honeck tetzlaff - Staatskapelle Dresden

SAISON 2015 2016
3. / 4. / 5.7.16
12. SYMPHONIEKONZERT
Manfred
HONECK
TETZLAFF
Christian
SAISON 2015 2016
3. / 4. / 5.7.16
12. SYMPHONIEKONZERT
Manfred
HONECK
TETZLAFF
Christian
12. SYMPHONIEKONZERT
SO N N TAG
3.7.16
11 U H R
M O N TAG
4.7.16
20 UHR
D IEN STAG
5.7.16
20 UHR
PROGRAMM
S E M P ER O P ER
DRESDEN
Manfred Honeck
György Kurtág (*1926)
Dirigent
ΣΤHΛΗ [Stele] op. 33 für Orchester (1994)
revidierte Fassung
1. Adagio – attacca
2. L
amentoso – disperato, con moto
Nicht zu schnell, aber wild, gehetzt, ungeduldig
3. Molto sostenuto
Christian Tetzlaff
Violine
Karol Szymanowski (1882-1937)
Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 op. 35
in einem Satz
PAU S E
Antonín Dvořák (1841-1904)
Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88
1. Allegro con brio
2. Adagio
3. Allegretto grazioso
4. Allegro ma non troppo
Klingendes Denkmal
Kein rauschendes Pathos, sondern in sich gekehrte, nachhallende
Klänge und schmerzvolle Ausbrüche prägen Kurtágs tönende »Stele«,
in der individuelle Klage und überpersönliche Trauer verschmolzen
sind. Als »unerhört phantastisch und überraschend« bezeichnete
Szymanowski sein erstes Violinkonzert, das mit unkonventionellen
technischen Finessen und einer raffinierten Tonsprache aufwartet.
Ebenso originell gibt sich Dvořáks Achte, die den Symphoniker aus
Böhmen auf der Höhe seines Schaffens zeigt.
2
3
Aufzeichnung durch MDR Kultur
Sendetermin: 5. Juli 2016, ab 20.05 Uhr live bei MDR Kultur
Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn
im Foyer des 3. Ranges der Semperoper
12. SYMPHONIEKONZERT
Manfred Honeck Dirigent
S
eit 2008 ist Manfred Honeck Music Director des Pittsburgh
Symphony Orchestra. Seine weithin gefeierten Konzerte und
richtungsweisenden Interpretationen mit dem Orchester
erfahren internationale Anerkennung. Umjubelte Gastspiele
führen regelmäßig in zahlreiche Musikmetropolen sowie
zu den großen Musikfestivals, darunter den BBC Proms, dem Musikfest Berlin, dem Lucerne Festival, dem Rheingau Musik Festival, dem
Beethovenfest Bonn, dem Grafenegg Festival, der Carnegie Hall und
dem Lincoln Center in New York. Eine enge Beziehung pflegen Manfred
Honeck und sein Orchester zum Wiener Musikverein.
Als Gastdirigent stand Manfred Honeck am Pult aller führenden
internationalen Klangkörper, darunter das Symphonieorchester des
Bayerischen Rundfunks, das Gewandhausorchester Leipzig, das Concert­
gebouworkest, das London Symphony Orchestra sowie die Wiener Philharmoniker. Zudem leitete er alle großen amerikanischen Orchester.
Darüber hinaus ist Manfred Honeck gern gesehener Gast beim Verbier
Festival. 2013 gab er sein erfolgreiches Debüt am Pult der Berliner Philharmoniker. Eine gemeinsame CD-Aufnahme mit Anne-Sophie Mutter
(Werke von Dvořák) wurde 2014 mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet.
Der gebürtige Österreicher absolvierte seine musikalische Ausbildung an der Hochschule für Musik in Wien. Seine Arbeit als Dirigent
wurde durch Erfahrungen geprägt, die er über viele Jahre als Mitglied
der Wiener Philharmoniker und des Wiener Staatsopernorchesters sowie
als Leiter des Jeunesses Musicales Orchesters Wien sammeln konnte.
Seine Dirigentenlaufbahn begann er als Assistent von Claudio Abbado in
Wien. Anschließend wurde er als Erster Kapellmeister an das Opernhaus
Zürich verpflichtet. Zu weiteren frühen Stationen seiner Karriere zählen
Leipzig, wo er von 1996 bis 1999 einer der drei Hauptdirigenten des MDR
Sinfonieorchesters Leipzig war, und Oslo, wo er die musikalische Leitung
der Norwegischen Nationaloper übernahm und als Erster Gastdirigent des
Oslo Philharmonic Orchestra verpflichtet wurde. Von 2007 bis 2011 war er
Generalmusikdirektor der Staatsoper Stuttgart, von 2008 bis 2011 Erster
Gastdirigent der Tschechischen Philharmonie in Prag; diese Position
übernahm er mit Beginn der Saison 2013 / 2014 für weitere drei Jahre.
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12. SYMPHONIEKONZERT
Christian Tetzlaff Violine
S
eit über 20 Jahren genießt Christian Tetzlaff ein erfülltes
Konzertleben mit 100 Konzerten pro Jahr. Als international
gefragter Solist führen ihn Engagements regelmäßig zum
Swedish Radio Symphony Orchestra, zum BR-Sinfonieorchester, zu den Berliner Philharmonikern, dem Orchestre de Paris
und dem New York Philharmonic Orchestra. Eines der Highlights in der
Saison 2015 / 2016 bildeten mehrere Konzerte mit dem Gewandhausorchester Leipzig unter Riccardo Chailly, mit dem er Mozarts Violinkonzert
Nr. 3 in Leipzig, London, Paris und Wien aufführte.
Außerdem gastierte er mit dem London Philharmonic Orchestra
unter Leitung von Christoph Eschenbach in Frankfurt und Amsterdam,
mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen unter der Stabführung von Paavo Järvi ebenfalls in Frankfurt und Hamburg und spielte
mit dem Budapest Festival Orchestra unter Jukka-Pekka Saraste sowie
dem Israel Philharmonic unter Gianandrea Noseda. Als Kammermusiker
tritt er weltweit mit zahlreichen musikalischen Partnern auf. Besonders
verbunden ist ihm dabei der Pianist Leif Ove Andsnes und das TetzlaffQuartett, mit dem er ausgedehnte Reisen unternimmt.
Die Sonaten und Partiten von Bach sind Christian Tetzlaff ein
besonderes Anliegen. Jüngst führte er sie komplett zweimal an einem
Abend auf: In der Kioi Hall in Tokyo sowie im Rahmen des Bachfestes
Leipzig in der Thomaskirche.
Neben den Hauptwerken für Violine, die Christian Tetzlaff für
verschiedene Labels aufgenommen hat, sind kürzlich die Trios von
Johannes Brahms mit Lars Vogt und Tanja Tetzlaff sowie die Violinkonzerte von Dmitri Schostakowitsch mit dem Helsinki Philharmonic
Orchestra unter John Storgårds erschienen. Im Herbst 2015 kam es
neuerlich zu einer Aufnahme mit dem Helsinki Philharmonic Orchestra
unter John Storgårds mit Werken von Antonín Dvořák und Josef Suk.
Christian Tetzlaff wurde in Hamburg geboren und studierte an
der Musikhochschule Lübeck sowie am College-Conservatory of Music
in Cincinnati. 2000 wurde er mit dem Brahms-Preis der Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein ausgezeichnet. »Musical America« ernannte
ihn zum »Instrumentalist of the Year 2005«. Christian Tetzlaff spielt eine
Geige des deutschen Geigenbauers Peter Greiner und unterrichtet regelmäßig an der Kronberg Akademie.
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12. SYMPHONIEKONZERT
ANWESENDE ABWESENHEIT
György Kurtág
* 19. Februar 1926 in Lugoj, Rumänien
ΣΤHΛΗ [Stele] op. 33
für Orchester (1994)
revidierte Fassung
1. Adagio – attacca
2. L
amentoso – disperato, con moto
Nicht zu schnell, aber wild, gehetzt, ungeduldig
3. Molto sostenuto
ENTSTEHUNG
BESETZUNG
Mitte April bis Oktober 1994.
Kurtág schreibt das Werk als
Fellow des Wissenschafts­
kollegs zu Berlin.
4 Flöten (mit Piccolo), Altflöte,
Bassflöte, 3 Oboen, Englischhorn, 4 Klarinetten (mit
Es-Klarinette), Bassklarinette,
Kontrabassklarinette, 3 Fagotte,
Kontrafagott, 8 Hörner (mit
2 Tuben in B und Tuben in F),
4 Trompeten, 4 Posaunen, Tuba,
Pauken, Schlagzeug, Marimba,
Vibra (Xylorimba), 2 Harfen,
Klavier, Celesta, Zymbal,
Pianino und Streicher
WIDMUNG
Claudio Abbado und den
Berliner Philharmonikern
U R AU F F Ü H R U N G
14. Dezember 1994, Berliner
Philharmoniker, Dirigent:
Claudio Abbado
DAU ER
ca. 13 Minuten
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Gedankenspiele zu Kurtágs »Stele«
»F
acilis descensus Averni« – der Abstieg in die Unterwelt ist
leicht, heißt es in der »Aeneis«. Im sechsten Buch seines Epos
beschreibt Vergil eine höchst ungewöhnliche Reise des
Helden. Als einer der wenigen erhält Aeneas die Erlaubnis,
in den Orkus hinabzusteigen, mehr noch, der Gang wird ihm
vom Vater Anchises im Traum regelrecht aufgetragen. Dort, im Hades,
soll der spätere Begründer Roms seiner Nachkommenschaft gegenübertreten. Die Seherin Sibylle nennt Aeneas die Voraussetzungen für die
Expedition: Ein goldener Zweig ermöglicht ihm den Zugang zum Hades.
Zudem wird er beauftragt, zuvor seinen Freund Misenus zu bestatten, der
einst als Trompeter dem Heerführer Hektor gedient hat und nach dessen
Tod zum Gefährten des Aeneas wurde. Als Misenus den Zorn des Triton
auf sich zog, weil er auf dessen Instrument, einer Schneckentrompete,
spielte, ertränkte ihn der zürnende Meeresgott kurzerhand. Ausführlich wird die Totenfeier des Freundes beschrieben: Vergil berichtet von
der Klage der Trauernden, ihrem letzten Gruß, der Aufschichtung des
Scheiterhaufens, von der Pflanzung der Zypressen und der Ausstattung
des Toten mit Waffen, zudem schildert er die Zeremonie des Waschens
und Salbens, die Bedeckung des Leichnams mit Purpurkleidern – und
vergisst nicht zu erwähnen, wie sich manche Trauernde, dem Brauch
ihrer Vorfahren entsprechend, dem Toten mit abgewandtem Blick nähern,
Fackeln anzünden und die Totengaben, bestehend aus Weihrauch und
Speisen, verbrennen. Nach dem Erlöschen der Flammen gießen die
Versammelten Wein über die sterblichen Überreste. Am Ende der Zeremonie reinigt Aeneas seine Gefährten, indem er einen Kreis um sie
zieht und sie dreimal mit Tau besprengt. Danach spricht er die letzten
Worte, um sich von dem Verstorbenen zu verabschieden. Die Totenklage
wird von Flötenmusik begleitet, die bis zu zehn Flötenspieler vorsieht.
Dann wird der Tote noch einmal bei seinem Namen angerufen und mit
einem »vale« endgültig verabschiedet, bevor die Anwesenden rituell zum
Gehen aufgefordert werden. Vergil berichtet von einem spektakulären
Vorgang. Anschaulich schildert er danach den Fall einer Katabasis, die
das Unfassbare fassbar zu machen versucht. Damit ist vor allem ein
12. SYMPHONIEKONZERT
Abstieg gemeint, der als Metapher immer wieder Eingang gefunden hat
in die Welt der Künste. In der Totenklage auf einen Freund macht sich ein
kritischer Übergang bemerkbar. Dimensionen verschieben sich, Perspektiven tun sich auf. Ein Verlust ist es, der Aeneas schließlich die Pforten
zur Unterwelt öffnet. Mit anderen Worten: Wenn man einen Gefährten
endgültig ziehen lässt, beginnt man das Unendliche zu ahnen. Man lässt
die Reste des Vergangenen hinter sich und begibt sich auf einen Pfad, von
dem man nicht weiß, wohin er führt. Man tritt ein in neue Bahnen, die
frei machen für Zukünftiges: Erst nach der Bestattung des Misenus ist
es Aeneas möglich, zu seinen Nachkommen, Exponenten späterer Ereignisse, hinabzusteigen.
»Fluktuierende Intonation«
Mit seinem Orchesterwerk »Stele« gedenkt György Kurtág seines 1993
verstorbenen Freundes András Mihály, der als Professor für Kammermusik an der Budapester Musikhochschule gelehrt hat und Gründer des
Ungarischen Kammerensembles war. Als Komponist hat Mihály eine
Oper sowie symphonische und kammermusikalische Werke hinterlassen.
Einschneidende Erfahrungen im Konzentrationslager Buchenwald
1944 / 45 begleiten sein späteres Leben: »Einer der deutschen SS-Offiziere
muss ein manischer Musikliebhaber gewesen sein. Er machte es möglich,
dass ein französischer Geiger, Meister Ewitt, Professor am Pariser
Konservatorium, zwei tschechische Musiker und ich zusammen Quartette
spielen durften. Wir spielten Haydn, natürlich nicht auf Weltniveau angesichts unserer verhärteten Hände vom vielen Steineklopfen. Trotzdem:
der Schrecken, die ständige Präsenz der Gefahr für unser Leben, das
Böse im Lager – all das verschwand für uns in dem Augenblick, als wir
die ersten Töne spielten. Nur Musik vermag das.« Die Macht der Töne
überwindet Grenzen. Für einen Moment verflüchtigt sich das hoffnungslose Ausgesetztsein in eine Utopie, scheinen Welten vertauschbar. 1993,
im Sterbejahr Mihálys, widmet Kurtág seinem Freund ein Klavierstück,
das er ein Jahr später im letzten Satz von »Stele« nochmals verarbeitet.
Kurtág, der Meister des kurzen, sparsam besetzten Stücks, schreibt mit
»Stele« 1994 sein erstes Werk für großes Orchester. Man gewinnt den
Eindruck, die Geschichte des Aeneas neuerlich zu erleben. Mit dem Tod
des Freundes taucht Kurtág in einen erweiterten Kosmos ein und öffnet
sich neuen Schichten des Möglichen. Die instrumentale Welt wird breiter,
das Rauschen vielgestaltiger, vielleicht auch wegweisender. Kurtágs
Intensivierung des Augenblicks gewinnt an Fläche. Es mag Zufall sein,
dass in »Stele« insgesamt sechs Flöten vorgeschrieben sind. Doch kam
den Instrumenten bereits in der Totenfeier des Misenus eine tragende
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György Kurtág
rituelle Bedeutung zu. Zu Beginn von »Stele« setzen die Flöten im Fortepiano ein, verklingend im dreifachen Pianissimo in »fluktuierender Intonation«, wie es in der Partitur heißt, flankiert von Blech und Streichern.
Zart flirrend baut Kurtág eine Spannung auf, die etwas in der Schwebe
zu halten scheint. Am Anfang steht somit ein Übergang, dem noch jede
Richtung fehlt – minimale Schwebungen, kaum hörbar, gefangen in
fester Einlassung. Kurtág überträgt den Zustand auf die Klarinetten. In
12. SYMPHONIEKONZERT
engen Abständen wechseln sie die Tonhöhen. Der Komponist entwirft ein
Changieren, das man durchaus als ein mentales Sammeln bezeichnen
könnte – auch hier übrigens in äußerstem Pianissimo, quasi andeutend zu
spielen im Ausdruck eines von Kurtág geforderten »Echotons«. Die wechseltönige Figur besitzt die Qualität eines Hinüberwehens und versteht
sich als Nachhall, Rückschall oder eben Gegenklang, der sich sowohl
auf die Eröffnungstakte bezieht als auch auf das Folgende. Im leicht
wogenden Geflecht schält sich nämlich im Klavier eine Gestalt heraus,
die durch charakteristische Abstiege in kleinen Sekunden auffällt. In den
nach unten gerichteten Sprüngen scheint das Sinnbild einer Katabasis
auf, der ein vieldeutiges Versinken eingeschrieben ist. Innerhalb eines
2 x 3 aufgeteilten Taktes durchschreitet das Klavier den Klangraum vom
obersten Register bis zum untersten. Mehr an Aufspreizung des Tonrahmens ist kaum denkbar. Doch droht die Tonkombination im Klanggeflecht
unterzugehen, ist sie nicht mehr als eine vage Spur. Schemenhaft, kaum
zu hören, wird sie von dem Klangteppich der Flöten überdeckt, deren
Vortragsbezeichnung »senza colore« lautet, ohne Farbe, fahl. Das Motiv
kehrt an zentralen Stellen wieder. Bereits wenige Takte später wird es
vom Kontrafagott gespielt, bevor gegen Ende des ersten Satzes in der
Kontrabasstuba und zweiten Harfe im ohnehin tiefen Klangraum eine
absteigende Linie in der Partitur sichtbar wird, die ein tatsächliches
Eintauchen in ›verborgene Sphären‹ suggeriert. Es ist ein leises, indes
schweres Absinken, von Kurtág »pesante« bezeichnet und ergänzt von
einem quasi Terzsprung in den Bratschen, der von der Solovioline in
leichter Umwandlung aufgegriffen wird – auch dieser ist angesichts einer
Aufstiegsfigur in den Hörnern kaum zu vernehmen.
Tiefes Schürfen
Am Anfang des zweiten Satzes dehnen die Kontrabässe eine absteigende
Linie über mehrere Takte aus und verleihen so dem rhythmisch aufgelockerten Gefüge eine sich durchziehende Grundierung. Die Figur entpuppt
sich als wiederkehrendes Thema mit einzelnen Veränderungen. Unvermittelt blitzt in den Posaunen das B-A-C-H-Motiv auf, welches bekanntermaßen ebenfalls aus zwei fallenden kleinen Sekundschritten besteht.
Kurtág bindet zurück, er dringt in versunkene Schichten vor und macht
sie gegenwärtig. Nicht zufällig liegt im tiefen, immer tieferen Schürfen
eines der zentralen Leitmotive des Komponisten. Zudem wird die von den
Blechbläsern getragene Hoquetus-Partie von einer »heftigen, nervösen
Gestik« getragen, die ihr Vorbild nicht zuletzt in Stockhausens Musik hat.
Anfang und Ende, so könnte man sagen, verschmelzen hier in produktiver Atmosphäre. Im Lamento der seufzenden Flöten taucht die Gestalt
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Der ungarische Komponist und Dirigent András Mihály während einer Probe
fallender kleiner Sekundschritte im Klavier wieder auf und wird mehrere
Male wiederholt. Danach kommt es zu einer groß angelegten Steigerung,
die Kurtág mittels einer angerauten Rhythmik ins Werk setzt. GlissandiLäufe ziehen sich schließlich zu einem verzweifelten Aufschrei zusammen
(»Molto disperato«), um gleich darauf wieder zu verschwinden, als hätte
der Ausbruch allenfalls in der Erinnerung stattgefunden. Gegen Ende des
Satzes verfestigt sich das Thema in einer homophonen Akkordstruktur,
die durch die Stimmgruppen wandert.
Das Gedenken an András Mihály verknüpft Kurtág im dritten
Satz mit der Musik des Tränensees aus Béla Bartóks »Herzog Blaubarts
Burg«. Was Bartók als Eintrübungen des Lichts darstellt, gibt sich bei
Kurtág als versteinerte Gebärde. Aufflackernde Fünffachschläge im dreifachen Pianissimo durchziehen den Schlusssatz. An ihnen bricht sich
das Zeitliche und schlägt um ins Dauernde. Die Quintolenfigur liefert ein
Zittern. Ihr Impuls ist pure Verwitterung, Vernarbung ins Zeitlose. Gelöst
von der Schwere der Erinnerung komponiert Kurtág eine aufstrebende
Linie, die der erstarrten Stimmung des Satzes so etwas wie eine Perspektive verleiht. Doch überwiegt der Eindruck, als ob sich hier nur noch
Schauer des Zeitlichen zutrügen. Jegliche Entwicklung ist abgeschlossen,
vergangen – offen bleibt das nackte stoffliche Sein.
12. SYMPHONIEKONZERT
Inschrift als Memorandum
Der Titel von Kurtágs Komposition verweist auf eine aufrecht stehende
antike Säule, die den Griechen als Grabmal oder Grenzstein diente. Stelen
tragen Inschriften als verwitterte Botschaften aus dem Einst. So weiß
etwa die Seikilos-Stele (zwischen 200 v. Chr. und 100 n. Chr.) zu berichten:
»Ich bin ein Bild in Stein ⁄ Seikilos stellte mich hier auf ⁄ wo ich auf ewig
bleibe ⁄ als Symbol zeitloser Erinnerung.« Was hier lesend herüberweht,
tönt als eine vom Zeitlichen losgelöste Stimme. Der Horizont des menschlichen Bewusstseins wird nicht nur von Bildern, sondern vielmehr von
Stimmen strukturiert – vor allem auch im Zeitalter der Bilderflut. Das
Studium antiker Inschriften auf Grabbeigaben, Statuen und anderen Artefakten veranlasst den Philologen Jesper Svenbro zur Rede von den »oggetti
parlanti«: Sie tragen Inschriften, die in der ersten Person abgefasst sind
und sich – aufgrund fehlender Abstände zwischen den Worten – erst beim
lauten Lesen erschließen. Lesen ereignet sich in diesem Arrangement
als eine Art von »Überwältigung« des Lesenden durch die ›sprechende‹
Statue oder das ›sprechende‹ Artefakt. Vor diesem Hintergrund scheint
Kurtágs Werk tatsächlich zu ›reden‹. Es ist gewiss kein Zufall, dass
sich viele der musikalischen Figuren in »Stele« vornehmlich lesend zu
erkennen geben – mit einem Blick in die Partitur. Gleichwohl handelt es
sich im Moment des Aufführens um ein lautes Lesen (bei Kurtág ins kaum
Hörbare gedimmt), das umrisshaft hervorholt, was ins Reich des Vergessens eingeflossen ist. Damit erklären sich die für den Hörer nur schwer zu
vernehmenden Motive in Kurtágs Partitur: Sie selbst sind eingelagert in
die Schichten des Vergangenen, gestalthaft verborgen, aber dennoch nicht
weniger vorhanden. Sie repräsentieren eine »anwesende Abwesenheit«,
mit der die fundamentale Paradoxie des Todes umschrieben ist.
Die Stimmen sind nicht tot, sie leben. Vergils rätselhafter Satz,
wonach der Abstieg in die Unterwelt leicht ist, lässt sich am Ende
womöglich auflösen. Denn was dort wartet, ist nicht das Reich des Todes,
sondern der Chor der Erinnerung, emporstrebend aus seinen Verliesen
und vorausweisend in seinem Gestus. Der Gang in die Unterwelt ist nicht
bedrohlich, sondern klärend. Er löst auf, was zuvor lähmend wirkte. Das
Individuum der Moderne taucht ein in die Sphäre eingelagerter Schichten,
die bruchstückhaft zum Vorschein kommen. Im Zeitalter der Gedächtnisund Erinnerungskultur gelingt das leichter, als es den Anschein hat.
Wohin der Eintritt in die Kammern der Vergegenwärtigung tatsächlich
führt, bleibt in letzter Konsequenz jedoch offen. Vermutlich kann sich
Kurtág 1994, als er »Stele« komponiert, nicht vorstellen, dass er einmal
an einer Oper arbeiten wird, die heute – im Jahr 2016 – auf ihre Fertigstellung wartet.
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ANDRÉ PODSCHUN
15
12. SYMPHONIEKONZERT
Karol Szymanowski
* 6. Oktober 1882 in Tymoszówka (Ukraine)
† 29. März 1937 in Lausanne (Schweiz)
PHANTASTISCHE REISE
ZU NEUEN UFERN
Szymanowskis erstes Violinkonzert
Konzert für Violine und Orchester
Nr. 1 op. 35
in einem Satz
ENTSTEHUNG
U R AU F F Ü H R U N G
im Sommer und Herbst 1916
in Zarudzie / Polen auf dem Gut
von Józef Jaroszyński. Szymanowski ließ sich u. a. von dem
Gedicht »Mainacht« des Polen
Tadeusz Miciński (1873-1918)
inspirieren, auf das vermutlich
auch die einsätzige Anlage des
Konzerts zurückgeht.
1. November 1922 in Warschau
(Orchester der Warschauer
Philharmonie unter Leitung von
Emil Młynarski; Solist: Józef
Ozimiński, damaliger Konzertmeister des Orchesters)
WIDMUNG
»A mon ami Paul Kochański«:
Szymanowskis Freund Paweł
Kochański (1887-1934) war an
der Entstehung des Konzerts
maßgeblich beteiligt.
16
17
BESETZUNG
3 Flöten, 3 Oboen, 4 Klarinetten, 3 Fagotte, 4 Hörner,
3 Trompeten, 3 Posaunen, Tuba,
Pauken, Schlagzeug, 2 Harfen,
Celesta, Klavier und Streicher
DAU ER
ca. 27 Minuten
I
m Schaffen Karol Szymanowskis nahm die Violine von jeher einen
besonderen Stellenwert ein: Schon in seinen frühen Orchesterwerken
finden sich an exponierten Stellen solistische Violinpassagen (am
auffallendsten in den Anfangstakten der zweiten Symphonie op. 19,
1909 / 10); und in Zusammenarbeit mit seinem Studienfreund Paweł
Kochański schrieb er verschiedene Werke für Violine und Klavier, in
denen er laut eigener Aussage »einen neuen Stil, eine neue Ausdrucksweise für die Violine« anstrebte, bei der die technischen Aspekte des
Instruments völlig in den Dienst des Ausdrucks treten sollten. Gerade in
den Jahren der Stilwende um 1911 dürfte Szymanowski der sinnliche Ton
des Instruments besonders nahe gestanden sein. Nach den kammermusikalischen »Vorstudien« war ein Violinkonzert ohnehin nur eine Frage der
Zeit, deren Realisierung der Komponist schließlich als überaus geglückt
empfand: »Ich muss zugeben, dass ich mit dem Ganzen sehr zufrieden
bin; wieder verschiedene Nuancen, aber auch etwas Rückkehr zum Alten.
Das Ganze ist unerhört phantastisch und überraschend.«
»Phantastisch und überraschend« – damit meinte Szymanowski
neben dem ansatzweise orientalischen Kolorit wohl vor allem die avantgardistischen Züge des Werks, seinen impressionistischen, stets filigranen Klangfarbenreichtum à la Debussy und eine raffinierte, mitunter
motorische Rhythmik, die er den Ballettkompositionen Strawinskys
abgelauscht hatte. Aber auch das so bezeichnete »Alte«, die eher rückwärtsgewandte, spätromantisch-schwelgende Melodik eines Richard
12. SYMPHONIEKONZERT
Strauss, die schon seine Jugendwerke charakterisierte, kommt im ersten
Violinkonzert noch einmal zu ihrem Recht und demonstriert vielleicht ein
letztes Festhalten an den zerfallenden Werten des Fin de Siècle.
Formale Anlage
Neben diesen stilistischen Einflüssen ließ sich Szymanowski in seinem
Opus 35 auch von einer literarischen Vorlage inspirieren, dem Gedicht
»Mainacht« seines Landsmannes Tadeusz Miciński (1873-1918), das
er der Gedichtsammlung »In der Sternendämmerung« entnahm. Sein
pantheistischer Inhalt übernimmt jedoch keineswegs die Funktion eines
detaillierten Programms, diente aber vermutlich als Ursache für die
»frühlingshafte« Grundstimmung des Werks und seine ungewöhnliche,
durchaus originelle Form.
Das Konzert ist einsätzig angelegt (wie später auch das zweite
Violinkonzert), lässt sich aber in mehrere Formteile untergliedern, die
durch beziehungsreiche Zwischenspiele des spätromantischen Orches­
terapparats miteinander verbunden sind. Der Musikwissenschaftler
Stanisław Golachowski glaubt in diesen Abschnitten noch die herkömmlichen vier Satztypen der klassischen Symphonie zu erkennen –
Sonaten-Allegro, langsamer Satz, Scherzo und Finale. Allerdings lassen
sich die Teile nur schwer voneinander trennen; insbesondere Scherzo
und Finale durchdringen einander derart, dass eine Bezeichnung wie
»freie Rhapsodie« bei aller Geschlossenheit der Gesamtanlage sicherlich zutreffender wäre.
Das Werk beginnt mit einem bitonalen Klangfeld aus kleinsten
Motivteilchen, das mit flirrenden Streichertremoli, Ostinato-Figuren des
Klaviers und neckischen Vogelrufen der Holzbläser eine phantastische
Naturszene heraufbeschwört, die Anklänge an Strawinskys »Feuervogel«
(insbesondere an die Szenen in Kastscheis Zaubergarten) erkennen lässt.
Die in hoher Lage einsetzende Solovioline stellt ihr eine verführerische
Kantilene gegenüber, wobei die Stimmung immer mehr impressionistisch-schwüle Züge annimmt. Der mehrfache Wechsel zwischen diesen
beiden »Zuständen« mündet über reiche Ornamentik des Soloinstruments in einen plötzlich ausbrechenden Vivace-Abschnitt, dessen impulsiver Gestus dem Solisten höchste Virtuosität abfordert, in einer straff
rhythmisierten Marschpartie eine weitere Steigerung erfährt und dabei
zugleich den fremdartigen Einfluss des orientalischen Kulturkreises
offenbart. Auf dem Höhepunkt greift ein Orchesterzwischenspiel die
Kantilenenthematik auf und leitet beschwichtigend den zweiten Formteil
ein, nicht ohne vorher noch einmal kurzfristig die unbeschwerte Szenerie
der Vogelrufe zitiert zu haben.
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19
Karol Szymanowski
Der folgende langsame Satz wird maßgeblich von einem expressiven
Violinmotiv dominiert, das zu Beginn – nach verheißungsvollem
Aufstieg – über elegant changierenden Harmonien wieder sehnsüchtig
absteigt und stilistisch Szymanowskis frühes Vorbild Richard Strauss
in Erinnerung ruft. Die Violinthematik wird im weiteren Verlauf vielfach abgewandelt und weitergesponnen, nimmt in quasi rezitativischen
12. SYMPHONIEKONZERT
Repetitionen gehen allmählich in den Rhythmus des Scherzos über, das
darauf verkürzt wiederholt wird und in einem martialischen Orchesterzwischenspiel abrupt abbricht. Das Soloinstrument nutzt die Gelegenheit,
um die Hauptmotive in einer von Kochański verfassten Kadenz noch
einmal virtuos Revue passieren zu lassen, und wird – bei der ScherzoThematik angelangt – überraschend vom Orchester abgelöst, das sich in
mehrmaligen Anläufen ein letztes Mal aufbäumt und in einer mächtigen
Apotheose das absteigende Violinmotiv des zweiten Teils ekstatisch
verklärt. Nach dessen Abschwellen kehren überraschend die anfänglichen Vogelstimmen wieder; die nachsinnende Violine zitiert ein letztes
Mal das ins Flageolett transformierte Scherzo-Motiv und verfliegt mit
Streicherpizzicati und vorbeihuschenden Läufen im Klavier unscheinbar
in der Höhe.
Perspektivenreicher Blick in die Zukunft
Karol Szymanowski in der algerischen Oasenstadt Biskra, 1914.
Ein Jahr zuvor hatte Béla Bartók hier Aufnahmen von Volksliedern
ansässiger Nomaden gemacht.
Passagen (u. a. auf der G-Saite) zeitweise dramatische Züge an und
schwingt sich letztlich über wiegenden Holzbläserketten in die Höhe
auf. Das daran anschließende Orchesternachspiel lässt die sich verdichtende Thematik in einem dissonanten Tutti-Ausbruch kulminieren, ehe
das erneut einsetzende Soloinstrument mit einem erwartungsvollen
Aufschwung den nächsten Abschnitt ankündigt.
Der Scherzo-Teil basiert maßgeblich auf einem einzigen,
prägnanten Hauptmotiv, das sich möglicherweise an Rimskij-Korsakows
exotischer »Scheherazade« anlehnt und in variierter Form von verschiedenen Seiten beleuchtet wird: Es ist zunächst in einer Doppelgriffkette
der Violine versteckt, wird darauf in Tripelgriffen »marcatissimo«
gehämmert, bevor ihm das Soloinstrument in einer zurückgenommenen
Passage durch leichte Punktierung auch eine tänzerisch-graziöse Seite
abgewinnen kann. Auf eine vorwärtsdrängende Steigerung, die motivisch
an den zweiten Teil anknüpft, folgt ein schwelgendes Zwischenspiel, das
in ein lyrisches Trio überleitet.
Mit rhythmisch variierten Tonrepetitionen sowie einer raffinierten
Instrumentation (Streicherpizzicati, gezielter Einsatz des Schlagwerks)
wird eine unwirkliche Stimmung erzeugt, wobei die Scherzo-Thematik
unterschwellig in einer Flageolett-Episode der Violine präsent ist. Die
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Letztendlich behält also – freilich mit einem Augenzwinkern – das
avantgardistische Element des Werks das letzte Wort. So bedeutsam die
Verklärung der spätromantischen Thematik zuvor auch sein mag – sollte
der Komponist (neben der erreichten formalen Balance) auf diese Weise
nicht auch indirekt mit dem »Alten« abgeschlossen haben und nun einen
zuversichtlichen Ausblick in die Zukunft wagen? Schließlich hat er seine
künstlerische Entwicklung einmal selbst treffend als »die Improvisation
eines Wanderers« beschrieben, »der immer weiter zu neuen Ufern und
neuen Kontinenten strebt«.
Dass während der Kriegsjahre in den »frühlingshaften« Naturklängen möglicherweise die Hoffnung auf eine »allgemein-menschlichere« Welt, unterschwellig vielleicht auch die gewünschte Rückkehr
in ein politisch wie künstlerisch »eigenständiges« Polen mitschwingt,
eröffnet dem Konzert weitere Perspektiven und regt zur tiefergehenden
Auseinandersetzung mit einem noch immer unterschätzten Komponisten
an, dessen Errungenschaften Tadeusz Baird 1981 zutreffend zusammenfasste: »Er schlug eine Brücke zwischen der Vergangenheit und dem
20. Jahrhundert, er wies den Weg von Stillstand und provinzieller Rückständigkeit, die in unserer Musik um die Jahrhundertwende herrschten,
zu Fortschritt und europäischem Niveau. Seine Werke gaben den nachfolgenden Generationen polnischer Komponisten neue Wertmaßstäbe
und Ziele … Er fand die polnische Musik im Zustand des Niedergangs
vor – zurück ließ er sie groß und bedeutsam, mit internationalem Rang,
aufgeschlossen gegenüber der Welt und der Zukunft.«
TOBIAS NIEDERSCHL AG
12. SYMPHONIEKONZERT
VATERFIGUR DER
POLNISCHEN MODERNE
»national, aber nicht provinziell …«
K
arol Szymanowskis musikgeschichtliche Bedeutung ist
unumstritten: Ihm gelang es, das polnische Musikleben nach
Frédéric Chopin, das Ende des neunzehnten Jahrhunderts in
rückständigem Patriotismus erstarrt war, wieder zu beleben
und der polnischen Musik den Anschluss an die Musik des
zwanzigsten Jahrhunderts zu vermitteln. »Unsere Musik muss ihre
uralten Rechte wiedergewinnen«, formulierte er 1920 seine Vorstellung
von einer emanzipierten polnischen Musik, »und das heißt vor allem
unbedingte Freiheit, völlige Loslösung von der Herrschaft der ›gestern‹
geschaffenen Normen. Möge sie ›national‹ in ihrer volkstümlichen Eigenständigkeit sein, jedoch ohne Furcht dorthin streben, wo die von ihr
geschaffenen Werte zu allgemein-menschlichen Werten werden; möge
sie ›national‹ sein, aber nicht ›provinziell‹. Zerstören wir die ›gestrigen
Dämme‹, die aus Trotz errichtet wurden, um die besagte Eigenständigkeit gegen fremde Einflüsse zu schützen.« Ohne Szymanowski wäre die
beim Warschauer Herbst von 1956 inthronisierte »Polnische Schule« um
Witold Lutosławski nie entstanden. Kurz: Szymanowski gilt heute als
Vaterfigur der modernen polnischen Musik.
Wenngleich er zu dieser Zeit bereits als führender Vertreter
einer polnischen Avantgarde auch im eigenen Land anerkannt wurde,
so waren dem viele Jahre der Entfremdung vorausgegangen: Als junger
Student war Szymanowski mit seiner unangepassten Tonsprache im
erstarrten, »provinziell« rückständigen Musikleben Polens, das seit
Frédéric Chopin und Stanisław Moniuszko keine nennenswerten Neuerungen mehr erfahren hatte, zunächst auf wenig Verständnis gestoßen;
frühe Klavierkompositionen wie die »9 Préludes« op. 1 (1899 / 1900)
riefen vielmehr konservativen Widerstand hervor, weil er sich darin
neben Chopin auch »fremden Einflüssen« wie den Werken Skrjabins,
Wagners und Strauss’ öffnete.
Um weiteren Konfrontationen zu entgehen, siedelte Szymanowski
nach mehreren Aufenthalten in Berlin und Wien 1910 endgültig in die
österreichische Hauptstadt über, wo die progressiven Kompositionen
Schönbergs, Debussys und Strawinskys in sein Blickfeld rückten. Reisen
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nach Italien und Nordafrika weckten daneben sein Interesse für die
mediterranen und orientalischen Kulturen und führten die Wende zu
einem exotisch-koloristischen Stil herbei, der in Werken wie der dritten
Symphonie op. 27 (»Das Lied der Nacht«, 1914-1916) und dem ersten
Violinkonzert op. 35 (1916) zum Ausdruck kam.
Erst nach dem Ersten Weltkrieg, der eine Neugründung des
polnischen Staates zur Folge hatte, kehrte Szymanowski in sein Heimatland zurück und brachte die absorbierten »fremden Einflüsse« mit den
»nationalen« letztlich in Einklang: Nach dem Vorbild Bartóks und Strawinskys setzte er sich intensiv mit der polnischen Folklore, vor allem mit
der Musik der Goralen (Bergbewohner der westlichen Karpaten), auseinander, deren spezifische Merkmale in Werke wie das Ballett »Harnasie«
op. 55 und das zweite Violinkonzert op. 61 eingingen. Auch wenn er damit
eine späte Versöhnung mit seiner Heimat anstrebte, die 1926 mit der
triumphalen Uraufführung der Oper »Król Roger« op. 46 in Warschau
auch öffentliche Bestätigung fand, so sollte sein Verhältnis zu Polen bis
zu seinem tuberkulosebedingten Tod im Jahr 1937 dennoch gespalten
bleiben: Als reformfreudiger Direktor des Warschauer Konservatoriums
(1927-1929 und 1930-1932) scheiterte er in zwei Anläufen erneut an der
konservativen Haltung führender Vertreter des polnischen Musiklebens,
in deren Köpfen die »gestrigen Dämme« nach wie vor existierten.
TOBIAS NIEDERSCHL AG
Karol Szymanowski in seinem Studio in Atma, Zakopane, Oktober 1935
12. SYMPHONIEKONZERT
FEIER DES LEBENS
Antonín Dvořák
* 8. September 1841 in Nelahozeves (Böhmen)
† 1. Mai 1904 in Prag
Dvořáks achte Symphonie in G-Dur
Symphonie Nr. 8 G-Dur op. 88
1. Allegro con brio
2. Adagio
3. Allegretto grazioso
4. Allegro ma non troppo
W
ENTSTEHUNG
BESETZUNG
Ende August 1889 bis
Anfang Januar 1890
2 Flöten (2. mit Piccolo),
2 Oboen (2. mit Englischhorn),
2 Klarinetten, 2 Fagotte,
4 Hörner, 2 Trompeten,
3 Posaunen, Tuba, Pauken
und Streicher
WIDMUNG
»Für die Aufnahme in die
Böhmische Kaiser-FranzJoseph-Akademie für Wissenschaft, Literatur und Kunst«
DAU ER
ca. 40 Minuten
U R AU F F Ü H R U N G
2. Februar 1890 in Prag mit dem
Orchester des Tschechischen
Nationaltheaters im Rahmen
des 13. Populären Konzerts der
Künstlerressource unter der
Leitung des Komponisten
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er mit einer solchen Melodie beginnt, hat schon
gewonnen. Eine weitgespannte Violoncellokantilene in
Tenorlage und gedämpfter Dynamik mit tiefgeführten
Klarinetten sowie Fagott und Hörnern eröffnet ein
Gewebe, das in der Folge Raum für vielschichtige
Schattierungen bietet. Der Begleitsatz des Mollthemas ist mit Pausen
durchsetzt, mit langsam schreitenden Vierteln in den Bratschen und
Kontrabässen sowie langgehaltenen Pedaltönen in der ersten und zweiten
Posaune in gebundenem Pianissimo. Dvořák entwirft einen melodischen
Fluss mit vereinzelten Tonwiederholungen, der an eine gesangliche
Linie aus dem Repertoire böhmisch-mährischer Volkslieder erinnert.
Ein denkwürdiger, suggestiver Beginn mit eigener Färbung, ohne jede
Einleitung oder Vorbereitung. Man ist sofort in eine Stimmung versetzt.
Dabei handelt es sich nicht um das Hauptthema. Nach kurzer Überleitung
in aufgelöstem strahlendem G-Dur spielt die Flöte eine rufartig-singende
Figur, welche sich später als tatsächliches erstes Thema herausstellt. In
den ersten Takten zeigen sich damit zwei für die gesamte Symphonie
geltende Grundzüge: Einerseits findet Dvořák zu meditativ-reflexiven
Bildern, rhapsodisch abgleitend und gelegentlich in tragische Ausbrüche
mündend, andererseits schöpft er ein Kaleidoskop von Eindrücken, die in
unterschiedlichsten Farben der äußeren Sinnenwelt schwelgen. Dvořák
schafft eine Einfassung, in der die Tendenz zu maximaler Vielfalt beziehungsreich aufgefangen wird.
Die Fülle der melodischen Einfälle wird dabei nicht nur positiv
bewertet. Johannes Brahms, der an Dvořák gerade diese Qualität schätzt,
äußert sich über dessen achte Symphonie: »Zu viel Fragmentarisches,
Nebensächliches treibt sich da herum. Alles fein, musikalisch fesselnd
und schön – aber keine Hauptsachen! Besonders im ersten Satz wird
nichts Rechtes draus. Aber ein reizender Musiker! Wenn man Dvořák
12. SYMPHONIEKONZERT
nachsagt, er komme vor lauter einzelnen Einfällen nicht dazu, etwas
Großes Zusammenfassendes zu leisten, so trifft dies zu.« Brahms
verkennt, dass Dvořák das Fragmentarische und Nebensächliche in
seiner Achten bereits zu den Hauptsachen zählt. Das Überquellen der
Ideen ist Ausdruck einer Haltung, die Entwicklung anders strukturiert. Während Brahms ein zielgerichtetes Entfalten des musikalischen
Ordnungssinns verfolgt, geht Dvořák in seiner Achten einen Weg, der
mehr auf Intensivierung des Einzelnen setzt und den Hörer immer wieder
mit Neuem und Anderem konfrontiert. Dvořáks Landsmann Leoš Janáček
zeigt sich begeistert: »Kaum hast du eine Figur kennengelernt, winkt dir
freundlich die zweite. Du bist in einer ständigen angenehmen Erregung.«
Im Grunde beschreibt Janáček damit ein Merkzeichen der Moderne.
In Spannung versetzt werden, erregt sein – das ist die Forderung einer
Gegenwart, die den großen zusammenhängenden Strom im Sinne eines
stimmungshaften Fortschreitens in einzelne Abschnitte aufspaltet. Dem
kommt die zersplitterte Erfahrung des Individuums im ausgehenden
neunzehnten Jahrhundert entgegen. In zunehmendem Maße blickt
man auf eine Zerstückelung des Lebens, das sich aus unterschiedlichen
Phasen zusammensetzt, aus tragisch-aufwühlenden ebenso wie aus
idyllisch-erfüllten. Dem trägt Dvořáks Zugriff Rechnung. Er modelliert
eine zeitliche Abfolge, die den Wechsel der Gestalten selbst zum Thema
macht. Darin ist er Gustav Mahler nicht unähnlich. Auch dieser baut in
seinen Symphonien ganze Welten und scheut sich nicht, Züge des Trivialen einzuflechten. Was bei Mahler jedoch zu einer Weltanschauung
unter dem Vorzeichen intellektueller Ironie avanciert, bleibt sich bei
Dvořák in der Sphäre einer im Profanen wurzelnden Lebensfülle treu.
Man könnte sagen, Dvořák beobachtet, er nimmt auf, was Mahler später
in ästhetischer Brechung kommentieren wird. Sein inneres Ohr vernimmt
eine Vielfalt an Intonationen und Genres.
Vorbilder Wagner und Tschaikowsky
Dem weihevollen Eingangsthema im ersten Satz, dem die Choralmelodie
aus der dramatischen Ouvertüre »Husitská« von 1883 verwandt ist, und
dem archaisch gefärbten Rezitativ im Mittelteil stehen ausgelassene
Marschmelodien gegenüber, die an die Lieder »Als wir gen Jaroměř
zogen« und »Schon führen sie ihn weg, den Martin« erinnern. Vieles
scheint zusammenzukommen. Im Mittelteil schreibt Dvořák wogende
Terzenketten in den Klarinetten vor, die er mit den Fagotten zeitlich
versetzt kombiniert. Er generiert damit eine Wirkung, die unverkennbar
Richard Wagners Prinzip der Terzenschichtung aus dem »Ring des
Nibelungen« abgelauscht ist, zumal er diese Stelle mit einem Tremolo in
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Antonín Dvořák, 1882
12. SYMPHONIEKONZERT
den Violinen anreichert. Die Verwandtschaft mit Wagners Ringmotiv ist
auffällig und scheint hier dessen naturverhaftete Seite hervorzukehren.
Was bei Wagner die Macht des Schicksals provoziert, die menschliche
Gier, belässt Dvořák im Reich des gestalthaft Pittoresken. Der Verweis
auf die Tetralogie des Bayreuther Meisters wiederholt sich, wenn das
Horn einige Takte später in einer sich aufschwingenden Triolenachtelbewegung Siegfrieds Hornmotiv aus Wagners »Siegfried« nachzueifern gedenkt. Doch ändert sich der musikalische Gestus wenig später:
Während das Eingangsthema von den Trompeten triumphal geschmettert
wird, bewältigen Violinen und Bratschen unisono chromatische Achtelläufe, die in ihrer Behandlung dem Vorbild Tschaikowskys folgen. Die
Stelle orientiert sich zweifellos an der vierten Symphonie des russischen
Komponisten und unternimmt gar nicht erst den Versuch, diesen
Umstand zu verdecken. Allerdings verzichtet Dvořák darauf, das Einleitungsthema nach dem Beispiel Tschaikowskys in den anderen Sätzen
wieder aufzugreifen. Doch könnte seine Idee, es an formalen Nahtstellen
im Kopfsatz zu platzieren – insgesamt drei Mal –, durchaus von Tschaikowskys Symphonie inspiriert sein, gewissermaßen »als Projektion von
deren zyklischer Gesamtform auf einen einzigen Satz« (Harmut Schick).
»Pariser Salons und Tschaikowskysche Ballettmusiken«
Die Parallelen zu Tschaikowsky treten in Dvořáks Achter mehrmals auf.
Dabei liefert ein Brief an den Verleger Simrock vom 8. April 1879 den
frühesten Hinweis auf Dvořáks Studium der Musik von Tschaikowsky
und bezieht sich offenbar auf dessen vierte Symphonie in f-Moll: »Soeben
beim Klavierspiel, wo ich eine Symfonie, die fürchterlich ist, von Tschaikowsky spiele, fällt mir ein, daß ich Ihnen die Metronombezeichnungen
in den Rhapsodien anzuzeigen gestern versäumt habe« – ein denkbar
ungünstiger Start für eine spätere Bewunderung, die auf Gegenseitigkeit beruht. Möglicherweise bringen erst Tschaikowskys Aufenthalte in
Prag im Frühjahr und Herbst 1888, als sich beide Komponisten täglich
treffen und schnell anfreunden, dem Tschechen die Musik des Russen
näher. Über Tschaikowskys Oper »Eugen Onegin«, die der Komponist
am 6. Dezember 1888 dem Prager Publikum präsentiert, äußert sich
Dvořák jedenfalls begeistert. Anders als bei der gerade beendeten
fünften Symphonie in e-Moll, die Tschaikowsky am 30. November in
Prag dirigiert: Hier zeigt sich Dvořák vom ungewöhnlichen Charakter
und den eigentümlichen Klangfarben des Werks zunächst irritiert,
wie aus Notizen des böhmischen Komponisten und Dirigenten Oskar
Nedbal hervorgeht. Tschaikowsky lädt Dvořák in Prag ein, eigene Werke
in Russland zu dirigieren und beauftragt Wassili Safonow, Direktor
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des Moskauer Konservatoriums und Direktionsmitglied der russischen
Musikgesellschaft, alles dafür in die Wege zu leiten. Am 24. August des
folgenden Jahres zählt Dvořák in einem Brief an Safonow einige Werke
auf, deren Aufführung er sich während seiner für das Frühjahr 1890
avisierten Russlandreise vorstellen könnte: Die Ouvertüre »Husitská«,
die »Symphonischen Variationen«, das »Scherzo capriccioso« und als
weiteres Stück eine seiner Symphonien: »Aber welche? Ich habe drei
Symphonien: D-Dur, D-moll und F-Dur (alle bei Simrock in Berlin). Dann
habe ich ein Violinkonzert und ein Klavierkonzert, welche Hřímalý oder
Sapelnikov spielen könnten. Das sind so meine Vorschläge. Bitte also
wählen Sie, oder besprechen Sie sich mit Herrn Tschaikowsky.« Zwei
Tage später beginnt er mit dem Entwurf einer neuen Symphonie in
G-Dur. Es ist seine Achte, die als Nr. 4 veröffentlicht wird, da Dvořáks
frühe Symphonien noch nicht im Druck erschienen waren. Vermutlich
hat er sich entschlossen, sich in Moskau und Sankt Petersburg mit einer
Neukomposition einzuführen, weshalb er in einem Brief an Safonow vom
2. Oktober 1889 eine Symphonie erwähnt, »die noch Manuskript ist. Ich
weiß aber nicht bestimmt, ob ich mit dem Werk fertig sein werde.« Als die
Achte dann fertiggestellt ist, schreibt er am 8. Januar 1890 an Safonow:
»Sehr geehrter Herr Direktor! Auf Ihre werte Anfrage bezüglich der
Symphonie erlaube ich mir, Ihnen also die neue Symphonie in G-Dur,
welche noch Manuskript ist, vorzuschlagen … Ist Herr Tschaikowsky
in Moskau? Bitte, wenn Sie ihn sehen, grüßen Sie mir meinen lieben
Freund, auf den ich mich herzlich freue.« Die Spuren sind vorhanden,
etwa im ersten Seitenthema des ersten Satzes aus Tschaikowskys fünfter
Symphonie. Sie passen sich in die Gestalt des ersten Seitenthemas im
ersten Satz aus Dvořáks achter Symphonie verblüffend gut ein. Oder
im dritten Satz, wenn Dvořák anstelle des üblichen Scherzos einen
elegischen Walzer komponiert, der mit seiner seidenen Melodik »an
Pariser Salons und Tschaikowskysche Ballettmusiken denken lässt«
(Hartmut Schick) – Klänge, die an eine Feier des Lebens gemahnen. Der
kontrastierende Trioabschnitt liefert derweil ein melodisches Zitat aus
Dvořáks heiterem Operneinakter »Die Dickschädel«.
»Promenadenmusik für sommerliche ländliche Feste«
Das Adagio an zweiter Stelle oszilliert zwischen Trauermarsch und
einem lichten, serenadenhaften Bläsermotiv. Das pastorale Stück gilt
einigen Kommentatoren nicht zuletzt dank seiner schnellen Stimmungswechsel als kleine symphonische Dichtung. Hymnenartige Abschnitte
folgen auf lyrische, dramatische und sogar operettenhafte Einwürfe und
bilden in ihrer Summe einen Satz voll glühender Wärme und schroffer
12. SYMPHONIEKONZERT
Kontraste. Auffallend auch hier wie im ersten Satz ist eine Terzenkette
in den solistisch geführten Klarinetten, die wirkungsvoll einen Stimmungsumschwung einleitet. Lässt man die bissige Ironie beiseite, könnte
man George Bernard Shaw durchaus zustimmen, der bemerkt: »Die
Symphonie wäre eine vorzügliche Promenadenmusik für sommerliche
ländliche Feste.« Die Assoziation ließe sich weiterspinnen: Der zweite
Satz suggeriert eine Dorfkapelle einschließlich mehrerer Vogelrufe in
böhmischer Landschaft – eine Szenerie, die aus ihrer bergenden Kraft
Momente der Trauer und Sehnsucht, der Freude und Erfülltheit gleichermaßen transportiert. Ein feierlich-erhabenes Trompetensignal kündigt
den vierten Satz an. Die monumentale Intrada führt hinein in die Schilderung bunter Volksspiele, die bereits in Tschaikowskys vierter Symphonie
angeklungen war. Hinsichtlich seiner Intonation trägt das Hauptthema
des Finales den Charakter einer heroischen Polonaise. Dvořák stellt eine
Verbindung von Sonaten- und Variationssatz her und beruft sich auf
die Tradition, ausgehend von den Finali der symphonischen Konzerte
Beethovens. Der Komponist lässt sich vom Überschwang seiner Empfindung leiten. Glanzvolle Varianten, die immer mächtiger erscheinen,
bilden die Achse der gesamten Gestalt des letzten Satzes. Konsequent
mündet das Schlussthema in ein Grandioso.
Dvořák komponiert die achte Symphonie 1889 anlässlich seiner
»Aufnahme in die Böhmische Kaiser-Franz-Joseph-Akademie für
Wissenschaft, Literatur und Kunst«, wie er auf dem Titelblatt der Partitur
vermerkt. Er selbst dirigiert die Uraufführung am 2. Februar 1890 mit
dem Orchester des Tschechischen Nationaltheaters im 13. Populären
Konzert der Künstlerressource. Schnell folgen weitere Aufführungen
in der Londoner St. James Hall, in Frankfurt sowie 1891 in Cambridge
am Vorabend der Verleihung seiner Ehrendoktorwürde. Dvořák, der mit
seinem Verleger Simrock zeitweise im Streit liegt, lässt das Werk beim
Londoner Verlag Novello herausgeben, weswegen es den Untertitel »Die
Englische« erhält – was nicht wenig irreführend ist. Denn eigentlich
müsste die Symphonie »Die Russische« oder dank ihres melodischen
Reichtums böhmischer Färbung wenigstens »Die Slawische« heißen.
Dass Dvořák zur Zeit der Entstehung der Achten gegenüber dem Freund
Alois Göbel klagt, sein Kopf sei so voll von Melodien, dass er sie kaum
schnell genug zu Papier bringen könne, zeigt, in welchem Zustand er
sich befindet. Was sich Komponistenkollegen mühsam abringen, bringt
ihn durch eine Überfülle an melodischen Einfällen schier zum Überlaufen. Dvořák, ein symphonischer Rhapsode, der aus dem Überschuss
der Gestalten einer engen Verschlingung von Natur und Leben komponierend nachspürt.
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Erste Seite der zusammenhängenden Skizze zur Symphonie in G-Dur
ANDRÉ PODSCHUN
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12. SYMPHONIEKONZERT
12. Symphoniekonzert 2015 | 2016
Orchesterbesetzung
1. Violinen
Kai Vogler / 1. Konzertmeister
Michael Eckoldt
Thomas Meining
Michael Frenzel
Christian Uhlig
Volker Dietzsch
Johanna Mittag
Jörg Kettmann
Susanne Branny
Barbara Meining
Birgit Jahn
Wieland Heinze
Anett Baumann
Roland Knauth
Sae Shimabara
Franz Schubert
2. Violinen
Holger Grohs / Konzertmeister
Annette Thiem
Jens Metzner
Ulrike Scobel
Alexander Ernst
Beate Prasse
Mechthild von Ryssel
Emanuel Held
Robert Kusnyer
Yukiko Inose
Christoph Schreiber-Klein
Minah Lee
Jiwon Lim**
Steffen Gaitzsch*
Bratschen
Gerd Grötzschel / Solo
Andreas Schreiber
Stephan Pätzold
Michael Horwath
Ulrich Milatz
Ralf Dietze
Marie-Annick Caron
Susanne Neuhaus
Luke Turrell
Björn Sperling**
Henry Pieper*
Christoph Starke*
Violoncelli
Arthur Hornig* / Konzertmeister
Friedwart Christian Dittmann / Solo
Simon Kalbhenn / Solo
Bernward Gruner
Johann-Christoph Schulze
Jakob Andert
Anke Heyn
Matthias Wilde
Aleisha Verner
Fernando García-Baró Huarte**
Kontrabässe
Christian Ockert* / Solo
Martin Knauer
Razvan Popescu
Helmut Branny
Christoph Bechstein
Reimond Püschel
Paweł Jabłczyński
Viktor Osokin**
Flöten
Rozália Szabó / Solo
Bernhard Kury
Cordula Bräuer
Jens-Jörg Becker
Dóra Varga
Tünde Molnár-Grepling*
Oboen
Sebastian Römisch / Solo
Sibylle Schreiber
Michael Goldammer
Christopher Koppitz**
Klarinetten
Bernhard Mitmesser* / Solo
Dietmar Hedrich
Egbert Esterl
Jan Seifert
Christian Dollfuß
Christian Gordzielik**
Fagotte
Joachim Hans / Solo
Thomas Eberhardt / Solo
Hannes Schirlitz
David Leschowski**
Hörner
Jochen Ubbelohde / Solo
Andreas Langosch
David Harloff
Manfred Riedl
Miklós Takács
Eberhard Kaiser
Miho Hibino
Lars Scheidig**
Posaunen
Uwe Voigt / Solo
Nicolas Naudot / Solo
Jürgen Umbreit
Frank van Nooy
Tuba
Jens-Peter Erbe / Solo
Pauken
Thomas Käppler / Solo
Schlagzeug
Bernhard Schmidt
Christian Langer
Simon Etzold
Jürgen May
Dirk Reinhold
Stefan Seidl
Yuka Maruyama**
Gerhard Hundt*
Harfen
Vicky Müller / Solo
Astrid von Brück / Solo
Zymbal
Cyril Dupuy*
Klavier
Thomas Cadenbach
Celesta
Sebastian Engel
Pianino
Daniela Pellegrino
Trompeten
Mathias Schmutzler / Solo
Peter Lohse
Siegfried Schneider
Sven Barnkoth
32
33
* als Gast
** als Akademist/in
12. SYMPHONIEKONZERT
20
16
17
Thielemann
Chung
Meir Wellber
Welser-Möst
Jurowski
Runnicles
Goebel
Harding
Vorschau
4. Aufführungsabend
F R EI TAG 8 .7.16 2 0 U H R
S E M P ER O P ER D R E S D E N
Cristian Măcelaru Dirigent
Federico Kasik Violine
Anya Dambeck Viola
Constantin Silvestri
Drei Stücke für Streichorchester op. 4 Nr. 2
Wolfgang Amadeus Mozart
Sinfonia concertante Es-Dur KV 364
Igor Strawinsky
»Pulcinella«-Suite
1. Symphoniekonzert
F R EI TAG 2 .9.16 2 0 U H R
Blomstedt
De Marchi
Orozco-Estrada
Rozhdestvensky
109 Konzerte, 50 Solisten,
Musik von 58 Komponisten
aus 5 Jahrhunderten:
Die Spielzeit 2016 / 2017 der
Sächsischen Staatskapelle Dresden
wird aufregender denn je.
PA R T N E R D E R
S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
S A M S TAG 3.9.16 19 U H R
S E M P ER O P ER D R E S D E N
Christian Thielemann Dirigent
Daniil Trifonov Klavier
Wolfgang Amadeus Mozart
Klavierkonzert C-Dur KV 467
Anton Bruckner
Symphonie Nr. 3 d-Moll (1877)
Kostenlose Konzerteinführungen
jeweils 45 Minuten vor Beginn im Foyer
des 3. Ranges der Semperoper
Gustav Mahler Jugendorchester
S A M S TAG 3.9.16 11 U H R
S E M P ER O P ER D R E S D E N
Philippe Jordan Dirigent
Christian Gerhaher Bariton
Johann Sebastian Bach
Kantate »Ich habe genug« BWV 82
Anton Bruckner
Symphonie Nr. 9 d-Moll
12. SYMPHONIEKONZERT
IMPRESSUM
Sächsische
Staatskapelle Dresden
Künstlerische Leitung/
Orchesterdirektion
Sächsische Staatskapelle Dresden
Chefdirigent Christian Thielemann
Spielzeit 2015 | 2016
H E R AU S G E B E R
Sächsische Staatstheater –
Semperoper Dresden
© Juli 2016
R E DA K T I O N
André Podschun
G E S TA LT U N G U N D L AYO U T
schech.net
Strategie. Kommunikation. Design.
DRUCK
Union Druckerei Dresden GmbH
ANZEIGENVERTRIEB
Christian Thielemann
Chefdirigent
Katharina Riedeberger
Persönliche Referentin
von Christian Thielemann
Jan Nast
Orchesterdirektor
Tobias Niederschlag
Konzertdramaturg,
Künstlerische Planung
André Podschun
Programmheftredaktion,
Konzerteinführungen
Matthias Claudi
PR und Marketing
Matiss Druvins
Assistent des Orchesterdirektors
EVENT MODULE DRESDEN GmbH
Telefon: 0351 / 25 00 670
e-Mail: [email protected]
www.kulturwerbung-dresden.de
Elisabeth Roeder von Diersburg
Orchesterdisponentin
T E X T N AC H W E I S E
Agnes Thiel
Dieter Rettig
Notenbibliothek
Die Einführungstexte von André Podschun sind
Originalbeiträge für dieses Programmheft.
Tobias Niederschlag verfasste seine Artikel als
Originalbeiträge für die Programmhefte der
Münchner Philharmoniker.
B I L D N AC H W E I S E
Felix Broede (S.4); Giorgia Bertazzi (S. 7);
Istvan Huszti (S. 11); Éva Bieliczkywné
Buzás (S. 13); George Grantham Bain Collection (S. 19); Alistair Wightman, Karol Szymanowski. His Life and Work, Aldershot: Ashgate
1999 (S. 20); Antoni Wieczorek (S. 23); Kurt
Honolka, Antonín Dvořák, mit Selbstzeugnissen
und Bilddokumenten, Reinbek bei Hamburg
1974 (S. 27); Antonín Sychra, Antonín Dvořák.
Zur Ästhetik seines sinfonischen Schaffens,
Leipzig 1973 (S. 31)
Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht
werden konnten, werden wegen nachträglicher
Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.
Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus
urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.
Matthias Gries
Orchesterinspizient
international
Freunde
Wunderharfe
unterstützen
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close
hautnah
GESELLSCHAFT DER FREUNDE DER
S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N E . V.
KÖNIGSTRASSE 1
01097 DRESDEN | GERMANY
I N F O @ G F S K D D . D E | W W W. G F S K D D . D E
W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E
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Wir freuen uns auf Sie!
Come and join us!