Interview mit der Stuttgarter Zeitung

Stuttgarter Zeitung
SONSTIGES
Montag, 27. Juni 2016
öblingen,Esslingen,Fellbach,Filder-Zeitung Süd,Göppingen,Kornwestheim / Marbach,Leonberg,Ludwigsburg,Rems-Murr-Kreis,Strohgäu,Stuttgart Seite 1
Berlin diskutiert radikale EU-Reform
Brexit CDU und SPD fordern unterschiedliche Folgen für das künftig kleinere Europa. In England tobt der
Machtkampf. Norbert Wallet
Berlin In der deutschen Politik hat
eine intensive Debatte über die Konsequenzen
aus dem britischen EU-Austritt begonnen.
Thomas Strobl, der Parteivize der
Bundes-CDU und Landeschef der
Südwestpartei, nannte die britische
Entscheidung „einen desaströsen Tag
für die europäische Idee“. Er warnte
eindringlich vor einem Weiter-so für die
EU. Dann wäre zu befürchten, „dass
politische Rattenfänger auch in anderen
Ländern für ihre Abspaltungsfantasien
Oberwasser bekommen: Das wären
Riesenschritte ins Gestern“, sagte Strobl.
Man müsse erkennen, dass „viele
Menschen offensichtlich dieses Europa
nicht mögen“. Strobl sprach sich für eine
Konzentration der EU-Politik auf „die
großen Probleme“ aus: „Weder die
Frage, wann ein Bier ‚bekömmlich‘ ist,
noch die grafische Gestaltung von
Zigarettenpackungen muss Brüssel
beschäftigen“, sagte Strobl.
Gunter Krichbaum (CDU), der Vorsitzende
des Europa-Ausschusses des Bundestags,
warnte vor schnelleren weiteren Schritten
in Richtung Vertiefung der EU. Den
Bürgern gehe dieser Prozess zu schnell.
Diese Rückbesinnung auf nationale
Identität müsse die EU zulassen.
Die SPD will das Europa-Thema
„offensiv“ im Bundestagswahlkampf
aufgreifen, sagte Parteivize Ralf Stegner
unserer Zeitung. „Wir werden mit
Leidenschaft klarmachen, dass die EU
die Bedingung für Frieden und Wohlstand
ist“, sagte er. Deutschland müsse seine
Verantwortung besser wahrnehmen,
„für ein gerechtes Europa zu sorgen“.
Die Bundesregierung ist derweil mit
der tagespolitischen Frage konfrontiert,
wie das Ausscheiden Großbritanniens
aus der EU zu gestalten ist. Angela
Merkel positioniert sich gegen Rufe
nach einem harten Kurs gegenüber den
Briten, um Ländern die Nachteile eines
Austritts deutlich vor Augen zu führen.
Sie nannte die Brexit- Entscheidung
„traurig“. Das sei aber „kein Grund, in
den anstehenden Gesprächen besonders
garstig zu sein“. Man solle die Briten
auch nicht bedrängen.
Dagegen hat der Präsident des EUParlaments, Martin Schulz, die Briten
aufgefordert, bis Dienstag ihren Austritt
bei der EU zu erklären. Auch Außenminister
Frank-Walter Steinmeier warnte beim
Treffen der sechs EU-Gründerstaaten
vor einer „Hängepartie“. Zusammen mit
dem französischen Amtskollegen JeanMarc Ayrault legte er Vorschläge für eine
engere Zusammenarbeit in der EU vor.
Schottlands Regierungschefin Nicola
Sturgeon hat die britische Regierung
davor gewarnt, einem neuen Unabhän­
gigkeitsreferendum Schottlands im Wege
zu stehen. Gleichzeitig drohte sie, das
schottische Parlament könne einen
Brexit verhindern. In der britischen
Labour-Partei ist ein offener Machtkampf
entbrannt.
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