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27. Juni 2016
Klassiker im Hollywood-Touch
Die Burgfestspiele Rötteln zeigen Molières Komödie "Der eingebildete Kranke".
Szene aus dem eingebildeten Kranken in Lörrach Foto: Barbara Ruda
"Ich gebe meiner Tochter nur einem Arzt!" Dieser Satz könnte aus einem Groschenroman
der 50er Jahre stammen, tut er aber nicht. Der französische Dramatiker Molière hat ihn
seinem Helden Argan schon 1673 im "eingebildeten Kranken" ("Le Malade imaginaire")
sagen lassen. Die bis heute vielgespielte Komödie um die Hypochondrie, die sich Betuchte
leisten können, das Heilsversprechen der Medizin und das selbstherrliche Wesen der Ärzte,
das Molière aus eigener Erfahrung nur zu gut kannte, ist das diesjährige Stück auf Burg
Rötteln. Und tatsächlich versprüht die Inszenierung von Tom Müller den spritzigen Charme
einer Screwball-Komödie aus Hollywood.
Der "eingebildete Kranke" war schon zu seiner Uraufführung eine Komödie. Tom Müller hat
sie auf Hollywood gebürstet, behutsam modernisiert und bereitet den Zuschauern damit
einen vergnüglichen Abend. Und so viel brauchte es gar nicht, um dieses 440 Jahre alte
Stück ins Hier und Heute zu versetzen. Befindlichkeitsstörungen werden zum Partytalk, wer
nicht zumindest eine Allergie vorweisen kann, dem fehlt etwas. Das Leiden an
eingebildeten Krankheiten, die Hypochondrie, die den Ärzten die Kassen so bequem füllt,
hat also die Jahrhunderte überdauert.
29.06.2016 19:43
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Tom Müller lässt die Komödie im Schlafzimmer Argans spielen. Seinem Rückzugsort, an
dem er sich ganz seinen Wehwehchen widmen kann. Apotheker und Arzt geben sich die
Klinke in die Hand. Und da wäre noch die Ehefrau, die inständig auf Argans Ableben hofft
und mit dem Notar das Testament aufsetzen will. Das ausladende Bett, die großen
Wandtattoos, die Intrigen der Beteiligten – all das riecht förmlich nach Hollywood.
Molières transzendente Botschaft, nämlich die Angst der Menschen vor ihrem Tod, gerät in
dieser Inszenierung ins Hintertreffen. Bei Tom Müller beschäftigt Argan nicht die Angst vor
dem Tod, er bezahlt Ärzte und Apotheker, damit sie sich um ihn kümmern. Oliver Kugel ist
dieser Hypochonder, der freiwillig jede Klistierspritze geschehen lässt. Solange die
Peristaltik funktioniert, so lange lebt der Mensch. Kugels Argan ist ein um Zuwendung
bettelnder Patriarch, der die Fäden schon lange nicht mehr in der Hand hat und glaubt, mit
Geld und Erpressung seine Position zu erhalten. Dieser Argans hat keine Angst vor dem
Tod, er richtet sich in dessen Schatten ein und hofft nie wirklich getroffen zu werden. Seine
Rolle ist kindisch und naiv, so krank kann er gar nicht sein.
Das ganze Ensemble überzeugte mit großer Spiellust. Karin Kolb als Hausmädchen
Toinette, deren List schließlich die wahren Beweggründe offenlegten. Kurt Adlberger als
Bruder Béralde, braucht eigentlich nur den Auftritt auf der Bühne, um jedwedes Publikum
zu gewinnen. Molières Stück ist temporeich inszeniert, verweilt wird hier nirgends. Nur
wenn Dr. Malice de Bouffon auftritt, Karin Kästner als der ewige Arzt, der immer den
Menschen mit Heilversprechen zur Seite steht, wird das ständige Auf und Ab unterbrochen.
Im Stile eines Wächters samt Stab preist er die Errungenschaften der Medizin von
zermahlenen Mäusen gegen Zahnweh bis Heroin als Schmerzmittel.
Thomas Diafoirus ist die Knallcharge des Stücks, Philipp Borghesi gibt sich alle erdenkliche
Mühe, ihn so richtig durchgeknallt darzustellen. So viel Slapstick hätte es gar nicht
gebraucht. Molière hat ihm schon alles mitgegeben. Und Anna Wendel und Lydia Emmecker
waren wunderbare Töchter – so wie sein müssen: charmant und eigenständig. Die
Premiere war übrigens nicht ausverkauft. In diesem Sommer trauen die Menschen
Freilichtveranstaltungen offensichtlich nicht so recht.
Aufführungen bis 6. August, jeweils Freitag und Samstag, 20.15 Uhr, 24. und 31. Juli
auch sonntags, Burg Rötteln, Lörrach, Reservation:
07621/ 5789004
Ein Album mit weiteren Fotos unter: http://mehr.bz/burgfestspiele16
Autor: Martina David-Wenk
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