Problemorientiertes Lernen im technischen Sachuntericht Arbeitstechniken im Sachunterricht Praxis ab 2 Drachen und andere Ungeheuer Melanie Gröbmeyer, Julia Pryba »Verflixt, mein Nagel will nicht rein!« – »Hilfe, mein Ungeheuer kippt um!« Begleitet von Hammerklopfen, scheppernden Feilen und klirrenden Nägeln machte sich die Klasse 2 auf den Weg ins Land der Technik. Im Rahmen eines Projektes bewältigten die Kinder gemeinsam Probleme und »zähmten« dabei Holz, Werkzeuge und andere Ungeheuer. Abenteuerlustig machte sie sich gemeinsam mit ihrer Lehrerin auf, fremde Techniken und Gebiete zu erforschen. Die Bedeutsamkeit des Projektes für Kinder und Lehrkräfte Angst oder Respekt vor der Sache? Ausgehend von den Kompetenzbereichen im Schwerpunkt Technik ging es bei der Konzeption der im Folgenden vorgestellten Unterrichtsreihe nicht einfach darum, etwas nach einer Vorlage zu bauen, sondern ein Projekt im Rahmen eigener Fach- und Sachkenntnisse und zur Verfügung stehender Ressourcen von Kindern, Lehrern und Eltern zu planen und durchzuführen. Es entstand die Idee, ein Klassentier als Spielfigur aus Holzresten und Holzabschnitten selbst zu planen und anschließend zu fertigen. Dabei galt es, Werkzeuge und deren Funktion genau unter die Lupe zu nehmen. Bereits bei der Vorbereitung wurde klar, dass der sachgerechte Umgang mit Werkzeugen und dem Werkstoff Holz verschiedenste Hürden auf organisatorischer und fachlicher Ebene für Kinder und Lehrer aufwarf. Aus diesem Grunde galt es, die Kinder vor allem organisatorisch und kreativ mit in die Gestaltung und Arbeitsplanung zu integrieren. Ziel der Reihe (vgl. M 5) war es vor allem, ein Setting zu schaffen, das dazu anregen sollte, über technische Vorgehensweisen zu diskutieren, gemeinsam nach Problemen zu suchen und diese zu versprachlichen, entsprechende Problemlösestrategien zu entwickeln, diese zu prüfen und zu diskutieren, 4 · 2016 www.grundschulmagazin.de das erworbene Wissen anzuwenden und zu vertiefen, das erworbene Wissen auf andere Situationen zu übertragen. Schritt 1: Ein passender Einstieg »Aber wo ist das Problem?« Eine Geschichte zu Beginn der Unterrichtseinheit sensibilisierte die Kinder für das Thema und gab einen groben organisatorischen Rahmen für die Unterrichtseinheit vor. Sie definierte vor allem Grenzen im Hinblick auf die Materialauswahl. Schon in der Einstiegsstunde (Explorationsphase) hatten die Kinder die Gelegenheit, in Kontakt mit den später verwendeten Materialien zu kommen, diese anzufassen, erste Ideen zur Umsetzung zu finden und in Partnerarbeit zu diskutieren. Autorinnen Melanie Gröbmeyer Julia Pryba Grundschullehrerinnen M 1 M 2 M 3 M 4 M 5 Die Materialien zu diesem Beitrag Übungsstationen Buddybook Tippkarten Lehrerinformationen Übersicht der Unterrichtseinheiten Zu finden unter: www.grundschulmagazin.de / gsm20160411 Erste Hypothesen wurden aus dem Vorwissen formuliert (Vorwissensaktivierung): »Ohne Kleber oder Schrauben geht das nicht – das ist nicht stabil!« oder »Das kann man einfach drauflegen, aber dann fällt es beim Spielen runter!« Zudem stellten die Kinder fest, dass auch Werkzeuge, Nägel und Schrauben nötig sein würden: »Wir müssen das festnageln. Ich kann von zu Hause einen Hammer mitbringen!« »Mehr Probleme und noch mehr Lösungen!« Insbesondere in den freien Umsetzungsphasen bei der Konstruktion eines eigenen Ungeheuers (Problemfindungsphasen), in de- 11 Arbeitstechniken im Sachunterricht Praxis ab 2 nen das erworbene Fachwissen sofort überprüft und angewendet werden konnte, traten immer weitere Teilprobleme auf. Diese wurden anschließend in Gesprächsrunden (Problemlösungsphase) diskutiert. Gefolgt von erneuten freien Gestaltungsphasen konnten dann die erarbeiteten Tipps erprobt und entsprechende Anpassungen umgesetzt werden (Evaluationsphase). Begriffsbildung in Wissensnetzen »Wie nennt man das?« Insbesondere die Explorationsphase und die Diskussionen in den Problemlösungsphasen zeigten deutlich, dass schon erste Fachbegriffe selbstverständlich verwendet, aber nicht von allen Kindern gleichermaßen nachvollzogen werden konnten. Aus diesem Grunde wurde ein Fachwortspeicher eingeführt. Dieser, ergänzt durch Fragen und Statements der Kinder, ergab ein Wissensnetz, welches die Grundlage für die weitere Auseinandersetzung und Lernprozesse bildete. Schritt 2: Vorbereitung, Planung und Recherche »Was und wie viel brauchen wir?« Es wurde diskutiert, ob ein einziger Klassendrache sinnvoll sei oder jedes Kind einen eigenen Drachen bauen sollte. Reicht das Material aus? Führt Teamwork schneller zum Ziel? Gemeinsam entschied man, sich partnerschaftlich beim Bau des eigenen Drachen zu unterstützen. Außerdem wurde der Beschluss gefasst, Experten zu befragen und wenn möglich die Umgebung (z.B. Klasse, Werkraum, zu Hause, Restekiste des Baumarkts) nach geeignetem Material und Werkzeug zu durchsuchen und Material zusammenzutragen. Begleitet durch einen Elternbrief, der grob die Materialliste und Schablonen für den Zuschnitt abbildete, gingen die kleinen Forscher nun auf die Suche. So entstand schnell eine Materialsammlung zum Thema. Um Kosten für einen Bausatz zu sparen, wurden die geometrischen Grundformen von Eltern und Helfern vorbereitend aus Holzresten gesägt. Um auch Kompetenzen im Bereich Planung zu vertiefen, wurde die Vorbereitungszeit genutzt, um mit Hilfe der auch an die Eltern verteilten Schablonenvorlagen Pläne für die späteren Ungeheuer zu zeichnen. 12 Abb. 1: Bauskizzen der Kinder Schritt 3: Ohne Regeln geht es nicht »Sicherheit geht vor!« Verhaltensregeln für die Nutzung von Werkzeugen wurden formuliert und auf einem Plakat zusammengefasst. Regeln 1) Ich bin vorsichtig und schaue genau. 2) Ich verletze niemanden. 3) Ich achte auf mich und meinen Job. 4) Ich arbeite auf meiner Unterlage. 5) Ich lege Werkzeuge an ihren Platz. 6) Ich helfe, wenn ich kann. Auch der Schutz der Schultische, die Materialaufbewahrung und das Verhalten in der Gruppe wurden besprochen und als Regeln formuliert. Schritt 4: Stationslauf als Vorbereitung »Was muss ich wissen?« Die Kinder erforschten während eines Stationslaufs (M 1) mit vier Stationen Werkzeug- und Materialeigenschaften. www.grundschulmagazin.de 4 · 2016 Arbeitstechniken im Sachunterricht Praxis ab 2 Literatur: Abb. 2: Voller Konzentration auf das Werkstück Station Station Station Station 1: 2: 3: 4: Bohren eines Loches Schleifen einer Oberfläche Einschlagen eines Nagels Befestigen von Materialien mit Nägeln meinsamen Austausch darüber, welche Konsequenzen die neu gewonnenen Erfahrungen für den Alltag haben, wurden die Ungeheuer dann in die Freiheit der Kinderzimmer entlassen. nn Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts (Hrsg.): Perspektivrahmen Sachunterricht. Regensburg 2014 nn Holz: Verarbeitung. Werkzeugkunde. Schritt- für- Schritt- Anleitung. Hamburg 2001 nn Maier, Richard (Hrsg.): Mondo. Die Welt begreifen. Ausgabe Nord rhein Westfalen. Braunschweig 2003 nn Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NordrheinWestfalen (Hrsg.): Richtlinien und Lehrpläne für die Grundschule in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 2008 nn Möller, Kornelia: Technisches Lernen fördern. In: Grundschule Sachunterricht 54/2012. Seelze 2012 nn Wilke, Torben: Der Werkstoff Holz. In: Grundschule Sachunterricht: Technisches Lernen mit Holz. 54/2012. Seelze 2012 Während des Stationslaufes konnten in einem kleinen Buddybook (M 2) Fragen, erste Erkenntnisse und Eindrücke gesichert werden (vgl. Lehrerinfo M 4). Schritt 5: Aus einem Plan wird Realität »Ganz viele Lösungen!« Hochmotiviert begannen die Kinder schließlich mit der Herstellung ihrer Ungeheuer. Konsequent wurden die Pläne bis zum letzten Nagel umgesetzt. Dabei auftauchende Probleme wurden weiterhin diskutiert und gefundene Lösungen als Tipps formuliert (M 3). Aufgeben war keine Alternative. In drei Unterrichtseinheiten wurde aus ihren Planungen nun Realität: Es entstanden die unterschiedlichsten standfesten Kreaturen, stabil konstruiert mit beweglichen Elementen und vielfältigen Verzierungen. Abb. 3: Die Ungeheuer sind fertig! Schritt 6: Evaluation »Was habe ich fürs Leben gelernt?« Im Rahmen einer Ausstellung wurden alle Ungeheuer präsentiert. Nach einem ge- 4 · 2016 www.grundschulmagazin.de 13 14 www.grundschulmagazin.de 4 · 2016 © 2016 Cornelsen Schulverlage GmbH 4) Befestigen mit Hilfe von Nägeln Suche dir ein weiteres Material und befestige es mit Hilfe eines Nagels am Brett. Notiere. 3) Einschlagen eines Nagels Vergleiche: Schlage vier verschiedene Nägel ohne Vorbohren in das Holz. Notiere. Notiere. Notiere. Suche dir ein Stück Holz und feile es mit der Rundfeile oder Schleifpapier. Entferne so alle überstehenden Teile. Bohre mit dem Handbohrer ein kleines Loch. Vergleiche: Schlage einen Nagel ohne Vorbohren und einen mit Vorbohren in das Holz. 2) Schleifen einer Oberfläche M1 1) Bohren eines Loches Übungsstationen Arbeitstechniken im Sachunterricht Praxis ab 2 © 2016 Cornelsen Schulverlage GmbH 4 · 2016 www.grundschulmagazin.de 15 ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Notizen/Probleme: Das Einschlagen des Nagels 4 funktionierte: Das Einschlagen des Nagels 3 funktionierte: Das Einschlagen des Nagels 2 funktionierte: Das Einschlagen des Nagels 1 funktionierte: K L ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Notizen/Probleme: Das Annageln funktionierte: J ______________________________________________________________________ Station 4 Dieses Material habe ich angenagelt: Station 3 L ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ K ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ J ______________________________________________________________________ L ______________________________________________________________________ K Notizen/Probleme: Das Schleifen mit der großen Feile funktionierte: Das Schleifen mit der kleinen Feile funktionierte: J M2 Notizen/Probleme: ______________________________________________________________________ ______________________________________________________________________ Vergleiche: Das Schleifen mit schwarzem Schleifpapier funktionierte: L Das Einschlagen des Nagels ohne Vorbohren funktionierte: K Das Schleifen mit rotem Schleifpapier funktionierte: J Station 2 Das Einschlagen des Nagels mit Vorbohren funktionierte: Station 1 Buddybook Arbeitstechniken im Sachunterricht Praxis ab 2 16 www.grundschulmagazin.de 4 · 2016 © 2016 Cornelsen Schulverlage GmbH TIPP: Schlage vor dem Hämmern einmal mit dem Hammer auf die Nagelspitze. TIPP: Halte den Hammer immer am Stielende fest und hole beim Hämmern ein wenig Schwung. Nutze eine Zange zum Nagelhalten, um dich nicht zu verletzen. TIPP: • • Lösung: • Mein Problem ist: TIPP: Beginne beim Befestigen am Körper mit der Unterseite. Lösungsmöglichkeiten: • Bohre das Holz vor. • Nimm ein anderes, stabileres Material. • Benutze einen dünneren Nagel. • Schlage den Nagel nicht zu sehr am Rand ein. Lösungsmöglichkeiten: • Ziehe den Nagel mit der Zange wieder heraus. • Schaue beim Hämmern immer auf den Nagel. • Nutze eine Zange beim Hämmern, um den Nagel zu halten. Lösung: • Benutze für den Kopf und Schwanz leichtere Materialien als für den Körper. • Achte auf die Gewichtsverteilung beim Anbringen. • Benutze für die Beine gleichgroße Holzstücke und Nägel. TIPP: Halte den Nagel neben das Holzstück und prüfe, ob der Nagel lang genug ist. TIPP: Du kannst mit der Feile Muster und Kerben in das Holz feilen. Nutze das richtige Schleifpapier für das richtige Holz: • raue Flächen –> feines Schleifpapier • sehr raue Flächen –> grobes Schleifpapier • Splitter –> Feile Lösungsmöglichkeiten: • Schleife die Fläche mit dem Schleifklotz. • Schleife immer mit der Faser des Holzes. Mein Holz ist rau oder hat Splitter. Festgenagelte Materialien halten nicht richtig. Lösungsmöglichkeiten: • Verwende einen zum Material passenden Nagel. • Verwende zum Durchnageln eher dünnere Materialien. • Verwende dickes Holz als Grundlage. • Bohre bei schwierigen Materialien mit dem Bohrer ein Loch vor. Mein Problem ist: Mein Problem ist: Das Holz spaltet sich durch den Nagel. Der Nagel wurde schief eingenagelt. Meine Figur steht nicht gerade oder kippt. Mein Problem ist: Mein Problem ist: M3 Mein Problem ist: Übungsstationen Arbeitstechniken im Sachunterricht Praxis ab 2
© Copyright 2024 ExpyDoc