Zahl der Angriffe im Internet steigt rasant

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** Redaktionsschluss: 0.05 Uhr | H | Nr. 174 / 26. W.
Preis 1,30 Euro
Der alltägliche Ärger mit dem Paketzusteller
Was Verbraucher machen können, wenn die Sendungen, wie so oft, nicht richtig abgeliefert werden. Seite 10
FUSSBALL-EM
Frankreich –
Irland
2 :1
Ungarn –
Belgien
0:4
IMAGO/IMAGEBROKER
Zahl der Angriffe
im Internet
steigt rasant
Der Nächste, bitte!
Deutschland steht im Viertelfinale der Fußball-EM. Das
Team von Trainer Joachim Löw
gewann das Achtelfinale gegen
die Slowakei mit 3:0 – durch
Tore von Jérôme Boateng
(Foto), Mario Gomez und Julian Draxler.
Seiten 19 bis 23
auf Berliner Computer steigt rasant.
„Seit dem 25. April registrieren wir allein bei den Erpressungsfällen mit
Datenverschlüsselungen im Schnitt jeden Tag einen neuen Fall“, sagt Berlins
oberster Cyber-Staatsanwalt, Thomas
Linke. „Seit sechs Monaten erleben wir
eine massive Steigerung der angezeigten Fälle auf diesem Gebiet.“ Dabei gehen die Täter offenbar immer raffinierter vor. Statt mit Anschreiben in
schlechtem Deutsch zur Zahlung von
Geld nach Nigeria aufzurufen, versenden sie nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft nun immer öfter auch personalisierte Schreiben, aktuell vor allem als Bewerbungsschreiben getarnt.
Die verschickten E-Mails enthalten
schädliche Software, die den Computer
befällt, sobald die Nachricht geöffnet
wird. Ein weiteres aktuelles Phänomen
sind Erpressungen, die scheinbar zugunsten wohltätiger Einrichtungen
Spenden erzwingen sollen. Das Geld
landet allerdings nie auf den Konten
der Einrichtungen.
In immer mehr Fällen werden ganze Computer gekapert und mit Schadsoftware verschlüsselt oder ohne Wissen der Eigentümer für Angriffe auf andere missbraucht. Die Opfer werden
dann regelmäßig mit einer Zahlungsaufforderung an ein anonymes BitcoinKonto erpresst. „Das Gros der Fälle betrifft Privathaushalte, in seltenen Einzelfällen sind aber auch Behörden und
medizinische Einrichtungen betroffen“, sagt Linke. Einzelheiten kann der
Oberstaatsanwalt wegen der laufenden
Ermittlungen nicht nennen. Die von
den Tätern geforderten Summen reichen von 30 Euro für Privatpersonen
bis zu hohen sechsstelligen Summen
bei Institutionen, für die der Zugang zu
Computern existenziell ist.
Senator nennt linke
Gewalt „Kampfansage
an unsere Stadt“
BERLIN – Wieder haben Autos ge-
brannt, wieder ist ein Jobcenter attackiert worden: Die Gewaltausbrüche
der linken Szene als Antwort auf eine
Polizeiaktion an der Rigaer Straße sind
neu aufgeflammt. Innensenator Frank
Henkel (CDU) verurteilte die Taten als
„willkürlichen Terror gegen die Bevölkerung“. An mehreren Orten waren in
der Nacht zum Sonntag Autos angezündet worden. Vermummte randalierten
zudem vor dem Jobcenter an der Müllerstraße in Wedding. „Das ist eine klare Kampfansage an unsere Stadt“, sagte
Henkel. Der Innensenator hatte zuvor
bereits angekündigt, mehr Polizisten
auf die Straße zu schicken. Täter sollten
sich nicht sicher fühlen.
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4 199067 801302
BELGIEN € 2,30 / DÄNEMARK DKK 17,15 / ITALIEN € 2,30 /
GRIECHENLAND € 2,30 / ÖSTERREICH € 2,30 /
POLEN PLN 9,70 / SCHWEIZ CHF 2,50 / SPANIEN € 2,30 /
SLOWAKEI € 2,30 / TÜRKEI TL 7,15 / UNGARN FT 720
Millionen Briten
fordern ein
zweites Referendum
Schauspieler Götz George
mit 77 Jahren gestorben
LONDON/BERLIN/BRÜSSEL –
BERLIN – Der
Das
Brexit-Votum zum Ausstieg aus der EU
hat Großbritannien in ein beispielloses
politisches Chaos gestürzt. Millionen
EU-Befürworter forderten am Wochenende via Onlinepetition eine zweite
Volksabstimmung zum Verbleib in der
Europäischen Union. Kurz vor dem EUGipfel erhöhten die EU-Spitzen in
Brüssel den Druck auf London, am besten schon am Dienstag die Gespräche
zum Austritt zu beginnen. So sollen
politische Instabilität und wirtschaftliche Turbulenzen verhindert werden.
Die konservative Regierung des scheidenden Regierungschefs David Cameron will sich hingegen nicht drängen
lassen.
Seiten 2 bis 4
Berliner
Schauspieler Götz George
ist tot. Wie seine Agentin
am späten Sonntagabend
in Berlin mitteilte, starb
George bereits am 19. Juni
nach kurzer Krankheit im
Alter von 77 Jahren. „Götz
George hat sich eine Verabschiedung im engsten
Kreis gewünscht“, hieß es in der Mitteilung. George ist einem Millionenpublikum neben zahlreichen weiteren Rollen
besonders als „Tatort“-Kommissar
Horst Schimanski in Erinnerung. Den
schnodderigen Polizisten aus dem
Ruhrgebiet verkörperte er binnen 32
Jahren insgesamt 48 Mal.
Gauck in Sachsen massiv beschimpft
Der Bundespräsident war zum Deutschen Wandertag nach Sebnitz gekommen. Polizei setzte Reizgas ein
SEBNITZ – Eine aggressive Menschen-
menge hat Bundespräsident Joachim
Gauck bei einem Besuch im ostsächsischen Sebnitz heftig beschimpft. Das
Staatsoberhaupt wurde am Sonntag mit
aggressiven Sprechchören wie „Hau ab“
und „Volksverräter“ in der Stadt empfangen. Einige Demonstranten zeigten
zudem den Mittelfinger oder trugen
Fahnen mit der Aufschrift „Das Pack
grüßt Gauck“. Der Bundespräsident hatte Sebnitz wegen des 116. Deutschen
Wandertages besucht. Augenzeugenberichten zufolge soll es zwischen den Anhängern und Gegnern von Gauck zu tumultartigen Szenen gekommen sein.
Bereits im März war Gauck bei
einem Besuch im sächsischen Bautzen
beschimpft und beleidigt worden. Da-
mals hatte er mit Bürgern über die
Flüchtlingskrise diskutiert. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und
Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD)
haben in Sachsen bereits ähnliche Fälle
erlebt. Maas verurteilte die Beschimp-
Joachim Gauck ließ sich in Sebnitz von
Sprechchören gegen ihn nicht beirren
WETTER Sonne und Wolken, nur vereinzelt Regen
INHALT
Meinung / Leserbriefe
Aus aller Welt
Berlin
Brandenburg
Kultur
fung Gaucks am Sonntag als „erschreckend und verstörend“.
In der Sächsischen Schweiz hatten
laut Polizei am Sonntag etwa 30 Menschen den Bundespräsidenten „verbal
attackiert“. Eine Person sei in Gewahrsam genommen worden und habe Widerstand geleistet. Bei den Tumulten
wurde nach Polizeiangaben Reizgas eingesetzt. Ein Mann musste behandelt
werden. Gauck versuchte, sich nicht von
der aggressiven Stimmung beirren zu
lassen. Mit dabei waren auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und
Gaucks Lebensgefährtin Daniela Schadt.
Eine Sprecherin Gaucks bestätigte,
dass es sehr heftige verbale Angriffe auf
den Präsidenten gegeben hat. „Das war
nicht schön.“
dpa
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Horoskop
TV-Programm
Sport
Wissen / Rätsel
Leute
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Es bleibt etwas kühler und eher durchwachsen. Heute wechseln sich in
der Region Sonnenschein und dichtere Wolkenfelder ab. Nur vereinzelt soll es auch regnen. Der Wind weht schwach bis mäßig aus West
bis Südwest. Die Temperaturen erreichen Höchstwerte um die 22 bis
24 Grad, in der Nacht kühlt sich die Luft auf 16 bis 14 Grad ab. Seite 26
Eine seiner berühmtesten
Kinorollen hatte er als homosexueller Massenmörder Fritz
Haarmann in „Der Totmacher“ von 1995. In Satiren
wie „Schtonk!“ oder „Rossini“
zeigte George sein komödiantisches Talent. 2007 wurde er
für sein Lebenswerk mit dem
Deutschen Fernsehpreis geehrt. Sechs Jahre später spielte er im
TV-Drama „George“ seinen Vater Heinrich, der wegen seiner SchauspielerKarriere in der Nazi-Zeit umstritten
war. Berlins Bürgermeister und Innensenator Frank Henkel würdigte George:
„Die Theaterstadt Berlin trauert um
einen ihrer Großen.“
Seite 15
DPA/JÖRG CARSTENSEN
BERLIN – Die Zahl der Cyberangriffe
Die Berliner Staatsanwaltschaft
verfügt seit dem 1. August vergangenen
Jahres über eine eigene Abteilung für
Cyberkriminalität. Linke und seine drei
Mitarbeiter sind seitdem für „Organisierte IT-Kriminalität und Pilotverfahren“ zuständig. Wenn Fälle bandenmäßig begangen werden oder neue Phänomene auftreten, dann übernimmt Linke
mit seinen Mitarbeitern die Ermittlungen. Wegen der geringen Aufklärungsquote spricht sich Linke vehement für
die Vorratsdatenspeicherung aus, die
Speicherung aller Onlineaktivitäten
über einen längeren Zeitpunkt hinweg.
„Ohne Vorratsdatenspeicherung gibt es
eine hundertprozentige Garantie für
die Täter, unerkannt davonzukommen.
Mit Vorratsdatenspeicherung haben
wir eine Chance“, sagt Linke.
Die Verbindungsdaten sind regelmäßig der einzige Ansatz, um den Urheber einer Erpressungsmail überhaupt
verfolgen zu können. Doch vor allem
die Internationalität der Cyberkriminalität erschwert den Ermittlern die
Arbeit. „Bevor ein Rechtshilfeersuchen
in einem Land angekommen ist, sind
die Fristen für die Speicherung der
Daten meist verstrichen“, sagt Linke.
Die Täter gehen nach den Erkenntnissen des Oberstaatsanwaltes immer
professioneller vor, um ihre Spuren zu
verwischen. Sie fälschen die Absenderadressen, „IP-Spoofing“ genannt, und
können sich so oft anonym im Internet
bewegen. Doch trotz der Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Täter verzeichnet die Spezialabteilung auch Erfolge: Das Landgericht verurteilte Anfang Juni einen Täter, der in 1600
Fällen die Bahn betrogen hatte. Der
Mann, der schon 2012 wegen eines ähnlichen Betruges zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, hatte mit
gestohlenen Kreditkartendaten Bahntickets erworben und sie als „Restposten“ für 30 bis 60 Euro weiterverkauft.
DPA/ARNO BURGI
JENS ANKER
GETTY IMAGES/CLIVE ROSE
Berliner Staatsanwaltschaft fordert Ausbau der
Vorratsdatenspeicherung und warnt vor Erpressung
im Netz. Täter gehen immer raffinierter vor
Ab September rollen
im Berliner Süden
wieder Güterzüge
BERLIN – Nach 15 Jahren Pause sollen
wieder Güterzüge über den südlichen
Innenstadtring rollen. Die Deutsche
Bahn hat jetzt die seit 2001 brachliegende Fernbahnstrecke zwischen Halensee und Tempelhof reaktiviert, allerdings ohne den von Anwohnern geforderten Lärmschutz. Die ersten Züge
sollen bereits im September über die
größtenteils parallel zur Stadtautobahn
führende Strecke fahren – und damit
früher als bislang angekündigt. Der
Bahn-Bevollmächtigte rechnet anfangs
mit fünf bis sechs Güterzügen pro Tag,
einige von ihnen könnten auch nachts
fahren. Die Bahn plant Lärmschutzmaßnahmen erst ab 2018, wenn die
Trasse elektrifiziert wird. Seiten 2 und 12
morgenpost.de
Nachrichten rund um die Uhr
TÜRKEI
Abgeordneter Beck in Istanbul
kurzzeitig festgenommen
Bei einer verbotenen Kundgebung zur
„Pride Week“ in Istanbul ist der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker
Beck von türkischer Polizei vorübergehend festgenommen worden. Beck versuchte am Sonntag, die Festnahme eines
Aktivisten der Homosexuellenbewegung
zu verhindern, der eine Erklärung abgeben wollte. Daraufhin führte die Polizei
Beck und andere Aktivisten gewaltsam
ab. Der Abgeordnete kam nach kurzer
Zeit frei. „Die Polizei hat mir meinen
Pass entrissen und mich geschubst“,
sagte Beck. „Es war ein massiver und
willkürlicher Polizeieingriff.“
Kasupke sagt ...
... wie es ist
„Undank is’ der Welt Lohn“, hat meene
Mutta selich imma jesaacht. Ick komm’
druff, weil ick jelesn hab’, det Anwohna
in Charlottenburch-Wilmersdorf sich
üba die Kehrmaschinen von die BSR
uffrejen. Die sind denen zu laut. Klar
sind det echte Heulbojen, aba ick frag
mir, wat denen lieba is’: Nen saubrer
Bürjasteich oda ne ruhije Straße. Ick
meene, wir leben hier inner Jroßstadt
und nich’ in so ner Klitsche uffm Land.
Aba wie det bei mir so is, hab ick ne
wundabare Idee: Statt zu sülzen, solln
die Lärmjeschädichten doch selba zum
Besen jreifen. Det is leise, umweltfreundlich und effektiv. Wie heeßt det so
schön: Een jeda kehr vor seina Tür...
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