Von Kartoffel-Kolchosen und Software

1
Deutschlandfunk
GESICHTER EUROPAS
Samstag, 25. Juni 2016 / 11:05 – 12:00 Uhr
Von Kartoffel-Kolchosen und Software-Schmieden:
Weißrussland Europas letzte Planwirtschaft
Mit Reportagen von
Ernst-Ludwig von Aster und Anja Schrum
Redakteur am Mikrofon: Norbert Weber
Urheberrechtlicher Hinweis
Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom
Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden.
Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über
den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang
hinausgeht, ist unzulässig.
©
- unkorrigiertes Exemplar –
2
Design: Deutschlandfunk – Gesichter Europas. Les visages….
MUSIK
Mod:
Ein Kleinunternehmer über die Flaute im weißrussischen Transportgeschäft
Take 5 (Igor) russ/ deutsche Übersetzung
Vor drei Jahren war alles noch in Ordnung, doch seit zwei Jahren geht es bergab.
Und im letzten Jahr waren wir bei Null. Jetzt haben wir kaum etwas zu tun, und wir
sehen nicht, dass es in Zukunft besser wird.
Mod:
Und eine Buchhalterin über die Situation in einem Staatsbetrieb
Take 6 englisch/deutsche Übersetzung
Die Lage ist sehr schlecht. Wir haben viele Schulden, eigentlich in allen Bereichen.
Wir haben unsere Wasserrechnung nicht beglichen, unsere Stromrechnung auch
nicht. Und Materialien, die wir schon längst verbaut haben, sind immer noch nicht
bezahlt..
Moderation:
Gesichter Europas. Von Kartoffel-Kolchosen und Software-Schmieden:
Weißrussland, Europas letzte Planwirtschaft . Eine Sendung von Anja Schrum und
Ernst-Ludwig von Aster. Am Mikrofon begrüßt Sie Norbert Weber.
MUSIK
Mod:
Ab 1. Juli 2016 werden die Portemonnaies in Weißrussland deutlich schmaler.
Dann nämlich will die Regierung eine neue Währung einführen. 10.000 alte so
genannte Häschen-Rubel entsprechen künftig einem Rubel der neuen
Währung. Und die erinnert optisch verblüffend an den Euro. Seit Jahren
schlingert das 9,5 Millionen-Einwohner-Land von einer Währungskrise in die
nächste. Zuletzt riss der Verfall des russischen Rubels auch den
belarussischen mit nach unten. Die russische Wirtschaftskrise, die Sanktionen
3
gegen das Land, der sinkende Ölpreis – all das lastet schwer auch auf der
weißrussischen Wirtschaft. Denn rund die Hälfte des Außenhandels wird mit
dem großen Bruder im Osten abgewickelt. Die Folge: 2015 ging das
Bruttoinlandsprodukt um 3,9 Prozent zurück. Doch die Wirtschaftsflaute ist nur
zum Teil eine Folge der externen Faktoren. Der andere Teil ist schlicht
hausgemacht. Es herrscht immer noch Planwirtschaft im Land.
Atmo 1 Verkehr s.u.
Reformen werden seit Jahren verschleppt. Die Industrieproduktion sinkt, der
Export lahmt. Ein Großteil der belarussischen Unternehmen ist staatlich
dominiert, darunter Fahrzeug- und Maschinenbau, Lebensmittel- und
Chemieindustrie aber auch Landwirtschaftskolchosen. Viele davon arbeiten
nicht profitabel. Rund ein Drittel wird aus dem Staatshaushalt
quersubventioniert. Dafür herrscht Vollbeschäftigung. Gekündigt wird
allenfalls jenen, die sich politisch engagieren. Doch das weißrussische
Wirtschaftsmodell stößt immer mehr an seine Grenzen. Die Preise für
Lebensmittel, öffentliche Verkehrsmittel und Gesundheitsleistungen steigen
stetig. Während die Löhne stagnieren – oder gar sinken. Im Januar dieses Jahr
betrug das belarussische Durchschnittsgehalt umgerechnet 360,- US Dollar.
Rentner müssen noch mit deutlich weniger auskommen.
Atmo 1: Verkehr Komarowka/ musizierender Rentner
Sprecherin:
Der Vormittagsverkehr rollt langsam über die Charuzaj-Straße. Passanten drängen
im Vier-Minutentakt aus der Metro am Jakob Kolas-Platz. Samstag ist Einkaufstag in
Weißrussland. Tausende Minsker strömen dann zum Komarowka-Markt im
Stadtzentrum.
4
Atmo hoch:
Sprecherin:
Ein alter Mann spielt auf dem Bürgersteig mit einem Akkordeon gegen den
Verkehrslärm an. Neben sich einen Klappstuhl, vor sich eine Pappschachtel. Darin
liegen ein paar Geldscheine: Einmal zweitausend weißrussische Rubel, einmal 500,
einmal 1000. Umgerechnet knapp 15 Euro-Cent.
Atmo hoch
Sprecherin:
Rentnerinnen mit bunten Kopftüchern recken Passanten Knoblauchknollen entgegen.
Auch Gläser mit selbstgemachter Rote-Beete-Paste und Plastiktüten sind im
Angebot. Am Rande des breiten Bürgersteigs bieten all diejenigen ihre Waren an, die
keine offizielle Genehmigung zum Verkaufen haben.
Take 1: Rentner (russisch) (ohne OV)
Sprecherin drüber:
Ein Rentner breitet auf einer Zeitung Frühlingszwiebeln aus. Ich komme aus der
Maladsetschna-Region, erzählt er, gut eine Fahrstunde entfernt. Jedes Wochenende
steht er hier. Mit Produkten aus seinem Garten. Eine Frau kauft ein Bund
Lauchzwiebeln. 10.000 Rubel, rund 45 Euro-Cent, zahlt Sie dafür. Schnell
verschwindet das Geld in der Bauchtasche des alten Mannes...
Take 2 Rentner russisch (ohne OV)
5
Sprecherin drüber:
Die Geschäfte laufen viel schlechter als früher, sagt er. Die Leute würden einfach
immer ärmer. Er komme mit seiner Rente gerade so über die Runden. Was er hier
dazuverdiene, damit unterstütze er seine Enkel.
Atmo hoch
Sprecherin:
Wenige Meter weiter, in der riesigen Markt-Halle, läuft das offizielle Geschäft.
Metzger zerlegen Schweinehälften, Verkäuferinnen mit blauen Kittelschürzen warten
hinter aufgetürmten Gemüsebergen auf Kundschaft. Das Kilo Schweinefleisch kostet
umgerechnet rund fünf Euro. Das Kilo Tomaten zwei Euro. Preise fast wie im
Westen. Vor allem staatliche Agrar-und Lebensmittelbetriebe bieten ihre Waren an.
Doch die Kunden kaufen nur spärlich. Eine Wechselstube am Eingang erinnert
Marktbesucher daran, wie wenig ihr Geld derzeit wert ist. Vor einem Jahr bekamen
sie für 13.000 weißrussische Rubel einen Euro. Heute müssen sie fast doppelt so viel
hinlegen.
Atmo
Sprecherin:
Auf dem großen Platz hinter der Markthalle verkaufen Landwirtschaftskolchosen ihre
Kartoffeln direkt vom Lkw. Die Kunden stehen Schlange. Nur wenige Meter weiter ist
staatlicher Frischfisch im Angebot. Alte Lkw mit großen Wassertanks parken
6
nebeneinander. Sie kommen aus dem ganzen Land. Seit sechs Jahren fährt Grigorij
seinen Fisch-Tank-Wagen von Brest in die Hauptstadt:
Take 3 Grigorij russisch ohne OV
Sprecherin drüber:
Um drei Uhr morgens habe ich mein Haus verlassen, erzählt er, um acht sind wir
dann hier auf dem Markt. Und um halb neun beginnt das Geschäft. Grigorij arbeitet
für einen staatlichen Fischzuchtbetrieb. Wie die meisten hier. Seine Kollegin, graue
Haare, buntes Kopftuch, nasse blaue Kittelschürze, gibt ihm ein Zeichen. Der
50Jährige nickt, greift zum Kescher, klettert auf den Lkw, holt frische Ware aus dem
Tank. Einen gut 60 cm langen Stör:
Take 4 Grigorij russisch ohne OV:
Sprecherin drüber:
Das hier ist ein kleines Exemplar, sagt er. Eigentlich können die Fische bis zu 40
Kilogramm schwer werden. Sie aber haben nur Störe und Karpfen bis acht Kilo im
Angebot – vier Jahre sind die alt. Ein Produkt wie geschaffen für die Planwirtschaft.
In 5-Jahres-Zeiträumen setzt die weißrussische Regierung ihre Wirtschaftsziele fest.
Über 80 Prozent der Unternehmen sind im Staatsbesitz.
Atmo hochziehen:
Sprecherin:
Der Stör zappelt auf der Waage: 1.835 Gramm. Die Kundin nickt. Die Verkäuferin
gibt den Preis ein. 149.000 weißrussische Rubel pro Kilogramm, macht insgesamt
7
273.415 Rubel, umgerechnet 12 Euro. Der Stör landet in einer gelben Plastiktüte.
Gigorij greift zu einem Holzknüppel. Drei kräftige Schläge befördern das Tier ins
Jenseits. „Dieses Jahr haben wir weniger Fisch verkauft, als im vergangenen“, sagt
der Händler. Seine Kollegin nickt, während sie Geld-Bündel in einer Plastikbox
sortiert : 200tausender, 100tausender.... Ab dem 1. Juli wird sie mit neuem Geld
rechnen müssen. Mit niedrigeren Summen. Regierung und Nationalbank werben
schon für die neuen Scheine: Vier Nullen werden zukünftig gestrichen. Aus dem
200.000- Schein wird dann ein 20er...
Take 5: Verkäuferin (russ) o. OV
Sprecherin drüber:
„Ich werde mich auch daran gewöhnen“, sagt sie. „Wir Weißrussen gewöhnen uns
doch an alles.“
Musik
Literaturmusik:
Mod. Literatur
Alhierd Bacharevič (Aussprache: Alherd Bacharewitsch ) wurde 1975 in Minsk
geboren und arbeitete in seiner Heimat früher als Lehrer und Journalist.
Nebenbei sang er in einer Punkband. Mit seinem ersten Buch gewann er 2002
den unabhängigen weißrussischen Literaturpreis.
In seinem Heimatland durfte er aber nicht auftreten, seine Bücher wurden nicht
verlegt. In dem Roman „Die Elster auf dem Galgen“, beschreibt Bacharevič den
Lebensweg einer jungen Weißrussin. Vom Pionierlager, über Schule und
Universität bis hin in die Verwaltung des allmächtigen Sicherheitsapparates,
der Regimegegner traditionell als „Faschisten“ bezeichnet und sie in Lagern
interniert.
8
Literaturmusik
Literatur 1:
Nachdem Vieranika endlich das duftende rote Diplom bekommen hatte, saß sie ein
Jahr lang arbeitslos herum – ihren Job als pädagogische Organisationskraft im
Kinder-Kreativzentrum konnte man schwerlich Arbeit nennen. Sie bekam dafür kaum
mehr als mit ihrem früheren Stipendium, obwohl sie täglich sechs Stunden in einer
Art Hotelruine absaß und manchmal auch noch an Samstagen antanzen musste, auf
die natürlich irgendwelche Feierlichkeiten gelegt wurden…
Das Kollektiv bestand vor allem aus Frauen, die aufgeplustert und schwitzend auf die
fünfzig zugingen; Frauen mit missglückten Eheerfahrungen und dem pathologischen
Gefühl mangelnder Selbstverwirklichung – kein Wunder, dass sie Vieranika vom
ersten Tag an mit unverhohlenem Hass begegneten, sie vorgeblich eingewöhnten,
und ihr dabei den Weg verstellten, ja, sie sogar mit den verpickelten minderjährigen
Schülern verglichen….
Insgesamt erinnerte das Zentrum Vieranika stark an einen großen
Landwirtschaftsbetrieb. Hier herrschte tierischer Gestank, hier galten tierische
Gesetze, und hier wurde gekämpft wie bei den Tieren, die Kursleiterinnen rannten
wie blutrünstige Melkerinnen herum, die Direktorin war eine Trinkerin mit
Kosakenstatur, sie wurde in der Zeit als Vieranika dort zu arbeiten versuchte,
zweimal entlassen und zweimal wieder eingestellt…
Musik
Mod
Es gibt in Weißrussland Unternehmen, die können nicht Konkurs gehen. Denn
der Ministerratsbeschluss Nr. 964 schließt die Insolvenz für 101 Staatsbetriebe
aus. Darunter befinden sich etliche Unternehmen aus dem Lkw- , Traktoren-.,
und Maschinenbau, der Waffen- und Elektronikindustrie. Staatliche Planzahlen
geben hier das betriebswirtschaftliche Soll vor. Was auf der Haben-Seite aber
nur selten erreicht wird. An der Spitze der Staatsbetriebe, oft so genannter
Holdings mit tausenden von Beschäftigten, stehen die so genannten „roten
Direktoren“, linientreue Manager, die regelmäßig Planerfüllung geloben, und
mächtiger sind, als mancher Minister. Ausländische Journalisten sind in ihren
Betrieben nicht erwünscht. Regelmäßig bleiben Anfragen unbeantwortet.
Manche Beschäftige sind da auskunftsfreudiger….
9
Atmo: Werkstür/ Drehkreuz 322
0.00 Tür auf – pieps- tür auf – 6.42 voll action
Sprecher:
Bei jedem Arbeiter, der Richtung Feierabend eilt, quietscht erst die alte Holztür. Dann
piept das Drehkreuz. Schicht-Ende in einer Fabrik für Elektrobauteile, irgendwo in der
weißrussischen Provinz.
Atmo hoch:
Sprecher
Die grünen Ziffern einer alten Digitaluhr zeigen zitternd 16.40 Uhr. Eine bullige
Pförtnerin in Tarnhose mit Leopardentop und Hausschlappen mustert die
Belegschaft. Kontrolliert ab und zu eine Tasche.
Atmo hoch
Sprecher:
Marita kommt lächelnd durch die quietschende Tür. Die Pförtnerin würdigt die
zierliche Mittzwanzigerin keines Blickes. Die nickt uns kurz zu: Wir sollen ihr folgen.
Hinaus geht es auf die Straße, dann links rum, immer an einem langestreckten
Gebäude aus der Sowjetzeit entlang. Die Fassade bröckelt, der Lack an den
Fenstern ist abgeplatzt.
Atmo Straße:
Take 1 Marita (russisch): ohne OV 334
10
Sprecher drüber:
Alle diese Gebäude gehören zu unserer Fabrik, erzählt Marita. Die in Wirklichkeit
anders heißt. Viele Hallen stehen schon seit zwei Jahren leer, einige sind vermietet.
Eine Druckerei arbeitet jetzt hier. Gleich um die Ecke sind ein Casino und ein
Nachtclub eingezogen. Marita schüttelt den Kopf, wechselt unvermittelt ins Englische
Take Marita: (englisch ohne OV) 335
2.50 (Englisch) So people dance on the ruins of working people...
Sprecher:
„Da tanzen die Leute auf den Ruinen der arbeitenden Gesellschaft“, klagt sie. Marita
versucht, wann immer es geht, Englisch zu sprechen. Sie mag die Sprache.
Atmo hoch:
Sprecher:
Um ein paar Straßen-Ecken geht es, um noch etwas mehr Abstand zu gewinnen, von
ihrem Arbeitsplatz. Und den Kollegen. Schließlich führt eine unscheinbare Treppe in
einen Keller:
Take Marita ohne OV: 323/325
11.02 I suggest...
Atmo Sport-Bar 333
Sprecher drüber:
In diese Sport-Bar wollte ich immer schon einmal gehen, sagt Marita. Aber mit
meinem Gehalt kann ich es mir einfach nicht leisten. Sie blickt sich kurz um, inspiziert
11
den Raum nach bekannten Gesichtern und setzt sich dann an einen Ecktisch. Weit
weg vom Eingang. Unter eine Lautsprecherbox.
Atmo hoch
Sprecher:
Marita bestellt einen Cappucino. Der kostet umgerechnet einen Euro 50. Die junge
Frau hat in Minsk Rechnungswesen studiert. Nach ihrem Diplom wurde ihr eine
Arbeitsstelle in der Elektrofabrik zugewiesen. Zwei Jahre muss sie dort arbeiten. Als
Gegenleistung für das Studium. Diese Regelung gilt für alle Akademiker in Belarus.
Alternativ können sie sich mit einigen tausend Euro freikaufen. Doch Marita hat das
Geld dafür nicht.
Take 6.41 russisch o. OV
6.41 .... dokumente, brsm, ...,
326
Sprecher drüber:
An ihren ersten Arbeitstag erinnert sie sich noch genau. Vor allem an die Papiere, die
ihr vorgelegt wurden. Zuerst sollte sie in die staatliche Jugendorganisation BRSM
eintreten, dann ein Beitrittsformular für die Partei „Belarus“ unterschreiben.
Schließlich auch noch ihre Stimme für die Präsidentschaftswahl abgeben. Die fand
zwar offiziell erst einige Wochen später statt, doch der Betrieb sammelte schon
einmal für Amtsinhaber Alexander Lukaschenko. Marita lacht. Sie hat keines der
Papiere unterschrieben. „Zwingen konnten sie mich ja nicht“, sagt sie.
Atmo hoch:
12
Sprecher:
Marita greift zum Mobiltelefon, öffnet eine Foto-Datei, zeigt Aufnahmen aus ihrer
Fabrik: Einen Aufzug, der schon lange nicht mehr funktioniert. Bröckelnde
Treppenhäuser, alte Maschinen, einen Archivraum, vollgestopft mit Akten.
Take Marita (o.OV)
328
Sprecher drüber:
Das ist unser heimlicher Raucherraum, sagt sie. Der ist zwar dreckig, aber dort sind
wir ungestört. Inmitten von Akten aus zwei Jahrzehnten. Marita zündet sich eine
Zigarette an. Zurzeit verdient sie umgerechnet 150 Euro im Monat. Die 25Jährige
arbeitet in der Buchhaltung. Sie hat die finanzielle Situation des Betriebes täglich vor
Augen:
Take Marita (englisch OV)
25.42 It is really weird....
..... The debts are really really bad....
327
ÜS:
„Die Lage ist sehr schlecht. Wir haben viele Schulden, eigentlich in allen Bereichen.
Wir haben unsere Wasserrechnung nicht beglichen, unsere Stromrechnung auch
nicht. Und Materialien, die wir schon längst verbaut haben, sind auch immer noch
nicht bezahlt. Wir haben sehr, sehr viele Schulden...“
Sprecher:
Ihr Unternehmen ist Teil einer staatlichen Holding. Da wird alles von einem
Firmenzweig zum anderen geschoben, erzählt sie. Hauptsache es wird
weiterproduziert. Auch wenn es keine Abnehmer für die Produkte gibt.
Take Marita(englisch OV):
329
13
4.27 Somwhow people...
.... But ypou do not have to think about this...
ÜS:
„Vor kurzem haben Mitarbeiter entdeckt, dass wir noch Elektro-Teile aus dem Jahr
2013 auf Lager hatten. Mittlerweile aber gelten neue Sicherheitsvorschriften für diese
Materialien. Da haben wir einfach alles umetikettiert. Alle Teile tragen jetzt den
Aufkleber: „Hergestellt 2015“. Einen ganzen Tag waren wir mit Kleben beschäftigt.
Ich habe meine Kollegen gefragt: „Ist das legal?“. Der Vorarbeiter hat gesagt:
„Natürlich ist das illegal. Aber das geht dich nichts an.“
Sprecher:
Marita verdreht die Augen. Das tut sie oft, wenn sie über ihr Unternehmen spricht.
Mehr als tausend Kollegen arbeiten in der Fabrik. Die meisten haben Zeitverträge für
ein bis drei Jahre. Das ist Standard in staatlichen Betrieben. Wer aufmuckt, dessen
Vertrag wird beim nächsten Mal einfach nicht verlängert. Die meisten ihrer Mitarbeiter
sind älter als 40. Viele schlafen in einem der Fabrik angeschlossenen Wohnheim,
verdienen rund 90 Euro im Monat.
Take Marita o. oV
330
13.51 .... You just live there, go to your job and cannot go to a concert, cannot go to a
bar, because your salary is really miserable..
Sprecher drüber:
Das reicht doch kaum zum Leben, sagt die 25Jährige. Nicht für einen
Konzertbesuch. Oder einen Abend in der Bar. Marita wohnt noch bei ihren Eltern. Sie
blickt in ihren Cappuccino. Schiebt den Milchschaum mit dem Löffel hin und her. Sie
weiß, dass sie noch länger als ein Jahr in der Fabrik aushalten muss. Fünf Tage die
Woche. Von 8 bis 16.00 Uhr. Auch wenn es kaum etwas zu tun gibt. Darüber hat sie
neulich erst wieder mit ihrem Chef gesprochen:
14
Take Marita (englisch OV):
1.56 I even asked...
, search in the internet...
332
ÜS:
„Ich habe gefragt, ob ich auf zweieinhalb Tage die Woche reduzieren kann. Natürlich
wurde das abgelehnt. Wenn wir darauf eingehen, hieß es, zeigt das doch, dass wir
nicht genug Arbeit für dich haben. So arbeite ich jetzt zwei, drei Stunden am Tag.
Und die restliche Zeit sitze ich rum und surfe im Internet.“
Sprecher:
Marita schaut auf die Uhr, greift zu ihrem Rucksack. Morgen früh muss sie wieder
zum Dienst antreten.
Musik
Mod:
Der Fünf-Jahres-Plan ist das zentrale Element der weißrussischen
Wirtschaftspolitik. Er legt die Leitlinien der ökonomischen Entwicklung fest.
Wie einst zu Sowjetzeiten. Doch damals wie heute richtet sich die Wirklichkeit
nur selten nach dem politischen Wunschdenken. Ob der Ukraine-Konflikt oder
die fallenden Ölpreise – beides trifft die weißrussische Wirtschaft hart. Die
Rahmendaten sehen auch für das laufende Jahr verheerend aus. Der
Abwärtstrend scheint anzuhalten und zwingt die staatlichen Plan-Wirtschaftler
zum Umdenken…
Atmo (Auto rangiert)
Sprecher:
Ein schwarzer Geländewagen mit verdunkelten Scheiben rollt ins Halteverbot,
rangiert über den Bürgersteig, vorbei an der Bar Doodah-King, und parkt vor dem
15
Wirtschaftsministerium. Zwei junge, breitschultrige Männer steigen aus, eilen die
Stufen zum achtstöckigen Gebäude hinauf.
Atmo
Sprecher:
Im Wirtschaftsministerium warten Pressechef Viktor Evkuthov und ein Kollege vor
einer großen Stellwand. Dutzendfach wirbt darauf das Logo ihres Ministeriums – in
lateinischer und kyrillischer Schrift. Der einzige Luxus in dem kargen, großen
Besprechungsraum. Grauer Teppich, eingerahmt von hellen Bodenkacheln, weiße
Wände, an der Seite durchbrochen von rotem Backstein. Kein Präsidentenportrait
hängt an der Wand, noch nicht einmal die weißrussische Fahne. Ökonomische
Bescheidenheit...
Take
7.02 This is Dimitri
Sprecher:
Ein breitschultriger junger Mann im dunklen Anzug betritt schüchtern lächelnd den
Raum. Dmitri Yaroshevich, 31 Jahre, Leiter der Abteilung für strategische Planung.
Einer der Vordenker im Wirtschaftsministerium. Absolvent der Verwaltungsakademie
des Präsidenten, der Kaderschmiede der weißrussischen Regierung. Yaroshevish ist
ein Kind der Generation Lukaschenko. Seit 22 Jahren regiert der Präsident mit
autokratischen Vollmachten. Er kann Minister und Richter entlassen, per Dekret in
jeden Bereich des öffentlichen Lebens eingreifen.
16
Atmo:
Sprecher:
Die beiden Sprecher nehmen den Makroökonomen in die Mitte. Dimitri Yaroshevich
legt einen dicken Stapel Unterlagen vor sich auf den Tisch. Tabellen. Und Statistiken.
Weißrusslands Wirtschaft arbeitet noch wie zu Sowjetzeiten. In 5-Jahresplänen, nach
politischen Vorgaben.
Take 1 (russ)
10.47 …
Sprecher drüber:
„Ja, das letzte Jahr war hart Jahr für Weißrussland“, sagt er. „Unser
Bruttoinlandsprodukt sank um 3,9 Prozent.“ Die beiden Sprecher schreiben in ihre
Blöcke. Yaroshevich faltet die Hände. Legt sie auf den Papierstapel. Während er von
Restrukturierung und Effizienzsteigerung spricht, kratzt sein linker Daumen
unablässig am Nagelbett des rechten. 80 Prozent der weißrussischen Betriebe sind
im Staatsbesitz. Etliche machen Verluste. Bisher wurden sie vom Staat unterstützt.
Dafür fehlt jetzt das Geld:
Take: Yaroshevich russ ov
ÜS:
„Vorher wurden ineffiziente Betriebe vom Staat unterstützt. Die soziale
Verantwortung stand an erster Stelle. Die Zeiten sind jetzt vorbei... Das ist ein
Wechsel der Wirtschaftspolitik um 180 Grad.“
Sprecher:
Die beiden Pressesprecher schreiben eifrig mit. Präsident Lukaschenko hat kürzlich
in seiner Rede an die Nation vom nötigen Wandel gesprochen. Von neuen Zeiten.
Schon heute ist das Land mit über 13 Milliarden Dollar verschuldet. Das Geschäft mit
17
billigem russischen Öl, das in Weißrussland raffiniert und dann teuer weiterverkauft
wird, funktioniert bei sinkenden Ölpreisen nicht mehr. Auch das Düngemittelgeschäft
läuft nicht wie geplant für den größten Kali-Produzenten der Welt. Obendrein sorgt
auch noch die russische Wirtschaftskrise für extreme Einbußen im Exportgeschäft:
Einige Milliarden Euro fehlen im Staatshaushalt.
Take Yaroshevich: ÜS
Bd. 27’36 ... bis Bd. 28‘03
Übersetzung:
„Unser Land hat früher unter sehr guten Rahmenbedingungen gelebt, unter sehr
guten externen Rahmenbedingungen. Wir konnten es uns leisten, Unternehmen zu
unterstützen. Aber nun hat sich die Lage geändert und dementsprechend wird sich
auch die Politik radikal ändern.“
Sprecher:
In diesem Jahr beginnt der neue 5-Jahrensplan. Alle Betriebe werden in den
nächsten Monaten evaluiert, sagt Yaroshevich. Strategisch bedeutende
Unternehmen, wie der Kalibergbau und die Waffenfabriken sollen in Staatsbesitz
bleiben, eine zweite Gruppe an Investoren verkauft werden. Und dann gibt es da
noch eine dritte Gruppe. Nervös schiebt Yaroshevich seine Unterlagen hin und her,
blickt hilfesuchend zum Pressesprecher:
Take Yaroshevich russisch/Übersetzung
Bd. 24’56 … er schnauft… bespricht sich mit Pressesprecher rechts…der schlägt ihm
Formulierung vor: Europa premir… Bd. 25’11 No, wut… bis Bd. 25‘48
Übersetzung:
„Die dritte Gruppe, das sind die Unternehmen für die es keine Hoffnung gibt. Sie
arbeiten einfach unwirtschaftlich. Sie werden geschlossen oder gehen bankrott.“
Sprecher:
Profit, Pleite oder Privatisierung - eine ganz neue Planwirtschaft in Belarus.
Musik
18
Literatur-Musik
Literatur 2:
Bei ihrer neuen Arbeit stellte Vieranika schnell fest, dass sich unter den zwei Dutzend
Besuchern, mit denen sie täglich zu tun hatte, garantiert wenigstens ein Irrer befand.
Zumal alle sie gewarnt hatten, von Larysa bis Ceslau Karlavic. Die Irren konnten es
kaum erwarten, eingelassen zu werden, sie sahen aus wie Menschen, die von den
Bürokraten an der Rettung der Welt gehindert wurden. Diese Wesen wollten
entweder über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen, oder sie verlangten etwas,
dass außerhalb des Zuständigkeitsbereichs von Vieranikas Abteilung lag. ...
Sobald Vieranika erkannte, wen sie vor sich hatte, ließ sie das Gespräch gar nicht
erst auf Touren kommen, sondern schob den Irren aus dem Büro. Und wenn der
ausfällig wurde, empfahl sie ihm, sich mit einer schriftlichen Beschwerde an die
Amtsleitung zu wenden. Neun von zehn fluchten höflich und kamen nie wieder.
Manchen antwortete sie brieflich: „In Betreff ihrer Eingabe müssen wir Ihnen leider
mitteilen, dass mittelfristig....“. Und weiter wie gehabt...
MUSIK
Moderation allgemein:
Belarussische Staatsvertreter werden nicht müde zu betonen, wie wichtig die
Unterstützung der kleinen und mittleren Unternehmen für die weißrussische
Wirtschaft ist. Doch statt diesen Sektor zu fördern, geschieht seit Jahren eher
das Gegenteil. Private Unternehmen werden mit Auflagen versehen, mit
Steuerforderungen überzogen oder mit Dekreten drangsaliert. Zum Beispiel
das Dekret Nr. 222, das im Januar 2016 in Kraft trat. Danach müssen
selbstständige Händler auch dann einen Ursprungsnachweis ihrer Ware
führen, wenn sie diese innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion gekauft
haben. Wer diese Papiere bei Kontrollen nicht vorzeigen kann, wird bestraft…
Atmo Vorlauf-Geräusch: Vogelgezwitscher…
Moderation konkret:
Ein Datschen-Gebiet am Rande von Minsk. Eine kurvige Sandpiste voller
Schlaglöcher führt vorbei an Gärten mit einfachen Holzhäuschen und
Luxusbungalows hinter Stahltoren. Irgendwo hier parkt ein weißer Transporter.
19
Hinter der Windschutzscheibe klemmt die rot-weiße Fahne der belarussischen
Opposition.
Geräusch-take 1
12.40 Vogelgezwitscher auf der Datsche– 13.50
Take 1 (Oksana) 0’11 ohne overvoice
1.38 Malinka garott, pomodar, pat tschout, schout
Sprecherin drüber:
„Das ist unser Küchengarten“, sagt Oksana und wischt die erdigen Finger an ihrer
grauen Arbeitshose ab. Dann führt die kleine, rundliche Frau vorbei an Reihen mit
Frühlingszwiebeln, Knoblauch, Tomaten-, Spinat- und Möhren-Pflänzchen. Dahinter
wachsen Himbeer- und Johannisbeersträucher. Zur Selbstversorgung in Krisenzeiten
wie dieser reicht das nicht, da macht sich Oksana keine Illusionen. Dafür ist die
Familie einfach zu groß.
Geräusch-take
2.41 durch den Garten, sehr schön Gewächshaus-Tür auf…
Sprecherin:
Gleich neben dem 10 Meter langen Beet steht ein einfaches Gewächshaus. Hier
ziehen Oksana und ihre beiden Schwägerinnen das Gemüse und die
Sommerblumen auf. Jedes Wochenende trifft sich die ganze Familie auf der
Datsche. „Seit Jahrzehnten schon“, sagt Igor, Oksanas Bruder, ein stämmiger
Mitvierziger mit breitem Kreuz, Vokuhila-Frisur und 3-Tage-Bart.
Take 2 (Igor) ohne overvoice
8.21 Ras, dwa tri, stery doma
Früher, als ich ein Kind war, gab es hier nur vier Häuser, und drum herum gab es nur
Wald. Da haben wir gespielt und sind angeln gegangen…
20
Sprecherin:
Früher, als ich ein Kind war gab es hier nur drei, vier Häuser, erinnert sich Igor.
Jetzt stehen rundherum unzählige Datschen: Alte, windschiefe Holzhäuser neben
modernen Klinker-Palästen mit mannshohen Zäunen und schweren Metalltoren.
Geräusch-take
12.40 Vogelgezwitscher auf der Datsche– 13.50
Sprecherin:
Nieselregen setzt ein. Igor bittet in ein Holzhäuschen mit abblätternder Farbe - die
Sommerküche. Neben der Eingangstür hängen armlange Schaschlik-Spieße,
unbenutzt. Schweinfleisch ist zu teuer geworden. Einzig Hühnchen leistet sich die
Familie noch ab und zu. Igors Sohn zwängt ein Dutzend Hühner-Flügelchen in ein
Drahtgestell und legt es draußen auf den Grill.
Take 3 (Igor) deutsche Übersetzung
39.21 Mui starsche sin...
„Mein ältester Sohn hat die Technische Hochschule abgeschlossen, dann hat er
noch 2,3 Kurse in Programmieren gemacht. Aber er findet keine Arbeit, alle wollen
zwei Jahre Erfahrung.“
Geräusch-take
4.55 hinsetzen an den Datschentisch…
Sprecherin:
Schemel und Stühle werden herangeschleppt. Die ganze Familie rückt zusammen
um den langen Tisch mit der geblümten Plastikdecke. In der Ecke brummt der
altersschwache Kühlschrank. Oksana verteilt Teller und Gabeln. Igors Frau kommt
aus einem winzigen Nebenraum, stellt einen großen Topf mit Pellkartoffeln auf den
Tisch. Reicht dazu ein Tellerchen mit Kräutern.
21
Take 4 (Igor) deutsche Übersetzung:
34.35
„Wir essen weniger. Neulich konnte ich nicht alle Steuern zahlen, weil alles, was ich
verdient hatte, musste ich gleich wieder ausgeben. Früher konnte ich immer ein
bisschen sparen, da konnten wir auch mal in Urlaub fahren. Diese Zeiten sind vorbei.
Heute arbeite ich, bekomme das Geld und das geht morgen für die Betriebskosten
drauf. Wenn mein Auto jetzt kaputt gehen würde, wüsste ich nicht, wie ich die
Reparatur bezahlen soll…“
Sprecherin:
Igors weißer Transporter ist sein Betriebskapital. Denn Igor ist privater
Fuhrunternehmer. Er liefert, was die Kunden kaufen. Doch die wenigsten können
noch größere Anschaffungen machen, sagt der Mitvierziger und verschränkt die
kräftigen Arme vor dem Oberkörper: „Alle hier spüren die Krise“.
Take 5 (Igor) deutsche Übersetzung
19.01 Paslinje try goda… ruble
„Vor drei Jahren war alles noch in Ordnung, doch seit zwei Jahren geht es bergab.
Und im letzten Jahr waren wir bei Null. Jetzt haben wir kaum etwas zu tun, und wir
sehen nicht, dass es in Zukunft besser wird. Vor eineinhalb Jahren war der
Durchschnittspreis für Transporte in der Stadt 11bis12 Dollar pro Stunde. Jetzt sind
es weniger als 8, eher 7 Dollar pro Stunde (polutschaitse cien)
Sprecherin:
Früher hat Igor neun Stunden pro Tag hinter dem Steuer gesessen. Jetzt ist er froh,
wenn er ein paar Stunden zu tun hat. Beim Kampf um die raren Aufträge unterbieten
sich die Fahrer gegenseitig. Igors Schwester Oksana nickt. Auch sie arbeitet für ein
privates Unternehmen und kennt die Gängelungen durch den Staatsapparat nur zu
gut:
Take 6 (Oksana)
45.15
„Wenn meine Firma einen Vertrag mit einer staatlichen Stelle macht, über einen
Auftrag von 10-15.000 Euro, dann brauchen wir 10-15 Unterschriften. Es dauert
mindestens einen Monat bis wir die Unterschriften zusammen haben. Je größer der
Auftrag wird, desto bürokratischer wird seine Abwicklung. Das liegt bei uns im
22
System. Nach dem Ende der Sowjetunion gab es hier ein paar kleine Änderungen,
aber im Großen und Ganzen blieb es beim alten System.“
Sprecherin:
Und das fällt uns nun auf die Füße, sagt Igor aufgebracht. Früher hat er sich gegen
das Regime engagiert, noch heute klemmt die rot-weiße Flagge der belarussischen
Opposition hinter der Windschutzscheibe seines Transporters. Doch gebracht hat all
das nichts…
Take 7 (Igor)
24.25 Eta situatia principal 25.10 Schwester mischt sich ein…
„Seit 20 Jahren läuft es darauf hinaus. Das war doch vorhersagbar. Es ist einfach
nichts passiert. Ich habe einen Freund, der in einer staatlichen Fabrik arbeitet. Er hat
immer angegeben: Er hat nichts zu tun. Aber er bekommt seinen Lohn trotzdem,
obwohl die Fabrik nichts erwirtschaftet.
Sprecherin:
Gerade hat Präsident Lukaschenko dazu aufgerufen, den Gürtel enger zu schnallen.
Igor verzieht das Gesicht. Er macht keinen Hehl aus seiner Abneigung:
take 8 (Igor)
51.38-52.32
„In den letzten 20 Jahren dieser Präsidentenreden hatten wir drei RubelAbwertungen, wir hatten eine Inflation von 300 % im Jahr 2011. Da musste ich die
Preise jeden Tag erhöhen, um sie anzupassen. Ich habe der Rede des Präsidenten
dieses Jahr nicht zugehört. Ebenso wenig wie in den Jahren zuvor.
Sprecherin:
Die Geschwister haben die falschen Versprechungen einfach satt. Wir Weißrussen
haben gelernt mit wenig auszukommen, aber naiv sind wir nicht, sagt Oksana:
Take 9 (Oksana)
1.10
„Wir würden gerne glauben, dass es bald besser wird. Aber das ist Autosuggestion.
Es gibt keine Anhaltspunkte für eine Verbesserung. Zumindest ich sehe keine.
23
Take 9 b (Igor)
Igor: „Egal wo oder was du arbeitest, egal, ob Du für oder gegen die Regierung bist,
wenn jemand fragt, wie geht es Dir, dann gibt es nur depressive Antworten. Und
wenn es heißt: Alles ist gut. Dann ist man wirklich überrascht.
MUSIK
Mod
Seit 22 Jahren regiert Präsident Alexander Lukaschenko mit autokratischen
Vollmachten das Land. Zu keiner Zeit hatte die Opposition bei Wahlen eine
Chance. Regelmäßig beklagten OSZE-Beobachter den unfairen Wahlablauf,
regelmäßig schlugen Sicherheitskräfte Proteste brutal nieder, willfährige
Richter verurteilten Oppositionsführer ein ums andere Mal zu langen
Haftstrafen. Oft dienten die politischen Gefangenen später als
Verhandlungsmasse bei Gesprächen mit der EU. Zurzeit wird wieder einmal
von einer Annäherung zwischen der EU und Belarus gesprochen. Die
politischen Gefangenen sind freigelassen, ein Teil der Sanktionen gegen
Weißrussland aufgehoben. Von der politischen Opposition aber ist nach wie
vor nur wenig zu sehen. Derweil suchen einige Oppositionelle andere Wege,
um das System zu Reformen zu bewegen,,,
Atmo:
1.35.16 Donbre djen….. y dobre dien…
Sprecher:
Jaroslaw Romantschuk beugt sich über ein Tischmikrofon neben dem Netbook,
begrüßt schwungvoll seine Hörerschaft. Jeden Tag sendet „Primus“ im Internet.
Primus, das bedeutet Allesbrenner. Eine Stunde lang präsentiert der Ökonom
aktuelle Wirtschaftsnachrichten. Meist sind es Krisenmeldungen: Rubel-Abwertung,
Privatisierungs-Pannen, schrumpfende Devisen-Reserven.
Take 1
1.08.41 the most frequently asked question...
Sprecher drüber:
24
„Am häufigsten höre ich die Frage: Hast Du denn keine Angst, die Wahrheit zu
sagen?“ erzählt Romantschuk. Und lächelt schelmisch. Nein, hier in seinem kleinen
Büro unterm Dach eines Neubaus, hat er keine Angst. Obwohl er genau weiß, wie es
sich anfühlt, wenn der allmächtige Geheimdienst KGB einen in die Mangel nimmt.
Vor sechs Jahren trat Romantschuk bei den Präsidentschaftswahlen als einer der
unabhängigen Kandidaten an. Tausende gingen nach der Wahl auf die Straße,
protestierten gegen Fälschungen. Die Demonstration wurde brutal
niedergeschlagen, Hunderte verhaftet. Auch Romantschuk. Ebenso sein Freund
Anatoli Lebedko, der Vorsitzende der Bürgerpartei
Take 2
1.22.04 1.22.04 Night when...
To ease Lukaschenkos anger…
0.30
ÜS:
„Als der KGB mich verhaftete sagten sie: Wenn Du unsere Nachricht nicht im
Fernsehen verliest, werden wir deinen Freund Lebedko umbringen. Du wirst dafür
verantwortlich sein, dass du deine politischen Ambitionen über ein Menschleben
gestellt hast. Also verlas ich die Botschaft. Um Lukaschenko zu besänftigen...
Sprecher:
Mit zittrigen Händen und brüchiger Stimme präsentierte er im Staatsfernsehen die
geforderte Erklärung und verurteilte angebliche Ausschreitungen der Demonstranten.
“Ich konnte nicht anders”, sagt er heute, sonst wären Menschen getötet worden. Für
viele aus der Opposition wurde Romantschuk damit zum Verräter
Take 3:
1.22.57 People from the opposition...
... European politicians, ist outrageours,.
0.38
ÜS:
„Einige Opposition-Politiker erwiesen sich als fieser und hinterhältiger als die
Lukaschenko-Leute. Die machten nur das, was man von ihnen erwartet hatte. Aber
diejenigen, die behaupteten, sie sind Europäer, Demokraten, sie verbreiteten nichts
als Lügen. “Romantschuk ist schwul” hieß es. Lukaschenko erpresst ihn mit heimlich
25
aufgenommenen Videos. Oder: “Romantschuk will einen Regierungsposten”. Das
waren alles Lügen. Und diejenigen, die sie verbreitet haben, sind noch heute die
Ansprechpartner für europäische Politiker. Das ist doch unglaublich
Sprecher:
Nein, seitdem will er mit der Opposition nichts mehr zu tun haben. Folkloristisch
nennt er ihre Kandidaten. Immer dieselben Gesichter, die auch noch oft
gegeneinander antreten. Romantschuk setzt heute lieber auf die Kraft seiner
Wirtschaftsnachrichten. Knapp 80.000 Nutzer informieren sich regelmäßig. Der
Ökonom doziert in der Ukraine, berät den weißrussischen Verband der
Kleinunternehmer:
Atmo 2: Computer, Tastatur
Sprecher:
Romantschuk klickt sich durch seine Veröffentlichungen: „Wege aus der Krise“.
„Sozio-Ökonomische Entwicklung in Weißrussland 2015“, „Belarus 20/20“. Seit zehn
Jahre seziert der Ökonom unermüdlich das weißrussiche Wirtschaftssystem. Aus
dem wirtschaftsliberalen Blickwinkel.
Atmo: Compter:
Sprecher:
Kürzlich hat der Verband der Privatunternehmer dem Büro des Präsidenten ein 40seitiges Papier überreicht. 86 Forderungen für ein besseres Wirtschaftsklima.
Zusammengetragen von Romantschuk: Fairer Wettbewerb, ehrliche Privatisierung,
26
effektive Entbürokratisierung. Kurzum: Verlässliche Rahmenbedingungen für
wirtschaftliches Engagement:
Take 4
32.20Especially ...
. he share of the government to 65 %..
ÜS:
„Wenn man ein Staatsunternehmen kauft, kann es in der Zukunft immer wieder
Überraschungen geben. Der spektakulärste Fall ist die Schokoladenfabrik Spartak in
Gomel. 1993 wurde das Staatsunternehmen verkauft. 20 Jahre lang produzierte dort
der neue Besitzer. Und dann stellte ein Gericht fest, dass die Fabrik beim Verkauf
angeblich unterbewertet war. Schließlich hat die Regierung 65 Prozent der FirmenAnteile übernommen.“
Sprecher:
Mehr als 3.000 Staatsbetriebe schreiben Verluste, sagt der Ökonom. Das sind
offizielle Zahlen, die für Unruhe im Wirtschaftsministerium sorgen und für
koordiniertes Nichtstun:
Take 5
10.01 The best solution ... … it is alle about creativity in the language…
ÜS:
„Um sein persönliches Risiko zu minimieren, um nicht seinen Job zu verlieren oder
ins Gefängnis zu kommen, ist es am Schersten nichts zu tun. Man geht auf
Sitzungen, besucht Unternehmen, redet über Möglichkeiten der wirtschaftlichen
Erholung. Aber bitte nur theoretisch:nur reden, nicht handeln. So redetewir erst über
“Import-Substitutionen”, dann über “rationelle Import-Substitutionen”. Wir diskutierten
über “effektive Investitionen”, jetzt sprechen wir über “effektive, innovative
Investitionen”. Das ist doch einfach Sprachmüll, man hängt einfach ein Adjektiv an
ein Nomen...“
Sprecher:
Romantschuk löffelt Instant-Kaffee in die Tassen, schaltet den Wasserkocher an.
Manchmal schläft er hier auch auf dem kleinen Sofa, sagt er. Wenn er mal wieder
über einem Artikel grübelt, oder sich auf einen Auftritt vorbereitet. Zuletzt durfte er
27
sogar im Staatsfernsehen mitdiskutieren. Über die Wirtschaftslage. Das gab es
vorher noch nie. Ein eindeutiges Krisenzeichen:
Take 8
They cannotz do ...
....And that is easy...
ÜS:
„Die Funktionäre brauchen jemanden, der Klartext redet, der eine andere Linie vertritt
als die offizielle. Ich spreche aus, was sie Lukaschenko gerne sagen würden, sich
aber nicht trauen. So einfach ist das.“
Literaturmusik
Literatur 3
Vieranika reagierte nicht, und erst als ihr dämmerte, dass sie wohl antworten sollte,
beeilte sie sich zu nicken: “Ja, ja, selbstverständlich“. „Wir wurden in Kenntnis
gesetzt, dass die Regierung ihrer Isolations- und Bildungspolitik einer Revision
unterzieht. Auch Sie, Vieranika Backauna, werden sich nicht nur einmal Gedanken
darüber gemacht haben, welche enormen Kosten der Staat für die Unterhaltung der
Lager zu tragen hat, in denen Verbrecher der gehobenen Klasse einsitzen. Also:
Ihre Neuordnung und der Plan für ihre Liquidierung sind auszuarbeiten. Daraus ergibt
sich....“. Es würde bald keine Lager mehr geben. Für ihre Verbrechen am Volk sollten
die Faschisten anders und härter bestraft werden. Angemessen! wie Ceslau mit dem
kahlen Zeigefinger wedelte. ... Das hieße alle Dossiers revidieren, qualitativ und
quantitativ festlegen, welche Parteien zu liquidieren waren, sich mit neuen Gesetzen
vertraut machen, mit Juristen zusammenarbeiten, neuen Normen finden, sich mit der
Ideologischen abstimmen. Ja, da war wirklich eine neue Ära angebrochen. Jetzt
erinnerte sich Vieranika wieder an seine Worte. Da sah es für sie in den nächsten
drei Monaten schlecht aus mit Urlaub...
Literatur-Musik hoch/Kreuzblende mit Atmo
Vorsteller-Geräusch
Bd. 1’05 Funkstimme aus der Taxizentrale bis Bd.1’21, dann weitere Fahrt…
Anmoderation:
28
Der Minsker Hi-Tech Park liegt außerhalb des Autobahn-Ringes. Zehn AutoMinuten entfernt von der Metro-Endhaltestelle. Der Hi-Tech Park ist ein Beispiel
dafür, dass nicht überall in der weißrussischen Wirtschaft Flaute und
Frustration herrscht. Es gibt auch Hoffnungsschimmer. Der Initiator und Chef
des Hi-Tech Parks, Dr. Valeri Tsepkalo, (Aussprache: Valeri Tsäpkalo) war
lange Jahre im Staatsdienst tätig, als belarussischer Botschafter in den USA
und als Berater für Wissenschaft und Technik.
Geräusch-take 1
0.47 Gespräch im Hintergrund, piepen
Sprecherin:
Elena Shkarubo beugt sich ein wenig vor und mustert das zarte Gebäck und die
feinen Törtchen in der edlen Glasvitrine.
Take 1 (Elena) ohne o.v.
1.52 Did you try these things? They are so tasty…
Sprecherin:
“Habt ihr schon etwas probiert?” fragt Elena. “Alles ist soo lecker, alles Französisch“,
sagt die 33Jährige und überlegt kurz. Dann entscheidet sie sich für eine mit Käse
gefüllte Blätterteig-Tasche als Mittagsimbiss.
Take 2 (Elena) ohne o.v.
2.13 It is not sweet, this my lunch, it is cheese and a kind of cabbage..
Sprecherin:
Die zierliche 33Jährige mit den langen dunklen Haaren legt 28.000 weißrussische
Rubel, umgerechnet 1,25 Euro auf den Tresen und greift zur Papiertüte mit dem
Gebäck. Die dunklen Wände des Cafés sind über und über mit Worten und SinnSprüchen verziert. „Think globaly“, ist zum Beispiel zu lesen. „Start up“ und
„CoWorking“. Doch hier ist nichts einfach hingeschmiert, sondern alles MotivationsSemantik.
29
Geräusch-take 2 (Elena)
2.48 geht über die “Die Straße/Allee des Erfolgs”…
Sprecherin:
“Alley of Success” verkündet ein Schild, das aus dem Bistro heraus führt. Elena
stöckelt die Allee des Erfolgs entlang und zwinkert fröhlich: “Wir arbeiten hier, damit
unser Traum wahr wird”, sagt sie. Es klingt ein wenig auswendig gelernt.
Take 3 (Elena) ohne o.v.
Bd. 23’21 We are working here, we are making our dreams come true here.
Sprecherin:
Die 33Jährige ist Chefin eines kleinen Startups. “Meetngreetme” heißt die Plattform,
die Dienstleistungen und Concierge-Service an Reisende in aller Welt vermitteln will.
Geräusch-take 3 Schritte, Piepen
Sprecherin:
Elena geht vorbei an jungen Männern, die auf orangenen Sitzsäcken hängen, ihre
Laptops auf dem Schoß. Knallrote, britische Telefonzellen ermöglichen ruhige
Handy-Gespräche. Und die Backstein-Wände im Hi-Tech Park sollen an
Fabrikgebäude in San Francisco der 70er Jahre erinnern, an die Pioniere des
Computer-Zeitalters.
Geräusch-take 3 Schritte, Piepen
Sprecherin:
Viele Türen sind nur mit Magnet-Karten zu öffnen. Elena steuert ihr Büro im zweiten
Stock an, im so genannten Business-Inkubator - der Brutmaschine für Startups. In
Januar ist sie mit ihrem Team eingezogen. Nicht nur wegen der günstigen Miete,
30
läppische 2 Dollar 50 pro Quadratmeter, sondern auch wegen des kreativen Umfelds.
Rund 24.000 Programmierer und Software-Ingenieure arbeiten im Hi-Tech Park. Ein
Pool, auf den Elena und ihre Kollegen zurückgreifen können.
Take 4 (Tsepkalo)
Bd. 56’41 We can go up… Tür auf… Oxanna… uuh… let me show you from the top
floor… Bd. 56’54 kramt nach dem Schlüssel…
Sprecherin:
Sechs Stockwerke über Elena sucht Dr. Valery Tsepkalo im Sekretariat nach einem
Schlüssel. Der agile 51Jährige in lederner Fliegerjacke und trendigen Turnschuhen
eilt Richtung Obergeschoss. Im Flur hängen ein paar schwarz-weiß-Fotos. Sie
zeigen kaputte Gebäude, bröselnden Beton.
Take 5 (Tsepkalo) ohne ov.
Bd. 57’09 That’s our floor… zeigt drauf, klappert… that’s how it looked like when we
would given that building…
Sprecherin:
Tsepkalo tippt auf eines der Fotos: Unverputzte Wände, leere Fensterhöhlen,
Schutthalden. „So sah es 2005 hier aus, als uns die Gebäude von der Akademie der
Wissenschaften übergeben wurden“, sagt der Chef und Gründer des Hi-Tech Parks.
Dann biegt er nach links, eine Treppe hinauf…
Take 6 (Tsepkalo) ohne ov.
Bd. 57’30 Ah, its open… redet, lacht … Treppe hoch…
Sprecherin:
Das Obergeschoss: Rundherum verglast, in der Mitte ein riesiger Besprechungstisch,
mit Platz für 70 Firmenchefs. Doch das reicht schon lange nicht mehr. Tsepkalo
deutet aus einem der großen Fenster, auf Dutzende mehrgeschossige Gebäude, die
sich fast bis zum Horizont erstrecken….
31
Take 7 (Tsepkalo) ohne ov
Bd. 58’39 That is the whole territory, that is 50 Hektar including residential building,
including even the Kindergarten and the Highschool… So that is the forest…
Sprecherin:
50 Hektar umfasst das Gelände des Hi-Tech Parks mit Büro-Gebäuden,
Wohnblocks, Kindergärten, einer Schule und einem Hotel. Tsepalko blickt nach
unten, auf den mehrspurigen Autobahn-Ring, der Minsk umgibt.
Take 8 (Tsepkalo)
Bd. 58’39+++ It is interesting … the external side …
Übersetzung:
„Uns wurde nicht gerade das beste Gelände gegeben. Denn die Regierung glaubte
nicht, dass wir erfolgreich sein würden. Sie wollten nicht, dass wir näher am Zentrum
bauen. Wir sind sogar außerhalb des Autobahnrings…“
Sprecherin:
Damals gewährte Präsident Lukaschenko einen Kredit über 300.000 US-Dollar,
verzinst zu 17 Prozent sowie Steuer-Erleichterungen. Das Darlehn ist längst
zurückgezahlt, sagt Tsepkalo. Die Steuer-Vergünstigungen laufen weiter: 9 Prozent
Einkommenssteuer statt der üblichen 13. Mehr staatliche Unterstützung gibt es nicht.
Trotzdem kann sich die Bilanz des Parks sehen lassen: In rund 10 Jahren haben sich
151 private Software-Firmen angesiedelt, die 24.000 Software-Ingenieure und ITExperten beschäftigen. Sie erwirtschafteten in dieser Zeit einen Umsatz von rund
einer Milliarde US-Dollar. Tsepkalo vergleicht nüchtern, aber nicht ohne Stolz:
Take 9 (Tsepkalo)
Bd. 55’15 And now our role of HTP… that we are creating…
Übersetzung:
„Unser Anteil am belarussischen Bruttoinlandsprodukt ist heute größer als der des
gesamten Maschinenbausektors, inclusive dem Traktoren- und dem Lkw-Werk. Denn
sie alle sind auf Importe angewiesen. Und wenn sie ihre Güter exportiert haben,
bleibt unterm Strich nicht viel. Die Software-Industrie funktioniert anders. Alles, was
wir produzieren, kommt dem Bruttoinlandsprodukt zugute…“
Sprecherin:
32
Der Erfolg des Hi-Tech Parks in dem rohstoffarmen Belarus ruhe auf drei Säulen,
sagt Tsepkalo, lächelt verschmitzt und zählt auf: Säule 1 - Bildung, Säule 2 Bildung und Säule 3 – was wohl - Bildung. 60 so genannte Labs betreibt der Park an
den staatlichen Universitäten. Selbst Studierende der linguistischen Fakultäten
werden im Bereich IT geschult. 3.000 Absolventen stellen die IT-Unternehmen des
Parks jedes Jahr neu ein. Gerade ist man dabei, in Grodno an der Grenze zu Polen,
eine Dependance zu eröffnen. Die Wirtschaftskrise, die Belarus in den Klauen hält,
von der ist hier, am Rande von Minsk, nichts zu spüren.
Take 10 (Tsepkalo)
Bd. 29’09 Because 90 percent of our products… But it is only 10 percent.
Übersetzung:
„90 Prozent unsere Produkte gehen außer Landes. Nur 10 Prozent sind für den
inländischen Markt bestimmt. Natürlich spüren die Unternehmen, die für den Markt
hier programmieren, dass viele Kunden nicht zahlen können. Aber es sind eben nur
10 Prozent.“
Sprecherin:
Die Produkte und Dienstleistungen des Hi-Tech Parks werden vor allem nach Europa
und die USA exportiert. Doch längst hat man mehr zu bieten als LohnProgrammierung. Viber, die Skype-Version für Smartphones ist hier entstanden,
genauso Masquerade, eine beliebte App, die gerade an Facebook verkauft wurde.
Und natürlich „World of Tanks“ – ein weltweit erfolgreiches Computer-Spiel,
beruhend auf Panzer-Schlachten des 2. Weltkriegs. Erfolgsgeschichten, die
motivieren sollen.
Take 11 (Tsepkalo)
Bd. 17’30 In our case… that have consessions from the side of the gov.
Übersetzung:
„Wir versuchen unseren jungen Leuten zu zeigen: Du kannst hier deine Zukunft
gestalten, indem du nur dein Hirn anstrengst. Sonst nichts. Du brauchst keine
Zugeständnisse der Regierung. Du kannst dich allein auf deinen Intellekt verlassen
und damit erfolgreicher sein als jene, die die Zugeständnisse seitens der Regierung
genießen.“
33
MUSIK
Abmoderation:
Von Kartoffel-Kolchosen und Software-Schmieden: Weißrussland, Europas letzte
Planwirtschaft. Das waren die Gesichter Europas an diesem Samstag. Eine
Sendung mit Reportagen von Anja Schrum und Ernst-Ludwig von Aster. Die
Literatur entnahmen wir dem Buch „Die Elster auf dem Galgen“ von Alhierd
Bacharevic, (Alherd Bacharewitsch ) erschienen im Leipziger Literaturverlag
2010, gelesen von Adam Nuemm Redakteur am Mikrofon war Norbert Weber.