der Projektrisiken. An den Bahnprojektbeispielen Metro Green Line in Katar und Northwest Rail Link in Australien wird gezeigt, dass BIM auch im Infrastrukturbereich erfolgreich eingesetzt werden kann. BIM erleichtert die Analyse zur frühzeitigen Erkennung von Risiken. Erläutert werden die wichtigen Komponenten Technologie, Menschen, Prozesse, Richtlinien und Management für BIM. Zukünftig wird BIM für viele Infrastrukturprojekte verbindlich gefordert und eingeführt werden. Daher werden auch derzeit stark nachgefragte Aus- und Weiterbildungsangebote zu BIM angesprochen. Tunnelbau • Geotechnik • Infrastruktur • Großprojekte • BIM • Prozessmanagement nigen Aspekten voneinander. Den Bedarf nach mehr Effizienz, Transparenz und Zusammenarbeit in den Projekten gibt es jedoch in beiden Branchen. Immer mehr öffentliche und private Organisationen im Infrastruktursektor erkennen den Mehrwert von BIM. Als großer Kunde weist der öffentliche Sektor bereits den Weg zur landesweiten Umsetzung von BIM für Projekte im Bereich Transport- und Verkehrsinfrastruktur. „Wir starten eine Offensive zur Digitalisierung der Baubranche. Mit modernsten digitalen Methoden sollen Bauprojekte effizienter und im Zeit- und Kostenrahmen Bild 1: Beispiel eines Verkehrsinfrastrukturprojekts Quelle aller Bilder: Hochtief Vicon Schumann: Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 14 Geotechnik und Tunnelbau realisiert werden. Wir werden Planen und Bauen mit BIM für unsere Infrastrukturprojekte ab 2020 verbindlich machen. Mit Pilotprojekten optimieren wir den Einsatz dieser Planungsmethoden. Das ist eine Modernisierungsoffensive für die weltweit tätige deutsche Bauindustrie“, erläuterte der Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt [1]. Die Nachfrage nach BIM im Transport- und Verkehrsinfrastruktursektor steigt stetig. Aber ist die Branche dafür bereit? Die Hochtief Vicon GmbH hat im Rahmen internationaler Infrastrukturprojekte bereits seit Jahren Erfahrungen bei der Anwendung von BIM gesammelt. Dabei wurde deutlich, dass der informations- und modellorientierte BIM-Ansatz die Art und Weise verändert, wie Transport- und Verkehrsinfrastrukturprojekte entwickelt, gebaut und betrieben werden. Die richtige Strategie für die BIM-Implementierung: sorgfältige Planung zu Beginn eines Projekts, eine Zusammenarbeit zwischen Partnern, der Aufbau von Wissen und Schulungen in Bezug auf die Lieferkette sowie ein gemeinsames Verständnis dafür, wie BIM den Lebenszyklus von Infrastrukturprojekten verbessern kann, sind nur einige der wichtigen Aspekte, die erforderlich sind, wenn die Industrie zusätzlichen Nutzen aus Methoden wie BIM ziehen will. Was bedeutet BIM für Bahn- und andere Infrastrukturprojekte? Der Bau eines digitalen Modells vor Baubeginn ermöglicht dem gesamten Projektteam, Themen, wie Planungskoordination, Bauablaufplanung, Baustellenlogistik, Kostenplanung oder Asset Management, die während des Baus aufkommen, bereits in den Anfangsphasen des Projekts zu visualisieren und zu analysieren. Veränderungen, die aus dieser frühen Analyse resultieren, können über die digitale Repräsentanz einfacher, schneller und kostengünstiger umgesetzt werden. Auch werden Schäden verhindert, die in der Realität entstehen können, wenn Probleme unentdeckt bleiben. BIM bringt im gesamten Verlauf von Infrastrukturprojekten Vorteile – von der Bestandsaufnahme über die Planung, die Datenerhebung, den Bau, die Dokumentation und die Inbetriebnahme bis hin zur Instandhaltung während der Nutzungsdauer. Laut einer Studie zum USamerikanischen Infrastrukturmarkt aus dem Jahr 2012 [2] meldeten 44 % der Projekteigner insgesamt bessere Projektergebnisse und eine Verringerung der Nachbesserungen dank BIM. Mehr als 30 % der Eigentümer betonten die Vorteile von BIM, wie beispielsweise weniger Mängelrügen und Rechtsstreitigkeiten, weniger Fehler in der Planung, kürzere Zyklusdauern im Arbeitsablauf und eine kürzere Projektdauer. 22 % der Infrastruktureigentümer bestätigten zudem, dass die Baukosten geringer als ursprünglich geplant ausfielen. Fallstudien zur Implementierung von BIM in Bahnprojekten Doha Metro in Katar In einem BIM-Arbeitsablauf müssen mehrere Projektbeteiligte zusammenarbeiten und digitale Informationen miteinander teilen. Oftmals besteht jedoch das Risiko, dass nicht alle Informationen zeitnah zur Verfügung stehen oder von den Beteiligten falsch ausgelegt werden. Der „BIM-Implementierungsplan“ ist ein wichtiges Instrument, um sämtliche Parteien darin zu unterstützen, die Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten zu erkennen, die mit dem BIM einhergehen. Eines der fortschrittlichsten Metrosysteme der Welt, die Doha Metro in Katar, hat den großen Schritt gewagt und BIM weitgreifend umgesetzt (Bild 2). Das Doha Metro Projekt ist Teil des ambitionierten Bahn- Bild 2: 3D-Modell des Doha Metro-Projekts in Katar GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Schumann: Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben Geotechnik und Tunnelbau 15 Bild 3: Übersicht über die BIM-Aktivitäten für die Metro in Doha projekts, welches Katar, Saudi-Arabien und Bahrain durch ein Netzwerk von Güter- und Personentransportsystemen verbindet. Die Grüne Linie (Metro Green Line, MGL), eine der vier wichtigsten Metrolinien, besteht aus 15 km langen Zwillingstunneln und sechs U-Bahn-Stationen. Während der Planungs- und Bauphase ist die Hochtief Vicon GmbH an der BIMImplementierung, dem BIM-Management und der Umsetzung zahlreicher BIM-Anwendungen beteiligt (Bild 3). BIM ist nicht auf unabhängige technische Prozesse beschränkt. Die BIM-Implementierung und das BIMManagement beziehen leitende Projektbeteiligte mit folgenden Zielen ein: ▶▶ Gegenseitiges Vertrauen und Verständnis aufzubauen ▶▶ Projektübergreifende Veränderungen auszuführen ▶▶ Eine von Zusammenarbeit geprägte Atmosphäre zu schaffen ▶▶ Das Team mithilfe von Werkzeugen und Schulungen zu unterstützen, die gesetzten BIM-Ziele zu erreichen. Verträge, Grundsätze und Standards müssen darauf ausgerichtet sein, die Zusammenarbeit zu unterstützen und zu fördern. Die Hochtief Vicon GmbH hat das MGL-Projekt durch die Bereitstellung eines BIM-Managers als Schlüsselperson innerhalb des Projektteams unterstützt. Die Hauptaufgabe des BIM-Managers ist die Sicherstellung der reibungslosen Implementierung, indem er die Mitarbeit aller Beteiligten einfordert. Starre Äste brechen im Wind. In einem innovativen Prozess muss man sich an Veränderungen anpassen können. Daher ist nicht nur der BIM-Manager, sondern das gesamte Team – vom Management bis hin zum Ausführenden – entscheidend für den Umgang mit Veränderungen, die BIM für die Arbeitspraktiken einer Organisation mit sich bringt. Die Hochtief Vicon GmbH hat ihr Hauptaugenmerk von Anfang an auf die Einrichtung eines funktionierenden BIM-Teams inner- halb des MGL-Projekts gelegt. Die BIM-Teammitglieder erhielten projektspezifische BIM-Schulungen. Das Team wurde von den BIM-Spezialisten hinsichtlich der technischen Aspekte, aber auch in Bezug auf die grundlegenden Prozesse für alle BIM-Anwendungen angeleitet. In den Schulungen ging es um 3D-Koordination, 4D-Bauablaufplanung, modellbasierte Mengenermittlung und die Zertifizierung des BIM-Managers. 3DModelle, die vom Planungsteam vorbereitet wurden, bildeten die Grundlage für die Koordinationsbesprechungen. Die kontinuierliche Arbeit mit dem 3D-Modell führte zur Verbesserung der Planungsqualität und schlussendlich auch der Bauqualität. 4D-Simulationen boten die nützliche Möglichkeit, die Baubarkeit des vorgeschlagenen Entwurfs zu analysieren, für alle Projektbeteiligten ein besseres Verständnis zu schaffen und die Zeitpläne zu optimieren. Die regelmäßige Ermittlung der modellbasierten Mengen hat zur besseren Kostenkontrolle beigetragen, indem die Kostenauswirkungen aufgrund von Entwurfsänderungen unmittelbar während der Entwurfsentwicklung nachverfolgt werden konnten. Die Hochtief Vicon GmbH verließ das Projekt nach erfolgreicher BIM-Implementierung und -Schulung, auf deren Grundlage das BIM-Team des Bauunternehmens seine Arbeit aufnehmen konnte. Sydney Metro Bahnprojekte, insbesondere Metrolinien, werden meistens in eine bereits vorhandene Stadtinfrastruktur mit dicht bevölkerten Gebieten integriert. Die Entwicklung solcher Bahnlinien erfordert eine umfangreiche Koordination zwischen unterschiedlichen staatlichen Einrichtungen, Bauunternehmen, Lieferanten und anderen Projektbeteiligten. Ein wichtiger Aspekt besteht darin, die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Personen bereitzustellen. Die Verwaltung der Informationen ist entscheidend, damit die Ziele in Verbindung mit Zeitplanung, Kosten und Qualität erreicht werden. Die Sydney Metro, eines der größten Infrastruktur- Schumann: Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 16 Geotechnik und Tunnelbau Bild 4: 3D-Modell der Metro in Sydney – Endstation der Metrolinie und Wartungsbereich projekte in Australien, hat BIM zu Hilfe genommen, um projektbezogene Informationen zu verwalten und eine auf Zusammenarbeit ausgelegte Arbeitsumgebung für die Projektbeteiligten zu schaffen. Das 3D-Modell der Metro in Sydney bildet die Grundlage für die Datenverwaltung während der Bauphase und den anschließenden Betrieb der Metro. Bild 4 zeigt das 3D-Modell der Endstation der Metrolinie und den Bereich, in dem die Züge gewartet werden. Die Hochtief Vicon GmbH unterstützt die erste Phase dieses Projekts „Northwest Rail Link“ durch die Umsetzung des im eigenen Haus entwickelten, integrierten BIM-Systems „Online Rail Information System (ORIS)“. ORIS ist ein webbasier- tes Projektmanagementsystem, das speziell für die Kontrolle und Auswertung des Datenmaterials von Bahnprojekten entwickelt wurde, um deren Realisierung und Betrieb effizienter zu steuern. Um ORIS und seine Vorteile zu verstehen, muss man zunächst einmal verstehen, wie in einem typischen Transportinfrastrukturprojekt Daten verwaltet werden. Das Datenmanagement besteht aus drei Schritten (Bild 5). Der erste Schritt ist die Datenbeschaffung. Bereits vorhandene Projektinformationen, wie Zeitpläne, Dokumente, Zeichnungen etc., werden strukturiert in einer zentralen Datenbank zusammengeführt. Der zweite Schritt besteht darin, die erhobenen Daten in Bild 5:Projektkommunikationsebenen GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Schumann: Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben Geotechnik und Tunnelbau Prozesse und Workflows einzubinden. Hier werden die numerischen und geometrischen Daten verarbeitet und entsprechend ihrer Relevanz sortiert. Der Geschäftswert wird im dritten Schritt geschaffen, indem die Daten analysiert und gezielt für verschiedene Anwendergruppen zur Verfügung gestellt werden, wie Berichte und Kostenschätzungen für das Management, Modelle für die technische Dokumentation, Fotodokumentation, Abnahmen und zahlreiche andere Funktionen. Baustellen werden zunehmend komplex und schneller. Dank der verfügbaren mobilen Technologien ist der Prozess der Datenbeschaffung viel einfacher geworden. Mit ORIS kann das Projektteam für Northwest Rail Link die Daten in Echtzeit digital erheben und darauf zugreifen – unabhängig vom Standort oder der Beteiligungsebene. Kundenspezifische Formulare werden mit mobilen Geräten oder einer OnlinePlattform verwendet, um die erforderlichen Daten zu erheben. Im Laufe des gesamten Projekts werden etwa 100.000 solcher Formulare über ORIS versendet. Das System ist online verfügbar und hat eine web-basierte Schnittstelle, sodass sämtliche Projektbeteiligten jederzeit und überall auf diese Informationen zugreifen können (Bild 6). Die Bereitstellung einer leicht verständlichen Analyse der erhobenen Daten hilft dabei, ein gemeinsames Verständnis für das Projekt zwischen den unterschiedlichen beteiligten Teams sicherzustellen. Mit ORIS werden der Erhebung und Analyse sämtlicher Arten von Informationen keine Grenzen gesetzt. Einige der nützlichsten Anwendungen von ORIS im Rahmen des Projekts sind: ▶▶ Bereitstellung einer gemeinsamen 3D-Plattform, um verschiedene Designpakete zu visualisieren ▶▶ Ermittlung und Analyse der Mengen aus dem 3DModell ▶▶ Bereitstellung von Informationen zu Vor-Ort-Abnahmen ▶▶ Digitale Erhebung und Speicherung technischer Anfragen vor Ort ▶▶ Simulation des Projektzeitplans am 3D-Modell, um den Bauablauf zu visualisieren ▶▶ Prüfung der täglichen Berichte der verschiedenen Projektpartner ▶▶ Berichtswesen zum Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz 17 Bild 6:Datenmanagement Qualitätssteigerungen sowie Zeit- und Kosteneinsparungen durch verbesserte Interoperabilität der Daten, einen nachverfolgbaren Änderungsprozess und eine Kombination der Geometrie mit anderen Daten Umsetzung der BIM-Prozesse. Das Online Rail Information System, das im Rahmen des Sydney Metro-Projekts zum Einsatz kommt, ist eins von vielen Beispielen dafür, wie ein BIM-basiertes Produktionssystem die gesamtheitliche und komplexe Entwicklung von Bahnprojekten unterstützen kann. Die Schritte zum BIM Fünf BIM-Komponenten Technologie ist ein wichtiger Bestandteil des Building Information Modeling. Die Wahl der richtigen Software, Hardware, Plattformen für den Datenaustausch, Kommunikationsmittel etc. ist von entscheidender Bedeutung für die erfolgreiche BIM-Implementierung. Ohne Körper schlägt das Herz jedoch ins Leere. Um den vollen Nutzen von BIM auszuschöpfen, sollten fünf Komponenten – Technologie, Prozesse, Menschen, Richtlinien und Management – ganzheitlich angewendet werden (Bild 7). „Technologie gibt uns Macht, doch sie kann und wird uns nicht sagen, wie wir diese Macht Bild 7: Fünf wesentliche BIM-Komponenten Der BIM-Manager der Hochtief Vicon GmbH in Sydney überwacht sämtliche Angelegenheiten in Bezug auf das 3D-Modell und stellt zugleich sicher, dass die generierten Daten so effizient wie möglich verwendet und koordiniert werden. Er bildet die Schnittstelle zwischen den Projektbeteiligten, sammelt projektspezifische Anforderungen, legt Prozesse fest, koordiniert deren Umsetzung und testet alle Systeme, ehe sie in Betrieb genommen werden. Er ist für die Transparenz der Projektdaten verantwortlich. Darüber hinaus führt er Schulungen durch und unterstützt die Projektbeteiligten in der Verwendung des ORIS-Systems und bei der Schumann: Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 18 Geotechnik und Tunnelbau nutzen sollen“, sagte der Philosoph und Gelehrte Jonathan Sacks. Ohne die richtigen Prozesse kann keine Technologie wirksam sein. BIM erleichtert die Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern, doch es bringt auch wesentliche Änderungen mit sich, wie Informationen geteilt, kommuniziert, bereitgestellt und von den jeweiligen Parteien verwaltet werden. Bei Infrastrukturprojekten ist aufgrund der Projektgrößen die Definition der Prozesse besonders wichtig, um Risiken zu verringern und sicherzustellen, dass alle Parteien effizient und reibungslos zusammenarbeiten können. Mit den richtigen Werkzeugen und Prozessen kann eine Bewertung der Fähigkeiten der beteiligten Personen erfolgen – ein wichtiger Faktor, bevor BIM in einem Projekt eingesetzt wird. Das richtige Maß an Schulungen und Unterstützung sollte geplant und bereitgestellt werden, sodass gewährleistet ist, dass die Beteiligten die erforderliche Qualifikation haben, um die BIM-Ziele des Projekts zu erreichen. Richtlinien, Standards und Spezifikationen wirken sich signifikant darauf aus, wie Projekte geplant, gebaut und schließlich über ihre gesamte Lebensdauer hinweg betrieben werden. Richtlinien bilden eine essenzielle BIM-Komponente, die ab den frühen Phasen des Projekts verstanden und integriert werden sollte. Ein strukturierter und effektiver Managementansatz ist erforderlich, um sicherzustellen, dass das Team aus den richtigen Menschen besteht und diese die richtigen Werkzeuge, Verfahren und Grundsätze anwenden. Das Management spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, dass die übrigen vier wesentlichen BIMKomponenten Technologie, Prozesse, Menschen und Richtlinien im Einklang stehen. „Nur wenn man all diese Komponenten beherrscht, können sämtliche BIM-Vorteile im Projekt gehoben werden”, kommentiert Dirk Schaper, Geschäftsführer der Hochtief Vicon GmbH. Da immer mehr Unternehmen die Bedeutung des Managements für BIM erkennen, wird die Funktion eines BIM-Managers künftig eine Standardanforderung für Projekte sein. Schulung und Zertifizierung Building Information Modeling gewinnt im Transportund Verkehrsinfrastruktursektor zunehmende Bedeutung. Die Nachfrage nach kompetenten BIM-Kräften steigt innerhalb der Branche stetig. Viele Universitäten in unterschiedlichen Teilen der Welt haben angefangen, BIM-spezifische Schulungs- und Zertifizierungsprogramme umzusetzen, um diese Nachfrage zu bedienen. Eine solche Institution ist die Ruhr-Universität Bochum. Sie hat ihre Kräfte mit der Hochtief Vicon GmbH gebündelt. Die Universität bietet seit dem Sommersemester 2016 den Zertifikatskurs „BIM Professional“ an. Dieser neue Kurs bietet die ersten standardisierten Schulungen und Zertifizierung für künftige BIMFachleute. Die Teilnehmer werden sechs thematisch strukturierte Module in den Bereichen Technologie, GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Prozesse, Menschen und Richtlinien belegen und lernen, wie Projekte mithilfe bewährter BIM-Methoden und -Werkzeuge effizienter verwaltet werden können. „Mit dem Zertifikat „BIM Professional für Hochbau und Infrastruktur“ gibt es dann endlich einen Nachweis für BIM-Fachwissen“, wie Schaper verspricht. Der BIM-Zertifikatskurs richtet sich an Fachkräfte im Bereich Ingenieurwesen, Architektur und Projekt- oder Baumanagement. Die Teilnehmer können an dem Kurs in Teilzeit teilnehmen. Sie profitieren von den umfangreichen praktischen Erfahrungen der Schulungsleiter. Nach dem erfolgreichen Abschluss erhalten die Teilnehmer das „BIM Professional“-Zertifikat, das als erstes in Deutschland von planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planesn, Bauens und Betreibens mbH, Berlin, anerkannt wird. Die Gesellschaft ist eine Initiative aller relevanten Verbände und Kammerorganisationen der Wertschöpfungskette Planen, Bauen und Betreiben in Deutschland zur Einführung von digitalen, den gesamten Lebenszyklus von Bauwerken sowie Immobilienprojekten abbildenden Geschäftsprozessen [3]. Eine der größten Herausforderungen bei der einheitlichen Umsetzung von BIM in einem Projekt besteht in den unterschiedlichen Fähigkeiten der Beteiligten. Da jedoch immer mehr Universitäten den BIM-Markt erschließen und professionelle Kurse anbieten, die darauf ausgerichtet sind, wie BIM in der Planungs-, Bau- und Betriebsphase eines Projekts integriert werden kann, wird die derzeit noch vorhandene Lücke zwischen Angebot und Nachfrage von BIMFachkräften nach und nach geschlossen werden. Die Zukunft von BIM Qualitativ hochwertige Infrastruktur wirkt sich positiv auf wirtschaftliches Wachstum aus und fördert den Handel. Laut einem Bericht der OECD [4] könnte die Nachfrage nach Personen- und Güterbahnverkehr weltweit um etwa 2 bis 3 % jährlich ansteigen, während sich das BIP bis zum Jahr 2030 möglicherweise verdoppelt. Auch der Bedarf nach hochwertiger Infrastruktur wird in Zukunft steigen. Um wettbewerbsfähig und effizient zu bleiben, wird die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Projektpartnern wichtiger denn je. Methoden wie Building Information Modeling (BIM) werden eine wichtige Rolle spielen und werden langfristig zum Industriestandard werden, um die Zusammenarbeit zu erleichtern und verbessern. Innovative Umsetzungsstrategien, BIM-basierte Produktionssysteme, wie ORIS und andere moderne Technologien, werden es Projektteams möglich machen, die Vorteile von BIM zu nutzen und auf dieser Grundlage moderne, wettbewerbsfähige und effiziente Infrastrukturprojekte zu entwickeln. Die USA, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Norwegen, Finnland und Singapur sind nur einige der vielen Wegbereiter der verpflichtenden Einführung von BIM auf nationaler Ebene. Künftig werden wahrscheinlich nationale BIMStandards speziell für den Verkehrs- und Transportinf- Schumann: Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben Geotechnik und Tunnelbau rastruktursektor in vielen Ländern entwickelt und vom öffentlichen Sektor vorgeschrieben. Die Verkehrs- und Transportinfrastruktur sind die Stütze unserer Wirtschaftssysteme und unserer Zukunft. Ein effizienter, transparenter und auf Zusammenarbeit basierender ganzheitlicher Ansatz für Infrastrukturprojekte trägt dazu bei, verantwortungsvoll und sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen und die öffentliche Akzeptanz für solche Projekte zu verbessern. Mit BIM bauen wir digital, noch vor dem ersten Spatenstich. Quellen [1] Dobrindt, A.: Stufenplan zur Einführung von Building Information Modeling (BIM) bis 2020. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 15.12.2015, URL der Pressemitteilung: https://www.bmvi.de/ SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2015/152-dobrindt-stufenplan-bim.html [2] McGraw-Hill: The Business Value of BIM for Infrastructure. McGraw-Hill Construction Smart Market Report, 2012, Berichts-URL: http://static-dc.autodesk.net/content/dam/autodesk/www/industries/civil-infrastructure/transportation-infrastructure/Docs/ business_value_of_bim_for_infrastructure_smartmarket_report__2012.pdf [3] Planen bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH: Die Initiative. URL der Website: http://planen-bauen40.de [4] OECD: Strategic Transport Infrastructure Needs to 2030 – International Futures Programme. 2011, Berichts-URL: https://www.oecd.org/futures/infrastructureto2030/49094448.pdf 19 Dipl.-Ing. René Schumann René Schumann ist International Operations Director der Hochtief Vicon GmbH mit Niederlassungen in Deutschland, Katar, dem Vereinigten Königreich und Indien, die zu den führenden Dienstleistern und Beratern für virtuelle Konstruktion und BIM gehört. René Schumann kam 1998 mit einem Abschluss in Konstruktivem Ingenieurbau zur Hochtief AG. Er unterstützte Hochtief in der Umsetzung virtueller Konstruktionstechniken, die zur Gründung der Hochtief Vicon GmbH im Jahr 2007 führten. Schumann war von Anfang an Head of Operations von Hochtief Vicon und berät in dieser Funktion Kunden der gesamten Branche. Er ist einer der Schöpfer der Vicon-Methode und die treibende Kraft hinter dem Fokus auf Pragmatismus und Kundennutzen. 2009 gründete Hochtief Vicon eine Zweigstelle in Katar, deren Leitung René Schumann als Managing Director übernahm. Er brachte das Team in eine führende Position im Nahen Osten und widmet sich als International Operations Director weiter den internationalen Märkten. Kontakt: Hochtief ViCon GmbH [email protected] www.hochtief-vicon.de Schumann: Eisenbahnlinien mithilfe digitaler Modellierung bauen und betreiben GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 20 Geotechnik und Tunnelbau „Baustellen-App“ für die Kommunikation zwischen Baustelle und Büro in Infrastrukturprojekten Verena Mikeleit, tech-PR, Süßen, Deutschland Dokumentation des Baustellen geschehens – Theorie und Praxis Ein 5D-BIM-Modell (BIM für Building Information Modeling) soll auf großen Baustellen im Infrastrukturbereich eine transparente Kommunikation zwischen allen am Projekt Beteiligten ermöglichen, also auch zwischen Büro und Baustellenteams vor Ort: Diese Forderung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) soll dazu beitragen, die Herausforderungen von Großprojekten zu meistern [1], und gleichwohl Impulse für kleinere Projekte sowie Bauvorhaben der Länder und Kommunen geben. In der Theorie klingt das sinnvoll, doch wie kann diese Forderung in der Baustellenpraxis umgesetzt werden? Die Baustellen von Verkehrsprojekten sind oft sehr groß und und in viele Abschnitte unterteilt. Neben eigenen Kolonnen des Hauptauftragnehmers sind in der Regel weitere Fremdfirmen mit zahlreichen Mitarbeitern, Baumaschinen und -geräten im Einsatz. Die Dokumentation und die Berichterstattung erfolgen häufig händisch mit Zetteln, die am Ende jedes Tages in verschiedenen Aktenordnern in den Baucontainern für die weitere Bearbeitung abgeheftet und erst später in die digitale Verarbeitung überführt werden – wenn Bild 1: Klassische Dokumentation und Ablage in Papierform GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net BIM-Modelle mit fünf Dimensionen – drei für die Geometrie und zwei weitere für Zeit und Kosten – sollen den Bauablauf und die Qualität der Bauausführung von Infrastrukturprojekten verbessern. Dieser Artikel erläutert, wie innovative intelligente mobile Werkzeuge der RIB Software AG die Kommunikation und den Informationsaustausch zwischen Baustelle und Büro unterstützen. Geotechnik • Tunnelbau • Infrastruktur • Kommunikation • BIM • Equipment überhaupt (Bild 1). Wichtige Informationen für die durchgängige Dokumentation und die korrekte Abrechnung erreichen die verantwortlichen Stellen immer wieder zu spät oder unvollständig. Digitales Modell für die Anforderungen einer Baustelle So wie beschrieben sieht die Realität leider oft auch noch aus, wenn Unternehmen im Straßen-, Tief- und Infrastrukturbau dazu übergehen, digitale BIM-Modelle einzusetzen. Die Modelle enthalten alle relevanten Informationen für die Aufgaben und deren Dokumentation am Bau, also ein 3D-Modell der Bauaufgabe plus Zeit- und Kostenplan. Doch die Anwendung des Modells draußen auf der Baustelle gelingt oft nicht. Deswegen hat die RIB Software AG zusätzlich zu ihrer 5D-Softwarelösung für den Tiefbau intelligente Werkzeuge für den Einsatz auf der Baustelle entwickelt (Bild 2). Die iTWO-Unternehmenslösung beschreibt das Gesamt-Software-System für die Arbeit mit BIMModellen und verbindet dreidimensionale Geometrie mit Zeit- und Kosteninformationen innerhalb einer Software iTWO 5D. Dabei ist iTWO civil die CADKomponente für den Tiefbau. Die Komponente civil bereitet das CAD-Modell auf und integriert dieses mit zusätzlichen Attributen in den iTWO-5D-Gesamtprozess. Die Komponente iTWO OnSite ist eine zusätzliche, ergänzende App für mobile Endgeräte, die das Modell aus iTWO 5D abbildet und so dem Baustellenpersonal zugänglich macht. „Ob Management von Defekten, Leistungsmeldung oder Bautagesberichte (Bild 3): Uns war es ein Anliegen, eine Systemlösung zu schaffen, die die Verantwortlichen im Büro stets mit aktuellen Informationen von Mikeleit: „Baustellen-App“ für transparente Kommunikation zwischen Baustelle und Büro in Infrastrukturprojekten Geotechnik und Tunnelbau den Baustellen versorgt und dabei gleichzeitig einfach in der Anwendung und für die Voraussetzungen einer Baustelle geschaffen ist“, erklärt RIB-Produktmanager Maximilian Kroner. Das Prinzip der Lösung ist: Jeder Verantwortliche für eine bestimmte Aufgabe, beispielsweise den Einbau einer Frostschutzschicht eines Bauabschnitts, erhält exakt und nur diejenigen Informationen des Gesamtmodells, die für seine auszuführenden Tätigkeiten auch von Relevanz sind. Diese stehen auf einem Tablet mit einfacher Touch- und Wischbedienung oder alternativ einem Laptop zur weiteren Bearbeitung zur Verfügung (Bild 4). „Von Vorteil für den Baustelleneinsatz sind so genannte „Rugged-Geräte“, führt Kroner weiter aus. „Sie sind wasser- und spritzfest und dürfen im Gegensatz zu einem Smartphone oder Standard-Tablet auch mal runterfallen, ohne dass sie dabei Schaden davontragen.“ 21 Bild 2: Prinzipskizze der durchgängigen Softwarelösung zur digitalen Kommunikation zwischen Baustelle und Büro BIM-Modell auf Aufgabenschwerpunkte reduziert Die von der RIB Software AG entwickelte App für die Baustelle für die aktuellen Windows-Betriebssysteme von Microsoft überträgt – bei aktiver, mobiler Verbindung – permanent Baustellendaten von der Baustelle – iTWO OnSite Tablet – ins Baustellenbüro – iTWO OnSite Office – (Bild 2). Liegt keine Verbindung vor, synchronisiert das System die Daten bei Rückkehr ins Baustellenbüro. Aus dem Baustellenbüro werden die neuen und aktuellen Daten gezielt in das Büro des Unternehmens in das Gesamtprojekt übermittelt. Diese Übertragung erfolgt gewöhnlich am Abend oder einmal pro Woche. „Welche Informationen die Baustelle verlassen, entscheidet zum Beispiel der für die auszuführende Gesamtleistung verantwortliche Oberbauleiter“, erklärt Andreas Dieterle aus dem RIBProduktmanagement für den Bereich Tiefbau und Infrastruktur. Denn der Oberbauleiter erteilt die Freigabe für die Informationen, die vom Baustellenbüro an das Büro in der Zentrale übertragen werden. Bevor er diese Freigabe erteilt, kann er stets die Historie der im System eingegangenen Meldungen seiner Teams einsehen und – sofern erforderlich – nachprüfen, ob zum Beispiel die zuletzt eingegangenen Leistungsmeldungen über den Baustellenstand korrekt sind. „Der Oberbauleiter entscheidet dabei auch, welche Kollegen draußen ein mobiles Gerät mit der App nutzen dürfen und welche Zugriffsrechte der jeweilige User auf das Modell erhält“, so Dieterle. “Ziel dabei ist, die Informationen stets auf das Wesentliche zu reduzieren“, erklärt der Produktmanager. „Das spart Zeit im Gesamtprozess.“ Sowohl beim Oberbauleiter als auch bei den Mitarbeitern, die die App direkt am Geschehen nutzen, werden stets nur arbeitsrelevante Modellinformationen bereitgestellt. Das iTWO-System auf den mobilen Endgeräten ist soweit verschlankt, dass sich die Bedienung schnell und leicht erlernen lässt. Auch für Baustellenmitarbeiter, die wenig IT-affin sind, soll das System leicht zu bedienen sein und nur die Funktionalitäten Bild 3: Tablet mit iTWO OnSite Bild 4: Tablet mit Touch- und Wischbedienung Mikeleit: „Baustellen-App“ für transparente Kommunikation zwischen Baustelle und Büro in Infrastrukturprojekten GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 22 Geotechnik und Tunnelbau und für die keine Kosten im System kalkuliert wurden. Das ist ein großer Vorteil für Baumaßnahmen im Straßen- und Tiefbau, bei denen nicht selten überraschende, unvorhergesehene Ereignisse an der Tagesordnung sind. So ergeben sich häufig Bauverzögerungen wegen verspäteter Materiallieferungen. Die Software hilft dabei, solche Ereignisse mit wenigen Berührungen am Touchscreen im System aufzunehmen, sodass die Gründe für eine Verspätung zu jeder Zeit dokumentiert und für alle Beteiligten ersichtlich sind. Fertigstellungsgrade zeitnah melden Bild 5: Mängelbehebung mit iTWO OnSite haben, die vor Ort gebraucht werden. Das ist die Idee des Herstellers und war die Aufgabenstellung bei der Entwicklung des Programms mit dem Namen „iTWO OnSite“. Mängelmanagement leicht gemacht Baumängel sollen mit dem Programm auf einfache Weise per Touch-Technologie erfasst und gemeldet werden (Bild 5). Möglich ist außerdem, einen Screenshot des Modells zur Bestimmung der exakten Position sowie ein Foto des Defekts beizufügen. Bei relevanten und nicht eindeutig zu klärenden Fällen können erfasste Mängel bei Bedarf über einen Drucker im Baucontainer direkt ausgedruckt und gegengezeichnet werden. Auf diese Weise ist sofort dokumentiert, welche Mängel in der Bauausführung vorliegen und wie diese beseitigt werden. Prozessorientierte Arbeitshilfe Bautagesberichte und Leistungserfassung per App iTWO ist ein umfangreiches Softwaresystem, das alle Informationen eines Bauvorhabens von der ersten Vorplanungsphase durchgängig beinhaltet. Geometriedaten sowie Zeit- und Kosteninformationen sind dabei in einem 5D-Modell (3D plus Zeit plus Kosten) integriert. Das Modell arbeitet prozessorientiert, enthält also alle Vorgänge und das zugehörige Datum, an dem Aufgaben laut Plan zu erledigen sind. Dank der Vielzahl an Informationen im System können Mitarbeiter auf den Baustellen ihre Aufgaben im Detail virtuell sichten. Bei einer Straße können sie beispielsweise vorab am Tablet verfolgen, welche Schichten nacheinander eingebaut werden und zu welchem Datum ihre Aufgabe erledigt sein soll. Das integrierte Bautagebuch ermöglicht zudem eine exakte Dokumentation des Wetters, des eingesetzten Personals sowie der Maschinen und Geräte. Weiter können auch Leistungen aufgenommen werden, die zunächst nicht im Plan vorgesehen waren GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Eine Maßnahme kann erst dann abgerechnet werden, wenn die Leistung abschließend und ohne Mängel durchgeführt wurde. Für das Controlling innerhalb der modellorientierten Arbeit kann jederzeit angezeigt werden, welche Tätigkeiten zu welchem Datum fertiggestellt sein sollen. In der Praxis zeigt das Modell im Büro häufig einen anderen Zustand an als vor Ort auf der Baustelle. Viele Abschnitte werden als noch nicht ausgeführt angezeigt, obwohl diese gemäß Zeitplan schon lange auf fertiggestellt stehen müssten. Dies sorgt immer wieder für Klärungsbedarf und somit häufig zu verspäteter Rechnungsstellung. Mit der Lösung iTWO OnSite kann direkt am Modell und in der Örtlichkeit der Fertigstellungsgrad eingegeben werden. Mit einer mobilen Lösung ist eine zeitnahe Meldung wesentlich einfacher umzusetzen. Wenn trotzdem eine Meldung fehlt, kann sie aus dem Büro direkt von der Baustelle angefordert werden. Korrekte Leistungsmeldung mit QR-Codes Wichtig für eine korrekte Leistungsmeldung ist die eindeutige Zuordnung jedes zu verbauenden Objekts in der Software. „Aus iTWO civil heraus und somit in iTWO wird jedes Objekt mit einer eindeutigen ID versehen“, weiß Andreas Dieterle. Benötigt das Büro also beispielsweise umgehend die Info von der Baustelle, ob ein bestimmter Kanalschacht planmäßig fertiggestellt wurde, benötigt die Baustellencrew zur Prüfung nur den zugehörigen QR-Code. Der QR-Code wird aus der ID generiert und ist somit eindeutig. Sobald der QR-Code gescannt ist, zeigt das Modell dem Bearbeiter das gesuchte Objekt – zum Beispiel den Kanaldeckel – an. Der Bearbeiter kann nun sofort die Information eingeben, ob das Objekt im Plan ist, und den Fertigstellunggrad direkt am Modell eintragen. Diese Meldung fließt bei der nächsten Datensynchronisierung ins Gesamtmodell ein und steht somit im zentralen 5D-Modell zur Verfügung.“ Möglich ist mit solchen QR-Codes auch eine schnelle Objektfindung im Modell nach der Herstellung oder dem Einbau vor Ort. Über das Modell wird die Produktion gemäß vorgesehenem Zeitplan angestoßen. Bereits bei der Herstellung oder Lieferung von Objekten, beispielsweise Schachtringen, Betonleitwänden oder Schutzleitplanken, wird der QR-Code aus dem Gesamtmodell integriert. Über Abruf des QR-Codes Mikeleit: „Baustellen-App“ für transparente Kommunikation zwischen Baustelle und Büro in Infrastrukturprojekten Geotechnik und Tunnelbau vor Ort direkt am eingebauten Objekt lässt sich somit das Bauteil exakt im Gesamtmodell auf dem Tablet finden und weiter qualifizieren. Bauen 4.0 – so kann es in der Praxis mit iTWO aussehen. IT-Einsatz auf Baustellen vorantreiben „Gerade weil das Gesamtsystem umfangreiche Kenntnisse voraussetzt, ist es unabdingbar wichtig, die App für den Außeneinsatz auf das Wesentliche für die Baustellencrew zu reduzieren“, fügt Maximilian Kroner hinzu.“ Der IT-Einsatz auf Baustellen ist heute noch kein Standard. Einfache, mobile Lösungen werden verstärkt angenommen und durch innovative Bauunternehmen gezielt in die Praxis eingeführt. Unsere Aufgabe ist es, diese mit einem praxistauglichen, leicht zu bedienenden Programm sukzessive zu unterstützen.“ Bei der Weiterentwicklung des iTWO-Systems und der Baustellen-App stehen daher immer die Anforderungen der Praxis und der Komfort im Baustellenalltag im Fokus. Im Rahmen von Fachveranstaltungen überall in Deutschland stellen Andreas Dieterle und seine Kollegen die neuen Features von iTWO, iTWO civil sowie iTWO OnSite vor. „Anregungen von Bauunternehmen sind uns jederzeit willkommen, denn wir wollen den praktischen Einsatz so komfortabel wie möglich gestalten“, fasst der Produktmanager zusammen. Ausblick Aktuell wird die Baustellen-App um die Möglichkeit erweitert, GNSS-Koordinaten mit dem mobilen Gerät zu erfassen. Diesen Wunsch haben diverse Bauunternehmen, die im Tiefbaubereich tätig sind, geäußert, da- 23 mit sie die Position von Objekten und Gegebenheiten dem System von der Baustelle aus ohne größeren Aufwand zuweisen können. Schließlich sind im Tiefbau im Gegensatz zum Hochbau die Projekte in der Regel georeferenziert. Dieterle abschließend: „Diese und weitere Kundenwünsche helfen uns dabei, die iTWOUnternehmenslösung für den durchgängigen Einsatz im Infrastrukturbereich kontinuierlich zu verbessern.“ Quellen [1] BMVI: Reformkommission Bau von Großprojekten – Endbericht. 29.06.2015. Verena Mikeleit Fachjournalistin, tech-PR, Süßen, Deutschland, schrieb diesen Artikel im Auftrag der RIB Software AG. Weitere Auskünfte zu Straßenbau-, Tiefbau- und Infrastrukturmanagementlösungen erteilt der Vertrieb Civil Solutions der RIB Software AG. Kontakt: Tel. +49 711 7873-770 Fax +49 711 7873-88374 E-Mail [email protected] Mikeleit: „Baustellen-App“ für transparente Kommunikation zwischen Baustelle und Büro in Infrastrukturprojekten GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 24 Tunnelbau Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen Dipl.-HTL Ing. Christoph Wanker, Projektleiter Arlbergtunnel, ASFINAG Bau Management GmbH, Innsbruck, Österreich Der Arlbergtunnel ist der längste Straßentunnel Österreichs. Die aktuelle Generalsanierung dieser Hauptverkehrsader zur Erhöhung der Verkehrssicherheit stellt eine große logistische Herausforderung dar, ist aber unvermeidbar. Dieser Artikel erläutert den Sanierungsumfang und die Vorgehensweise der ASFINAG zur Bewältigung der Herausforderungen. Tunnelbau • Großprojekt • Sanierung • Sicherheit • Planung • Ausschreibung • Baubetrieb Einleitung Der Arlberg-Straßentunnel mit einer Länge von knapp 14 km ist der längste Straßentunnel Österreichs und neben dem Arlberg-Eisenbahntunnel die wichtigste und einzige gesicherte ganzjährig befahrbare innerösterreichische Ost-West-Verbindung zwischen den Bundesländern Tirol und Vorarlberg. Er bildet die Scheitelstrecke der S 16 und liegt zwischen St. Anton in Tirol und Langen in Vorarlberg. Der Arlbergtunnel ist Teil des transeuropäischen Straßennetzes und hat auch regional eine sehr große Bedeutung in der Tourismusregion (Bild 1). Mit dem Bau des Arlberg-Straßentunnels wurde im Jahr 1974 begonnen (Bilder 2 und 3). Bereits vier Jahre später konnte das damals 4 Mrd. Schilling teure Projekt dem Verkehr übergeben werden. Heute rollen bis zu 8.000 Fahrzeuge pro Tag durch den Tunnel, bis zum Jahr 2025 sollen es schon etwa 9.700 sein. Nach mehr als 35 Jahren Betriebszeit wird der Tunnel von 2014 bis 2017 durch den Betreiber ASFINAG (Autobahnenund Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft) einer Generalsanierung und Nachrüstung unterzogen, die ganz im Zeichen einer erhöhten Verkehrssicherheit steht. Überblick über das Sanierungsprojekt Zur Erfüllung der Anforderungen des StraßentunnelSicherheitsgesetzes (STSG) [1] ist bis spätestens April 2019 die Nachrüstung von Fluchtwegen, Pannenbuchten etc. erforderlich. Darüber hinaus wird für den seit dem Jahr 1978 in Betrieb befindlichen Straßentunnel eine Generalsanierung durchgeführt (Bilder 4 und 5). Bild 1: Winterliche Arlbergregion Quelle: Fotolia@AndiPu Bild 2: Bau des Arlbergtunnels in den 1970er-Jahren – Blick auf die Baustelle GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Bild 3: Bau des Arlbergtunnels in den 1970er-Jahren – Ausbrucharbeiten Wanker: Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen Tunnelbau 25 Bild 4: Tunnelquerschnitt mit Kennzeichnung von Maßnahmen zur Nachrüstung von Fluchtwegen und Pannenbuchten Aufgrund der Verkehrszahlen und der Prognosewerte wird der Arlbergtunnel als Gegenverkehrstunnel weiter betrieben. Die sicherheitstechnische Aufrüstung erfüllt alle damit verbundenen Auflagen und Richtlinien. Der Arlbergtunnel wird durch die Sanierungs- und Adaptierungsmaßnahmen zum sichersten Gegenverkehrstunnel ausgebaut. Die wesentlichen Maßnahmen der Investition in Höhe von 160 Mio. € sind: ▶▶ Neubau von acht Pannenbuchten am Nordulm und drei Kavernen für Versorgungsanlagen ▶▶ Bau eines zusätzlichen Fluchtwegs im Bereich des Zuluftkanals auf einer Länge von 14 km mit 37 neuen Auf- und Abgängen ▶▶ Einbau einer Hochdruck-Sprühnebelanlage ▶▶ Installation von Thermoscanneranlagen vor den Tunnelportalen ▶▶ Erneuerung der elektrotechnischen Einrichtungen Schwierigkeiten im Planungsprozess Die Planung für dieses Projekt, die federführend von der IL - Ingenieurbüro Laabmayr & Partner ZT GesmbH, Salzburg, ausgeführt wurde, begann im November 2010. Ursprünglich war eine Verdichtung der Verbindungsstollen zwischen Straßentunnel und Ei- Bild 5: Tunnelquerschnitt mit Kennzeichnung von Maßnahmen zur Generalsanierung senbahntunnel von derzeit ca. 1.700 m Abstand auf ca. 850 m Abstand als gemeinsames Projekt mit den ÖBB als Planungsgrundlage definiert. Alle Baumaßnahmen wären über den Straßentunnel erfolgt. Seitens ÖBB wurde jedoch Ende 2012 mitgeteilt, dass für den Eisenbahntunnel keine Verkürzung der Fluchtwegabstände erforderlich ist. In der Folge wurde der Projektausstieg der ÖBB abgewickelt, und die erforderlichen Umplanungen auf die Erfordernisse der ASFINAG wurden eingeleitet. Mehr Sicherheit mit einem besonderen Konzept Nachrüstung von Fluchtwegen und Pannenbuchten Bereits zwischen 2004 und 2007 wurden insgesamt acht Flucht- und Rettungswege zwischen Bahn- und Straßentunnel errichtet – als gemeinsame Investition von ASFINAG und ÖBB in Höhe von 49 Mio. €. Das Fluchtwegkonzept mit Fluchtwegen im Abstand von maximal 500 m beinhaltet die bereits 2004 bis 2007 hergestellten Flucht- und Rettungswege (FRW 1) zwischen dem Arlberg-Eisenbahntunnel und dem Arlberg-Straßentunnel sowie weitere 37 Fluchtwege Bild 6: Neues Fluchtwegkonzept für den Arlberg-Straßentunnel – Lage der Fluchtwege Wanker: Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 26 Tunnelbau Bild 7: Halbkreisförmiger Aufgang vom Fahrraum in den Zuluftkanal (Bild 6), welche künftig größtenteils als halbkreisförmige Aufgänge vom Fahrraum in den Zuluftkanal an der Tunneldecke führen (Bild 7). Von dort führen die Fluchtwege bis zu den Ab- bzw. Ausgängen in sogenannte Sammelräume oder auch ins Freie. Flüchtende können so im Brandfall sicher über den Zuluftkanal zu den geschützten Sammelräumen zwischen Bahn- und Straßentunnel geführt werden. Gerade im Ernstfall ist das rasche Erreichen dieser Bereiche lebensrettend, weil jede Sekunde zählt. Bedingt durch die ursprüngliche Projektkonzeption mit Errichtung einer zweiten Tunnelröhre wurden die bestehenden 16 Pannenbuchten am Südulm hergestellt. Daher werden im Zuge der STSG-Adaptierungsmaßnahmen acht neue Pannenbuchten am Nordulm errichtet. Tunnelausrüstung Feuerlöschnischen In allen neuen und bestehenden Pannenbuchten werden Feuerlöschnischen entsprechend dem sicherheitstechnischen Standard gebaut. Entwässerungssystem Mit der Errichtung einer neuen Schlitzrinne wird das Entwässerungssystem von einem Mischsystem auf ein Trennsystem umgebaut und dem Stand der Technik angepasst. Löschwasseranlage Die gesamte Löschwasseranlage (LÖWA) im Tunnel wird erneuert. Nachdem der gesamte nördliche erhöhte Seitenstreifen (LÖWA, Schlitzrinne usw.) erneuert worden ist, erfolgt auch die Adaptierung von 167 Revisionsnischen am Nordulm im Zuge der gegenständlichen Sanierungsarbeiten. Thermoscanner erkennen überhitzte Schwerfahrzeuge An beiden Portalen des Arlbergtunnels werden Thermoscanneranlagen errichtet, um Lkws mit auffälligen Überhitzungserscheinungen automatisch auszufiltern GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net und nicht in den Tunnel einfahren zu lassen. Dieses Sicherheitssystem hat sich beim Karawankentunnel bestens bewährt. Potenzielle Gefahrenquellen werden damit schon vor der Tunneldurchfahrt ausgeschaltet. Sprühnebelanlage verbessert Brandbekämpfung Eine moderne Hochdruck-Sprühnebelanlage wird installiert, die der hohen Hitzeentwicklung im Brandfall entgegenwirken soll und so den Fluchtweg zusätzlich absichert. Das Besondere an dieser Sprühnebelanlage ist, dass sofort nach Erkennen eines Brandherds im Tunnel das Sicherheitssystem für den betroffenen Abschnitt die Sprühnebelanlage auslöst. Über feine Düsen werden unter hohem Druck Wassertropfen im Tunnel inneren verbeitet. Es bildet sich ein Wassernebel, der die Temperatur des Brandherds gleich nach Entstehen reduziert. Somit erfolgt automatisch ein erster Schritt zur Brandbekämpfung, noch bevor die Feuerwehr an den Einsatzort gelangt. Im Bereich der Betriebsgebäude St. Jakob und Langen werden Wasserbehälter mit einem Volumen von je ca. 300 m3 für die Sprühnebelanlage eingebaut. Rumpelmarkierungen gegen Frontalzusammenstöße Als Mitteltrennung wurden sogenannte „Rumpelmarkierungen“ in die Fahrbahn eingefräst. Beim Überfahren dieser Markierungen werden Autofahrer im wahrsten Sinne des Wortes wachgerüttelt. Diese Hilfsmittel sollen folgenschwere Frontalzusammenstöße verhindern. Lüftungsanlage, Beleuchtung, Betriebs- und Sicherheitsausstattung und Sonstiges Neben der Adaptierung und Revision der gesamten Lüftungsanlage werden die Tunnelbeleuchtung sowie die gesamte Betriebs- und Sicherheitsausstattung (Video-, Funk-, Notruf-, Verkehrs- und Leittechnik) inklusive der gesamten Verkabelung und Steuerung erneuert. Die bestehenden Türen und Tore werden ausgetauscht und der Tunnelanstrich ertüchtigt. Außerdem werden baulich drei Betriebsräume (Stummel mit FQ Quer- Wanker: Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen Tunnelbau 27 schnitt mit ca. 50 m Länge) für die Mittelspannungsanlagen und Trafos im Tunnel errichtet. In den Galerien am Ost- und Westportal mit einer Länge von 1.600 m werden umfangreiche Betonsanierungsmaßnahmen durchgeführt. „Tunnelohren“ für untypische Geräusche Schließlich wird der Tunnel noch mit dem intelligenten Akustiksystem AKUT ausgestattet. Dabei nehmen Spezialmikrofone die Tunnelgeräusche auf. Bei untypischen Geräuschen – etwa quietschenden Reifen oder zuschlagenden Autotüren – wird in der nächsten Überwachungszentrale schneller als durch Video oder andere Sicherheitsausrüstungen Alarm geschlagen. Abstimmung von Bauplanung und Verkehrsführung in der Bauzeit Neben der detaillierten Untersuchung zu den weiträumigen Ausweichrouten für die Sperrzeiten wurde bereits zwei Jahre vor Baubeginn eine umfangreiche Informationskampagne für alle Stakeholder und Betroffenen eingeleitet. Geologie im Bereich des Tunnels und der neuen Fluchtstollen Das Projektgebiet liegt zur Gänze in der schwächer metamorphen Phyllit-Gneis-Zone am Nordrand der Silvretta-Masse im Nahgebiet der E-W-streichenden Deckengrenze, welche die Kristallinabfolge im Süden von den Nördlichen Kalkalpen trennt. Dieses Lineament zwischen Karbonat- und Kristallinabfolge zeichnet sich morphologisch in den Talbildungen (Stanzertal, Steßbach Graben, Arlensattel, Alpe Rauz und Klostertal) nach. Die Tunneltrassen des bestehenden Arlberg-Straßentunnels liegen gänzlich in der Phyllit-Gneis-Zone. Somit sind auch alle geplanten Fluchtstollen in dieser tektonischen Einheit situiert (Bilder 8 und 9). Die Gesteinsschichten innerhalb des Projektgebiets haben eine intensive polymetamorphe Überprägung und eine starke Tektonisierung (Schieferung, Verfaltung, Bildung von Kataklasiten und Kakiriten in intensiv zerlegten Bereichen und Störungszonen) erfahren. Die retrograden Metamorphosebedingunen bewirken in weiten Be- sps-marketing.com Bereits zu Planungsbeginn war klar, dass für die bauliche Umsetzung Sperren der wichtigsten Ost-West-Verbindung unumgänglich sind. Für diese Phasen wurde auch die Umsetzung eines Lkw-Schienenersatzverkehrs für den Bereich Schnann bis Langen in die Planungsüberlegungen einbezogen. Mehrere Ausführungsvarianten in der Bandbreite (Bauen unter Verkehr bis hin zum Bauen der zweiten Tunnelröhre Arlbergtunnel) wurden ausgearbeitet und gegenübergestellt. Sowohl ein Bauen unter Verkehr als auch der Bau einer zweiten Tunnelröhre wurden als nicht umsetztbare Ausführungsvarianten ausgeschieden. Unter größtmöglicher Berücksichtigung der regionalen Bedeutung des Arlbergtunnels sowie der Wichtigkeit der Tourismusregion wurde im Zuge der Planung eine saisonale Gliederung der Baumaßnahme entwickelt, die sicherstellt, dass der Arlbergtunnel in den Wintermonaten von November bis April am Tag behinderungsfrei befahren werden kann. Die Zeiten für Vollsperren des Tunnels wurden auf die Sommermonate 2015 und 2017 begrenzt und zusätzlich noch eine definierte Anzahl einzelner Nachtsperren zugelassen. Die Gesamtmaßnahme wurde gegliedert in: ▶▶ Tätigkeiten ohne Verkehrsbeeinträchtigung, deren Ausführung nicht begrenzt wurde und daher sowohl am Tag als auch bei Nacht möglich ist ▶▶ Tätigkeiten im Verkehrsraum oder mit Beeinflussung des Verkehrsraums, deren Ausführung auf die Nachtstunden begrenzt wurde, da für die Nacht wechselseitige Portalanhaltungen erfolgen, die sicherstellen, dass der Verkehr an den erforderlichen Behinderungen gesteuert vorbeigeführt wird Wir sehen Gebirge nicht als Hindernis. Sondern als unsere Materie. Manfred Eder, Dipl.-Ing. Als Spezialist in der Planung von alpinen Tunneln folgen wir bei unserer Arbeit den Grundsätzen der Neuen Österreichischen Tunnelbauweise. Diese international anerkannte und von uns optimierte Methode steht für höchste Flexibilität und sichert unseren Auftraggebern maximale Wirtschaftlichkeit in der Umsetzung. Dafür stehen wir mit unserem Namen und unserem Herzblut. Das ist tunnel expert engineering. www.laabmayr.at Wanker: Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 28 Tunnelbau Bild 8: Vortrieb eines Fluchtstollens Bild 9: Sicherung eines Fluchtstollens reichen eine Phyllonitisierung der Gneise, Granitgneise und Glimmerschiefer innerhalb der Phyllit-Gneis-Zone. Aufgrund des hohen Erkundungsgrads der Geologie und der daraus gewonnen positiven und guten Erkenntnisse sind aus derzeitiger Sicht keine gravierenden weiteren Auswirkungen zu erwarten. Projektbezogenes Ausschreibungsmodell Vergabe an Generalunternehmer Aufgrund der komplexen Zusammenhänge und Verknüpfungen zwischen den baulichen Erfordernissen und Tätigkeiten und den Teilen der Elektro- und Maschinentechnik, die im Gesamtprojekt zu berücksichtigen sind, wurde von der ASFINAG die Ausschreibung und Vergabe an einen Generalunternehmer für zwingend erforderlich erachtet. Für Sanierungsprojekte wurde das bereits mehrfach erfolgreich praktiziert. Die Schnittstellenkoordination und Organisation der detaillierten Abläufe wird in diesem Fall in die Beauftragung des Unternehmers eingebunden. Für die Sanierung des Arlbergtunnels wurde keine Alternative zum gewählten Ausschreibungsmodell gesehen. Vertragsgestaltung zur Optimierung der technischen Planung und des Ablaufs Unter dem Titel „Kreatives Bauen im Bestand“ wurde in Kooperation mit der VIBÖ (Vereinigung Industrieller Bauunternehmen Österreichs) ein Modell entwickelt, das es dem Unternehmer ermöglicht, auch nach Angebotslegung und Beauftragung Optimierungen im Projekt vorzunehmen. Als zusätzlicher Anreiz für dieses Modell wird eine Teilung des aus der Optimierung entstehenden monetären Bonus fixiert. Der Unternehmer erhält zwischen Beauftragung und Baubeginn einen Zeitraum für seine Überlegungen zur Projektoptimierung. So sollen die praktische Erfahrung und die in den meisten Fällen guten Lösungsansätze der ausführenden Unternehmen genutzt werden. Die Erfahrungen sollen bei Folgeprojekten berücksichtigt werden, um effizienter zu planen und auszuführen. Die OptimierungsvorGeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net schläge des beauftragten Unternehmens werden in der Folge auf Qualität und Gleichwertigkeit geprüft und bei Zustimmung in die Ausführungsplanung übernommen. Mit Abschluss der technischen Planungs- und Ablaufoptimierung erfolgt eine Vertragsanpassung einschließlich Deckelung für die optimierten Ausführungsteile. Beim Projekt Arlbergtunnel wurde das Modell „Kreatives Bauen im Bestand“ als Pilotprojekt umgesetzt. Dazu wurden die prinzipiellen Ansätze an die Gegebenheiten und Besonderheiten des Projekts angepasst und in die Ausschreibung integriert. Trotz der großen Komplexität des Bauvorhabens und der speziellen Rahmenbedingungen konnten kreative Ideen umgesetzt werden, die beiden Vertragsparteien Vorteile bringen. Bauausführung Zwei Totalsperren außerhalb der Wintersaison Eine möglichst reibungslose Verkehrsführung während der Sanierungs- und Umbauarbeiten im Arlberg-Straßentunnel war eine große logistische Herausforderung für die Planung und Bauausführung. Die Errichtung der neuen Fluchtwege ist ohne Sperren nicht möglich, da während der Bauarbeiten die Sicherheitseinrichtungen im Tunnel nicht zur Verfügung stehen. Zwei Vollsperren in den Jahren 2015 und 2017 waren oder sind daher unumgänglich. Die ASFINAG ergriff dazu im Vorfeld in Zusammenarbeit mit Behörden, Einsatzorganisationen und den Ländern Tirol und Vorarlberg sämtliche Maßnahmen, damit der Verkehr in dieser Zeit möglichst ohne Probleme über die Umleitungsstrecken fließen kann – über den Arlbergpass beziehungsweise großräumig über Deutschland und die Schweiz. Die erste Totalsperre ab 21. April 2015 wurde plangemäß am 14. November 2015 beendet. Seit dem 15. November 2015, rechtzeitig zu Beginn der Wintersaison, ist der Tunnel wieder befahrbar. Es wird jedoch ohne Unterlass an der Verbesserung der Verkehrssicherheit im Arlbergtunnel gearbeitet. Verkehrsanhaltungen Wanker: Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen Tunnelbau 29 finden in den Nachtstunden zwischen 20.00 und 05.00 Uhr morgens statt. Dabei kommt es zu abwechselnden Anhaltungen von rund 30 Minuten an den Tunnelportalen. Autofahrer können also in abwechselnder Richtung trotz der Arbeiten durch den einröhrigen Tunnel fahren (Bild 10). Gearbeitet wird an sieben Tagen in der Woche. Die zweite Vollsperre des Arlbergtunnels ist für Mitte April 2017 bis Ende September 2017 geplant. Die Nacht wird zum Tage – Arbeiten nur unter strengsten Sicherheitsauflagen Der Aufwand für die Generalsanierung und die Errichtung der neuen Fluchtwege im Arlbergtunnel ist enorm – vor allem was die Sicherheit für Autofahrer und für die Arbeiter im Tunnel betrifft: Eigene Kontrollfahrzeuge begleiten den Verkehr durch den Tunnel und melden, sobald der Weg für die andere Richtung frei ist. Die größte Herausforderung ist die Einbindung des Baustellenverkehrs. Im Tunnel sind die Baustellenfahrzeuge in beiden Richtungen unterwegs. Dies muss auf den Verkehr, der zusätzlich in eine Richtung durch den Tunnel geführt wird, abgestimmt werden. Auf die Einhaltung der Zeiten wird minutiös geachtet. Die genaue Zahl der Anhaltungen pro Nacht ist abhängig vom Arbeitsfortschritt und Verkehrsaufkommen. Dafür hat die ASFINAG vorgesorgt: Ein flexibles System in der Baustelle mit zusätzlichen Mitarbeitern in der Überwachungszentrale und Sicherungsposten im Tunnel ermöglicht es, kurzfristig den Verkehr aus der anderen Richtung freizugeben. Somit können zu lange Wartezeiten mit einer schnellen Reaktion verhindert werden. Ebenfalls hilfreich sind eigene „Countdown-Informationstafeln“, die dem Autofahrer die Wartezeit bereits frühzeitig signalisieren – und zwar bei Schnann und dem Malfonbachtunnel auf Tiroler Seite, bei der Raststation und Klösterle und direkt am Portal des Arlbergtunnels auf Vorarlberger Seite. Der Autofahrer hat dann selber die Wahl, ob er die Sperre abwarten will. Bild 11:Thermoscanner vor Tunnelportal Bild 10:Sicherungsmaßnahmen für Arbeiten im Verkehrsraum Derzeitiger Stand der Arbeiten Die Zwischenbilanz nach Abschluss der ersten Vollsperre des Arlbergtunnels kann sich sehen lassen. 36 der insgesamt 37 zusätzlichen Fluchtwege sind baulich bereits hergestellt, acht weitere Pannenbuchten im Rohbau fast zur Gänze fertig. Sieben Lüfter wurden ausgebaut, generalüberholt und wieder eingebaut. Auch die Entwässerung und Löschwasserversorgung wurden während der Vollsperre des Arlbergtunnels komplett erneuert. Der Bau der Hochdruck-Sprühnebelanlage ist zu 80 % abgeschlossen. Nur wenige der neuen Sicherheitsmaßnahmen sind jedoch jetzt schon für den Autofahrer merkbar. Spürbar etwa ist die neue Rumpelmarkierung im Tunnelinneren, die als Mitteltrennung in die Fahrbahn eingefräst wurde. Beim Überfahren der Markierung werden Autofahrer im wahrsten Sinne des Wortes wachgerüttelt – ein in anderen Tunneln bereits erprobtes Hilfsmittel, um folgenschwere Frontalzusammenstöße zu verhindern. Bild 12:Anfahrt zum Thermoscanner Wanker: Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 30 Tunnelbau Sichtbar wiederum sind die beiden Thermoscanner an den Tunnelportalen, die bereits in Betrieb sind (Bild 11). Lkw fahren – vom Fließverkehr getrennt (Bild 12) – durch den Scanner und werden im Falle überhitzter Fahrzeugteile per Schranken vor dem Tunnel angehalten. Ein eigener Platz zum Auskühlen ist an beiden Portalen des Arlbergtunnels vorhanden. Nach dem Abkühlen können die Lkw den Tunnel problemlos durchfahren. Bis Herbst 2017 erhält der Tunnel auch eine LEDBeleuchtung der neuesten Generation. Auf einer Länge von knapp 400 m setzt die ASFINAG bereits jetzt eine Testreihe der neuen Beleuchtung ein, um möglichst viele Erfahrungen mit dieser Technologie zu sammeln. Fazit Den Kunden der ASFINAG, den Tunnelnutzern, wird nach Abschluss all dieser Arbeiten ein dem modernsten Stand der Technik entsprechender sicherer Tunnel zur Verfügung stehen. Quellen [1] Österreichisches Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie: Straßentunnel-Sicherheitsgesetz – STSG. Zahlen, Daten, Fakten rund um die Baustelle Eckdaten der Nachrüstung und Generalsanierung des Arlberg-Straßentunnels ▶▶ 50.000 Sicherungen und Automaten ▶▶ 122.000 Systemdatenpunkte für die Einbindung in die Überwachungszentale ▶▶ 52 km Kabeltrassen im gesamten Tunnel ▶▶ 10.100 Stück Leuchten zur Demontage ▶▶ 1.100 Stück seitliche LED-Leiteinrichtungen ▶▶ 3.000 Stück neue LED-Leuchten zur Installation ▶▶ 2.000 Stück Notrufleuchten allein im Zuluftkanal ▶▶ 1.250 km neue Verkabelung im gesamten Tunnel, davon allein 63 km Kabel für die Beleuchtung ▶▶ Neue Straßenentwässerung im gesamten Tunnel ▶▶ Neue Löschwasserleitung ▶▶ Neue Hochdruck-Sprühnebelanlage ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ Gesamtlänge inklusive Galerien: 15.508 m Inbetriebnahme: 1. Dezember 1978 Investition neu: 160 Mio. € Baubeginn: September 2014 Abschluss: September 2017 Ende erste Vollsperre: 14. November 2015 Nächste Vollsperre: 18. April 2017 bis 26. September 2017 Anzahl der Pannenbuchten im Endausbau: 24 Flucht- und Rettungswege im Bestand: 8 Anzahl zusätzlicher Fluchtwege über Zuluftkanäle: 37 Fluchtwegabstand im Endausbau: < 500 m Neu errichtete Pannenbuchten: 8 Täglicher Verkehr: 8.000 Fahrzeuge/24 h Prognoseverkehr bis 2025: 9.700 Fahrzeuge/24 h Christoph Wanker ist zuständiger Projektleiter der ASFINAG für die Sanierung und die Errichtung zusätzlicher Fluchtwege im Arlberg-Straßentunnel. Wanker arbeitet schon seit 25 Jahren für die ASFINAG an wesentlichen Großprojekten wie der Errichtung der zweiten Röhre des Pfändertunnels samt Sanierung der Bestandsröhre oder eben dem Umbau des längsten Straßentunnel Österreichs – des Arlbergtunnels. Kontakt: [email protected] GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Wanker: Arlberg-Straßentunnel in Österreich – komplexe Generalsanierung und Nachrüstung von Fluchtwegen Bergbau 31 Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau Prof. Dr.-Ing. Andreas Merchiers, Bochum University of Applied Sciences, Bochum, Deutschland Dr.-Ing. Fiona Mavroudis, Eickhoff Bergbautechnik GmbH, Bochum, Deutschland Matthias Pütz, Schalker Eisenhütte Maschinenfabrik GmbH, Bochum, Deutschland In diesem Beitrag werden exemplarisch zwei Anwendungen der Eickhoff-Gruppe aus unterschiedlichen Bereichen der bergmännischen Prozesskette dargestellt: Die schneidende Kohlengewinnung im Strebbergbau sowie die Zugförderung im Erzbergbau. Mit ihren innovativen, auf die Bedürfnisse der Kunden angepassten Produkten ist die Eickhoff-Gruppe seit über 150 Jahren eines der führenden Unternehmen bei der technologischen Weiterentwicklung des mechanisierten Bergbaus. Dabei bildet gerade die Automatisierung der eigenen Produkte über die Systemgrenze der Maschine hinaus einen Schwerpunkt aktueller Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten. Erwartungen und Herausforderungen des Marktes Die Optimierung des Gewinnungsprozesses ist der Schlüssel zu wirtschaftlich erfolgreichem Bergbau: Die Kosten pro Tonne gewonnenen Wertminerals sind maßgeblich abhängig von der Performance und den Kosten des eingesetzten Equipments, zudem von Neben den klassischen, mit dem Begriff Industrie 4.0 verbundenen Anwendungsfeldern wie Produktion und Mobilität entpuppt sich gerade der untertägige Bergbau zunehmend zu einem Hidden Champion auf diesem Gebiet. Getrieben durch fallende Rohstoffpreise bei stetig steigenden Anforderungen an die Humanisierung der Arbeit griff die Branche schon sehr früh nach den durch „Industrie 4.0“ beschriebenen Lösungsansätzen: Vollintegrierte Systeme mit (teil-)autonomen Maschinen, die sich ohne menschliche Steuerung in und durch Umgebungen bewegen und selbstständig Entscheidungen treffen, sind im Bergbau schon heute keine Traumwelt mehr. Die Branche hat bereits erfolgreich mit der Umsetzung von „Bergbau 4.0“ begonnen. Bergbau • Zulieferindustrie • Industrie 4.0 • Mining 4.0 • Innovation • Walzenlader • Gleisförderung Bild 1: Entwicklung des Kohlenpreises Quelle der Grafik: index mundi Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 32 Bergbau dessen Verfügbarkeit und den aufzuwendenden Ressourcen an Energie und Manpower. Eine Optimierung dieser Faktoren schlägt sich direkt in den Produktionskosten je Tonne Wertmineral nieder; eine Steigerung der Betriebspunktkonzentration durch eine leistungsfähigere Produktionskette senkt die Kosten für die untertägige Infrastruktur. Aus dieser Motivation heraus wachsen die Anforderungen hinsichtlich Qualitätsteuerung und Produktivität sowie Automatisierung stetig an. Die Maschinentechnik verlangt nach ständiger Weiterentwicklung; der Einsatz innovativer Technologien wird immer wichtiger. Weitere Schwerpunkte bei der Forschungs- und Entwicklungsarbeit ergeben sich aus der zunehmenden Sensibilisierung für Sicherheitsstandards – hier sei besonders der australische Markt hervorgehoben. Die Abwehr akuter und die Verhinderung möglicher Gefahren sowie die Vermeidung erheblicher Belastungen für Mitarbeiter und Umwelt gewinnen im weltweiten Bergbau immer mehr an Bedeutung. Von den Betriebsmittelzulieferern werden effiziente Lösungen erwartet, um Berufserkrankungen vorzubeugen und um Mensch und Maschinen ganzheitlich zu schützen. So sind beispielsweise trotz aller Forschungsbemühungen und Fortschritte bei der Staubbekämpfung die gesetzlichen Emissionsstandards schwer zu erreichen und die „schwarze Lunge“ (Silikose) konnte noch nicht besiegt werden. Daneben hat die Branche derzeit einige zusätzliche Herausforderungen zu meistern. Nach dem generellen Preisverfall im Rohstoffmarkt (Bild 1) verfolgen die Bergbaukonzerne die Strategie des Produktivitätszuwachses ohne weitere Erhöhung der Investitionskosten. Dies wirkt sich direkt auf die Maschinenhersteller und Zulieferer aus. Nach den jüngsten Prognosen wird sich dieser Trend kurz- bis mittelfristig fortsetzen. Der inkrementierte Wettbewerbs- und Marktdruck fordert eine Steigerung der Produktionsraten bei gleichzeitiger Bild 2: Bergbau 4.0 – Grundverständnis der Zusammenhänge und Zielsetzungen GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Minimierung der Förderkosten pro Tonne. Ein Ziel, welches nicht leicht zu erfüllen ist angesichts des immer komplexer werdenden Abbaus verfügbarer Ressourcen und der damit einhergehenden Arbeitsbedingungen. Folgen für die Zulieferer Wie können Zulieferer auf die Erwartungen des Marktes reagieren? In naher Zukunft wird es keine grundlegenden Veränderungen der bergbautechnischen Prozesse geben: Das Wertmineral wird an meist infrastrukturell ungünstigen Orten der Welt in der Regel untertägig aus dem Gesteinsverbund gelöst, dies so selektiv wie möglich, um wertloses Nebengestein aus der weiteren Verarbeitung zu halten. Das Haufwerk wird am Gewinnungsort geladen und zu Tage gefördert, dort dann aufwändig aufbereitet, um ein verkaufsfähiges Produkt zu erhalten. Das größte Potenzial für Neuerungen wird innerhalb dieser Technologiekette dem Bereich der Informationstechnologie zugeschrieben. Die Felder Sensorik, Datenanalyse und der Ausbau durchgängiger Kommunikationssysteme bieten zahlreiche Ansatzpunkte für innovative und substanzielle Verbesserungen. Neue Technologien und ein ganzheitlicher Ansatz können die Produktivität und Flexibilität nachhaltig steigern und heben das Thema Automatisierung auf eine neue Ebene. Die Vision des mannlosen Steinkohlengewinnungsbetriebs (Streb), in dem der Mensch sich von einer sicheren Leitwarte aus auf Assistenzund Überwachungsfunktionen konzentriert ist dabei ein wesentliches Ziel. Die kontinuierliche technische Weiterentwicklung der Betriebsmittel und der Einsatz innovativer Technologien in Kombination mit der Verdichtung von Daten führen bereits heute zu einem hohen Automatisierungs- und Steuerungsgrad beim Abbauprozess. Bergbau 4.0 Diese auch unter dem Oberbegriff Bergbau 4.0 zusammengefasste Transformation der untertägig eingesetzten(Sub-) Systeme Lösen, Laden und Fördern hat die Zielsetzung, die Komplexität zu beherrschen. Technikgetrieben wird – durch Vermeidung von Nebenzeiten und Erhöhung des Outputs – in bestehenden Strukturen Einfluss auf die betriebliche Leistung genommen. Die zu verfolgenden Ansätze geben jedoch zunächst ein sehr heterogenes Bild ab. Zur Strukturierung der Ansätze und zur Verdeutlichung der Wirkzusammenhänge eignet sich das Prinzip des Regelkreises (Bild 2): Die Regelstrecke bilden dabei die direkten und indirekten Prozesse innerhalb der Subsysteme entlang der bergmännischen Prozesskette (Lösen, Laden, Fördern). Die schneidende Gewinnung im Strebbau ist beispielsweise ein solches Subsystem. Hier interagieren Walzenlader, Förderer und Ausbau. Im Bereich der Förderung bildet die Zugförderung, bestehend aus den Prozessen Beladen, Transport und Entladen, ein solches zu optimierendes System. Unter Nutzung der zunehmenden Möglichkeiten in der Informations- und Kommunika- Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau Bergbau tionstechnik sowie Vernetzung gilt es, das Zusammenwirken – eben die Kollaboration – innerhalb dieser Regelstrecke zu optimieren. Sie kann entsprechend auch als das „intelligent-kollaborative“ Element einer zukünftigen Bergbau-4.0-Infrastruktur angesehen werden. Zielsetzung sind die Steigerung von Flexibilität und Effizienz in bestehenden Mustern. Der Regler hat hingegen die Aufgabe, diese bestehenden Muster zu beeinflussen beziehungsweise zu verändern. Er kann damit auch als das „lernende“ Element einer zukünftigen Bergbau 4.0 Infrastruktur angesehen werden. Durch ihn kommt der revolutionäre Charakter von Industrie 4.0 zum Vorschein; denn erst durch die konsequente horizontale und vertikale Vernetzung von Menschen, Maschinen, Objekten und IKT-Systemen (IKT = Informations- und Kommunikationstechnik) ist eine solche Regelung von Subsystemen im Bergbau überhaupt möglich. Ausgangspunkt bilden die Outputgrößen (Informationen) der Regelstrecke, also der Kernprozesse Lösen, Laden, Fördern. Grundvoraussetzung für die Regelung ist dabei deren Digitalisierung. Die Schaffung von Transparenz, d. h. die Verfügbarmachung und die Möglichkeit zur Weiterverarbeitung dieser Daten ist für den „Lernprozess“ konstituierend. In der Folge lassen sich dann in weiteren Schritten Wirkzusammenhänge erkennen, deren Modellierung wiederum Prognosen zulässt, auf deren Basis Entscheidungen getroffen werden können. Die inhaltliche Abfolge von Transparenz, Analyse, Prognose und Entscheidung entspricht dabei auch dem zeitlichen Vorgehen bei der Implementierung dieser „lernenden“ Strukturen in den Subsystemen. Dabei ist diese Logik nicht nur auf die jeweiligen Subsysteme 33 beschränkt; sie lässt sich auch auf die komplette bergmännische Prozesskette ausweiten. Bergbau 4.0 in der schneidenden Gewinnung Der Schlüssel einer „intelligent-kollaborativen“ Infrastruktur liegt in der Vernetzung der Sensortechnik der Gewinnungsmaschine und der Gesamtheit aller beteiligten Strebkomponenten. Dazu ist ein hohes Maß an Koordination und Verständnis im Umgang mit Spezialdaten notwendig; der Technologiewechsel im Bergbau dauert in der Regel relativ lange. Gründe hierfür sind hohe finanzielle Risiken im Falle einer auch nur geringfügigen Verschlechterung der Performance durch unvorhergesehene Effekte im Systemwechsel. Hohe Anforderungen an die Zulassung neuer Techniken für den untertägigen Einsatz, aber auch die sich ständig ändernden Umgebungsbedingungen und die notwendige Bewährung in der Praxis erschweren es, Automatisierungssysteme zu etablieren, die in anderen Industriezweigen schon Stand der Technik sind. Seit der Einführung des Eickhoff-Walzenladers im Jahr 1954 implementierte das Unternehmen eine Reihe von technisch bedeutenden Weiterentwicklungen, wie zum Beispiel die Funkfernsteuerung im Jahr 1966, die Industrie-PCs (IPC) im Jahr 2001, das Steuerungskonzept EiControl im Jahr 2005, die sensortechnische Erweiterung EiControlPlus im Jahr 2007 und schließlich die parametrierte Steuerung EiControlSB im Jahr 2008. Seit dem Jahr 2010 fokussiert sich die Weiterentwicklung des Walzenladers immer mehr auf eine mechatronische Disziplin, in der Maschinenbau, Elektrotechnik sowie Software eng miteinander verschmelzen. Zu Bild 3: Sensorik am Walzenlader Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 34 Bergbau Bild 4: Umfelderfassungsysteme am Walzenlader erkennen ist dies vor allem am steigenden Sensor- und Softwareanteil in den Maschinen sowie an einer zukunftsweisenden Daten- und Kommunikationsinfrastruktur [1]. Der Walzenlader ist heute mit zahlreichen Sensoren ausgerüstet, die unterschiedliche Aufgaben redundant übernehmen und idealerweise ein unterschiedliches Funktionsprinzip verfolgen (Bild 3). Sensoren zur relativen und absoluten Positionsbestimmung sowie zur Navigation beispielsweise liefern eine detaillierte Darstellung des Strebprofils. In Verbindung mit einer hochkomplexen Steuerungsalgorithmik erlaubt dies eine bis auf wenige Millimeter genaue Steuerung des Abbauprozesses. Weitere Sensoren zur geologischen Umfelderkennung verbessern die Abbaugenauigkeit und das Einhalten der Lagerstättengrenzen beim Gewinnungsschnitt. Sensoren zur geometrischen Umfelderfassung erkennen vorausschauend potenzielle Gefahrenstellen und vermeiden Kollisionen der Maschine zum Beispiel mit dem Ausbau. Die Registrierung und die Bewertung der äußeren und inneren Umwelt der Maschinen erfolgt mit Sensoren zur Ermittlung des Maschinenzustands und der -performance. Abgerundet wird die Sensortechnik durch ein Diagnosesystem zur schnellen Fehleranalyse und einfachen Wartung. Daten und historische Ereignisse werden hierbei aufgezeichnet und eine zustandsbasierte Instandhaltungsplanung ermöglicht. Der Walzenlader ist darüber hinaus in der Lage, Eigendiagnosen über seinen Zustand und seine Belastung sowie Plausibilitätsprüfungen durchzuführen. Video-Monitoring-Systeme ermöglichen die Fahrwegüberwachung und Fernsteuerung. Weitere graphische Digitalanzeigen bieten Zugriff auf Sensoren, akustische Signalgeber und Eingabegeräte. Der Kommunikationsfluss zwischen Mensch und Maschine wird hierdurch deutlich verbessert. Die Weiterentwicklung GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net der Sensortechnik spielt dabei eine herausragende Rolle, denn je autonomer die technische Anwendung, desto mehr Informationen benötigt sie über ihre physikalische Umgebung und über sich selber. Sie ist „der Schlüssel für alle Bestrebungen, Maschinen und Anlagen autonom zu gestalten“. Bereits integrierte Sensorkonzepte zur Umfelderfassung werden durch eine echtzeitfähige Verarbeitungslogik und zunehmende Eigenintelligenz verfeinert. Die optimierten Systeme sind in der Lage, in den höchst dynamischen und extremen untertägigen Bedingungen nahezu fehlerlos zu arbeiten, sich autonom ihrer Einsatzumgebung anzupassen und die Selbststeuerung zu übernehmen (Bild 4) [1, 2]. Beipiel: Der Walzenlader im Zentrum von Bergbau 4.0 Betrachtet man das Gesamtstrebsystem, ist der Walzenlader das zentrale, kollaborierende Element. Er kommuniziert kontinuierlich mit Ausbau und Förderer (Bild 5). Informationen, wie Fördererbeladung, Standort des Walzenladers, aktive Erkennung von Kollisionsgefahren und andere Verfahrens- und Prozessdaten, werden ausgetauscht und zum Steuerstand und zur Leitwarte nach über Tage gesendet. Nach der Durchfahrt des Walzenladers werden die Schilde vollautomatisch gesetzt und der Förderer gerückt. Die Steuerung der Fördererantriebe und der Kettenspannung erfolgt durch Bestimmung der Fördererbeladung und der Lastsituation an den Getrieben. Werden Unregelmäßigkeiten beim Prozess beobachtet – wie zum Beispiel ein zu tief gesetzter Ausbau – wird die Situation bewertet und es werden entsprechende Maßnahmen getroffen. Beispielsweise stoppt ein Haltesignal den Walzenlader und das Wartungspersonal unter und über Tage wird informiert. Voraussetzung sind dabei leistungsfähige und zuverlässige Kommunikationssysteme. Die derzeit im Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau Bergbau 35 Bild 5: Der Walzenlader als zentrales Element im Streb Bergbau eingesetzten Systeme erfüllen alle etablierten Industriestandards. Sie sind redundant ausgelegt, können energiekabelgebunden sein oder auch auf DSL, Lichtwellenleiter (LWL) oder WLAN basieren. Intern ist der Walzenlader über ein Bussystem vernetzt, das die Sensortechnik einschließt. Die Kommunikation untereinander, mit dem Steuerstand und mit der Leitwarte erfolgt über Ethernet. Dabei werden unterschiedliche Protokolle zur Datenübertragung genutzt. Die gesamte Signalübertragung ist entweder komplett eigensicher oder gekapselt. Taktgeber für den Steuerungsprozess ist die State-Based-Automatik EicontrolSB (state-based = Zustandsbasiert). Sie ist das Herzstück der Walzenladersteuerung und unterteilt den Schneidprozess methodisch in unterschiedliche und unabhängige Schritte. Die sogenannten Zustände sind klar definiert und bilden einen geschlossenen Zyklus. Der vordefinierte Prozess kann vom Anwender jedoch beliebig verändert, erweitert und somit jederzeit auf die externen Erfordernisse angepasst werden. Die sequenzielle Abarbeitung der Sollwerte der Zustandstabelle ist abhängig vom Prozessablauf: Die Maschine reagiert selbstständig und maßgeschneidert auf wechselnde Bedingungen. Der Maschinenfahrer kann dabei vor Ort oder von einer abgesetzten Leitwarte aus die Operationen verfolgen, korrigieren und den Prozess verändern. Außerdem wird aber auch eine effizientere Ausnutzung von Lagerstätten – besonders in sehr niedrigen Mächtigkeiten bis 1,2 m – möglich, da keine Mindestabbauhöhe für das Bedienpersonal mehr erforderlich ist und somit deutlich weniger Nebengesteinsproduktion anfällt. Dies funktioniert nur durch Vollautomatisierung und/oder Fernsteuerung aller beteiligten Subsysteme (Bild 6). Der Bediener kann dabei von der Leitwarte aus mithilfe von Strebkameras, Sensoren und PositionieBild 6: Niedrigwalzenlader SL 300L-Strebmächtigkeit 1,2-1,8 m Mehr Möglichkeiten: Von der Fernsteuerung bis zur Vollautomatisierung Der Rückzug des Personals aus der Gefährdungszone ist ein zentraler Vorteil zunehmender Automatisierung. Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 36 Bergbau Bild 7: Integrierte Strebsteuerung des Typs MARCO mit Eickhoff-Walzenlader rungssoftware den Gewinnungsprozess steuern und überwachen. Die Anbindung des Steuerstands an den Walzenlader erfolgt über TCP/IP-Protokolle, die über redundante Powerline-Modem- und Glasfaserverbindungen übertragen werden. Die Funktionen werden durch Joystick, Handheld-Controller oder semi-automatisiert durch temporäre manuelle Eingriffe übernommen. Bei letzteren werden nur Korrekturen mit minimalem Steuerungseingriff vorgenommen. Diese Punkte wurden bei der Entwicklung des neuen Niedrigwalzenladers SL300L von Eickhoff (Bild 7) konsequent umgesetzt. Das nächste Level ist die vollständige Vernetzung aller beteiligten Subsysteme. Für eine Vollautomatisierung müssen alle Strebelemente im direkten Zusammenhang weiterentwickelt werden. Die Schaffung von bereichsübergreifender Transparenz ist die Grundvoraussetzung für weiterführende Analysen, die Ableitung von Prognosen und sich hieraus ergebende Entscheidungsoptionen. Denn erst mit der durchgängigen Aufnahme und Bereitstellung aller relevanten Daten lassen sich entscheidungsunterstützende Systeme wie zum Beispiel Grenzschichterkennungssysteme effektiv einsetzen. Intelligenter Bergbau implementiert daher Informationstechnologie in der Gesamtkette: Von der Exploration der Lagerstätte über die geologische Modellierung, die Planung und Durchführung der Gewinnungsoperationen bis hin zu den abbaubegleitenden infrastrukturellen Funktionsbereichen wie beispielsweise Transport und Logistik. Mittels Bergbau 4.0 und innovativer Kommunikationstechnologien gelingt der Übergang von der Fernsteuerung zur vollständig autonomen Operation. Walzenlader, Ausbau, Förderer, Brecher und Bandanlage werden in ein übergeordnetes 3D-Streb-Controlsystem integriert. Hiermit werden alle relevanten Daten eingezogen und übergreifend verfügbar gemacht. GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Als Herausforderung steht dabei die Auswertung großer Datenmengen (Big Data) an. Millionen von Sensordaten müssen analysiert und interpretiert werden. Hochleistungsfähige Analysesysteme machen dabei Big Data transparent: Sie erkennen Zusammenhänge und ermöglichen eine proaktive Kommunikation aller Subsysteme (Bild 8). Die ständige Verfügbarkeit, Analyse und Korrelation aller Personen-, Maschinen- und Prozessdaten sind die Basis von Bergbau 4.0. Das durchgängige EventLogging ermöglicht dabei maximal fundierte Störungsdiagnosen. Das System erhöht die Prognosefähigkeit und erlaubt Reaktionen auf Prozessabweichungen in Echtzeit. Ein weitgehendes Parametermanagement verleiht dem System zudem die notwendige Flexibilität. Es ermöglicht die Implementierung weiterer funktionserweiternder Systemelemente – wie zum Beispiel Umfeld- und Zustandserfassungssysteme. Das 3D-Streb-Controlsystem, das in verschiedenen Hierarchie- und Kommunikationsebenen abläuft, ermöglicht aufeinander abgestimmte Steuerbefehle für alle beteiligten Strebelemente. Dabei sorgt eine größtmögliche Autarkie und Redundanz – von der Sensortechnik hin bis zur Gesamtheit der lokalen Teilsysteme – für maximale Betriebssicherheit des Systems. Bergbau 4.0 in der Zugförderung Ein weiteres Beispiel aus der Eickhoff-Gruppe ist die untertägige Zugförderung der zur Unternehmensgruppe gehörenden Schalker Eisenhütte im Hartgesteinsbergbau. Hierbei handelt es sich vornehmlich um die horizontale Förderung bei den Abbauverfahren Blockbruchbau (Block Caving) und Teilsohlenbruchbau (Sublevel-Caving): Das Gestein wird hier mithilfe von Ladern (LHDs) auf der Gewinnungssohle (Extraction Level) in Rolllöcher (Ore-Passes) verbracht, an deren Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau Bergbau 37 Bild 8: Funktionsweise des Strebreglers unteren Enden, auf der Fördersohle (Haulage Level), die Beladung der Lokomotiven erfolgt. Der Transport führt dann zur Übergabestelle an die vertikale Förderung, d. h. nach über Tage (Bild 9). Für dieses in sich abgeschlossene System hat die Schalker Eisenhütte gemeinsam mit ihren Partnern Nordic Minesteel (Be- und Entladung, Waggons mit Bodenentleerung) und Bombardier Transportation (Zugautomation) eine vollautomatische, mannlose Lösung für Hochleistungsbergwerke entwickelt. Die Gruben El Teniente (Codelco), Kiruna (LKAB) und Grasberg (Freeport) setzen dieses System bereits erfolgreich ein. Insbesondere im Hinblick auf den Einsatz mehrerer Lokomotiven lässt sich eine deutlich höhere Fahrttaktung und damit Produktivitätssteigerung erzielen. Gleichzeitig ist es möglich, auf Rundkurse zu verzichten und stattdessen Back-and-Forth-Operationen (Vor und Zurück-Operationen) zu realisieren. Die Kosten für das Auffahren von Strecken können somit signifikant reduziert werden [3]. Die Regelstrecke besteht in diesem Fall aus der Kollaboration von Beladung, Zugtransport und Entladung. Analog zum Strebsystem im Kohlenbergbau sind die einzelnen Elemente der Regelstrecke mit einer Vielzahl von Sensoren und Steuerungselementen ausgestattet. Diese ermöglichen es den Elementen sich selbst zu optimieren; gleichzeitig ermöglichen sie jedoch auch, in Interaktion miteinander zu treten. Vereinfacht dargestellt sieht beispielsweise die Selbstregelung des Elements Lokomotive wie folgt aus: Über die verwendete Sensortechnik im Antriebsstrang werden Zugkräfte, Leistungsverbrauch und Tempe- raturen kontinuierlich erfasst, um entsprechend den Regelgrößen Geschwindigkeit und Energieverbrauch das Zugsystem – bestehend aus Lokomotive und Wagen – zu steuern [4]. Mit Blick auf die Kollaboration der einzelnen Elemente untereinander erfordert insbesondere der Entladevorgang einen großen Abstimmungsbedarf – in diesem Fall zwischen Zug (Lok und Wagen) und der Bodenentleerung. Bei diesem Entladesystem übernimmt ein externes Traktionsrollensystem den Antrieb des Zugs im Bereich der Entladung. Lokomotive und Wagen werden über einen Trichter geleitet; die Böden der Wagen öffnen sich nach unten – geführt durch eine Schiene (Bild 10). Die durch die Entleerung eines jeden einzelnen Wagens auftretenden dynamischen Belastungen auf das Zugsystem müssen durch intelligente Steuerungsvorgänge des Traktionsrollensystems ausgeglichen werden, sodass der Zug mit konstanter GeschwindigBild 9: Kollaboration im Zugfördersystem Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 38 Bergbau Bild 10:Beispiel des vollautomatischen Schalke-Zugfördersystems bei LKAB keit den Bereich passieren kann und die Lokomotive im Anschluss übergangslos und unterbrechungsfrei die Weiterfahrt des Zugverbands übernehmen kann [5]. Die eigentliche Regelung – und damit das Lernende Element der 4.0-Architektur – kommt auf der Ebe- ne des Gesamtsystems Zugförderung zum Tragen. Die Vollautomatisierung des Systems sowie die sich dahinter verbergenden Regelungsalgorithmen ermöglichen die Integration sowohl zustandsorientierter als auch vergangenheitsbasierter Daten; entsprechend prognosefähig ist das System: Die Züge fahren die Beladestationen nicht nach einem vorgegebenen Muster ab, sondern reagieren auf Zustände in der Regelstrecke (z. B. Warteschlange an der Entladestation) bei gleichzeitiger Optimierung der Transportzyklen auf der Basis von Prognosen. Es wird nicht nur analysiert, welche Beladestation bereit ist, sondern auch welche Beladestation dann bereit sein wird, wenn der Zug dort eintrifft. Ein Objekt-Controller im Zusammenspiel mit einem zentralen Zugkontrollzentrum bildet in diesem System die Kommunikationsplattform zwischen der Lokomotive und den Be- und Entladestationen. Die Steuerung erfolgt über Weichen beziehungsweise Weichenantriebe (Point Machines) und die Signalisierung (Bild 11). Dabei kontrolliert das System die Abstände und die Einhaltung der Geschwindigkeit der Lokomotiven untereinander. Dazu ist die Fahrstrecke in mehrere Bereiche eingeteilt, welche sich, abhängig von Geschwindigkeit, Position und Bremswegen, flexibel anpassen, um höchstmögliche Effizienz bei größtmöglicher Sicherheit zu gewährleisten. Bild 11:Vereinfachtes Beispiel einer System-Architektur für ein Zugfördersystem GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau Bergbau Um Kollisionen zwischen den Zügen zu verhindern, überwacht die speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) des Zugautomatisierungssystems auf der Lokomotive den Abstand zwischen den Lokomotiven. Dazu erhält jede Lokomotive mittels WLAN-Datenübertragung die Positionen aller anderen Lokomotiven. Die Software in der SPS vergleicht kontinuierlich die eigene Position mit der Position der anderen Lokomotiven. Ist der vordefinierte Abstand zu gering, wird die Geschwindigkeit reduziert oder eine Zwangsbremsung eingeleitet. Parallel wird diese Überwachung auch direkt vom Koordinationsrechner durchgeführt, da auch dort die aktuelle Position jeder Lokomotive abgespeichert wird. Während ein Objekt-Controller die Kollaboration der Systemelemente regelt, übernimmt eine übergeordnete Speicherprogrammierbare Steuerung (Coordination PLC, Koordinationsrechner) die Steuerung des Gesamtsystems. Hier laufen die Daten der unterschiedlichen Akteure zusammen. Dies sind zum einen die klassischen Zustandsdaten: ▶▶ Wo befindet sich welcher Zug in welchem Zustand? ▶▶ Welche Beladestation ist aktiv? ▶▶ Was passiert an den Entladestationen? Zum anderen bedient sich der Koordinationsrechner aber auch der Vergangenheitsdaten: Unterschiede in den Beladezeiten je Station sowie Ladezyklen der Batterien auf den Lokomotiven werden bei der Planung der Transporte mit berücksichtigt. Zur Verbesserung der Prognosegenauigkeit können zudem Parameter, die bisher starr im System hinterlegt sind, in Abhängigkeit der jeweiligen Belastungssituation (z. B. Anzahl der im Einsatz befindlichen Lokomotiven und Beladestationen) variabel in das Prognosemodell einfließen. Typischerweise sind dies Größen wie Übergabe- und Wartezeiten. Fazit Grundvoraussetzung bei diesen Beispielen wie auch bei anderen Anwendungen ist ein hoher Umsetzungsgrad bei den vorgestellten Reglervoraussetzungen, also die Schaffung von Systemtransparenz, d. h. die Erfassung und Speicherung aller das System und die Zustände beschreibenden Daten sowie deren zielgerichtete Auswer- 39 tung im Sinne von Korrelationsanalysen. Erst hierdurch kann das tiefere Systemverständnis aufgebaut werden, mittels dessen auch bei automatisierten Lösungen noch Produktivitätsreserven gehoben werden können. Die Potenziale zur Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Kostensenkung und signifikanter Steigerung der Sicherheit in Bergwerksbetrieben sind Anlass und Motivation, die Thematik als wesentliche Leittechnologie der Zukunft zu verfolgen. Mit den vorgestellten Systemen und Technologien ist der Gedanke Bergbau 4.0 bereits in leistungsfähiger und erprobter Verfahrens- und Steuerungstechnik für hochbelastete Produktions- und Fördersysteme realisiert worden. Im nächsten Schritt steht nun die umfassende Vernetzung der komplexen untertägigen Systeme sowie die kontinuierliche Optimierung der Leistungs- und Kostenfaktoren entlang der bergmännischen Prozesskette Lösen-Laden-Fördern an. Literatur: [1] Nienhaus, K.; Mavroudis, F.; Hackelbörger, B.: Walzenlader Automation und Kommunikation – Ein Leitfaden zum autonomen Walzenlader. Vortrag AIMS, RWTH Aachen, 2009. [2]Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Multimodale Sensorik-Konzepte der Umwelterkennung/-modellierung [3] Bergstroem, R.; Sterner, T.; Nordstroem, T.: Heavy haul 1365 meter underground. IHHA meeting, Calgary, 2011. [4] Merchiers, A.; Brudek, G.; Mackenzie, S.: The Renaissance of Underground Rail Haulage – Why upcoming Mining Projects focus on this Hidden Champion. In: Mineral Resources and Mine Development, Fifth Aachen International Mining Symposium, Aachen, 2015. [5] Merchiers, A.; Brudek, G.; Dammers, M.: Advantages and Applications of Rail Haulage Systems in Underground Hard Rock Mining Operations. In: Glückauf Mining Report, Gesamtverband Steinkohle e. V., Herne, 2015. [6] Merchiers, A.; Mavroudis, F.: Reaktion der EickhoffGruppe auf die Anforderungen von Industrie 4.0. Vortrag, Forum Bergbau 4.0, RWTH Aachen, 2015. Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 40 Bergbau Prof. Dr.-Ing. Andreas Merchiers Dr.-Ing. Fiona Mavroudis hat ein Maschinenbaustudium sowie ein wirtschaftswissenschaftliches Zusatzstudium absolviert. Schwerpunktthemen seiner beruflichen Laufbahn bildeten stets die Herausforderungen produzierender Unternehmen: Die Umsetzung des Lean-Gedankens entlang der Wertschöpfungskette, die Gestaltung von Produktions- und Logistikstrukturen sowie die Einführung und Weiterentwicklung von Industrie 4.0 Anwendungen im Maschinenbau/Bergbau. Seine akademische Ausbildung hat Andreas Merchiers an der RWTH Aachen mit der Promotion zum Dr.-Ing. abgeschlossen. Andreas Merchiers ist heute Professor an der Hochschule Bochum. Er lehrt und forscht im Bereich Produktionsmanagement und Technische Investitionsplanung. Zusätzlich ist er als Industrieberater tätig. ist Gruppenleiterin für Sensortechnik und Automation bei der Eickhoff-Bergbautechnik GmbH. Sie studierte und promovierte an der RWTH Aachen. Bereits hier legte sie den Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Arbeit auf die Themenbereiche Sensorik und Automation in der Rohstoffindustrie. Kontakt: [email protected] Kontakt: [email protected] Dr.-Ing. Matthias Pütz blickt auf eine 27-jährige Erfahrung in verschiedenen Bereichen des untertägigen Bergbaus zurück, welche 1989 mit einer Ausbildung bei der RAG begann. Sein spezielles Fachgebiet war hier die Automatisierung des Schildausbaus. Weitere Schritte im Berufsleben waren der Vertrieb und die Projektleitung komplexer Steuerungssysteme für den Schildausbau bei der Marco Systemanalyse und Entwicklung GmbH. Seit 10 Jahren ist Matthias Pütz nun in der Unternehmensgruppe Eickhoff tätig, im Bereich Vertrieb Walzenlader und Continuous Miner, seit Juni 2014 im Bereich Bergbau- und Tunnellokomotiven des Eickhoff-Unternehmens Schalker Eisenhütte Maschinenfabrik GmbH. Kontakt: [email protected] GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Merchiers, Mavroudis und Pütz: Industrie-4.0-Champion – Hoch automatisierte Systeme im untertägigen Bergbau Bergbau – Ideenwerkstatt 41 Der Bergbau endet nicht mit der Kohle! Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand Peter von Hartlieb, Netzwerk Bergbauwirtschaft, EnergieAgentur.NRW, Düsseldorf, Deutschland Motivation Bis zum endgültigen Ausstieg aus der subventionierten untertägigen deutschen Steinkohlenförderung im Jahr 2018 ist nicht mehr viel Zeit. Zudem kommen die deutschen Tagebaue der Braunkohleproduzenten mehr und mehr unter Druck. Diese Veränderungen sind insbesondere für bisher steinkohleorientierte Bergbauzulieferer und -dienstleister in Nordrhein-Westfalen mit ihrer langjährigen Tradition und wertvollen Expertise eine große Herausforderung. Zum Erhalt von Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen sind Kreativität und zukunftsträchtige neue Ideen, Strategien und Partner zu ihrer Umsetzung gefragt. Diesen Zielen dient das Netzwerk Bergbauwirtschaft der EnergieAgentur. NRW (EA/NW Bbw). Der Austausch im Netzwerk fördert die Entwicklung von Ideen und nutzt Synergien zu ihrer Umsetzung. Im vergangenen Jahr befassten sich die Koordinatoren und Mitglieder des Netzwerks insbesondere mit den traditionellen globalen Kohlenmärkten [1] – also dem geografischen Blick über den Tellerrand (Bild 1). Das Jahr 2016 steht nun unter dem Leitmotto: „Alternative Märkte, alternative Absatzgebiete“ – also dem fachlichen Blick über den Tellerrand. Dieser Beitrag möchte daher zum Querdenken und interdisziplären Austausch zwischen den Fachgebieten Bergbau, Tunnelbau und Geotechnik anregen. Das Netzwerk Bergbauwirtschaft in NRW wagt mit seinen in der Vergangenheit sehr steinkohleorientierten Mitgliedern den Blick über den eigenen Tellerrand. Nach einer geografischen Erweiterung des Blickwinkels auf die globalen Kohlenmärkte im vergangenen Jahr sind in diesem Jahr alternative Märkte und Fachgebiete im Fokus. Dieser Beitrag möchte daher zum Querdenken und zum interdisziplinären Austausch anregen, um neue Geschäftsideen zu entwickeln. Bergbau • Tunnelbau • Geotechnik • Networking • Marktentwicklung • Land NRW • International Gemeinsamkeiten zwischen Bergbau, Tunnelbau und Geotechnik Fließende Grenzen Die Fach- bzw. Arbeitsgebiete Bergbau, Tunnelbau und Geotechnik haben gemeinsame Wurzeln, fließende Grenzen und überraschend viele Überlappungen. Oft wird der Bergbau in Deutschland – unterstützt durch die Medien und direkt Betroffenen – gedanklich auf den Bereich unter Tage und Steinkohle beschränkt. Bergbau ist aber deutlich mehr und auch in Deutschland nicht am Bild 1: Netzwerk Bergbauwirtschaft in NRW nahm im Jahr 2015 Kontakt mit den traditionellen internationalen Kohlenmärkten auf Von Hartlieb: Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 42 Bergbau – Ideenwerkstatt Bild 2: NRW-Gemeinschaftsstand auf der bauma 2016 in München Bild 3: Ventilatoren und Entstaubungsanlagen für australisches Tunnelprojekt Quelle: CFT GmbH Compact Filter Technic Bild 4: Windenanlage von Siemag-Tecberg im Gotthard-Basistunnel Quelle: Deilmann-Haniel GmbH GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Ende. Ein aktueller Bericht der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat dazu Erstaunliches „zu Tage“ gebracht [2, 3]. Über 40 verschiedene Rohstoffe werden nämlich in Deutschland gewonnen. Diese heimischen mineralischen Roh- und Energierohstoffe sind eine wichtige Grundlage für die wirtschaftliche Wertschöpfung in Deutschland. Der Anteil von zurzeit noch 6 Mio. t Jahresförderung im Steinkohlenbergbau ist nur ein kleiner und bescheidener Anteil davon. Besucher und Aussteller der bauma im April dieses Jahres in München konnten beobachten, dass viele Unternehmen nicht nur im Bergbau, nur im Tunnelbau oder nur in der Geotechnik, sondern in zwei oder drei dieser Bereiche tätig sind. So gab es in der klassischen „Bergbauhalle“ auch interessante Informationen für den Tunnelbau und die Geotechnik – auch bei Ausstellern am NRW-Gemeinschaftsstand (Bild 2). Die Beilage „Market Place 1.0“ in der GeoResources Zeitschrift 1 | 2016 enthält eine Matrix mit 80 Unternehmen oder Institutionen, von denen etwa 30 % die Branchen Bergbau und Tunnelbau, 5 % die Branchen Bergbau und Geotechnik und 10 % alle drei Branchen als eigenes Tätigkeitsgebiet angeben. Die Angaben beruhen sicher noch nicht auf einer repräsentativen Stichprobe für die Branchen, zeigen aber doch den Trend, dass es viele Verbindungen zwischen den drei Bereichen gibt und die größte gemeinsame Schnittmenge zwischen dem Berg- und Tunnelbau liegt. Zu beachten ist allerdings auch, dass die Trennschärfe zwischen Tunnelbau und Geotechnik auch nicht ganz eindeutig ist. In der Deutschen Gesellschaft für Geotechnik e. V. gibt es eine Fachsektion Tunnelbau, wobei der Tunnelbau auch Bereiche hat, die eher nicht zur Geotechnik zählen. Anwendungsbeispiele für gelungenenes interdisziplinäres Zusammenwirken Eine exemplarische Auswahl von Anwendungsbeispielen soll zeigen, dass durch interdisziplinäre Zusammenarbeit interessante Lösungen mit einem Mehrwert für die Beteiligten entwickelt werden können: ▶▶ Bohr- und Sprengtechnik: Erfahrungen aus dem Bergbau können auch im bergmännischen Tunnelbau genutzt werden, wie beispielsweise beim Auftreten von Methangas beim Vortrieb des Scheibengipfeltunnels in Reutlingen [4]. ▶▶ Tunnelbelüftung: Für den untertägigen Bergbau entwickelte Ventilatoren und Entstaubungsanlagen finden Anwendung im Tunnelbau, wie beispielsweise im australischen Tunnelgroßprojekt „NorthConnex“ (Bild 3). ▶▶ Schachtbau und Schachtfördertechnik: Beim Bau besonders langer und tiefliegender Tunnel, wie dem gerade eingeweihten Gotthard-Basistunnel in der Schweiz (Bild 4), werden die im Bergbau gesammelten Erfahrungen des Schachtbaus und der Schachtförderung sowie der Wetterkühlung genutzt [5, 6, 7]. ▶▶ Tunnelsanierung unter Betrieb: Bei der Aufweitung von Eisanbahntunneln der Deutschen Bahn Von Hartlieb: Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand Bergbau – Ideenwerkstatt ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ AG unter Betrieb wurden erfolgreich Tunnelvortriebsportale genutzt, um die Ausbrucharbeiten bei laufendem Bahnbetrieb zu ermöglichen, beispielsweise im Frauenberger Tunnel [8] und im Jähroder Tunnel (Bild 5). Ein solches Tunnelvortriebsportal wurde von einem Zulieferer unter Nutzung seiner im Bergbau gewonnenen Erfahrung entwickelt. Tunnel-/Schrägschachtbau mit großer Längsneigung: Für die Auffahrung von Schrägschächten für Rolltreppen in Londoner U-Bahnstationen wurde ein an Schienen aufgehängter sogenannter Excavator (Bild 6) mit einem Arm für die Befestigung eines Reißlöffels, eines Hydraulikhammers oder eines Arbeitskorbs entwickelt und nach erstmaliger erfolgreicher Anwendung gleich mehrfach preisgekrönt. Auch diese Entwicklung nutzte die Erfahrungen aus dem untertägigen Bergbau. Zugangstunnel/Schrägschächte für Bergwerke: Für neue Bergwerke sind häufig lange Zugangswege erforderlich. Für solche Zugangsstunnel bzw. Schrägschächte werden auch erfolgreich und wirtschaftlich Tunnelvortriebsmaschinen (Bild 7) und damit Know-how aus dem Tunnelbau im Bergbau eingesetzt, beispielsweise in Grosvenor [9]. Tunnelwehr: Da die Feuerwehren in Deutschlandüberwiegend nicht für untertägige Einsätze qualifiziert und ausgerüstet sind, wird damit begonnen, Tunnelwehren zu bilden – beispielsweise beim Alb abstiegstunnel [10]. Dazu werden die langjährigen Erfahrungen mit Grubenwehren aus dem Bergbau genutzt. Tailings: Zur zuverlässigen Abdichtung von Tailings werden in der Geotechnik erprobte Systeme mit Geokunststoffen und Nachweismethoden aus der Geotechnik genutzt [11]. Mögliche Einsatzbereiche für BergbauKnow-how in Tunnelbau und Geotechnik 43 Bild 5: Tunnelvortriebsportal zur Aufweitung des Jähroder Tunnels der Deutschen Bahn AG Quelle: GTA ▶▶ Umweltschutz ▶▶ BIM und Mining 4.0 Zugang zu Infrastrukturprojekten mit Potenzial Marktaussichten im Bereich des unterirdischen Bauens In Deutschland und international besteht ein großer Bedarf an Infrastruktur im Verkehrssektor, im Bereich der Energieversorgung, der Deponierung einschließlich Bild 6: Excavator für Auffahrung von Schrägschächten für Rolltreppen in U-Bahnstationen Quelle: GTA Folgende Bereiche bieten Potenzial für die Einbringung von Know-how aus dem Bergbau in den Tunnelbau und die Geotechnik und gemeinsame Entwicklungen: ▶▶ Bohr- und Sprengtechnik für bergmännischen Tunnelbau ▶▶ Tunnelbelüftung und -klimatisierung ▶▶ Schachtbau ▶▶ Fördertechnik ▶▶ Optimierung des Arbeitsablaufs im bergmännischen Tunnelbau durch innovative Geräte ▶▶ Tunnelsanierung ▶▶ Schrägschachtbau ▶▶ Brandschutz und Tunnelwehr ▶▶ Deponiegasbehandlung ▶▶ Recycling von mineralischen Baustoffen ▶▶ Kavernen und Endlagerung ▶▶ Verbesserung der Arbeitssicherheit ▶▶ Vorbeugende Maßnahmen zur Betriebssicherheit im Zusammenhang mit der Zunahme von Hochwasserereignissen durch den Klimawandel Von Hartlieb: Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 44 Bergbau – Ideenwerkstatt Bild 7: Einsatz einer Tunnelvortriebsmaschine für Schrägschächte in australischem Steinkohlenbergwerk Grosvenor Quelle: The Robbins Company Endlagerung. Durch die Urbanisierung sind insbesondere in innerstädtischen Bereichen von Megastädten innovative Verkehrskonzepte gefragt und erhebliche Investitionen in unterirdische Verkehrsbauten zu erwarten. Im Bereich von Neubau- und Sanierungsprojekten sind nachhaltige umweltverträgliche, effiziente und preiswerte Lösungen gefragt, die Akzeptanz in der Bevölkerung finden – eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Verbesserungen im gesamten Lebenszyklus von der Planung über die Bau- bis zur Betriebsphase sind erwünscht. Sie betreffen die Zusammenarbeit, innovative Baustoffe und Technologien, modifizierte qualitätsorientierte Bauprozesse, Verbesserungen in der Arbeitssicherheit sowie neue automatisierte Techniken zur Überwachung, zur Inspektion und zur Instandsetzung. Die „Reformkommission Großprojekte“ gibt in ihrem Abschlussbericht interessante Hinweise dazu [12]. Seit mehr als 35 Jahren führt die STUVA eine Statistik zum Tunnelbau in Deutschland und veröffentlicht jährlich die aktualisierten Daten mit Analyse und Ausblick zu laufenden und geplanten Bauvorhaben [13]. Der Bundesverkehrswegeplan [14] gibt Hinweise zu den geplanten Projekten und Investitionssummen in Deutschland. In anderen Ländern gibt es in der Regel entsprechende Investitionspläne. Der Sachstandsbericht 2015 des STUVA-Arbeitskreises „Tunnelinstandsetzung Straße“ gibt einen guten Überblick zu den Verfahren für die Instandsetzung sowie zur Nachrüstung und Erneuerung in den DACH-Ländern [15, 16]. Es führt im übrigen kein Weg daran vorbei, den Markt zu beobachten und im Blick zu behalten, also die Bekanntmachungen und Vergabeportale der jeweils zuständigen Ministerien, der Verkehrsgesellschaften für GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net öffentliche Verkehrsmittel und der ausschreibenden Stellen für den Straßenbau oder der jeweiligen Energieversorger. Marktzugang Bei Großprojekten werden die Aufträge in der Regel nach einer Präqualifikationsphase an ARGEN bzw. Joint Ventures erteilt, die wiederum im Nachgang Zulieferer beauftragen. Auch unterschiedliche Betreibermodelle kommen zur Anwendung, bei denen nicht nur der Bau eines Infrastrukturprojekts vergeben wird. Zur Einhaltung der nach dem jeweiligen Baurecht relevanten Vorschriften und Regelwerke ist es erforderlich, sich damit zu beschäftigen. Dasselbe gilt für die Vertragsbedingungen, die sehr stark variieren können. In Deutschland gibt es beispielsweise bisher kaum partnerschaftliche Verträge, was sich aber in naher Zukunft voraussichtlich ändern soll. Um als Zulieferer oder Spezialdienstleister Zugang zum Markt zu finden, ist der rechtzeitige Austausch mit potenziellen Auftraggebern ausschlaggebend. Für den Bau des Fehmarnbelttunnels wurden beispielsweise schon vor der Vergabe an bietende ARGEN direkt von Femern AS Leitfäden für Subunternehmer und Zulieferer veröffentlicht und ein Marktportal eingerichtet, in dem Zulieferer ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten können (Bild 8). Insbesondere wenn die Produkte und Dienstleistungen für die Angebotsabgabe des potenziellen Auftraggebers relevant sind, ist eine Zuarbeit für die Einbindung des eigenen innovativen Lösungsanteils – gegebenenfalls gemeinsam mit Kooperationspartnern – in der Projektierungsphase von Vorteil oder notwendig. Von Hartlieb: Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand Bergbau – Ideenwerkstatt 45 Nützliche Organisationen Im Infokasten ist eine Auswahl von Organisationen zusammengestellt, die für den fachübergreifenden Austausch, die Entwicklung von Geschäftsideen und deren Umsetzung nützlich sein können. Das sind einerseits Organisationen, mit denen das Netzwerk Bergbauwirtschaft bereits konkret kooperiert, und andererseits weitere Organisationen, die für den fachübergreifenden Austausch mit den Fachgebieten Tunnelbau und Geotechnik interessant sein können. Das Netzwerk Bergbauwirtschaft unterstützt Unternehmen auf ausgewählten Auslandsmärkten zusammen mit den Kompetenzzentren Bergbau und Rohstoffe der Auslandshandelskammern (Kanada, Peru, Chile, Brasilien, Australien, Südafrika) und weiteren Akteuren, wie dem VDMA Mining, der Fachvereinigung Auslandsbergbau (FAB) oder der DERA (Deutsche Rohstoffagentur), bei der Bewertung, Anbahnung und gegebenenfalls anschließenden Anschubkoordination neuer Projekte. Synergieeffekte durch Bündelung des fachlichen Know-hows und der Kenntnisse über die Zielmärkte mit ihren Besonderheiten und Aufteilung der Arbeit im jeweiligen Team tragen zur Effizienz und damit zur Kostenreduktion bei. Das Netzwerk bietet eine Gesprächsplattform zur Bildung von Allianzen. Ausblick Als Koordinatoren des Netzwerks Bergbauwirtschaft möchten wir den Austausch intensiv fortsetzen und konkret werden. Mit wem möchten wir sprechen oder in unseren Fachgruppen arbeiten? Natürlich mit unseren Mitgliedern, aber auch mit Vertretern von Unternehmen, die noch Mitglied werden möchten, und mit Vertretern aus den Branchen Tunnelbau und Geotechnik, die uns den Blick über den Tellerrand in ihren Bereich ermöglichen und etwas von uns erfahren möchten. Im vergangenen Jahr, dem ersten aktiven Jahr unseres Netzwerks haben wir mit unseren Mitgliedern schon vieles angeschoben. Auch politische Unterstützung haben wir auf Delegationsreisen erfahren. Nun gilt es jedoch, konkrete Allianzen zu bilden, wobei uns flankierend verschiedene Organisationen im In- und Ausland unterstützen. Und für den interdisziplinären Austausch mit Tunnelbauern ist ein Panel zum Thema „Tunnelbau/konstruktiver Ingenieurbau“ in Vorbereitung. Bild 8: Leitfaden für Zulieferer Quelle: Femern AS [4] Schälicke, H.: Scheibengipfeltunnel Reutlingen – Tunnelvortrieb im Braunjura. GeoResources Zeitschrift 1 | 2014, S. 23-32s [5] Flender, M.: Gotthard-Basistunnel: Die Schachtförderanlagen von Sedrun – Teil 1: Rohbauphase. GeoResources Zeitschrift 1 | 2015, S. 25-34. http://www.georesources.net/download/GeoResources-Zeitschrift-1-2015. pdf [6] Flender, M.: Gotthard-Basistunnel: Die Schachtförderanlagen von Sedrun – Teil 2: Umrüstungs- und Betriebsphase. GeoResources Zeitschrift 2 | 2015, S. 27-39. http://www.georesources.net/download/GeoResources-Zeitschrift-2-2015.pdf [7] Schöneshöfer, M.; Ahlbrecht, T.: Gotthard-Basistunnel: Planung und Ausführung der Einbauten für den Schacht Sedrun I. GeoResources Zeitschrift 2 | 2015, S. 40-50. http://www.georesources.net/download/GeoResources-Zeitschrift-2-2015.pdf [8] Simon, S.: Erneuerung bestehender Eisenbahntunnel bei der DB AG. Taschenbuch für den Tunnelbau 2012, 36. Jahrgang, VGE Verlage, Essen, 2011 Bild 9: Netzwerk Bergbauwirtschaft engagiert sich beim bauma-Forum Quelle: Messe München Quellen [1] v. Hartlieb-Wallthor, P.: Globale Bergbaumärkte – Länderreports des Netzwerkes Berbauwirtschaft. Sonderausgabe . Sonderausgabe Bergbau, 2015 [2] Elsner, H.: Bergbau in Deuschland immer noch sehr aktiv. GeoResources Zeitschrift 1 | 2016, S. 11. [3] Elsner, H.; Schmitz, M.: Rohstoffgewinnung in Deutschland – von tiefen Löchern und kleinen Flittern. Commodity TopNews 48, BGR, Februar 2016. Link: http//www.bgr.bund.de Von Hartlieb: Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 46 Bergbau – Ideenwerkstatt [9] Stone, L.; Willis, D.: Innovativer Crossover TVM-Vortrieb auf dem Steinkohlenbergwerk Grosvenor in Aus tralien. GeoResources Zeitschrift 3 | 2015, S. 28-34 [10] Behr, A.; Rauscher, M.: Albabstieg: Tunnelwehr ist einsatzbereit! Geotechnik Zeitschrift 3 | 2015, S. 23-27 [11] Sost, E.; Tarnowski, C.: Abdichtungen im Bergbau in Afrika. 32. Fachtagung „Die sichere Deponie“ Sicherung von Deponien und Altlasten mit Kunststoffen, SKZ, 2015, S. 115-132 [12] Bundeministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Reformkommission Bau von Großprojekten – Komplexität beherrschen – kostengerecht, termintreu und effizient. Endbericht. 2015, www.bmwi.de [13]Schäfer, M.: Tunnelbau in Deutschland: Statistik 2014/2015, Analyse und Ausblick. Tunnel, 8/2015, S. 22-33 und zusätzliche Detailtabellen (www.stuva.de) [14] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Bundesverkehrswegeplan 2030. www.bmvi.de [15] Eder, M.; Heimbecher, F.; Koch, F.; Haack, A.: Sachstandsbericht 2015 des STUVA-Arbeitskreises „Tun nelinstandsetzung Straße“. STUVA-Tagung 2015, Forschung + Praxis 46, S. 228-34. [16] ASFINAG, Wien (A); ASTRA, Bern (CH); STUVA, Köln (D) (Federführung): Sachstandsbericht 2015 „Instandsetzung von Straßentunneln“. Forschung +Praxis 47, Ernst & Sohn, 2015 Übersicht nützlicher Organisationen mit Links ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ ▶▶ Netzwerk Bergbauwirtschaft der Energieagentur NRW (EA/NW Bbw): www.energieagentur.nrw VDMA Mining: http://mining.vdma.org/home FAB Fachvereingigung Auslandsbergbau und Internationale Rohstoffaktivitäten in der VRB: www.consulting-fab.de Verband der Bergbauzulieferindustrie e. V.: www.foerderverein-bergbauzulieferer.de DERA Deutsche Rohstoffagentur in der BGR: www.deutsche-rohstoffagentur.de Kompetenzzentren Bergbau und Rohstoffe der Auslandshandelkammern in Australien, Brasilien, Chile, Kanada, Peru und Südafrika: http://australien.ahk.de/industriefokus/kompetenzzentrum-bergbau-und-rohstoffe/ E-Mail: [email protected] http://chile.ahk.de/alt/business-center/kompetenzzentrum-bergbau-rohstoffe/ http://peru.ahk.de/ http://kanada.ahk.de/kontakt/ http://suedafrika.ahk.de/kompetenzzentrum/bergbau-rohstoffe/ ▶▶ Deutscher Ausschuss für unterirdisches Bauen e. V. (DAUB): www.daub-ita.de ▶▶ Deutsche Gesellschaft für Geotechnik e. V. (DGGT): www.dggt.de ▶▶ International Tunnelling Association ITA: https://www.ita-aites.org/en/ Peter von HartliebWallthor ist Bereichsleiter Bergbauwirtschaft der Energieagentur. NRW in Düsseldorf in Deutschland und gestaltet in dieser Funktion aktiv den Austausch im Netzwerk Bergbauwirtschaft mit, wie beispielsweise auf der bauma auf dem Gemeinschaftsstand NRW und beim baumaForum (Bild 9). In diesem Jahr liegt der Fokus insbesondere im fachübergreifenden Austausch der Netzwerkmitglieder mit Fachleuten aus den Bereichen Tunnelbau und Geotechnik. Kontakt: Tel. +49 211 210 944 16 [email protected] www.energieagentur.nrw GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Von Hartlieb: Der Bergbau endet nicht mit der Kohle –Chancen durch Blick über den eigenen Tellerrand Bergbau und Tunnelbau 47 Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“ Dr. Jens H. Utsch, Siemag Tecberg GmbH, Haiger, Deutschland Einleitung Die Eröffnung des neuen Gotthard-Basistunnels am 1. Juni 2016 ist für das deutsche Unternehmen für Bergbautechnik Siemag Tecberg Anlass, auf ein äußerst interessantes Bauvorhaben zurückzublicken. Im Rahmen dieses Projekts wurden Anlagen und Konstruktionen der Schachtfördertechnik von Siemag Tecberg geliefert und die Schachtförderanlage zur Versorgung des mittleren Abschnitts der Tunnelbaustelle während der gesamten Bauzeit betrieben [1, 2]. Darüber hinaus war das Unternehmen mit einer sehr interessanten technischen Lösung am untertägigen Kühlsystem beteiligt. An zentraler Stelle der Anlage zur Kühlung der Tunnelbaustelle kam ein sogenanntes Pressure Exchange System (P.E.S.) der Siemag Tecberg zum Einsatz [3]. Funktionsweise und Bedeutung des patentierten Systems als wesentliche Komponente einer Untertagekühlung mit zentraler übertägiger Kühlanlage werden in diesem Artikel beschrieben. Herausforderung Bergbau Die Entwicklung des Bergbaus ist zum einen durch das Vordringen in zunehmend größere Tiefen gekennzeichnet und zum anderen durch die Intensivierung des Maschineneinsatzes. Beide Entwicklungen ziehen steigende Anforderungen an Kühlung und Lüftung der Bergwerke nach sich. Auch in Regionen, in denen über Tage extrem tiefe Temperaturen herrschen, können unter Tage hohe Gebirgstemperaturen von 50 °C und mehr auftreten. Doch auch bei geringeren Gebirgstemperaturen von weniger als 30 °C können dennoch – auch lokal – höhere Temperaturen zum Beispiel durch den Betrieb von Maschinen entstehen, welche eine Klimatisierung erforderlich machen. So wie die Schachtförderanlage als Hauptschlagader eines Bergwerks zu verstehen ist, kommt auch der Klimatisierung zentrale Bedeutung für den Betrieb des Bergwerks zu. So sind Kühlung und Lüftung nicht allein eine Frage der allein schon bedeutenden Arbeitseffizienz, sondern bei entsprechenden Bedingungen auch des Sicherheits- und Gesundheitsschutzes. Das Konzept der zentralen übertägigen Kühlung Zur Kühlung eines Bergwerks sind verschiedene Konzepte denkbar. Die Kälteerzeugung ist grundsätzlich sowohl über als auch unter Tage möglich. Kühlanlagen mit untertägigen Kältemaschinen sind durch verschiedene Nachteile gegenüber zentra- Das „Pressure Exchange System“ (P.E.S.) ist eine technische Komponente, die bei Anlagen zur Kühlung unter Tage an zentraler Stelle zum Einsatz kommt. Das System bildet die Schnittstelle zwischen den beiden Kreisläufen einer Kühlung – dem Primärkreislauf, der die übertägigen Anlagenteile der Kühlung mit dem untertägigen P.E.S. verbindet, und dem untertägigen Sekundärkreislauf, der das P.E.S. mit den Verbrauchern (Kühlern) verbindet. Die für die Effizienz einer Kühlanlage bedeutende Funktion der Temperaturübertragung zwischen den Kreisläufen wird vom P.E.S. in besonderer Weise erfüllt. Die Arbeitsweise und die damit verbundenen Vorzüge des Systems werden in dem Artikel dargestellt. Bergbau • Tunnelbau • Wetterkühlung • Equipment • Effizienz len Kälteanlagen über Tage gekennzeichnet. So sind für die Aufstellung von Kältemaschinen unter Tage ggf. zusätzliche Kavernen erforderlich. Wartung und Reparatur sind aufwändiger als bei über Tage aufgestellten Kältemaschinen. Verschmutzungen, für die untertägige Kältemaschinen anfällig sind, mindern deren Wirkungsgrad. Da für untertägige Kältemaschinen die Rückkühlung über Tage erfolgt, entsteht durch die Schachtleitungen, über die das erwärmte Wasser hierzu nach über Tage gefördert wird, ein hoher Wärmeeintrag, der wiederum eine insgesamt höhere erforderliche Kühlleistung nach sich zieht. Hinzu kommt, dass untertägige Kältemaschinen mit Schlagwetterschutz auszurüsten sind. Die Kälteerzeugung in einer zentralen übertägigen Kälteanlage hingegen gleicht diese Nachteile aus. Bei einer zentralen übertägigen Kälteanlage wird das von der Kälteanlage (Kältemaschine und Rückkühlung) erzeugte Kaltwasser über den Vorlauf eines sogenannten „Primärkreislaufs“ nach unter Tage geleitet, um dort die „gespeicherte Kälte abzugeben“; über den Rücklauf des Primärkreislaufs gelangt das erwärmte Wasser von unter Tage zurück zur übertägigen Kälteanlage, um wieder abgekühlt zu werden. Die Temperaturabgabe unter Tage erfolgt an den sogenannten „Sekundärkreislauf “, der – getrennt vom Primärkreislauf – unter Tage zirkuliert und das infolge des Temperaturtauschs abgekühlte Wasser (Kaltwasser) zu den Kühlern vor Ort transportiert. Dort wird die Luft auf Zieltemperatur abgekühlt. Nach dem dort erfolgten Temperaturaustausch (zwischen Wasser und Luft) strömt das Warmwasser zurück, Utsch: Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“ GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 48 Bergbau und Tunnelbau getauscht; vielmehr wird das von über Tage zugeführte Kaltwasser gegen das von unter Tage zugeführte Warmwasser getauscht. Das Kaltwasser gelangt dann über den Sekundärkreislauf zu den Verbrauchern und das Warmwasser über den Primärkreislauf zurück zur übertägigen Kälteanlage. Das Prinzip des P.E.S. entspricht dem einer Druckschleuse. Aufbau und Funktionsweise des P.E.S. werden im Weiteren detailliert erläutert. Das Bild 1 zeigt schematisch das Prinzip der zentralen übertägigen Kühlanlage mit einem P.E.S. an der Schnittstelle zwischen dem Primär- und dem Sekundärkreislauf. Beim konventionellen Konzept wird diese Schnittstelle z. B. von einem Hochdruck-NiederdruckWärmetauscher gebildet. Bild 1: Zentrale Kühlanlage mit einem P.E.S. Aufbau und Funktionsweise des „Pressure Exchange Systems“ Quelle: Siemag Tecberg GmbH wiederum zum Temperaturaustausch mit dem Primärkreislauf. Konventionelles Kühlungskonzept Bei konventionellen Konzepten strömen die beiden Kreisläufe in einem Wärmeübertrager (z. B. Hochdruck-Niederdruck-Wärmetauscher) aneinander entlang und tauschen die Temperatur/den Energieinhalt aus; d. h., das über den Primärkreislauf zugeführte Kaltwasser „gibt die Kälte“ an den Sekundärkreislauf ab, nimmt dabei Wärme auf und strömt als Warmwasser zurück zur übertägigen Kälteanlage. Währenddessen wird das über den Rücklauf des Sekundärkreislaufs zugeführte Warmwasser durch den Temperaturaustausch abgekühlt und strömt als Kaltwasser zu den Verbrauchern (Kühlern). Die beiden Kreisläufe sind voneinander getrennt und werden im Wärmeübertrager derart aneinander vorbeigeführt, dass ein Temperaturaustausch erfolgt. Progressives Kühlungskonzept Anders beim progressiven Konzept mit einem P.E.S. Vom P.E.S. wird nicht nur die Temperatur (Energie) Bild 2: Anschluss der drei Rohrkammern an die senkrechten Verteilerrohre Quelle: Siemag Tecberg GmbH GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Das Pressure Exchange System wurde unter der deutschen Bezeichnung „Dreikammerrohraufgeber“ entwickelt. In dieser Bezeichnung kommt zum Ausdruck, dass ein P.E.S. im Wesentlichen aus drei waagerecht angeordneten Rohren beziehungsweise Rohrkammern besteht, an deren beiden Mündungen jeweils zwei senkrecht angeordnete Verteilerrohre angeschlossen sind (Bild 2). Über eines dieser senkrechten Verteilerrohre sind alle drei Rohrkammern mit dem Primärkreislauf verbunden, über das andere mit dem Sekundärkreislauf. Ventile an den Übergängen zu den Verteilerrohren dienen dazu, die einzelne Rohrkammer jeweils entweder dem Primärkreislauf zuzuschalten oder dem Sekundärkreislauf. Während des Betriebs wechselt jede Rohrkammer von Prozessschritt zu Prozessschritt zwischen den folgenden drei Betriebszuständen: (A)Füllen mit Kaltwasser und Fördern des Warmwassers nach über Tage über den Primärkreislauf (B)Druckausgleich der mit Kaltwasser aus dem Primärkreislauf gefüllten Kammer (C)Füllen mit Warmwasser und Fördern des Kaltwassers unter Tage über den Sekundärkreislauf Ist eine Rohrkammer über entsprechende Ventilstellung dem Primärkreislauf zugeschaltet (Kammer A im Bild 3), so wird sie über diesen Kreislauf mit Kaltwasser von der übertägigen Kälteanlage gefüllt. Das im vorherigen Prozessschritt in diese Kammer eingeströmte Warmwasser wird gleichsam durch das nun einströmende Kaltwasser verdrängt und über den Rücklauf des Primärkreislaufs nach über Tage zur Kälteanlage gefördert. Die Zu-Tage-Förderung des Warmwassers erfolgt nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren: Durch das über den Vorlauf in die Rohrkammer einströmende Kaltwasser herrscht in der Rohrkammer ein hoher hydrostatischer Druck, der sich aus dem Höhenunterschied zwischen der übertägigen Kühlanlage und dem untertägigen P.E.S. ergibt und die Förderung des Warmwassers nach über Tage bewirkt. Diese Förderleistung wird allenfalls durch geringe Rohrreibungsverluste gemindert. Aufgrund des im Primärkreislauf Utsch: Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“ Bergbau und Tunnelbau herrschenden hohen Drucks wird dieser Kreislauf auch als Hochdruckkreislauf bezeichnet. Das P.E.S. als Schnittstelle zwischen den beiden Kreisläufen verbindet diese einerseits miteinander, ermöglicht andererseits, die beiden Kreisläufe mit unterschiedlich großen Drücken zu betreiben. Der dazu erforderliche Druckausgleich erfolgt im Betriebszustand B. Während sich eine Rohrkammer im Zustand A befindet, sind bei einer zweiten Rohrkammer, die zuvor mit Kaltwasser gefüllt wurde, im Betriebszustand B die Hauptventile geschlossen. Lediglich kleinere Ventile, durch welche die Rohrkammer über Bypassleitungen mit dem Sekundärkreislauf verbunden ist, sind geöffnet. Dadurch wird der hohe Druck aus dem zuvor durchlaufenen Prozessschritt (Einströmen des Kaltwassers von über Tage) abgebaut. Dieser Druckausgleich ist notwendig. So wird Druckstößen und dadurch zu erwartenden Schäden in den Rohrleitungen vorgebeugt. Mit diesen wäre zu rechnen, wenn die Hauptventile zum Niederdruckkreislauf ohne Druckausgleich geöffnet würden und der hohe Druck in der mit Kaltwasser gefüllten Rohrkammer schlagartig auf den weitaus geringeren Druck in der Rohrleitung des Sekundärkreislaufs treffen würde. Die dritte Kammer ist währenddessen dem Sekundärkreislauf zugeschaltet (Betriebszustand C), über den mithilfe einer Pumpe das nach dem Druckausgleich im Prozessschritt zuvor in der Rohrkammer bereitstehende Kaltwasser zu den Kühlern (Verbrauchern) in der Strecke geleitet wird. Über die Kreislaufwirkung strömt gleichzeitig das im Prozessschritt zuvor infolge „Temperaturabgabe“ an die Kühler erwärmte Wasser zurück in die Rohrkammer. In diesem Sinne wird jede Rohrkammer von Prozessschritt zu Prozessschritt durch entsprechende Ventilstellung von einem Zustand in den nächsten versetzt und durchläuft nacheinander alle drei Betriebszustände. Durch die Arbeit mit drei Rohrkammern wird die anhaltende Zirkulation in beiden Kreisläufen ermöglicht. Vorzüge des „Pressure Exchange Systems“ Die Funktionsweise des P.E.S. ist durch folgende drei Funktionsprinzipien gekennzeichnet: ▶▶ Austausch des in den Kreisläufen zirkulierenden Wassers ▶▶ Prinzip der kommunizierenden Röhren ▶▶ Druckausgleich zwischen den beiden Kreisläufen Der entscheidende Vorteil einer Kühlanlage mit einem P.E.S. im Vergleich zu alternativen Lösungen ergibt sich aus dem Prinzip des Austauschs des in den Kreisläufen zirkulierenden Wassers. Aufgrund dieser Tatsache, dass das Kaltwasser über den Primärkreislauf in eine Rohrkammer strömt und kurze Zeit später, im übernächsten Prozessschritt, in den Sekundärkreislauf weitergeleitet wird (durchgeschleust wird), erfährt das Wasser nur ei- 49 Bild 3: Drei Rohrkammern und Ventile eines P.E.S. – schematische Darstellung Quelle: Siemag Tecberg GmbH nen geringen Temperaturverlust von weniger als 0,5 K [4]. Das zum Vergleich heranzuziehende Alternativkonzept ist – wie vorstehend schon erläutert – eine zentrale Kälteanlage mit einem Hochdruck-Niederdruckwärmetauscher anstelle eines P.E.S. an der Schnittstelle zwischen Primärkreislauf (Hochdruckkreislauf ) und Sekundärkreislauf (Niederdruckkreislauf ). Die beiden Konzepte sind hinsichtlich der anderen Komponenten vergleichbar. Grundsätzlich können Anlagen zwar auch mit einem Plattenwärmetauscher ausgestattet werden. Weil diese Geräte aber nicht so hohem Druck ausgesetzt werden können, sind Plattenwärmetauscher nur in geringen Teufen realisierbar. In diesen Bereichen bilden Kühlanlagen mit einem P.E.S. aus wirtschaftlichen Gründen in der Regel keine sinnvolle Alternative. Auch wenn jeder Einzelfall unter Berücksichtigung verschiedener Parameter individuell zu beurteilen ist, nimmt bei Teufen von weniger als 200 bis 300 m die Wettbewerbsfähigkeit der Lösung mit einem P.E.S. ab. Aufgrund des mit der Teufe zunehmenden hydrostatischen Drucks kommen bei größeren Teufen, in denen ein P.E.S. wirtschaftlich interessant wird, wie schon erwähnt, Hochdruck-Niederdruck-Wärmetauscher als Alternative in Frage. Allein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet fällt die Entscheidung dann zugunsten des P.E.S. aus, wenn die höheren Aufwendungen bei der Beschaffung durch Effizienzvorteile beim Betrieb ausgeglichen werden. Durch die geringeren Temperaturverluste von weniger als 0,5 K im Vergleich zu mehr als 2 bis 3 K bei Wärmetauschern ist weniger Energie zur Kälteerzeugung erforderlich und ebenso sind für die notwendige Pumpenleistung Einsparungen zu verzeichnen, da der gesamte Wasserdurchfluss durch das System geringer ist. Utsch: Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“ GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 50 Bergbau und Tunnelbau Erfahrungen Die aufgrund ihrer einfachen Idee faszinierende Technik des „Pressure Exchange Systems“ ist seit ihrem Markteintritt bei mehr als 30 Projekten zur Anwendung gekommen, darunter überwiegend Bergwerke, aber auch einzelne Tunnelbauvorhaben, wie der Bau des neuen Gotthard-Basistunnels. Die gelieferten Anlagen zeichnen sich erfahrungsgemäß durch einen gleichbleibenden Wirkungsgrad über die Produktlebensdauer und geringe Stillstandszeiten für Wartung aus. Als weiterer Vorteil ist auch der geringe Platzbedarf unter Tage zu nennen. Die Größenordnungen der Kühlanlagen mit P.E.SSystemen, gemessen an der Leistung, bewegen sich zwischen 4 und 60 MW. Bei der größten Kühlanlage mit 60 MW für ein 2.400 m tiefes Goldbergwerk in Südafrika handelt es sich allerdings um vier miteinander gekoppelte P.E.S.-Systeme, verteilt auf zwei Sohlen (– 1.200 m und – 2.400 m) [5]. An diesen Beispielen, sowohl einzelne Anlagen zwischen 4 und 20 MW zu realisieren als auch Großkühlanlagen durch Kombination mehrerer P.E.S.-Systeme zu bilden, zeigt sich die Variations- und Anpassungsfähigkeit der Technik ebenso wie in der stufenweisen Erweiterbarkeit eines P.E.S.-Systems. Diese Möglichkeit der Erweiterbarkeit (und ebenso der Reduzierbarkeit) eines Systems wird der Tatsache gerecht, dass Bergwerke durch ständige Veränderung über ihren Lebenszyklus gekennzeichnet sind und das P.E.S.-System der Entwicklung des Bergwerks flexibel angepasst werden kann. Die bisher zwar noch nicht so zahlreichen Anwendungsbeispiele im Tunnelbau, wie beim Gotthard-Basistunnel, zeigen, dass die ursprünglich für den Bergbau entwickelte Technik des P.E.S. auch sinnvoll auf den Tunnelbau übertragen werden kann. In diesem Sinne ist Siemag Tecberg bestrebt, Lösungen zur Untertagekühlung künftig auch verstärkt für den Tunnelbau zu entwickeln. Literatur: [1] Flender, M.: „Gotthard-Basistunnel: Die Schachtförderanlagen von Sedrun“, Teil 1, GeoResources Zeitschrift 1/2015, S. 25 -34. GeoResources Verlag, Duisburg. 2015 [2] Flender, M.: „Gotthard-Basistunnel: Die Schachtförderanlagen von Sedrun“, Teil 2, GeoResources Zeitschrift 2/2015, S. 27-39. GeoResources Verlag, Duisburg. 2015 [3] Utsch, J. H.: „Gotthard-Basistunnel – Pressure Exchange System: Kühltechnologie für die Arbeit unter Tage“, Tunnel 3/2016, S. 62. Bauverlag, Gütersloh. 2016 [4] Utsch, J. H.: „Underground Cooling – the concept of the Pressure Exchange System (P.E.S.)”. In: Conference transcript of International conference „Technologies of underground of minerals” within the 20th International exhibition of technologies and equipment for mining and processing of minerals, p. 21f f. MiningWorld Russia, 26-28.4.2016, Moscow, Russia. 2016 [5] „60 MW-Grosskühlanlage mit 4 P.E.S.-Systemen“, Technische Information. Siemag Tecberg GmbH, elektr. Ressource (www.siemag-tecberg.com) Dr. Jens H. Utsch studierte Bauingenieurwesen und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kassel. Am Institut für Bauwirtschaft der Universität Kassel wurde er im Jahr 2007 promoviert und übernahm danach Tätigkeiten als Projektmanager und Dozent. Seit 2009 ist er bei bei Siemag Tecberg. Zunächst war er dort im Bereich Endlagertechnik tätig, seit einem Jahr ist er Projekt Manager im Bereich Untertage-Kühlung. Kontakt: E-Mail: [email protected] GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net Utsch: Leistungsfähige Untertagekühlung mit dem „Pressure Exchange System“ Bergbau und Tunnelbau – Produktvorstellung 51 Rettungseinsätze in Bergwerken und Tunneln: Sicherer und effizienter Transport der Rettungskräfte Hermann Paus Maschinenfabrik GmbH, Emsbüren, Deutschland Veranlassung Bergbaubetriebe und ihre Infrastruktur entwickeln sich weiter, wachsen und werden komplexer. Aus diesem Grund verlängern sich Fahrstrecken und -zeiten. Hierdurch ergeben sich neue Herausforderungen zur Erfüllung der Sicherheitsanforderungen – auch bei Goldcorp Inc., einem der weltweit führenden Goldproduzenten. Sicherheit sei einer der Grundwerte und eine treibende Kraft, meint Markus Uchtenhagen, Projektmanager bei Goldcorp. Eine Konsequenz sei die Berücksichtigung alternativer Rettungsmethoden in den Gruben. Die Nutzungszeiten der Atemschutzgeräte und die körperlichen Einschränkungen und Grenzen seien unter den anspruchsvolleren zeitlichen Bedingungen nicht mehr geeignet, die großen Reichweiten im Einsatzfall zu bewältigen. Um längere Einsatzzeiten trotz der begrenzten Nutzungszeit der Atemschutzgeräte ermöglichen zu können, hat die Hermann Paus Maschinenfabrik GmbH (Paus), Emsbüren, in Zusammenarbeit mit der Drägerwerk AG & Co. KGaA (Dräger), Lübeck, Deutschland, das Mine Rescue Vehicle MRV 9000 entwickelt. Das Fahrzeug erlaubt es den Rettungskräften, sich im Schutz der Kabine ohne Aktivierung der Atemschutzgeräte im kontaminierten Bereichen zu bewegen. So bleibt die volle Kapazität der Atemschutzgeräte erhalten. Komplexe Bergbaubetriebe und lange Tunnel sind stets eine große Herausforderung für die Sicherheit und Effizienz von Rettungseinsätzen. Paus und Dräger entwickelten insbesondere für Einsätze mit langer Dauer gemeinsam und im engen Austausch mit dem Bergwerksbetreiber Goldcorp das Rettungsfahrzeug MRV 9000. Bergbau • Tunnelbau • Rettungsfahrzeug • Sicherheit • Grubenwehr • Innovation zeug mit einer Nutzlast von 4 t ist für besondere Anforderungen unter schwierigen Grubenbedingungen mit Strecken bis hinunter zu einem Querschnitt von 3,7 m x 3,7 m gebaut. Ein leistungsstarker, wassergekühlter Motor in Kombination mit einem durchzugsstarken hydrostatischen Fahrantrieb, der Allradantrieb und die spezielle Federung der Achsen mit großer Bodenfreiheit bieten dem Fahrer und den Passagieren besten Fahrkomfort. So wird eine Höchstgeschwindigkeit Bild 1: Neues Rettungsfahrzeug für Gruben- und Tunnelwehren Quelle: Hermann Paus Maschinenfabrik GmbH Erfolgreiche Kooperation Laut Kent Armstrong, Global Business Manager bei Dräger sah man die Mission zur Entwicklung eines neuen Grubenwehrfahrzeugs für die Ansprüche von Grubenrettungskräften im 21. Jahrhundert. Dabei seien die Bedürfnisse und Anforderungen von Goldcorp exakt berücksichtigt worden. Gemeinsam konzipierte man ein Fahrzeug, das für die Grubenwehrrettung eingesetzt werden kann. Mit Paus gewann man einen weiteren Partner, der seine Erfahrung im Bau robuster und grubengängiger Fahrzeuge einbrachte. Ausstattung Der MRV 9000 (Bild 1) basiert auf dem bewährten Paus MinCa 18A, einem vielseitigen Fahrzeug, das flexibel an unterschiedliche Kundenwünsche angepasst werden kann. Das manövrierfähige und robuste Fahr Rettungseinsätze in Bergwerken und Tunneln: Sicherer und effizienter Transport der Rettungskräfte GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 52 Bergbau und Tunnelbau – Produktvorstellung von 33 km/h auch bei schwierigen Straßenbedingungen oder extremen Steigungen (bis 60 %) erreicht und macht den Paus MinCa 18A zu einem wirtschaftlichen, sicheren und verlässlichen Transportfahrzeug im untertägigen Berg- und Tunnelbau. Die Rettungskräfte können mit dem MRV 9000 in einer klimaüberwachten Umgebung von und zur Unfallstelle fahren. Die Fahrerkabine bietet ausreichend Platz für zwei Personen. Das gesamte Fahrzeug wird mit Überdruck versorgt. Der hintere Teil des Fahrzeugs bietet Platz für weitere sieben Personen incl. eines Schleifkorbs für einen verletzten Kameraden. Die ergonomisch gestalteten Sitze bieten genug Raum für die Rettungskräfte, auch mit angelegten Atemschutzgeräten. Fahrerkabine und Aufbau sind mit einem eigenen Belüftungssystem ausgestattet. Hierdurch ist die Kabine unabhängig von der Umgebungsluft. Während eines Einsatzes kann das System zudem über Druckflaschen drei Mal komplett geflutet werden, um die Kabinenluft von eingedrungenen Kontaminationen zu reinigen. Eine Klimaanlage verbessert das Sicherheitsniveau. Sie reduziert die Luftfeuchtigkeit und schützt das Rettungsteam vor Überhitzung. Passagiere in Fahrerkabine und Festaufbau können über ein integriertes Kommunikationssystem kommunizieren. Des Weiteren sind außen an der Front und am Heck des Fahrzeugs Wärmebildkameras sowie eine Gasüberwachungsanlage angebracht. Die Informationen werden den Passagieren GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net direkt auf den Bildschirmen in der Fahrerkabine und dem Festaufbau angezeigt. Nutzen im Einsatzfall Mit dem Dräger MRV 9000 kann die Einsatzzeit der Mannschaft am Einsatzort verlängert werden, da die Fahrzeit nicht mit eingerechnet werden muss. Die Druckluftzylinder bieten eine Überdruck-Atemumgebung für alle Passagiere. Während der Fahrt werden die unabhängigen Atemschutzgeräte von den Rettungskräften getragen, müssen jedoch nicht aktiviert werden, bis es für den Einsatz nötig ist. Während des Rettungseinsatzes mit den aktivierten Atemschutzgeräten, wird der Luftfluss im MRV manuell auf die potenziell zu versorgenden Passagiere im Fahrzeug über ein Bedienpult reduziert. Nach erfolgreichem Einsatz kehren alle Beteiligten zum Lebenserhaltungssystem zurück. Zusätzlicher Atemschutz ist nach dem Eintreten in Fahrerkabine und Festaufbau nicht länger notwendig. Nach einer Rüstzeit von nur 45 min ist das Fahrzeug bereits für den nächsten Einsatz gewappnet. Fazit des Bergwerksbetreibers „Dank des Fahrzeugs sind wir in der Lage, die Sicherheit unserer Angestellten zu verbessern. Dieses Fahrzeug öffnet ein neues Kapitel im Bereich der Grubenrettung“, betont Markus Uchtenhagen. Rettungseinsätze in Bergwerken und Tunneln: Sicherer und effizienter Transport der Rettungskräfte Bergbau 53 bauma 2016 – Technik-Messe der Superlative Die Hand am Puls des globalen Bergbaus Dipl.-Volksw. Klaus Niehörster, Journalist, Düsseldorf Wir haben uns auf der Messe umgesehen, mit den Experten auf ihren Ständen aber auch unter den Besuchern gesprochen und greifen einige typische Eindrücke heraus: Die Bergbau- und Schmalspurlokomotiven der Fritz Rensmann GmbH & Co., Dortmund, sind weltweit im Einsatz. Kostenreduzierung durch zustandsorientierte Instandhaltung werden als Trümpfe auf dem umkämpften Markt betont. „Geringe Ausfälle und optimierte Wirkungsgrade“ summieren sich bei Eickhoff, Bochum, in der Antriebstechnik zu einem Verkaufsschlager. Ein Beispiel: Der SL 750 EiControlPlus mit Infrarot- und Radar-Sensorik – ausgezeichnet mit dem bauma-Innovationspreis – gilt weltweit als einer der leistungsstärksten Walzenlader. Die Vortriebsmaschine HRE der GHH Fahrzeuge, Gelsenkirchen, für das effektive Auffahren von Tunneln und Strecken, verbindet die Vorteile einer Teilschnittmaschine, eines flexiblen Bohrwagens und eines effektiven Baggers. Siemag Tecberg, Haiger, konzentriert sich als Systemanbieter im fördertechnischen Maschinen- und Anlagenbau in der Schacht- und Fördertechnik sowie in der Bergwerksund Tunnelkühlung. Kundenspezifische Lösungen sind ein bleibender Eindruck der diesjährigen bauma mit den Schwerpunkten Effizienz und Sicherheit. Immer mehr nimmt die virtuelle digitalisierte Präsentation zu, denn auf diese Weise lässt sich ein weiterer Megatrend der bauma glänzend darstellen: Multifunktionalität. Innovative Bergbautechnik aus NRW – unter und über Tage weltweit ganz vorn Während der Steinkohlenbergbau im Ruhrrevier fast ganz zum Erliegen gekommen ist, orientieren sich die nach vor vitalen Bergbautechnikunternehmen vor Ort anhaltend global. Sie haben die Energiemärkte der Zukunft im Blick und passen ihr Angebot den individuellen Standorten in Übersee an. Kernthemen sind und bleiben die Nachhaltigkeit und Produktivität des modernen Bergbaus. Mit Prosper-Haniel in Bottrop gibt es gerade noch eine Steinkohlenzeche an der Ruhr, die im vollen Saft ist. Dafür ist das Revier aber gespickt mit hochkarätigen bergbautechnischen Unternehmen. Beides geht bestens zusammen. Global sind die Rahmenbedingungen härter geworden. Schärfere Konkurrenz, Knappheit der Ressourcen, schlechtere Gehalte des Gesteins und schwierigere Lagerstätten lauten die Herausforderungen, ergänzt durch Umweltbelastungen wie Staub- Die weltweit größte Fachmesse für Bau- und Bergbaumaschinen in München war wieder einmal das vielbeachtete 3-Jahres-Ereignis. Technische Spitzenleistungen, Know-how, Kompetenz und Service konzentrierten sich in den Messehallen. In dieser technischen Super-Show zeigte sich, dass auch die wirtschaftlichen und sogar politischen Impulse aufgegriffen und umgesetzt wurden. Hochprämiertes Hightech wird sehr bewundert, doch dafür stimmen nicht überall die Rahmenbedingungen. Stark im Kommen ist robustes, unkompliziertes, effizientes Gerät, mit dem gleichwohl nachhaltig gearbeitet werden kann. Bloßer Export nach Übersee wird zunehmend flankiert von Kooperationen vor Ort, und diese Notwendigkeit fließt bereits in die Produktplanungen mit ein. bauma • Messen • Bergbau • Tunnelbau • Deutschland und Lärmemissionen bis hin zur geforderten absoluten Sicherheit für die Bediener. Know-how-Verlagerung Thyssenkrupp, ein Anbieter von Tagebautechnik und -systemen, präsentiert eine neue Generation von Kompakt-Schaufelradbaggern: „Barracuda“ und „Mine Shark“ können zur Gewinnung harter Materialien mit Druckfestigkeiten von bis zu 50 MPa eingesetzt werden. Werden Schaufelradbagger heute überwiegend für den Abbau weicher und mittelharter Materialien mit Druckfestigkeiten bis zu 20 MPa genutzt, ist dieser neu konstruierte Gerätetyp in der Lage, innerhalb eines breiten Materialspektrums einschließlich Kohle, Kalkstein, Phosphat, Kali, gefrorener Materialien unter Winterbedingungen sowie in den dazugehörigen Abraumschichten zu arbeiten. Lückenlose Online-Diagnose „Ins Ausland zu gehen, ist die Überlebensstrategie für die deutsche Bergbautechnik“, sagt Günter Apel. Der Leiter des Geschäftsfelds Mining, Consulting & Engineering bei der Essener DMT berichtet, dass die Technik oft 1 : 1 übertragen werden könne. In jedem Fall anspruchsvollste Hochtechnologie zu liefern, ist aber nicht der Weg, denn oft komme es allein auf solide Robustheit an. Vordringlich gefragt sind Abbau-, Transport-, Entstaubungs-, Explosionsschutz-, Sicherheitsund Wettertechnik. Niehörster: bauma 2016 – Technik-Messe der Superlative: Die Hand am Puls des globalen Bergbaus GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net 54 Bergbau Weltweit sind Bergbau- und Schmalspurlokomotiven der Fritz Rensmann GmbH & Co. KG, Dortmund, im Einsatz. Deren Fahrzeugmanagementsystem ruDi verblüfft mit einer lückenlosen Erfassung der Betriebsdaten, die sowohl eine Online-Diagnose als auch eine Standortverfolgung zulässt. Bei GHH Fahrzeuge, Gelsenkirchen, stechen das Hightech-Produktsegment sowie die Forschungs- und Entwicklungs-Roadmap besonders heraus. Vor allem neue Antriebe, Automatisierung, Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sind dabei im Blick sowie Wartung und Service. Bewährtes („Proven Tech“) wird dabei keineswegs vernachlässigt. Bei letzterem werden insbesondere einfache Hydraulik sowie ein Minimum an Elektronik eingesetzt. Der auf Dauerfestigkeit ausgelegte Stahlbau ermöglicht Rebuilds und damit ein „Second Life“. Ebenso ist im High-Tech-Produktsegment der GHH dauerfester Stahlbau die Basis. Neue Antriebe, beispielsweise EDS – Efficient Drive System und hydrostatischer Antriebsstrang ermöglichen Wirkungsgrad- und Produktivitätssteigerungen sowie einfachere Bedienung. Schnittstellen zwischen über und unter Tage Zum Produktspektrum der Neuhäuser GmbH in Lünen gehören Schienen, Weichen und Materialtransportsysteme für Einschienenhänge- und Flurbahnen. Hinzu kommen raupengeführte Fahrzeuge zum Rauben schwerer Schilde sowie Bohrsysteme zum Sprengloch- und Ankerbohren, Entgasen, Entspannen und Kernlochbohren. Firmenchef Jürgen Neuhäuser betont die deutsche Innovationskraft in Sachen Bergbautechnik rund um den hohen Anspruch „total quality“. Internationale Allianzen mit Zulieferern einzugehen, das hat sich für dieses Unternehmen bestens bewährt. Ausdrücklich auf Hightech ist der Hersteller Siemag Tecberg, Haiger, spezialisiert. Beispielhaft steht dafür das Seilwechselsystem für ein Kupfer- und Goldbergwerk in der mongolischen Wüste Gobi, „die weltweit größte mobile Mehrseil-Friktionswinde“. Sie ist Herzstück des „regelmäßig erforderlichen Förderseil auflege- und Wechselprozesses“. Mit dieser Maschine können bis zu sechs Seile mit einer Zugkraft von 185 t mit 12 m/min schnell und sicher in Schachtanlagen aufgelegt und gewechselt werden. Die Anlage ist auf ein eigens angefertigtes Schwerlastchassis gebaut und kann hierdurch mit einer Zugmaschine bewegt werden. Auch Bergwerks- und Tunnelkühlung gehören zum Programm der Siemag Tecberg. Bei der Kühlung übernimmt das P.E.S. (Pressure Exchange System) die Schnittstelle zwischen der übertägigen Kühlanlage und dem untertägigen Kühlnetz. Walzenlader auf Rekordjagd „Unter Tage ganz vorn“ ist der Anspruch der Gebr. Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei GmbH, Bochum. Rund 50 Walzenlader baut das Unternehmen im Jahr, von denen 95 %, Tendenz steigend, ins AusGeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net land gehen. Im Portfolio sind einige ausgesprochene Renner. So macht die neuentwickelte Walzenladerautomatisierung EiControlPlus den automatischen Strebbetrieb möglich. Damit kann sich der Kumpel ganz auf die Überwachung konzentrieren. Die Maschine ist mit Sensoren zum „Sehen“, „Hören“ und „Fühlen“ ausgestattet und erledigt die Kommunikation mit der Leitwarte des Bergwerks gleich mit – ein wesentlicher Schritt in Richtung autonome Gewinnung. Der ganzheitliche Ansatz der Automatisierung von Walzenladern sorgt dafür, wesentliche Vorteile bei der nachhaltigen Gewinnung von Steinkohle zu erreichen. Weniger wertloses Nebengestein muss über mehrere Kilometer per Bandanlagen und Schächte nach Übertage gehoben werden. Weiterer Vorteil: der vollautomatisierte Betrieb macht auch die Ausbeutung dünner Flöze möglich, die derzeit noch oft genug in der Lagerstätte zurückgelassen werden. Als 2001 in Südafrika und der VR China zwei Eickhoff-Walzenlader mit 5,5 m Schneidhöhe in Betrieb gingen, war das Weltrekord. Im Jahr 2007 kam erstmals der Eickhoff SL 1000 mit einer Schneidhöhe von 6 m zum Einsatz, und der SL 1000 mit 8,6 m Schneidhöhe ist in der Konstruktion. Schlüsselfertiges Engineering zur Entstaubung Wo staub- und gasförmige Stoffe, die zur Belastung der Umwelt und der Arbeitskräfte vor Ort führen können, ausgefiltert, ausgewaschen und gebunden werden, kommt es auf extrem hohe Wirkungsgrade an. Ventilatoren, Wetterkühlanlagen, Grubengasabsauganlagen und Wetterheizungen sind „das lufttechnische Gesamtpaket“ der CFT GmbH Compact Filter Technic, Gladbeck. Für die Gladbecker Konstrukteure liegt auf der Hand, dass ihre Entstaubungstechniken im untertägigen Explosionsschutz eine große Rolle spielen. Und das ganz besonders im Steinkohlenbergbau, wo mit erhöhten Methangas- und Kohlenstaubkonzentrationen zu rechnen ist. Die in Gladbeck gefertigten Trockenentstauber erreichen Abscheidegrade von nahezu 100 %. Damit werden die weltweit geforderten Richtwerte für Staubbelastungen an Arbeitsplätzen deutlich unterschritten, hat die DMT GmbH & Co. KG, Essen, ermittelt. Die Anlagen sind modular aufgebaut. Sowohl kompakte Baugrößen als auch flexible Erweiterungen sind möglich. Dabei reicht das Leistungsspektrum von 30 bis 3.000 m³/min je Anlage. Die Filtermedien reichen von Kompakt-Elementen aus Nadelfilz mit mikroporöser Schaum- und Teflonbeschichtung bis hin zu verschiedenem Sintermaterial. Reine Luft auch in kritischen Umgebungen schaffen Nassentstauber. Je nach Einsatzgebiet und Ausführung leistet CFT-Gerät Abscheidegrade von 99,2 bis 99,5 % bei Leistungen von 60 bis 1.500 m³/min. Dabei strömt die staubhaltige Rohluft in den Nassentstauber und trifft auf einen von Spezialdüsen erzeugten Wasserschleier. Das Gemisch aus Staub, Wasser und Luft passiert ein Tropfenabschei- Niehörster: bauma 2016 – Technik-Messe der Superlative: Die Hand am Puls des globalen Bergbaus Bergbau 55 CFT Trockenentstauber Typ HRKS 1/800 zur Entstaubung von Brech- und Siebanlagen, Einsatz im deutschen Steinkohlenbergbau der-Paket, in dem der Staub durch Wasser vollständig gebunden wird. Zum Engineering gehören auch Grubengasabsaugung und -verwertung. Das komplette Portfolio des sehr breit aufgestellten Entstaubungsspe- CFT Trockenentstauber Typ HRKS 1/800 zur Schachtentstaubung, Einsatz im deutschen Steinkohlenbergbau zialisten summiert sich in dessen eigener Beschreibung zur „schlüsselfertigen Entstaubung von Tunnelbaustellen, Kippstellen, Aufbereitungsanlagen, Bunkern oder Schachtförderanlagen“. Niehörster: bauma 2016 – Technik-Messe der Superlative: Die Hand am Puls des globalen Bergbaus GeoResources Zeitschrift 2 | 2016 www.georesources.net
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