Bayerische Staatskanzlei

Bayerische Staatskanzlei
Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, MdL,
anlässlich des Tags der Franken am 3. Juli 2016 um 14.00 Uhr in Hof
Manuskriptfassung: Es gilt das gesprochene Wort.
- Anrede Der Tag der Franken ist ein Fixstern in unserem rot-weiß-blauen
Festkalender. Ich grüße Sie alle – Franken, Schwaben und Altbayern,
Gäste und Freunde aus der ganzen Welt! Ein herzliches Grüß Gott!
Willkommen in Hof – „in Bayern ganz oben“!
Ich danke allen, die diesen fränkischen Festtag mitgestalten: allen
Organisatoren, Helfern und Sponsoren. Ganz besonders danke ich den
Menschen hier in Hof für ihren Einsatz. Bei Ihnen gilt: Dahoam ist dahemm!
Sie alle machen diesen Tag zu einem Fest – und zwar für ganz Bayern.
Gerade aus der Vielfalt schöpft Bayern seine Kraft.
Die unterschiedlichen Stärken der Franken, der Altbayern, der Schwaben
und – nach dem Zweiten Weltkrieg – der Sudetendeutschen als viertem
Stamm haben Bayern groß gemacht. Gewicht und Ansehen in aller Welt –
das ist die großartige Gemeinschaftsleistung der Menschen aus allen
bayerischen Regionen.
Franken ist eine der schönsten und ältesten Kulturregionen in Bayern und
ganz Europa.
Der Dichter Carl Immermann schrieb vor 200 Jahren:
„Franken ist ein Zauberschrank; immer neue Schubfächer tun sich auf und
zeigen bunte, glänzende Kleinodien.“
Auf diesen „Zauberschrank“ sind wir Bayern stolz: Franken ist der Kopf des
bayerischen Löwen!
Der Tag der Franken zeigt, wo Frankens große Stärken liegen:
traditionsbewusste Menschen, die eigenverantwortlich handeln und leben –
als stolze Franken, als heimatverbundene Bayern, als weltoffene Europäer.
Sehr geehrte Damen und Herren,
vor gut einer Woche haben sich die Briten entschieden: Wir verlassen die
Europäische Union. Uns alle hat der „Brexit“ schockiert. Aber wir
respektieren das Votum der Menschen in Großbritannien. Das gebietet uns
die Achtung vor der Demokratie, vor der freien Entscheidung einer Nation.
Auf die Frage nach dem „Warum“ antworten Waliser oder Engländer: „Wir
wollen die Kontrolle zurück – die Kontrolle über unser Land, unsere Kultur,
unsere Lebensweise.“ Jeder zweite Brite hat Angst, die eigene Identität zu
verlieren und kleinteilige Regeln aus Brüssel befolgen zu müssen. Viele
Menschen vertrauen nationalem Handeln mehr als der Europäischen
Gemeinschaft.
Aber Tatsache ist eben auch: Zusammenhalt macht stark! Vereint können
wir unseren Interessen mehr Gewicht verleihen. Und andersherum
profitieren wir von einer starken Gemeinschaft. Wir verzichten nicht – wir
gewinnen! Das gilt für Bayern, das gilt für Deutschland und das gilt erst
recht für Europa. Kein Nationalstaat kann die großen Fragen unserer Zeit
alleine lösen!
Ich sage: Regionales Selbstbewusstsein und Weltoffenheit sind kein
Widerspruch. Franken ist das beste Beispiel. Hier leben die Menschen ihre
Traditionen, sind stolz auf ihre gemeinsame Vergangenheit und Kultur. Und
gleichzeitig teilen sie ihre Werte und Überzeugungen mit Menschen in
Bayern, in Deutschland und Europa. In Franken leben Sie vor: Wir sind
eine eigenständige Region im Herzen Europas – und Teil einer
Gemeinschaft.
Gerade in Oberfranken wissen Sie: Bayern ist seit jeher Brücke zwischen
Ost und West, Nord und Süd. Wir pflegen gute Nachbarschaft und regen
Austausch. Ein Wochenende in Prag, Schüleraustausch mit Schottland,
Studium in Paris: Gerade für die jungen Menschen in Hof, Bayreuth oder
Coburg ist Europa Heimat geworden – ein Europa der Werte, ein Europa
der Regionen, ein Europa der Freiheit.
500 Millionen Menschen, darunter knapp 13 Millionen Bayern und davon 5
Millionen in Franken verdanken der Zusammenarbeit in Europa über 70
Jahre Frieden, Freiheit, Wohlstand und Sicherheit. Unser gemeinsames
Europa ist und bleibt eine Erfolgsgeschichte!
Diese Erfolgsgeschichte müssen wir wieder öfter erzählen. Wir müssen
neues Vertrauen schaffen für unser gemeinsames Europa. Das gelingt nur,
wenn wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Das gelingt nur, wenn
wir die Vorteile der europäischen Idee wieder deutlicher bewusst machen.
Als Exportland leben unsere bayerischen Unternehmerinnen und
Unternehmer vom gemeinsamen Europa. Oberfranken ist Top-Standort für
erfolgreiche Mittelständler und geheime Weltmarktführer. Vom
Automobilzulieferer bis zum Kunststoffexperten, vom Hersteller für
Medizinprodukte bis zur Solarfirma: Findige und höchst erfolgreiche
Unternehmen sind die Zukunft Oberfrankens: innovativ, marktorientiert und
heimatverbunden. Ihnen allen garantiert Europa den wirtschaftlichen Erfolg.
Europa sichert den Wohlstand in unserer Heimat.
In Bayern verkaufen wir mehr Produkte an EU-Partner als im eigenen Land.
Automobilriesen wie BMW oder AUDI in meiner Heimat Ingolstadt
exportieren jedes zweite Fahrzeug nach Europa. Großbritannien ist der
zweitgrößte Exportmarkt unseres Landes nach den USA. Arbeitsplätze,
steigende Löhne, hohe Kaufkraft: Niemand profitiert mehr von Europa als
wir Bayern.
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den letzten zehn Jahren konnten wir die Arbeitslosigkeit in Bayern
halbieren und die Jugendarbeitslosigkeit dritteln. Fast eine Million neue
sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen sind entstanden. Bayern ist
Chancenland.
Dennoch ist klar: Nichts ist gefährlicher für den Erfolg der Zukunft als unser
Erfolg in der Gegenwart. Die Welt verändert sich in einem Tempo, wie es
sich die Generationen vor uns nicht vorstellen konnten. Wir wollen unseren
Spitzenplatz behaupten! Zukunftsstark und wirtschaftlich erfolgreich bleibt,
wer sich nicht auf seinen Erfolgen ausruht. Dafür brauchen wir Europa und
dafür brauchen wir unsere innovativen Franken.
Mit dem diesjährigen Motto „Patente Franken – Fränkische Patente“
erinnern Sie an große Erfinder und großartige Innovationen: Franken ist die
bayerische Ideenschmiede.
Schon im Frankenlied heißt es: „Wer lange sitzt, muss rosten.“ Die
Geschichte zeigt: Die Franken waren immer aktiv, findig, offen für Neues.
Das war und ist die Grundlage ihres Erfolgs.
Blue Jeans, Kühlschrank, mp3: Was wären wir ohne die bahnbrechenden
Ideen erfindungsreicher Franken? Siemens, Sachs oder Rosenthal: Große
Namen der deutschen Industriegeschichte sind untrennbar mit Franken
verbunden. Franken war und ist Wegbereiter der Moderne.
In Franken wird das Wissen von morgen produziert. Ich nenne nur
beispielhaft die Universität Würzburg mit ihrem „know-how“ in den
Lebenswissenschaften. Ich nenne den erfolgreichen Studiengang
Energietechnik an der Uni Erlangen-Nürnberg. Ich nenne die mit der
örtlichen Industrie hervorragend vernetzten modernen Fachhochschulen
wie die Hochschule für Angewandte Wissenschaften hier in Hof. In diesen
Ideenschmieden tüfteln die kreativen Köpfe von morgen!
Unsere Pioniere der Zukunft brauchen den Mut und auch die
Unterstützung, ihre Ideen umzusetzen. In der vergangenen Woche haben
wir im Kabinett den Startschuss für unsere neuen digitalen Gründerzentren
gegeben. Fränkische Standorte kommen hier stark zum Zug. Hof wird
neben Bamberg, Nürnberg, Würzburg, Schweinfurt, Bad Kissingen und
zwei weiteren Standorten in Westmittelfranken und am Bayerischen
Untermain zum fränkischen Vorreiter für den digitalen Aufbruch. Wir
bringen Wissenschaft und Wirtschaft, Ideen und Kapital zusammen. Mein
Ziel: mehr Jungunternehmer, neue Arbeitsplätze, mehr Kreativität und
Innovation. Das ist Zukunft in Bayern!
Sehr geehrte Damen und Herren,
über Jahrzehnte hat die Aufbaugeneration unsere Heimat zu dem gemacht,
was sie heute ist: ein starkes, kreatives und zukunftsorientiertes Land im
Herzen Europas.
Unseren Wohlstand auch für unsere Kinder und Enkel zu erhalten – das ist
uns Auftrag und Verpflichtung. Das ist gelebte Generationengerechtigkeit.
Mich macht es nachdenklich, dass beim Referendum in Großbritannien die
Älteren die Jungen überstimmt haben. Über 70% der jungen Briten haben
für den Verbleib in der EU gestimmt – für eine Zukunft in wirtschaftlichem
Wohlstand, für eine Zukunft in Gemeinschaft mit den europäischen
Freunden.
Ich bin oft gefragt worden, warum ich mich angesichts solcher Ergebnisse
für Volksentscheide stark mache. Ob es nicht Entscheidungen gebe, die
man nicht den Bürgern überlassen sollte. Ich antworte dann: Wir können
nicht sagen, wir sind für Volksentscheide, solange sie in unserem Sinne
ausgehen! Bürger beteiligen, Menschen mitbestimmen lassen – das ist der
Kern moderner Politik. Das ist der Kern unserer Demokratie.
Aber ich sage auch: Wir müssen gute Politik machen und gute Politik noch
besser erklären. Den Menschen muss noch stärker bewusst werden, dass
jeder Einzelne mit seiner Stimme Verantwortung trägt. Dass er
Entscheidungen trifft, die über die eigene Befindlichkeit, über das Hier und
Jetzt hinausgehen. Wir stellen Weichen für die Zukunft – gerade für unsere
Kinder und Enkel.
Unsere jungen Leute wissen: Die globalen Fragen in der Welt brauchen
gemeinsame Antworten. Nur als Gemeinschaft können sich die
europäischen Staaten in der Welt behaupten – gerade angesichts des
internationalen Terrorismus.
Denken wir nur an den jüngsten Terroranschlag in Istanbul. Solche
Gräueltaten verunsichern die Menschen zutiefst. Die Konsequenz ist klar:
Wir müssen konsequent und gemeinsam vorgehen gegen die Feinde
unserer Freiheit und Demokratie. Jeder muss wissen: Wir brauchen den
Zusammenhalt und die Kraft Europas. Ein starkes Europa ist unser
ureigenstes nationales Interesse.
Gefährder überwachen, grenzüberschreitend austauschen über mögliche
Attentäter, gemeinsam Vorkehrungen treffen – nur so können wir dem
Terror Einhalt gebieten. Sicherheit geht nur mit Europa.
Sicherheit, Generationengerechtigkeit, Wirtschaftskraft in allen Regionen –
das sind die drängenden Leitfragen in Bayern, Deutschland und Europa. In
einer Welt aus den Fugen arbeiten wir für Wohlstand und Demokratie, für
die Menschen in unserer Heimat. Bayerns Stärke liegt in der Einheit und
Vielfalt der Menschen – Menschen wie Ihnen.
Die Franken waren und sind Motor Bayerns auf dem Weg in die Zukunft.
Sie behaupten sich seit Jahrhunderten und bringen ihre Kraft ein – für
Bayern, für Deutschland und für Europa: selbstbewusst, leistungsbereit und
solidarisch.
Ziehen wir gemeinsam Kraft aus diesen Stärken! Gestalten wir Zukunft! Für
unsere Jugend, für unser Bayernland, für unser Franken – als lebens- und
liebenswerte Heimat in Europa!
Ich wünsche Ihnen allen einen schönen und erlebnisreichen Tag der
Franken!
Auf Franken!
Auf eine gute Zukunft!