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27. september 2012
die neuen eu-verordnungen
« zur koordinierung der systeme der
sozialen sicherheit »
Mit den bilateralen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU sollte Vieles einfacher und besser werden. Erwerbstätige
Personen unterstehen neu grundsätzlich nur noch dem Sozialversicherungssystem eines Landes, auch wenn sie in mehreren
Staaten arbeiten. Das heisst, sie müssen die Sozialversicherungsbeiträge nur noch in einem Land entrichten.
Was einfach tönt, ist und bleibt schwierig in der Umsetzung. Die Regelungen wurden per 1. April 2012 grundlegend überarbeitet. Bei selbständiger Erwerbstätigkeit in mehreren Ländern wird neu auf die 25 % -Regel abgestellt. Bei Unselbständigerwerbenden mit Wohnsitz im Ausland (z.B. Grenzgängern) muss der Schweizer Arbeitgeber sicherstellen, dass diese Mitarbeitenden nicht am Wohnort eine Nebentätigkeit ausüben. Die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung kann damit ins
Ausland « kippen », das heisst, der Schweizer Arbeitgeber muss plötzlich im Ausland die Sozialversicherung abrechnen.
Mit Einführung der Personenfreizügigkeit CH-EU per 1. Juni 2002 wurde die berufliche Mobilität in vielerlei Hinsicht vereinfacht. So
auch im Bereich der sozialen Sicherheit. Der Anhang II des Personenfreizügigkeitsabkommens CH-EU (FZA) koordiniert die Sozialversicherungssysteme der Schweiz und den Mitgliedstaaten der EU. Diese Koordination erfolgt seit dem 1. Juni 2002 gestützt
auf die EU-Verordnungen (EWG) 1408/71 und 574/72. Per 1. April 2012 wurden diese durch die Verordnung (EG) Nr. 883/2004
und die Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 ersetzt. Damit ist die dritte Aktualisierung von Anhang II des FZA CH-EU
abgeschlossen.
1. Einleitung
Die dritte Aktualisierung vereinfacht unter anderem die Regeln für Personen, die sich von einem Staat in einen anderen begeben.
Weiter konnte die Schweiz den Nichtexport von sogenannt beitragsunabhängigen Leistungen wie Ergänzungsleistungen, Hilflosenentschädigung und Arbeitslosenhilfe beibehalten (Anhang X der Verordnung 883/2004). Ebenso können ausserordentliche IV-Renten
von Nichterwerbstätigen durch einen neuen Vorbehalt weiterhin vom Export ausgenommen werden. Diese werden weiterhin nur bei
Wohnsitz in der Schweiz gewährt.
In Bezug auf die Gleichbehandlung wurde in Art. 4 der Verordnung 883/2004 (Gleichbehandlungsgrundsatz) die Begrenzung auf
einzelne EU-Staaten aufgehoben. Neu profitieren alle vom FZA CH-EU erfassten Personen vom weltweiten Bezug von Leistungen aus
obligatorischen Sozialversicherungen der Schweiz. Das heisst, dass AHV/IV-Renten neu weltweit an Staatsangehörige von Belgien,
Dänemark, Estland, Ungarn, Litauen, Lettland, Malta, Polen, Rumänien und der Slowakei exportiert werden müssen.
Im Alltag sind bei folgenden Tätigkeiten Änderungen zu beachten:
▶▶ Unterstellung bei Tätigkeit in mehreren Staaten für den gleichen Arbeitgeber
▶▶ Unterstellung bei Tätigkeit in mehreren Staaten als Selbstständigerwerbender
▶▶ Gleichzeitige unselbständige und selbständige Tätigkeit in mehreren Staaten
▶▶ Internationales Transportwesen
▶▶ Gleichstellung Geldleistungen und Erwerbstätigkeit
▶▶ Abrechnung mit ausländischen Sozialversicherungsträgern
▶▶ Entsendungsdauer
▶▶ Elektronischer Datenaustausch - Formulare
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2. Verfahren
Das FZA CH-EU und damit die Verordnungen (EU) 883/2004 und 987/2009 sind betreffend die Versicherungsunterstellung ausschliesslich dann anwendbar, wenn die Person auf dem Gebiet der EU oder der Schweiz arbeitet und die Staatsangehörigkeit eines
EU-Mitgliedstaates oder der Schweiz hat.
Das FZA CH-EU ist schliesslich auf die folgenden Zweige der sozialen Sicherheit anwendbar:
▶▶ Leistungen bei Alter, Invalidität, Tod
▶▶ Krankheit
▶▶ Mutterschaft
▶▶ Unfall
▶▶ Arbeitslosigkeit
▶▶ Familienleistungen
Beispiel:
Ein amerikanischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Frankreich und einer unselbständigen Tätigkeit in der Schweiz ist in Bezug auf
die sozialversicherungsrechtliche Unterstellungspflicht nicht nach dem FZA CH-EU zu beurteilen. Es handelt sich hier weder um einen
CH noch um einen EU-/EFTA-Bürger.
Würde es sich um einen österreichischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Frankreich und einer unselbständigen Tätigkeit in der
Schweiz handeln, käme das FZA CH-EU resp. die Verordnungen (EU) 883/2004 und 987/2009 koordinierend zur Anwendung.
3. Übergangsfrist
Personen, welche nach den bisherigen Bestimmungen den Rechtsvorschriften des FZA eines Mitgliedstaates unterstellt waren, bleiben
während höchstens 10 Jahren diesem Mitgliedstaat weiterhin unterstellt (Art. 87 Abs. 8 Vo 883/2004). Ändert sich der Sachverhalt
der damaligen Unterstellung nach alter Verordnung (EWG) 1408/71 zum Beispiel infolge Erteilung einer Staatsbürgerschaft oder durch
Wegfall einer Tätigkeit, so muss die Unterstellung neu nach Verordnung (EU) 883/2004 beurteilt werden.
4. Unterstellungsgrundsatz
Die Unterstellung von erwerbstätigen Personen bei der Sozialversicherung kann sich aus dem AHV-Gesetz, dem Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU bzw. dem EFTA-Abkommen oder aus einem Sozialversicherungs-Einzelabkommen ergeben.
Das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA) CH-EU resp. das EFTA-Abkommen sieht vor, dass eine Person jeweils nur unter die Gesetzgebung eines einzigen Staates unterstellt wird, sogenanntes Erwerbsortsprinzip (Art. 11 Abs. 1 EU-Verordnung 883/2004 resp. Art. 13
Abs. 1 EFTA-Verordnung 1408/71).
Ausnahmen gibt es lediglich noch im EFTA-Abkommen, und zwar bei selbständigem und gleichzeitig unselbständigem Erwerb in verschiedenen EFTA-Staaten. Diese zwei Sonderfälle sind in der Wegleitung über die Versicherungspflicht (WVP) in Randziffer 2052 und
2053 zu finden.
Dieser Unterstellungsgrundsatz gilt nicht für Erwerbstätige, die weder Staatsangehörige der EU bzw. der EFTA noch der Schweiz sind.
Für sie sind die Sozialversicherungs-Einzelabkommen oder das AHVG massgebend.
Generell sind folgende Angaben notwendig, damit die Unterstellungsfrage beantwortet werden kann:
▶▶ Nationalität (EU-/EFTA- oder Drittstaatsangehöriger)
▶▶ Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers und der Familienangehörigen
▶▶ Vollständige Angaben zu allen Erwerbstätigkeiten und Erwerbsorten
▶▶ Genaue Angaben (Arbeitszeit/Umsatz) zu Home-Office-Tätigkeiten
▶▶ Handelt es sich um eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit?
▶▶ Dauer der Erwerbstätigkeit
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5. Vergleich der alten und neuen Unterstellungsregeln
Bei einer Tätigkeit in nur einem Staat gilt immer die Unterstellung in diesem Staat, also am Erwerbsort. Wer bisher in mehreren Staaten
einer Erwerbstätigkeit nachging, war in der Regel im Wohnsitzland der Sozialversicherung unterstellt. Der Tätigkeitsgrad im Wohnsitzland, die Anzahl Arbeitgeber und auch der Sitzstaat der Arbeitgeber wurde bei der Unterstellung nicht weiter berücksichtigt. Dies
führte in der Vergangenheit zu Doppelunterstellungen, was mit den neuen Verordnungen (EU) 883/2004 und 987/2009 nicht mehr
möglich ist.
5.1 Unterstellung bei Tätigkeit in mehreren Staaten
Anzahl Arbeitgeber (AG)
Erwerbstätigkeit
Sozialversicherungsrechtliche Unterstellung
bisher
neu
Ein Arbeitgeber
Am Wohnsitz und in mehreren
Staaten
Wohnstaat
Wohnstaat, wenn dort zu
mind. 25 % erwerbstätig,
ansonsten im Staat, wo der
Arbeitgeber seinen Sitz hat.
Ein Arbeitgeber
Nicht am Wohnsitz, aber in
mehreren Staaten
Staat, wo der Arbeitgeber
seinen Sitz hat
Staat, wo der Arbeitgeber
seinen Sitz hat
Neu ist, dass bei Tätigkeit für denselben Arbeitgeber in mehreren Staaten ein Verbleib resp. eine Unterstellung im Sozialversicherungssystem des Wohnsitzlandes nur noch dann möglich ist, wenn die Tätigkeit im Wohnsitzland mindestens 25 % der Erwerbstätigkeit
ausmacht.
Von dieser Neuerung nicht betroffen ist die Unterstellung bei Tätigkeit für mehrere verschiedene Arbeitgeber. Hier verbleibt die Unterstellung wie bisher im Wohnsitzland.
5.2 Unterstellung bei Tätigkeit in mehreren Staaten als Selbständigerwerbender
Erwerbstätigkeit
Sozialversicherungsrechtliche Unterstellung
bisher
neu
Am Wohnsitz und in mehreren
Staaten
Wohnstaat
Nicht am Wohnsitz, aber in
mehreren Staaten
Staat der Haupttätigkeit
Wohnstaat, wenn dort zu mind. 25 % erwerbstätig, ansonsten
im Staat, wo der SE seinen Firmensitz hat.
Staat des Geschäftssitzes
Auch bei den Selbständigerwerbenden gilt neu, dass die Tätigkeit im Wohnsitzland mindestens 25 % ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit ausmachen muss, damit sie im Wohnsitzland dem Sozialversicherungssystem unterstellt bleiben. Wer weniger als 25 % im
Wohnsitzland erwerbstätig ist, wird dem Sozialversicherungssystem des Staates unterstellt, wo sich der Mittelpunkt der selbständigen
Erwerbstätigkeit befindet (Firmensitz).
Beispiele:
Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz arbeitet für seinen Arbeitgeber mit Sitz in Italien zu 80 % in Italien und 20 % in der
Schweiz.
▶▶ Unterstellung in Italien (Sitz Arbeitgeber)
Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz arbeitet für seinen Arbeitgeber mit Sitz in Italien zu 70 % in Italien und 30 % in der
Schweiz.
▶▶ Unterstellung in der Schweiz (Wohnsitz).
Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz arbeitet für seinen Arbeitgeber mit Sitz in Deutschland zu 20 % in der Schweiz und zu
80 % in Italien.
▶▶ Unterstellung in Deutschland (Sitz Arbeitgeber), obwohl er in Deutschland keiner Arbeitstätigkeit nachgeht.
Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz arbeitet für einen Arbeitgeber mit Sitz in der Schweiz zu 10 % und in Italien für einen
Arbeitgeber mit Sitz in Italien zu 90 %.
▶▶ Unterstellung in der Schweiz (Tätigkeit im Wohnsitzland)
(Quelle: Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 301 vom 15.02.2012)
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5.3 Gleichzeitige selbständige und unselbständige Tätigkeit in mehreren Staaten
Erwerbstätigkeit
selbständig
unselbständig
Sozialversicherungsrechtliche Unterstellung
bisher
neu
CH
CH
CH
CH
EU
EU
EU
EU
CH
EU
SE-Tätigkeit in CH
AN-Tätigkeit in EU
EU
EU
CH
CH
CH
Wird gleichzeitig eine unselbständige und eine selbständige Tätigkeit in mehreren Staaten ausgeführt, so erfolgt die Versicherungsunterstellung immer am Ort, wo eine unselbständige Tätigkeit ausgeführt wird. Damit wird eine allfällige Doppelunterstellung
ausgeschlossen.
Beispiele:
Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz arbeitet zu 30 % in der Schweiz und zu 70 % in Frankreich.
▶▶ Unterstellung in der Schweiz
Ein Schweizer mit Wohnsitz in der Schweiz arbeitet zu 20 % in der Schweiz, zu 40 % in Deutschland und zu 40 % in Frankreich.
Einzig in Frankreich verfügt er über Geschäftsräumlichkeiten inkl. Ladenlokal.
▶▶ Unterstellung in Frankreich
(Quelle: Mitteilungen an die AHV-Ausgleichskassen und EL-Durchführungsstellen Nr. 301 vom 15.02.2012)
6. Internationales Transportwesen
Die bisherigen Sonderunterstellungsvorschriften für Arbeitnehmer des internationalen Transportwesens (Luftfahrt, Schienenund Strassentransport) wurden per 1. April 2012 aufgehoben. Die Unterstellung erfolgt neu nach den allgemeinen Regeln „Unterstellung bei Tätigkeit in mehreren Staaten für den gleichen Arbeitgeber“ (vorstehend Ziffer 5.1).
7. Gleichstellung Geldleistungen und Erwerbstätigkeit
Als Erwerbsort gilt neu auch ein Staat, von wo sogenannt kurzfristige Geldleistungen ausbezahlt werden. Kurzfristige Geldleistungen
sind gemäss Wegleitung über die Versicherungspflicht WVP Rz 1036:
▶▶ Mutterschaftsentschädigung
▶▶ Unfalltaggeld
Nicht als kurzfristige Geldleistungen gelten AHV-/IV-Renten, Renten bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Geldleistungen bei
Krankheit, welche eine Behandlung von unbegrenzter Dauer decken sowie Krankentaggelder nach VVG.
8. Abrechnung mit ausländischen Sozialversicherungsträgern
In Bezug auf die Abrechnung mit ausländischen Sozialversicherungsträgern gibt es eigentlich keine Neuerungen betreffend die Koordination resp. Unterstellung! Da es sich gerade für Grenzkantone um ein immer wieder unterschätztes Problem handelt, wird dieser Fall
hier aber aufgegriffen.
Aufgrund der Unterstellungsregeln besteht die Möglichkeit, dass ein Schweizer Arbeitgeber für einen Grenzgänger mit Wohnsitz in der
EU bzw. EFTA mit dem Sozialversicherungsträger des Wohnsitzstaates des Grenzgängers abrechnen muss.
Da die Koordinationsregeln gegenseitig anwendbar sind, besteht im umgekehrten Fall die Regel, dass ein Arbeitgeber mit Sitz in der EU
bzw. EFTA für einen Grenzgänger mit Wohnsitz in der Schweiz dem schweizerischen Sozialversicherungssystem unterstellt wird.
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In beiden Fällen erfolgt die Abrechnung jeweils nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dem die Versicherungsunterstellung des
Grenzgängers erfolgt. Dabei ist in erster Linie der Arbeitgeber zur korrekten Sozialversicherungsabrechnung verpflichtet.
Eine „Abrechnungs-Stellvertretung“ durch den Arbeitnehmer ist mittels Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
nach Art. 21 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 möglich (bisher: Vereinbarung nach Artikel 109 der Verordnung (EWG)
Nr. 574/72). Sodann wird der Grenzgänger an Stelle des Arbeitgebers bei der für ihn zuständigen AHV-Ausgleichskasse an seinem
Wohnsitz als „Arbeitgeber“ erfasst und abrechnungspflichtig. Der Arbeitgeber bleibt in jedem Falle für die Bezahlung der gesamten
Beiträge haftbar.
Beispiel:
Ein Schweizer Arbeitgeber beschäftigt einen Grenzgänger aus Deutschland als Koch. Dieser ist deutscher Staatsangehöriger. Selbstverständlich meldet der Schweizer Arbeitgeber den Grenzgänger vorbildlich vor Stellenantritt bei seiner AHV-Ausgleichskasse an.
Soweit läuft alles normal. Anlässlich einer AHV-Revision wird zufällig festgestellt, dass der in Deutschland wohnhafte Mitarbeiter an
den Wochenenden gelegentlich auch noch als Küchenhilfe bei einem anderen Arbeitgeber in Deutschland (Wohnsitzstaat) arbeitet.
Wie wir nun mit Hilfe der Koordinationsregeln in Ziffer „5.1 Unterstellung bei Tätigkeit in mehreren Staaten“ vorstehend feststellen
können, unterliegt der in der Schweiz beschäftigte Grenzgänger der deutschen Sozialversicherung. Dies deshalb, weil der Mitarbeiter nebst unselbständiger Tätigkeit in der Schweiz auch in seinem Wohnsitzland einer unselbständigen Tätigkeit bei einem anderen
Arbeitgeber nachgeht.
Lösung:
Die ganze AHV-Unterstellung in der Schweiz wird entweder mit Wirkung für die Zukunft richtiggestellt oder – was eher selten
vorkommt – rückabgewickelt (Rz 2092ff. Wegleitung über die Versicherungspflicht WVP). Der Schweizer Arbeitgeber hat nun zwei
Möglichkeiten! Entweder der Schweizer Arbeitgeber rechnet ab sofort selbst mit der deutschen Sozialversicherung ab (nach deutschen Rechtsvorschriften!) oder er vereinbart mit dem Grenzgänger, dass dieser selbst in Deutschland das in der Schweiz erzielte
Einkommen abrechnet. Sodann müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Formular „Vereinbarung nach Artikel 21 Abs. 2 der
Verordnung (EG) Nr. 987/2009“ abschliessen.
Schliesslich muss der Schweizer Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer zusätzlich zum Lohn die Arbeitgeberbeiträge nach deutschem
Recht ausbezahlen. Zu beachten ist, dass der Schweizer Arbeitgeber für die ganzen deutschen Sozialversicherungsbeiträge haftbar
bleibt. Im schlimmsten Fall bezahlt der Arbeitgeber die Beiträge zweimal.
Wichtig:
Bei Anstellung von Grenzgänger wird deshalb empfohlen, jährlich eine Bestätigung vom Arbeitnehmer zu verlangen, worin dieser
bestätigt, dass er im Wohnsitzland keiner Tätigkeit nachgeht. Ein entsprechender Hinweis im Arbeitsvertrag bezüglich Meldepflicht von weiteren – auch geringfügigen – Nebenerwerbstätigkeiten kann nicht schaden.
Weiter ist empfehlenswert, bei Abrechnung nach Art. 21 Abs. 2 der Verordnung (EG) 987/2009 mindestens einmal jährlich einen
Nachweis vom Grenzgänger zu verlangen bezüglich der Weiterleitung resp. Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge.
9. Entsendungsdauer
Eine administrative Erleichterung stellt die Erhöhung der maximalen Entsendedauer für Arbeitnehmer und Selbständigerwerbende
im EU-Raum von 12 auf neu 24 Monate dar. Die Bescheinigung (sog. Portable Document, PD) A1 (bisher E101) ist für maximal
24 Monate gültig, solange die Voraussetzungen für die Entsendung erfüllt sind. Ansonsten ist die Bescheinigung A1 zurückzuziehen,
worüber die zuständige ausländische Behörde zu informieren ist. Das Formular E102 - Verlängerung der Entsendung von 12 auf
24 Monate - kommt damit nicht mehr weiter zur Anwendung.
Die Entsendungsdauer kann auch zukünftig vom Arbeitgeber im Interesse des Arbeitnehmers mittels Antrag auf Entsendeverlängerung
(Ausnahmevereinbarung, Art. 16 Verordnung EG 883/2004) beim zuständigen Amt des Entsendungsstaates ausnahmsweise über die
24 Monate hinaus bis maximal 5 Jahre verlängert werden. Steht bereits zu Beginn der Entsendung fest, dass die Entsendungszeit von
24 Monaten nicht ausreichen wird, so besteht die Möglichkeit, bereits vor Antritt der Entsendung ein Gesuch für eine längere Entsendung zu stellen.
Selbständig Erwerbstätige mit gewöhnlicher Tätigkeit in der Schweiz bleiben bei vorübergehender Tätigkeit in einem EU-Staat nur
dann den schweizerischen Rechtsvorschriften unterstellt, wenn es sich dabei um eine „ähnliche Tätigkeit“ handelt. Diesbezüglich gilt
allerdings zu beachten, dass dem Staat des Erwerbsortes das Recht zusteht darüber zu urteilen, ob es sich bei dieser Tätigkeit um eine
selbständige oder unselbständige Tätigkeit handelt.
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10. Elektronischer Datenaustausch – Formulare
Die Modernisierung der EU-Koordinationsverordnungen zieht den elektronischen Datenaustausch nach sich. Die bekannten E-Formulare, welche in Papierform angewendet wurden, gehören bald der Vergangenheit an. Diese 60 E-(Papier)Formulare werden auf einen
zur Zeit noch nicht festgelegten Zeitpunkt hin abgeschafft und durch 240 elektronische Formulare ersetzt. Dieser Ersatz wird notwendig durch den allgemeinen Einsatz eines elektronischen Datenaustausches. Dieser elektronische Datenaustausch ist Teil eines
EU-Projektes Namens „EESSI“ (Electronic Exchange of Social Security Information). Die Schweiz ihrerseits ist im Rahmen des Projektes
„SNAP-EESSI“ ebenfalls daran, den elektronischen Austausch von Daten zwischen der Schweiz und der EU aufzubauen.
Ziel von „EESSI“ ist es, den Schutz der Bürgerrechte zu verstärken, indem für die Anwendung der EU-Vorschriften zur Koordinierung
der Sozialversicherungssysteme ein elektronisches System eingesetzt wird. Nebst Datenprüfung und statistischen Auswertungen soll
insbesondere die Entscheidungsfindung bei der Berechnung und Bezahlung von Sozialversicherungsleistungen erleichtert und beschleunigt werden.
Bis zur Umsetzung des elektronischen Datenaustausches kann die Schweiz während einer nicht genauer bestimmten Übergangszeit für
den Austausch von Informationen nach wie vor die alten E-Formulare verwenden. Im Zusammenhang mit der Festlegung der anwendbaren Rechtsvorschriften sollten die Ausgleichskassen jedoch das neue Formular A1 anstelle des E101 verwenden. Dies nicht zuletzt
auch deshalb, weil sich das alte E101-Formular auf die Artikel der ausser Kraft gesetzten Verordnungen bezieht.
11. Fazit
Die Neuerungen der dritten Aktualisierung von Anhang II FZA und den diesbezüglichen Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und die
Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 bestehen einerseits aus einer Modernisierung in Bezug auf den elektronischen Datenaustausch und andererseits vor allem aus einer Klarstellung bei Tätigkeiten in mehreren Staaten (25 %-Regel). Die ausgedehnte Entsendungsdauer von 12 auf 24 Monate ist tatsächlich eine administrative Vereinfachung.
Inwiefern die elektronische Aufbereitung der Formulare angesichts der vielen neuen Formulare schlussendlich tatsächlich eine Vereinfachung darstellen, wird die Praxisanwendung zeigen. Es ist damit zu rechnen, dass die sozialversicherungsrechtliche Unterstellung von
Personen in Zukunft häufiger „automatisch“ kontrolliert, hinterfragt und je nachdem angepasst werden als bisher.
Link: Verordnung (EG) Nr. 883/2004, In Kraft getreten für die Schweiz am 1. April 2012
Autor
Rafael Lötscher, Treuhänder mit eidg. Fachausweis, BDO AG, Zug, Tel: 041 757 50 05, E-Mail: [email protected]
Co-Autorin
Carmen Fähndrich, Expat-Spezialistin, BDO AG, Zug, Tel: 041 757 50 07, E-Mail: [email protected]
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Beat Hausmann
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Christian Vitta
Burgdorf
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Sion
027324 70 70
Frauenfeld
052
728
35
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Solothurn
032
624
62
46Hansjörg Stöckli
Fribourg
0264353333
Yves Mottis
Stans
0416180550
Ivan Christen
Genève
0223222424
Eric Wavre
St. Gallen
0712286200
Markus Meli
Glarus
0556452930
André Burkart
Sursee
041925 55 55
Rolf Kumschick
Grenchen
0326549696
Christoph Kaufmann
Wetzikon
0449313585
Hans-Jürg Spreiter
Herisau
071 3533533
Meinrad Müller
Zug
041 7575000
Markus Metzger
Lachen
055
451
52
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