Gottesdienst mit PKHVZ 26. Juni 2016 Richterswil Apg 16,6-10 mit M. Walter, Vizepräsident PKHVZ: „Komm herüber und hilf uns!“ Liebe Gemeinde aus Hiesigen und Gästen, geschätzte Brüder und Schwestern in Christus, „Wenn Gott dir eine Tür zuschlägt, dann öffnet er dir ein Fenster“ – dieser Spruch kommt mir wieder in den Sinn bei dem, was Paulus und seine Begleitern erlebt haben: Was Lukas als Fortsetzung seines Evangeliums hier in der Apostelgeschichte berichtet, ist beim ersten Lesen oder Hören keineswegs nur eine vermeintliche einzige Erfolgsgeschichte. Kennen Sie das auch: Da nehmen wir uns ganz fest etwas vor, machen Pläne – und dann kommt alles ganz anders als geplant und erwartet… Und erst im Nachhinein zeigt sich dann manchmal, dass es eben doch genauso kommen musste, wie es kam. Damit es am Ende gut wird. So wie ein anderer Spruch sagt: „Am Ende ist alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.“ „Wenn Gott dir eine Tür zuschlägt, dann öffnet er dir ein Fenster“ – das habe ich schon manchmal erfahren und erst im Nachhinein zumindest ansatzweise verstanden. Wenn man bereit ist, das Fenster zu sehen und nicht vor der Tür stehen zu bleiben. Das erfuhren also auch Paulus und seine Gefährten mit ihren gut gemeinten Plänen. Was sich im Rückblick wie die Kurzzusammenfassung einer missglückten Reise durch die heu 1 tige Westtürkei anhört, war dazumal – wie auch heute noch – ein langwieriger Prozess der Demut. Und der Herausforderung, daran zu glauben, dass alles doch irgendwie Sinn macht. Konkrete Hindernisse und Schwierigkeiten, die den Reiseplan durchkreuzten, werden so im Lichte des Glaubens gedeutet: Der heilige Geist oder der Geist Jesu, so heisst es hier von Paulus und seinen Gefährten, liessen nicht zu, dass sie den selbst ausgedachten Weg gehen. Denn sie waren offenbar zu anderem bestimmt: „Komm herüber und hilf uns!“ UmeinenRufergehteshier.ZumErsten:WasisteinRufer? Kommherüber,sollderMannausMazedoniengerufenhaben.Ist daseineraufdemMarkt,derLeutezuseinemStandherüberrufen will,weilerdasGeschäftmachenwill?Oderrufter,weilersichzurückgesetztfühlt:"Ichbindochauchda,sehtmichundmeineWare!Kauftdochauchbeimir!".OderistderRufereiner,derwirklich Hilfebraucht,weilerineineLagegeratenist,dieeralleinenicht mehrbewältigenkann? Etwas fällt vielleicht auf: Vom Erzählen über „sie“, die Reisenden in Sachen Jesu, wechselt Lukas in seinem Bericht ins „Wir“ – denn da wird es nun ganz persönlich, es wird dringlich. Eine Entscheidung ist gefragt. Dem Ruf folgen oder nicht? UmeinenRufergehteshier.ZumZweiten:Warumrufter? 2 EinRuferinderWüstewarderMannausMazedoniennicht.Errief nichtausVerzweiflungindieWelthinaus:"Seht,wieschlechtsie gewordenist!Seht,wiejederMenschnurnochfürsichselber schaut!".DerMannausMazedonienbliebmitseinemRufennicht allein.ErmusseintragendeStimmegehabthaben.Einerhörteihn. SeineStimmegingnichteinfachunter.SeinRufhatteetwas,das weckte.Paulustatallesundbrachtealleundalleszusammen,um zuihmzugelangen. „Komm herüber und hilf uns!“ Eindringlich ist der Ruf. Vielleicht kannte unser Rufer die Psalmen, in denen immer wieder gerufen wird: „Aus tiefer Not schrei ich zu Dir“, heisst es zB im 130. Psalm – Bach hat daraus eine ganze Kantate gemacht… Rufen, Schreien gehört also zum Glauben. Unser Rufer hatte offensichtlich welchen… UmeinenRufergehteshier.ZumDritten:Woherrufter? AusMazedonienruftunserMann,alsoquerüberdasägäische MeernachKleinasienhin,woPaulusgeradeweilt.IstderMann etwagenauvondorthergekommen?IstereinAbenteureroder einEntdecker,derzuneuenUfernaufgebrochenunddortfündig gewordenist?Einer,derjetztumVerstärkungruft?Verstärkung, umseinGeschäftausbauenzukönnen?Verstärkung,umdenLeuteninMazedonieneinneuesLebenzubringen? Wir alle kennen Leute, die zu Hilfe eilen, ohne zu wissen, was sie beim Helfen erwartet: Feuerwehrleute, Sanitäter, Polizei, Notfallseelsorge; Flüchtlingshelfer, Ärzte ohne Grenzen. Grade jetzt in jener Gegend, wo Paulus der Ruf ereilt hat, am Mittel 3 meer. Wir erleben aber auch, dass die Hilfe manchmal auf sich warten lässt. Nicht einfach, das auszuhalten. Das gilt auch für den Glauben: Hiob steht als Beispiel dafür. Ihm verging sogar das Rufen… UmeinenRufergehteshier.ZumVierten:Zuwemrufter? EinfacherkannderRufdesMannesausMazedoniennichtsein: "Hilfuns!".DerMannhatMutgehabt.ErfälltdemAngerufenen fastmitderTüreinsHaus.Eristeinfachdaundbrauchtunsoffenbar.Aberwasistes,daserbraucht?Wievieldavonbrauchter? KanndieHilfeauchnochetwasaufsichwartenlassen?Undsind wirsicher,dasserehrlichumHilferuftunddasserehrlichmitunsererHilfeumgeht? „Komm herüber und hilf uns!“. Ja, das stimmt: Um Hilfe rufen – braucht das nicht auch Mut? Wer zeigt schon gerne, dass er Hilfe braucht? Das gilt für den einzelnen unter uns, das erleben wir in der Arbeit des hiesigen lokalen Hülfsvereins wie auch in der Arbeit des Protestantischen Hilfsvereins des Kantons. Nicht alle rufen um Hilfe, die sie brauchen, sei es manchmal aus Stolz (ICH brauche doch keine Hilfe), manchmal aus zu grosser Bescheidenheit. Viele, gerade ältere Menschen wagen es nicht, um AHV-Ergänzungsleistungen oder gar um Sozialhilfe zu fragen. Aber aus diesen Worten, diesem Hilferuf, höre ich auch die Ermutigung, die Ermächtigung, heraus, um Hilfe ersuchen zu dürfen und zu sollen. Gestützt auf das Vertrauen auf das Netzwerk 4 einer Gemeinschaft, die trägt. Materiell, aber vor allem auch geistlich. Ist das nicht unser Markenzeichen als christliche Gemeinde, die immer grösser ist als diejenige, die wir jeweils vor Ort sehen? Noch einmal ein Sprichwort: „Geteiltes Leid ist halbes Lied, geteilte Freude ist doppelte Freude.“ Unsere Gemeinschaft derer, die zu Gott rufen, ist nämlich dabei zugleich auch die Gemeinschaft derer, die gerufen werden. Das Reich Gottes braucht uns, mit „Herzen, Mund und Händen“. UmeinenRufergehteshier.ZumLetzten:WasgehtimAngerufenenvorsich? ManmussofteinGespürdafürhaben,dassHilfenötigist.Lange nichtimmer,wennHilfenötigist,wirdauchdarumgerufen.Paulus hatihndennauchineinerVisionrufengehört.Erhatetwasgeahnt,würdenwirheutevielleichtsagen.DieseAhnunghaterauf seineBegleitungüberspringenlassenkönnen.Dannersthabensie gemeinsamallesdarangesetzt,umzumRuferzugelangenundum dortdenMenschendasEvangeliumzuverkündigen. Helfen kann ansteckend sein, zeigt nicht nur die Bibel: Auch die Urgemeinde musste über ihren Schatten springen, um Hilfe rufen, sich helfen lassen. Der Ruf kam an. Die noch jungen Gemeinden wurden von einer Welle der Solidarität erfasst. Auch Schweizer und Schweizerinnen helfen gerne, lassen sich anstecken. Denken wir nur daran, was z.B. jeweils bei den Sammlungen der Glückskette zusammenkommt, wenn uns konkrete 5 Nachrichten und Bilder von in Not geratenen Menschen erreichen… Zurück noch einmal nach Kleinasien und von da aus in die jüngere Geschichte: Auf der Rückreise, wo Paulus also die Kollekte für die verarmte erste Gemeinde in Jerusalem mitbringt, wird er Gemeinden in eben jenen Gegenden besuchen, die ihnen vorerst verwehrt blieben. Da waren wohl schon andere am Werk. Ja, manchmal sind auch wir ganz überrascht, Glaubensgeschwister zu treffen, wo wir es gar nicht erwartet hätten. Das galt für Kleinasien, das gilt bis in unsere Zeit. Doch „der Geist weht bekanntlich, wo er will“ – da braucht es vielleicht nicht immer einen Paulus, aber dann vielleicht Hilfe. Heute nun lernen wir ein sehr praktisches Beispiel für diese Hilfe kennen: Der protestantisch-kirchliche Hilfsverein des Kantons Zürich, dem jeweils die Pfingstkollekte gewidmet ist und natürlich auch die heutige. Hören wir noch einmal den Vizepräsidenten Max Walter: 1843,alsdieserHilfsvereingegründetwurde,standdieSchweiz amBeginneinesneuenZeitalters.MaschinenundEisenbahnen kamenauf,dieBevölkerungkonntesichganzandersbewegenals früher.Reformiertegelangten-oftberufsbedingt-inGegenden, dietraditionellkatholischwaren.EigeneKirchendurftensieteils erstvorhundertJahrenbauen,wieesdasBeispieldersogenanntenSoldatenkircheinAndermattzeigt,dieletztesJahrauchmit GeldunseresVereinsrenoviertwurde. 6 VorallemInfrastrukturenwurdenausdemdamalsreformiertstarkenZürichherausunterstützt. OftbrauchteesdenBesuchindenFerienodereinenKontaktunter Pfarrkollegen,umaufsolchenHilfebedarfaufmerksamzuwerden. ManchmalverbotesschlichtderStolz,indiereformiertenStammlandequasibettelnzugehen.WurdendieKontaktehäufigerund enger,gingdannauchtatsächlichdannundwanneinkonkreter Hilferufein.AufdieseWeiseentstandenüberJahrzehntehinenge Bande.EsgibtnurwenigereformierteKirchenundPfarrhäuserin derInnerschweizoderimTessin,anderenBauoderUmbauder zürcherische,aberauchweiterekantonalereformierteHilfsvereine nichtbeigetragenhaben.ImTessinistzudemdasBedürfniserkanntworden,LehrmittelfürdiekirchlicheJugendarbeitzufinanzieren. NichtüberallundinsbesondereinderSchweizistdieseHilfeimmernochnötig."Hilfuns!"inschlichterFormerreichtunsalsRuf schonseitvielenJahrenausHugenottengemeindeninFrankreich. HierkommenVersammlungslokale,aberauchKirchen,insAlter, müssengeflicktodergarsaniertwerden,unddieöffentlicheOrdnungwill,dassauchsolcheOrtebrandsicherundbehindertengerechtsind.MitGeld,dasinderSchweiznichtweithinreichenwürde,könnenimBurgundwunderbareErgebnisseerzieltwerden.Es brauchtkeineVision,umzuerkennen,dasschristlicheSolidarität ansolcheOrtehinzumhiesigengelebtenGlaubengehört. Amen 7
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