Statistisches Bundesamt Wiesbaden, 01. Juli 2016 Pressekonferenz „Überschuldung privater Personen 2015“ am 1. Juli 2016 in Berlin Statement von Präsident Dieter Sarreither – Es gilt das gesprochene Wort – Sehr geehrte Damen und Herren, viele positive Nachrichten rund um die finanzielle Situation von Privatpersonen in Deutschland wurden in den letzten Monaten verkündet: Die Arbeitslosigkeit ist im Frühjahr 2016 auf den niedrigsten Stand in einem April seit 25 Jahren gesunken. Die Reallöhne der Beschäftigten sind 2015 so stark gestiegen wie seit Jahren nicht mehr. Anfang 2015 kamen rund 4 Millionen Beschäftigte unter den Schutz des Mindestlohngesetzes und dürfen nun mit einer Bezahlung von mindestens 8,50 Euro pro Stunde rechnen. Zu einem ausgewogenen Blick auf die finanzielle Situation privater Personen gehört aber auch, dass im Jahr 2014 jede sechste in Deutschland lebende Person (16,7 %) armutsgefährdet war, nach Angaben der Bundesnetzagentur gut 350 000 Haushalten im Jahr 2014 der Strom abgestellt wurde, knapp 78 500 Menschen im Jahr 2015 Anträge auf Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens gestellt haben, im Jahr 2014 fast ein Drittel der Bevölkerung in Deutschland in Haushalten lebte, die nach eigener Einschätzung ein Problem damit hätten, unerwartet anfallende Ausgaben in Höhe von knapp 1 000 Euro – zum Beispiel eine PKW-Reparatur – aus eigenen finanziellen Mitteln zu bestreiten und im Jahr 2015 rund 647 000 Personen wegen ihrer finanziellen Probleme die Hilfe von Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Anspruch genommen haben. Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 2 Diese Personen stehen im Fokus der heutigen Pressekonferenz. Zusätzlich zu den rein finanziellen Schwierigkeiten haben Überschuldete häufig noch unter dem Verlust des Status und unter gesellschaftlicher Ausgrenzung, aber auch unter Stress und psychischem Druck zu leiden. Anhand der Überschuldungsstatistik für das Jahr 2015 möchte ich Ihnen heute unter anderem vorstellen, was die Menschen mit finanzieller Notlage charakterisiert und was die Hauptauslöser ihrer Finanzprobleme sind. Die Überschuldungsstatistik wird als freiwillige Erhebung bei den über 1 400 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Deutschland durchgeführt. Für das Jahr 2015 liegen Angaben von 410 Beratungsstellen vor, die Daten zu 113 000 von ihnen beratenen Personen mit deren Zustimmung anonymisiert an das Statistische Bundesamt übermittelten. Damit lassen sich nicht nur umfangreiche und belastbare strukturelle Aussagen zu den Überschuldeten treffen, sondern auch zu den Auslösern der Überschuldung, zur Schuldenhöhe und zu den Gläubigern. Nicht dargestellt werden kann mit dieser Statistik hingegen die Gesamtzahl der überschuldeten Personen, da bei weitem nicht alle Betroffenen die kostenlosen Dienste einer Schuldnerberatungsstelle in Anspruch nehmen. Auch längerfristige Vergleiche sind nicht möglich. Alleinerziehende Frauen und alleinlebende Männer waren überproportional häufig von Überschuldung betroffen Im Jahr 2015 nahmen nahezu genauso viele Männer (53 %) wie Frauen (47 %) Dienste der Schuldnerberatungsstellen in Anspruch. Je nach Haushaltssituation ergaben sich deutliche Unterschiede. 14 % der von Schuldnerberatungsstellen beratenen Personen waren alleinerziehende Frauen. Ihr Anteil lag damit mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung (6 %). Alleinlebende Männer waren ebenfalls überproportional häufig von Überschuldung betroffen: Während auf diese Gruppe 30 % der von Schuldnerberatungsstellen betreuten Personen entfielen, betrug der Anteil in der Gesamtbevölkerung lediglich 18 %. Knapp jeder Vierte (22 %) dieser alleinlebenden Männer mit finanziellen Problemen war geschieden. Paare ohne Kinder waren hingegen vergleichsweise selten überschuldet. Sie stellten 13 % der überschuldeten Personen, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lag etwa doppelt so hoch (28 %). Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 3 Schaubild 1 Beratene Personen nach Haushaltstypen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 2015 in % Anteil beratener Personen in Beratungsstellen1 Anteil in der Gesamtbevölkerung2 18 alleinlebende Frauen alleinerziehende Frauen 14 6 alleinlebende Männer alleinerziehende Männer 21 30 18 1 2 Paare ohne Kind 13 Paare mit Kind(ern) 28 20 21 1 Differenz zu 100%: Personen in sonstigen Lebensformen (z. B. Heimen). 2 Datenquelle: Mikrozensus für das Berichtsjahr 2014. Statistisches Bundesamt 25- bis 44-Jährige sind am häufigsten überschuldet Betrachtet man die Überschuldeten nach dem Alter, so waren besonders häufig Personen zwischen 25 und 44 Jahren betroffen. Während sie nur 30 % der Gesamtbevölkerung ausmachten, kam mehr als die Hälfte der Klienten/-innen von Beratungsstellen aus dieser Altersgruppe (25-34 Jahre: 27 %, 35-44 Jahre: 24 %). Personen ab 65 Jahre nahmen die Dienste von Schuldnerberatungsstellen hingegen kaum in Anspruch: Obwohl sie ein gutes Viertel der Gesamtbevölkerung stellten (26 %), befanden sich nur gut 6 % der beratenen Personen im Rentenalter. Die Gründe hierfür lassen sich zwar nicht an den Zahlen ablesen, aber zum einen könnten sie eher selten von Überschuldung betroffen sein. Zum anderen könnte die eigene Zahlungsunfähigkeit gerade in dieser Altersgruppe ein Tabuthema darstellen und so lange wie möglich verschwiegen werden. Ferner könnten viele ältere Menschen aus gesundheitlichen Gründen unter Umständen nicht mehr in der Lage sein, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 4 Schaubild 2 Beratene Personen nach Altersgruppen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung 2015 in % Anteil in der Gesamtbevölkerung1 Anteil beratener Personen in Beratungsstellen 18 bis 24 Jahre 6 9 25 bis 34 Jahre 15 35 bis 44 Jahre 15 27 24 45 bis 54 Jahre 20 13 55 bis 64 Jahre 65 Jahre und älter 23 16 6 26 1 Datenquelle: Mikrozensus für das Berichtsjahr 2014. Statistisches Bundesamt Beratene hatten durchschnittlich 34 400 Euro Schulden Insgesamt belief sich die durchschnittliche Schuldensumme je beratene Person auf rund 34 400 Euro. Mehr als ein Drittel der Schuldner/-innen (39 %) war allerdings mit weniger als 10 000 Euro bei seinen Gläubigern im Minus. Lediglich 6 % hatten Schulden von mehr als 100 000 Euro. Bei diesen Angaben ist zu berücksichtigen, dass in den Schulden auch Hypothekenkredite für die Immobilienfinanzierung sowie Verbindlichkeiten aus früherer Selbstständigkeit enthalten sind. Diese Schulden sind überwiegend höher als andere Schuldenarten. Bei Ausschluss der Personen mit dieser Art von Schulden betrug die durchschnittliche Schuldenlast noch etwa 25 700 Euro. Mit zunehmendem Alter steigt die Schuldenlast der Betroffenen deutlich an. Jüngeren Menschen bereiten häufig bereits vergleichsweise geringe Schuldenhöhen enorme finanzielle Probleme, sodass sie die Dienstleistungen von Schuldnerberatungsstellen in Anspruch nehmen. Die durchschnittliche Schuldenhöhe von 18- bis 24-Jährigen lag bei rund 7 900 Euro, wobei 80 % dieser Personengruppe Schulden von weniger als 10 000 Euro aufwiesen. Die 35- bis 44-Jährigen hatten bereits im Durchschnitt über 32 000 Euro Schulden. Durchschnittlich rund 51 100 Euro betrug die Schuldenlast der 45- bis 54-Jährigen. Bei den Schuldnern ab 65 Jahre lag dieser Wert bei gut 46 900 Euro. 10 % der Personen in dieser Altersgruppe belasteten Schulden jenseits der 100 000 Euro-Grenze. Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 5 Schaubild 3 Durchschnittliche Schuldenhöhe der beratenen Personen1 nach Alter 2015 in Euro 18 bis 24 Jahre 7 860 Alle beratenen Personen 34 375 25 bis 34 Jahre 19 579 35 bis 44 Jahre 32 066 45 bis 54 Jahre 51 125 55 bis 64 Jahre 46 223 65 Jahre und älter 46 931 1 Ohne Personen unter 18 Jahren. Statistisches Bundesamt Mehrfachverschuldung war der Regelfall bei überschuldeten Privatpersonen Kreditinstitute waren die wichtigsten Gläubiger im Jahr 2015. Von den durchschnittlichen Schulden in Höhe von rund 34 400 Euro entfielen knapp 15 300 Euro oder 44 % auf Banken. Öffentliche Gläubiger (5 100 Euro), zu denen auch die Finanzämter zählen, und Inkassobüros (4 400 Euro) folgten mit größerem Abstand. Schaubild 4 Durchschnittliche Schulden der beratenen Personen nach Gläubigerarten 2015 in Euro Kreditinstitute 15 277 öffentliche Gläubiger 5 142 Inkassobüros 4 387 freie Berufe, Gewerbetreibende 1 966 Vermieter 867 Telekommunikationsanbieter 811 Versandhäuser 451 Energieunternehmen 331 Statistisches Bundesamt Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 6 - Die häufig sehr hohe Anzahl an Gläubigern aus unterschiedlichen Gläubigergruppen erschwert den Schuldnern, den Überblick über ihre finanziellen Verhältnisse zu behalten. Nur 12 % aller beratenen Personen hatten Schulden bei nur einem einzigen Gläubiger. Mehrfachverschuldung war also der Regelfall: Über 40 % der Schuldner waren bei 10 und mehr Gläubigern verschuldet, 15 % sogar bei 20 und mehr Gläubigern. Die Mehrfachverschuldung zeigt sich auch beim Blick auf die Häufigkeit der Gläubigergruppen: 30 % aller Schuldner/-innen hatten Verbindlichkeiten bei Banken im Rahmen eines Dispositionskredits. Annähernd genauso häufig wurden Schulden bei Versandhändlern (24 %), Energieunternehmen (24 %) sowie beim Vermieter (23 %) gemacht. Je nach Altersgruppe unterscheidet sich die Höhe der Schulden bei den einzelnen Gläubigergruppen teilweise sehr deutlich voneinander. Die unter 25-Jährigen hatten beispielsweise durchschnittlich rund 1 200 Euro Verbindlichkeiten bei Telekommunikationsanbietern. Das waren 15 % ihrer gesamten Schulden. Das monatliche Nettoeinkommen junger Schuldner/-innen lag bei Aufnahme der Beratung durchschnittlich bei 778 Euro. Mehr als das 1,5-Fache des Monatseinkommens wäre demnach notwendig, um ausschließlich die Forderungen von Telekommunikationsanbietern zu begleichen. Im Vergleich dazu betrugen die Schulden aller beratenen Personen bei Telekommunikationsanbietern im Durchschnitt 811 Euro oder gut 2 % ihrer gesamten Schulden. Während die Schulden junger Schuldner/-innen gegenüber Kreditinstituten (1 000 Euro) geringer waren als gegenüber Telekommunikationsanbietern (1 200 Euro), zeigt sich bei allen beratenen Schuldnern ein anderes Bild: Die Verbindlichkeiten bei Banken (15 300 Euro) betrugen fast das 20-fache der Verbindlichkeiten bei Unternehmen der Telekommunikationsbranche (811 Euro). Durchschnittliche Schulden betragen das 33-Fache des Monatseinkommens Wie stark die Belastung ist, die von den Verbindlichkeiten ausgeht, wird erkennbar, wenn man die Schuldenhöhe in Relation zum Nettoeinkommen setzt. Das monatliche Nettoeinkommen einer beratenen Person belief sich im Schnitt auf knapp 1 034 Euro, wobei die größten Einkünfte aus Erwerbstätigkeit (41 %), Arbeitslosengeld-II (30 %) sowie Rente und Pension (9 %) stammten. Die Verbindlichkeiten von durchschnittlich 34 400 Euro betrugen also das 33-Fache dieses Einkommens. In der hypothetischen Situation, dass eine Person ihr gesamtes Einkommen für den Schuldendienst aufwenden könnte, würde sie 33 Monate brauchen, um komplett schuldenfrei zu werden. Auch wenn diese Situation in der Realität nicht vorkommt, so lässt sich doch erahnen, welche Belastung die Schulden verglichen mit den eigenen finanziellen Möglichkeiten darstellen. Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 7 Männer müssten in diesem hypothetischen Modell 37 Monatseinkommen für die Rückzahlung aufwenden. Bei Frauen wäre der Zeitraum mit 28 Monaten wesentlich kürzer, läge aber noch deutlich über zwei Jahre. Diese Kennzahl wird Überschuldungsintensität genannt, sie ist ein zentraler Indikator zum Vergleich von Überschuldungssituationen. Der Indikator steigt mit dem Alter der überschuldeten Person stetig an: Hatten unter 25-Jährige zehnmal so hohe Schulden wie monatliche Einkünfte, so waren sie bei den über 65-Jährigen 46-mal so hoch. Dies resultiert vor allem daraus, dass mit höherem Alter höhere Schulden anfielen, während sich die durchschnittlichen Einkommen zwischen den Altersgruppen wenig unterschieden. Die Überschuldungsintensität ist je nach Haushaltstyp unterschiedlich stark ausgeprägt. Überdurchschnittlich lange bräuchten Paare ohne Kinder (50 Monate), alleinlebende Männer (36 Monate) beziehungsweise alleinerziehende Männer (34 Monate), um ihre Schulden zu begleichen. Paare ohne Kinder sind zwar, wie oben erwähnt, eher selten überschuldet, allerdings fallen bei ihnen die Schulden überdurchschnittlich hoch aus. Schaubild 5 Überschuldungsintensität1 nach Haushaltstypen 2015 alleinlebende Frauen alleinerziehende Frauen 28 18 Insgesamt 33 alleinlebende Männer alleinerziehende Männer 36 34 Paare ohne Kind Paare mit Kind(ern) 50 33 1 Schuldenhöhe in Relation zum Nettoeinkommen der beratenen Personen. Statistisches Bundesamt Ob ein/-e Schuldner/-in erwerbstätig ist oder nicht, hat einen starken Einfluss auf die Höhe der Schulden. So beliefen sich die Verbindlichkeiten bei Erwerbstätigen auf durchschnittlich 45 700 Euro, wohingegen Nicht-Erwerbstätige durchschnittliche Schulden in Höhe von 28 900 Euro hatten. Aufgrund unterschiedlicher Einkommenssituationen wiesen die beiden Personengruppen jedoch fast gleiche Überschuldungsintensitäten auf (Arbeitslose: 33, Erwerbstätige: 34). Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 8 Hauptauslöser der Überschuldung liegen überwiegend außerhalb der unmittelbaren Kontrolle der Überschuldeten „Wer überschuldet ist, ist selbst schuld.“ Das ist eine landläufig verbreitete Meinung. Für Schuldnerberater/-innen zeichnet sich ein anderes Bild. Sie erhalten im Zuge ihrer Tätigkeit viele Informationen über die finanzielle Situation der beratenen Person sowie über deren Weg in die finanziellen Schwierigkeiten. Auf Basis dieser Angaben geben die Beraterinnen und Berater im Rahmen der Überschuldungsstatistik ihre Einschätzung über den jeweiligen Hauptauslöser der Überschuldung an. Dabei fällt auf, dass in der Regel unplanbare und gravierende Änderungen der Lebensumstände als Hauptauslöser genannt werden, die außerhalb der unmittelbaren Kontrolle der Überschuldeten liegen. Unter den sechs häufigsten Angaben für neu angelegte Beratungsfälle im Jahr 2015 fanden sich Arbeitslosigkeit (19 %), Erkrankung, Sucht und Unfall (15 %) sowie Trennung, Scheidung beziehungsweise Tod der Partnerin/des Partners (14 %). Überschuldung durch unangemessenes Konsumverhalten („unwirtschaftliche Haushaltsführung“) wurde lediglich in 11 % aller Fälle genannt. Bei 7 % der beratenen Personen waren die Schuldnerberater/-innen davon überzeugt, dass die auf lange Sicht unzureichende Einkommenssituation trotz einer wirtschaftlichen Haushaltsführung zu den finanziellen Problemen geführt hat („längerfristiges Niedrigeinkommen“). Schaubild 6 Wichtigste Hauptauslöser der Überschuldung 20151 in % Arbeitslosigkeit 19 Erkrankung, Sucht, Unfall 15 Trennung, Scheidung, Tod des Partners / der Partnerin 14 unwirtschaftliche Haushaltsführung 11 gescheiterte Selbständigkeit längerfristiges Niedrigeinkommen 10 7 1 Nur im Jahr 2015 neu angelegte Beratungsfälle. Statistisches Bundesamt Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 9 Schulden waren in Großstädten im Durchschnitt deutlich höher als in ländlichen Gebieten Die Lebensumstände in der Stadt und auf dem Land unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Für die Situation überschuldeter Personen trifft das ebenfalls zu. Um dies zu verdeutlichen, wurde die Schuldensituation von beratenen Personen in Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnern mit der von beratenen Personen verglichen, die in ländlich geprägten Gebieten (mit weniger als 100 Einwohnern pro Quadratkilometer) lebten. Die durchschnittliche Schuldenhöhe lag bei den Klienten/-innen in Großstädten mit 34 800 Euro deutlich höher als im ländlichen Raum (24 900 Euro). Eine vergleichbare Differenz der Schuldenhöhe zeigt sich beim Ost-West-Vergleich (West: 36 600 Euro, Ost: 25 700 Euro). Die um 9 900 Euro höheren Schulden innerhalb großer Städte schlagen sich aufgrund der vergleichbaren Einkommenshöhe auch in der Überschuldungsintensität nieder. Im ländlichen Raum belief sie sich auf 27. Die Überschuldeten in Ballungsgebieten waren mit einer Überschuldungsintensität von 33 stärker von ihrer finanziellen Notlage belastet. Abgesehen von der reinen Höhe der Schulden weist die Struktur der Gläubiger Unterschiede auf. So waren Schulden aus Dispositionskrediten (33 %), bei Inkassobüros (52 %), Gewerbetreibenden (33 %) und öffentlichen Gläubigern (62 %) in der Stadt weiter verbreitet als auf dem Land. Dagegen kamen insbesondere Schulden bei Versandhäusern (28 %) und Energieunternehmen (27 %) häufiger auf dem Land vor. In Großstädten fielen die durchschnittlichen Schulden bei Inkassobüros (5 300 Euro) und bei öffentlichen Gläubigern (7 800 Euro) höher aus als auf dem Land. Dort waren die Verbindlichkeiten für Hypothekenkredite mit durchschnittlich 7 000 Euro höher als in der Stadt. Schaubild 7 Anteil beratener Personen mit Schulden bei der jeweiligen Gläubigerart 2015 in % Großstädte Öffentliche Gläubiger 62 Inkassobüros 52 Gewerbetreibende 33 Ländlicher Raum Öffentliche Gläubiger 50 Inkassobüros Versandhändler 33 28 Statistisches Bundesamt Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 10 Schuldnerberater leisten deutlich mehr als das Ausfüllen von Insolvenzanträgen Aus den beschriebenen Fakten wird deutlich, dass die Tätigkeiten eines Schuldnerberaters beziehungsweise einer Schuldnerberaterin sehr anspruchsvoll sind, insbesondere wenn man an die vielen Fälle von Mehrfachverschuldungen denkt. Deshalb möchte ich zum Abschluss einen kurzen Blick auf das Arbeitsfeld der Personen werfen, die den Betroffenen Auswege aus ihrer finanziellen Misere aufzeigen. Die Schuldnerberaterinnen und -berater arbeiten deutschlandweit verteilt in über 1 400 Beratungsstellen, die in der Trägerschaft von Wohlfahrts- und Verbraucherverbänden sowie von Gemeinden, Gemeindeverbänden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehen. Mit ihrem ganzheitlichen Beratungsansatz bereiten sie Verbraucherinsolvenzverfahren vor und kümmern sich um die Verbesserung der wirtschaftlichen sowie persönlichen Situation, auch um weitere Finanzprobleme zu vermeiden. Das breite Spektrum des Tätigkeitsgebiets zeigt sich in der heterogenen Ausbildung der Beratungskräfte. Neben Personen mit Ausbildungen im Bereich der sozialen Arbeit (52 %) arbeiteten in den Beratungsstellen auch gelernte Bankkaufleute und Ökonomen (14 %) sowie Personen mit einer Verwaltungs- und juristischen Ausbildung beziehungsweise Steuerberater (26 %). Die große Auslastung der Beratungsstellen zeigt sich daran, dass überschuldete Personen nach der ersten Kontaktaufnahme im Durchschnitt circa zehn Wochen auf den Beginn der eigentlichen Beratung warten mussten. Die durchschnittliche Dauer der Beratung betrug anschließend knapp 15 Monate. Schaubild 8 Anteil der Beratungskräfte in Schuldnerberatungsstellen nach ihrer Ausbildung 2015 in % Sonstige 8 Bankkaufleute, Betriebswirte, 14 Ökonomen 52 Soziale Arbeit: Sozialarbeiter, (Sozial-) Pädagogen, Soziologen, Psychologen 26 Verwaltungswirte, Juristen, Steuerberater Statistisches Bundesamt Statement von Präsident Dieter Sarreither Seite - 11 - Zusammenfassung Alleinerziehende Frauen und alleinlebende Männer sind überproportional häufig von Überschuldung betroffen. 25- bis 44-Jährige sind überdurchschnittlich häufig überschuldet. Die Schuldenlast beträgt im Durchschnitt rund 34 400 Euro. Mehrfachverschuldung ist der Regelfall bei überschuldeten Privatpersonen. Banken sind die wichtigsten Gläubiger. Junge Schuldner/-innen haben hohe Verbindlichkeiten bei Telekommunikationsanbietern. Die Überschuldungsintensität steigt mit dem Alter an und ist bei Paaren ohne Kinder am höchsten. Hauptauslöser der Überschuldung liegen überwiegend außerhalb der Kontrolle der Überschuldeten. Schulden von Privatpersonen in Großstädten sind im Durchschnitt deutlich höher als in ländlichen Gebieten.
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