Herausforderungen in virtuellen Teams

Aus der Forschung
Herausforderungen
in virtuellen Teams
Foto: © FHWien der WKW
Philipp Tomsich
Über grenzenlose Zusammenarbeit und die
Herausforderungen für Führungskräfte von virtuellen Teams.
Gastautorin Barbara
Covarrubias Venegas
ist Forscherin und
Lektorin am Institut für
Personal und
Organisation,
FHWien der WKW.
barbara.covarrubias@­
fh-wien.ac.at
Während bis vor wenigen Jahren noch oft
Führungskräfte in die jeweilige Auslandsniederlassung entsendet wurden, wird heutzutage
oft auf diese aufwändige Option verzichtet und
den Beteiligten eine virtuelle Zusammenarbeit
an ihren jeweiligen Standorten ermöglicht. Die
Entwicklung hin zu dislozierten Teams, also
Teams die örtlich verteilt sind, hält aber nicht
nur in multinationalen Unternehmen Einzug.
Immer öfter stehen Führungskräfte vor der
Herausforderung, Teams die an unterschiedlichen Standorten innerhalb Wiens bzw. Österreichs, oder vermehrt von daheim aus arbeiten,
zu führen – dies birgt natürlich viel Potenzial,
jedoch bringt es auch einige Herausforderungen.
Vorteile von virtuellen Teams
Gastautorin
Mag. Steffi Bärmann
ist Bereichsleiterin
Gut funktionierende virtuelle Teams können
Kosten- und Zeitressourcen, z. B. durch wegfallende An- und Abfahrten sparen, verstehen
es, Wissen und Experten verschiedener Standorte effektiv zu nutzen, ihre Teammitglieder
entsprechend ihrer Fähigkeiten statt örtlicher
Verfügbarkeit zu rekrutieren und können somit
im Idealfall sogar produktiver sein als so manch
lokales Team.
Personalentwicklung,
Training und Coaching
am Institut für Personal
und Organisation,
FHWien der WKW.
baermann@
thinkandgrow.eu
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Herausforderungen virtueller Teams
Um diesen Idealmoment zu erreichen, sind von
virtuellen Teammitgliedern einige Herausforderungen zu meistern: Virtuelle Zusammenarbeit erfordert einen hohen Grad an Selbstorganisation der Mitarbeiter. Zudem fällt es
schwerer, eine Identifikation des gesamten
Teams sowohl mit der Organisation als auch
mit dem Team selbst herzustellen. Oft entsteht ein Gefühl der Isolation und Unklarheiten
bzgl. Ablaufprozessen, Aufgaben, Rollen, Verantwortlichkeiten sowie Prioritäten. Dadurch
kommt es leichter zu Missverständnissen und
Konflikten im Vergleich zu Teams, welche am
gleichen Standort arbeiten. Des Weiteren sind
virtuelle Teams klar von den eingesetzten Informations- und Kommunikationstechnologien abhängig (Remdisch, 2005). Insbesondere
hier sehen wir Aufholbedarf. Die Ergebnisse
der 2015 durchgeführten DNA Studie zeigen,
dass nur die Hälfte der Teilnehmer angibt, digital auf Informationen, Daten und Arbeitsmaterialien zugreifen zu können, und weniger als
ein Drittel hat die Möglichkeit, virtuell an Meetings teilzunehmen.
Performance und Beziehungsaufbau
Studienergebnisse zeigen (u. a. Horwitz et al.
2006), dass der größte positive Einfluss auf die
Performance von virtuellen Teams durch verbesserte interkulturelle Kommunikationskompetenz, Führung, klare Ziele und Rollen sowie
Beziehungsaufbau erwirkt werden kann. Wie
kann es eine Führungskraft schaffen, eine Beziehung aufzubauen, wenn sie die Teamkollegen vielleicht nie oder selten sieht? Ein Team
von Forschern (Malhotra et al 2007), welches
sich über Jahrzehnte mit der Führung von virtuellen Teams beschäftigt hat, hebt basierend
auf qualitativen und quantitativen Erhebungen
folgende Aspekte hervor:
1. Aufbau und Pflege von Vertrauen durch den
Einsatz von Kommunikationstechnologie
• Klare Regeln für die Art, Häufigkeit und den
Kanal der Informationsweitergabe festlegen.
• Überarbeitung und Anpassung der Kommunikationsregeln bei Weiterentwicklung des
Teams (virtuelle Get-togethers).
• Arbeitsfortschritt sichtbar machen, beispielsweise durch virtuelle Plattformen, Zeitpläne
etc. bzw. eine Balanced Scorecard, auf welche
alle Teammitglieder Zugriff haben.
• Rotierende Meetingzeiten, damit alle geografischen Zonen – sofern möglich – gleichmäßig berücksichtigt werden.
2. Managen von virtuellen Arbeitszyklen, Teamfortschritt und Meetings
TRAiNiNG 05 | 2016
• Virtuelle Meetings immer mit Beziehungspflege beginnen (gemeinsames virtuelles
Kaffee­trinken oder Ähnliches).
• Während den Meetings bewusst alle Teammitglieder in das Gespräch miteinbeziehen.
• Nach dem Meeting das Protokoll sowie Entscheidungen, bzw. nächste geplante Schritte
zeitnah der digitalen Teamplattform hinzufügen.
• Auch virtuell Erfolge feiern!
• Asynchrone (elektronische Diskussionen und
neue Dokumente im virtuellen Teambereich)
und synchrone (virtuelle Meetings bzw. instant messaging) Kommunikation genau verfolgen und ehestmöglich beantworten.
Weniger Kontrolle
Grundvoraussetzung für die Umsetzung dieser
Aspekte in virtuellen Teams ist ein niedriges
Kontrollbedürfnis und dementsprechend eine
hohe Vertrauensbereitschaft. Dies bedeutet
nicht, dass Resultate nicht gefordert werden
sollen, sondern dass die Arbeitsaufgaben präzise strukturiert sind, Rollen und Verantwortlichkeiten eindeutig verteilt sind und bis zur
Deadline der Selbstorganisationsfähigkeit der
Mitarbeiter vertraut wird.
Erfolgsfaktor Multikommunikation
Neben Enthusiasmus und einer gemeinsamen
Teamvision spielen stark transaktionale Aktivitäten eine Rolle, bspw. kontinuierliche und
häufige Interaktion, rechtzeitige und regelmäßige Informationsweitergabe, konstantes
Feedback und das konsequente Nachkommen
von Verpflichtungen. Dies kann mitunter dazu
führen, dass »high trust teams« bis zu dem Vierfachen an Nachrichten im Vergleich zu »low
trust teams« austauschen. Verständlicherweise
kann das auch zu einer Kommunikationsüberladung führen, Teammitglieder fühlen sich von
der »eigentlichen« Arbeit abgelenkt, Ergebnisse
werden nicht zeitgerecht abgeliefert, E-Mails
bleiben unbeantwortet. Neben Kommunikationsregeln und einer technischen Medienkompetenz sind hier auch eine Sensibilität für die
Eigenlogik und Dynamik der eingesetzten Medien von besonderer Bedeutung.
Fazit
Virtuelle Teams bedürfen förderlicher organisationaler Strukturen sowie einer starken Vertrauens- und Kommunikationskultur, um sich
zu virtuellen High-Trust-Performance-Teams
entwickeln zu können. T
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Quellen & Literaturempfehlungen:
Arvind Malhotra/Ann Majchrzak/Benson Rosen
(2007): Leading Virtual Teams. Academy of Management Perspectives, vol. 21 no. 1, S. 60 – 70.
Frank M. Horwitz/Desmond Bravington/Ulrik Silvis (2006): The promise of virtual teams:
identifying key factors in effectiveness and failure. Journal of European Industrial Training,
Vol. 30 No. 6, pp. 472 – 494.
Sirkka L. Jarvenpaa/Thomas R. Shaw/D. Sandy
Staples (2004): The Role of Trust in Global Virtual Teams. Information Systems Research, 15(3),
pp. 250 – 267.
Petra Köppel (2009): Virtuelle Teams: Die Rolle
der Führung. In: Christoph Barmeyer & Jürgen
Bolten (Hrsg.) »Interkulturelle Personal- und
Organisationsentwicklung«, 2009, Verlag Wissenschaft & Praxis.
Linda Peters/Ronald J. Karren (2009): An Examination of the Roles of Trust and Functional
Diversity on Virtual Team Performance Ratings.
Group & Organization Management, Volume 34
Number 4, 479 – 504.
Sabine Remdisch (2005): Forschungsprojekt
Distance Leadership der Universität Lüneburg:
www.uni-lueneburg.de/distanceleadership
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