Dr. Matthias Dammert: Ergebnisse der Studie

EMOTi-KOMM
Wirkungsanalyse emotionsorientierter
Kommunikationsansätze in der Betreuung von
Menschen mit Demenz in institutionellen
Pflegesituationen
Projektleitung:
Projektmitarbeit:
Prof. Dr. Daphne Hahn
Prof. Dr. Helma M. Bleses
Dr. Matthias Dammert MPH
Christine Keller M.Sc.PH
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Gefördert vom BMBF im Rahmen der Ausschreibung SILQUA-FH
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EMOTi-KOMM
Manche Menschen mit Demenz
zeigen zeitweilig sog. herausfordernde
Verhaltensweisen ………..
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Aggressivität, Agitation
Herumwandern, Weglaufen
Vokale Störungen (Schreien, Geräusche)
Apathie, Rückzugverhalten
Enthemmung
Etc.
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EMOTi-KOMM
Rahmenempfehlungen des BMG zum
Umgang mit herausforderndem Verhalten
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Verstehende Diagnostik
Nutzung von Assessmentinstrumenten
Das Validieren
Erinnerungspflege
Verschiedene körpernahe Maßnahmen, wie Basale
Stimulation
Bewegungsförderung
Pflegerisches Handeln in akuten psychiatrischen
Krisen
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EMOTi-KOMM
„Grundlagen und Voraussetzungen zur Umsetzung der
Rahmenempfehlungen“, u.a.:
(BMG 2006)
„Das wichtigste 'Arbeitsinstrument' bei der Bewältigung des Alltags und beim
Streben nach Wohlbefinden ist die Beziehung in der Pflege. (...)
Zusammenfassend: Nur in einer echten, einfühlenden und akzeptierenden
Beziehung ist ein auf Wohlbefinden und Lebensqualität ausgerichteter Alltag
möglich“.
„Beziehung ist notwendig, um Bedürfnisse, Bedeutungen, Auffassungen,
Affekte und situative Möglichkeiten zu erspüren und zu nutzen. Beziehung
bedarf des Interesses, der Neugier, Wachheit, Beachtung und der Reflexion.
Damit ist die eigene Person Hauptarbeitsmittel zur Entwicklung einer
akzeptierenden, vertrauensvollen und verlässlichen Beziehung“.
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EMOTi-KOMM
Die Basale Stimulation
„Die Expertengruppe empfiehlt, in die pflegerische
Beziehung die Anregung einzelner oder mehrerer Sinne
zu integrieren und …behutsam und reflexiv
einzusetzen. Dies gilt sowohl für die aktuelle Situation
als auch langfristig zur möglichen Prävention von
herausforderndem Verhalten“.
(Vgl. BMG 2006:102)
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EMOTi-KOMM
Integrative
Validation (IVA)
Basale Stimulation
Emotionsorientierte Kommunikationsansätze in der
Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz
Bislang keine oder nur geringe wissenschaftliche
Evidenz !
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EMOTi-KOMM
Forschungsfragen, u.a.
In welchen Situationen werden die Konzepte eingesetzt, können
damit Problemsituationen bewältigt werden?
Entspricht die Anwendung der Maßnahmen dem vermittelten
Wissen, werden die Konzepte modifiziert?
In welchen Situationen sind die Konzepte nicht erfolgreich?
Wie begegnen sich MitarbeiterInnen und BewohnerInnen mit
Demenz?
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EMOTi-KOMM
Praxispartner:
Evangelische Altenhilfe Gesundbrunnen
34369 Hofgeismar
EVIM Gemeinnützige Altenhilfe GmbH
65185 Wiesbaden
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EMOTi-KOMM
Untersuchungsvorgehen
1./2. Woche Teilnehmende unstrukturierte und strukturierte Beobachtung
(Protokollierung, Dokumentanalyse, Sampling)
3./4. Woche Nichtteilnehmende unstrukturierte Einzelfallbeobachtung
(Protokollierung, Dokumentenanalyse, Interviews)
Demencia Care Mapping (Analyse und Anfertigung eines
DCM-Berichtes)
4./5. Woche Nichtteilnehmende strukturierte Einzelfallbeobachtung (Proto(kollierung, Dokumentenanalyse, Interviews, Videographie)
6./7. Woche Analyse der Daten
8./9. Woche Nichtteilnehmende strukturierte Einzelfallbeobachtung , Proto(kollierung, Dokumentenanalyse, Interviews, Videographie
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DCM-Präsentation im Team
EMOTi-KOMM
Erfahrungen im Feld
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Breite Unterstützung von Seiten der versch. Leitungsebenen
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Vertrauen der Mitarbeiter muss gewonnen werden
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Beobachten und beobachtet werden erzeugt Unsicherheit
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Nicht-teilnehmende Beobachtung oftmals kaum möglich
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Emotionales Eingebundensein d. wissenschaftl. Mitarbeiter
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Ethische Fragestellung/Grenzüberschreitungen
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EMOTi-KOMM
Datenlage
in insgesamt 4 Nicht-Anwender und 5 Anwender-Einrichtungen
Art des Daten
Datenmaterials
5 AnwenderEinrichtungen
4 Nicht-AnwenderEinrichtungen
Beobachtungsprotokolle
62
74
Interviews
31
25
Personen im Sampling
27
26
Informationen aus der
Bewohnerakte
27
26
Dementia Care Mapping
26
26
erfolgt an ca. 24 Tagen
erfolgt an ca. 36 Tagen
Videographie
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EMOTi-KOMM
Forschungsfragen, u.a.
In welchen Situationen werden die Konzepte eingesetzt, können
damit Problemsituationen bewältigt werden?
Entspricht die Anwendung der Maßnahmen dem vermittelten
Wissen, werden die Konzepte modifiziert?
In welchen Situationen sind die Konzepte nicht erfolgreich?
Wie begegnen MitarbeiterInnen den BewohnerInnen mit
Demenz?
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EMOTi-KOMM
Ergebnisse / Beobachtungen (1)
Umgang und Kommunikation der Mitarbeitenden mit
den BewohnerInnen mit Demenz:
Kurze Kontakte, Kontaktunterbrechungen, aktive
Kontaktaufnahme oft nur bei funktionalen Anlässen,
Ignorieren von Bedürfnissen/Äußerungen, Sprechen in
Halbsätzen, Infantilisieren (Pflege-Wir, „Schätzchen“),
Ablenken, Beschwichtigen, Vertrösten, (falsche)
Zukunftsversprechen machen u.ä.)
Welche Erklärung gibt es hierfür? Was beeinflusst
unseren Umgang /Kommunikation mit Menschen mit Demenz?
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EMOTi-KOMM
Ergebnisse / Beobachtungen (2)
Eine systematische und regelmäßige Anwendung und
Umsetzung sowohl der IVA als auch der Basalen Stimulation
waren zumindest im Sinne einer idealtypischen,
methodischen und konzeptionellen Vollständigkeit,
wie in den Fortbildungen vermittelt, nicht zu erkennen
Keine Anwendung von IVA oder Basaler Stimulation bei
herausfordernden Verhaltensweisen
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EMOTi-KOMM
Basale Stimulation: Ergebnisse (3)
Positive Einstellung und Sichtweise
die Basale Stimulation
Der Bewohnerin/Bewohner etwas Gutes tun
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EMOTi-KOMM
Basale Stimulation: Ergebnisse (4)
Wie wird BS im Alltag angewendet und umgesetzt?
> Gelegentlich fragmentarisch als einzelne „Maßnahme und Technik“
Keine „richtige“ BS
während oder nach der Körperpflege
> Umsetzung erinnert oftmals an eine Art „Wellness-Behandlung“
> wird nicht in die „normale“ Pflege im Sinne von „normale Pflege nur
BS als „Add on“
Ziel: Beruhigung
anders“ integriert
> Häufigere Anwendung auf „speziellen“ Wohnbereichen
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EMOTi-KOMM
Basale Stimulation: Ergebnisse (5)
Maßnahmen und Ziele sind selten strukturiert,
überlegt und auf Person abgestimmt
Kaum Umsetzung im Sinne eines gemeinsamen
(somatischen) Dialogs
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EMOTi-KOMM
„Frau Tief ist auch so eine Kandidatin, wo ich jeden Tag auch einzelne
Elemente, nicht jeden Tag eine komplette Basale Stimulation, also eine
komplette Waschung anwende. Aber wirklich jeden Tag einzelne
Elemente, z.B., wenn ich das Bett hoch- und runterfahre, dass ich
dann wirklich meine Hand entweder hier an die Schulter halte oder
vorne dran oder dass ich halt auch wirklich dann, wenn ich sie auf die
Seite lagere, dass ich dann wirklich an der Körperseite nochmal mit
meinen Händen entlang fahre. Oder ja zum Beispiel auch ganz wichtig,
dass ich bei der Waschung nicht direkt im Gesicht beginne, sondern die
wirklich erstmal den Waschlappen an den Händen spüren lasse, dass
sie sich wirklich auch darauf einstellen kann, was passiert jetzt“
(Auszug Interviewtranskript KA1_I_A)
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EMOTi-KOMM
AD: „Bei der Basalen Stimulation ist es so. Wenn ich eine Körperwaschung mache, dann kann ich das eher am Nachmittag oder am
späten Abend. Ich muss mich dann selber auch so ein bisschen
einstimmen. Ich brauche meine innere Ruhe und Ausgeglichenheit,
sonst funktioniert das nicht. Und ich muss auch sagen, wenn ich
das jetzt bei jemandem mache, dann habe ich mir diesen Zeitfaktor
irgendwie herausgearbeitet, damit ich auch so ein bisschen diese
Ruhe habe. Deshalb mache ich das meistens im Spätdienst.
Interviewer: Also man muss dann vorher schon wissen, sich das dann
wirklich rausarbeiten?
AD: Ja, weil ich mach das dann auch oft abends, dieses Eincremen
und so weiter. Das kann man abends, wenn man die Grundpflege
gemacht hat.
(Auszug Interviewtranskrip: KA1_I_A)
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EMOTi-KOMM
„Herr Baum ist Wachkomapatient, Trachealkanüle. Herr Baum kriegt
alle 14 Tage eine Stunde basale Waschung von mir am Wochenende.
Am Anfang war es nicht so gut, er ist immer sehr stark verschleimt.
Initialbegrüßung, Musik, eine bestimmte CD, ich mache diese CD an,
das merkt sogar die Pflege. Die Pflege sagt 'holla'“
(Auszug Interviewtranskrip: KA1_I_A)
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EMOTi-KOMM
Basale Stimulation: Ergebnisse (6)
Ziel der BS: Vorwiegend Beruhigung und
Entspannung
Selten: Das Erzielen direkten körperlicher Effekte
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EMOTi-KOMM
Basale Stimulation: Ergebnisse (7)
„Effekte“
Entscheidend ist nicht die Maßnahme/Technik.
Entscheidend ist das „wie“ der Anwendung
Pos. Effekte, wenn Bedürfnis von MmD erkannt
werden und im Mittelpunkt stehen
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EMOTi-KOMM
FH: „Aber das ist natürlich auch die Frage, ob man das wirklich will.
und wenn man das nicht rüberbringen kann, dann sind das nur Sätze,
die man sich auch einfach sparen kann. (…) Gerade Basale Stimulation
kann man super abarbeiten. (…) Also bei einer Basalen Stimulation
MUSS man mit der Person ja nicht in Kontakt treten. Das muss man
nicht. (…)
Interviewer: Kann man aber trotzdem basale stimulieren?
FH: Genau. Man kann die Beine ausstreichen und das hat natürlich
dann wenig Effekt“
(Auszug Interviewtranskript KA2_I_A_)
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EMOTi-KOMM
Basale Stimulation: Ergebnisse (8)
„Effekte“:
Negative Effekte bei unbedachter Anwendung möglich
> psychisches und physisches Unbehagen,
Missachtung von Autonomie/Selbstbestimmung
Schulung sensibilisiert für die Welt /Wahrnehmung
pflegebedürftiger Menschen(mD)
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EMOTi-KOMM
Resümee
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Positive Haltung gegenüber der BS, wird jedoch selten
angewendet
Nicht integriert im Sinne von „normale Pflege nur
Vereinzelt einzelne Elemente
anders“
Verständnis von BS als „Stimulieren und
Bereizen“
kein systematisches, abgesprochenes und
strukturiertes Gesamtkonzept erkennbar
Schwierigkeiten beim Theorie-Praxistransfer
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EMOTi-KOMM
Fragen:
●
Lässt sich eine Haltung erlernen, wie kann man diese vermitteln?
Was heißt es aus der Perspektive einer MitarbeiterIn „in Beziehung“ zu sein,
empathisch zu sein, wertschätzend, authentisch usw.?
Warum handeln Mitarbeitende im Alltag entgegen ihren eigenen Ansprüchen
und ihres berufl. Selbstverständnisses? (Zeitfaktor?)
●
Warum wird BS vorwiegend als „Maßnahme und Technik“ verstanden?
Warum erfolgt das Vorgehen unstrukturiert, ohne gemeinsame Absprachen?
Warum spielen die „zentralen Ziele der BS“ keine Rolle?
Warum erfolgt keine Integration im Sinne von „normale Pflege nur anders“?
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EMOTi-KOMM
Publikation der Studie:
Dammert, M./Keller, Ch./Beer, T./Bleses, H.:
Personsein zwischen Anspruch und Wirklichkeit
- Eine Untersuchung zur Anwendung der Integrativen Validation
und der Basalen Stimulation in der Begleitung von Personen
mit DemenzBELTZ / JUVENTA - VERLAG
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EMOTi-KOMM
Vielen Dank !!
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