Japan: Nur noch wenig Optimismus überwiegt in der Tankan

Makro Research
Volkswirtschaft Aktuell
Freitag, 1. Juli 2016
Japan: Nur noch wenig Optimismus überwiegt in der Tankan-Umfrage – Gewinnerwartungen verschlechtern sich weiter
‡ Die Ergebnisse der Tankan-Umfrage der Bank of Japan für das zweite Quartal 2016 haben sich im Vergleich zum Vorquartal
in der Tendenz verschlechtert. Zumindest bei den großen Industrieunternehmen konnte sich der Saldenwert mit 6 Punkten auf
dem Vorquartalsstand halten. Im Falle der großen Dienstleistungsunternehmen war die Stimmungseintrübung weniger ausgeprägt wie erwartet. Über alle Unternehmensgrößen und Sektoren hinweg hat sich der Saldenwert von 7 auf 4 Punkte verschlechtert. Dies ist der niedrigste Wert seit dem dritten Quartal 2014.
‡ In den Details der Umfrage fallen vor allem die ungewöhnlich niedrigen Gewinnerwartungen der Unternehmen auf. Nur in
den Jahren 1986 und 2009 lagen zu diesem Zeitpunkt der Befragung noch geringere Gewinnerwartungen für das jeweilige
Fiskaljahr vor.
‡ Geldpolitisch stellt sich weiterhin die Frage, ob die Bank of Japan noch weitere geldpolitische Maßnahmen ergreifen wird.
Fiskalpolitisch wurde zuletzt die Anhebung der Verbrauchsteuersätze von 2017 auf 2019 verschoben.
1.
Konjunkturoptimismus ist unter den japanischen Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten wenig ver-
breitet gewesen – zu schwach war die wirtschaftliche Dynamik. Unter Ministerpräsident Abe ist in den vergangenen Jahren zumindest etwas Konjunkturoptimismus zurückgekommen – wenngleich der höhere Wachstumspfad ausblieb. Die Enttäuschung darüber, dass man nicht alleine mit Rhetorik eine Volkswirtschaft auf einen höheren Wachstumspfad hieven kann,
macht sich langsam beim Stimmungsbild der japanischen Unternehmen bemerkbar. Als wichtigster Stimmungsindikator unter
den Unternehmensbefragungen gilt die Tankan-Umfrage. Im zweiten Quartal verschlechterte sich der Saldenwert aus
Optimisten und Pessimisten über alle Unternehmensgrößen und Sektoren hinweg von 7 auf 4 Punkte. Dies ist sicherlich kein dramatischer Stimmungseinbruch, aber der Saldenwert hat damit den niedrigsten Stand seit dem dritten Quartal 2014
erreicht.
2.
Die Entwicklungen der Salden – unterteilt nach Unternehmensgrößen und Gewerbezweigen – unterstreicht,
dass es sich um eine grundsätzliche Stimmungseintrübung handelt. In keinem der insgesamt sechs Bereiche lag eine
Stimmungsaufhellung vor. Immerhin konnte sich im Bereich der großen Industrieunternehmen der Saldenwert mit 6 Punkten
auf dem vorherigen Niveau halten (Bloomberg-Umfrage und DekaBank: 4 Punkte). Dem allgemeinen Abwärtstrend entsprechend verschlechterte sich der Saldenwert im Bereich der großen Dienstleister von 22 auf 19 Punkte (Bloomberg-Umfrage:
19 Punkte; DekaBank: 18 Punkte).
Tankan-Bericht: Aktuelle Lageeinschätzung (Salden in Punkten)
30
20
10
0
-10
-20
-30
-40
-50
-60
00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16
Große Industrieunternehmen
Quellen: Bank of Japan, DekaBank
Große Dienstleistungsunternehmen
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Freitag, 1. Juli 2016
3.
Immerhin geben die Unternehmen an, dass sich die Nachfrage nach ihren Produkten und Dienstleistungen sowohl
im Inland als auch im Ausland wieder etwas verbessert hat. Die Aufhellung beim Auslandsgeschäft fand trotz einer veränderten
Währungsprognose statt. So erwarten die Unternehmen nun einen durchschnittlich deutlich stärkeren Yen für das Fiskaljahr
2016. Nicht berücksichtigt ist hierbei offenkundig die jüngste Yen-Aufwertung nach dem Brexit in der vergangenen Woche.
Mit diesem Tankan-Bericht wurden die Unternehmen zum zweiten Mal hinsichtlich ihrer Investitions- und
4.
Gewinnerwartung für das im April begonnene Fiskaljahr befragt. Grundsätzlich sind die Unternehmen zu Beginn des
Fiskaljahres (April) übertrieben vorsichtig bezüglich ihrer Investitionserwartungen und übertrieben zuversichtlich bezüglich ihrer
Gewinnentwicklung. Somit müssen die Ergebnisse stets im Kontext des aktuellen Quartals gesehen werden. In den unteren
beiden Abbildungen haben wir daher nur die Umfrageergebnisse zum Zeitpunkt des zweiten Quartals abgebildet. Für das Fiskaljahr 2016 erwarten die Unternehmen einen marginalen Anstieg ihrer Investitionen um 0,4 %. Im historischen Vergleich ist dies weiterhin leicht unterdurchschnittlich. Erneut auffallend schwach sind die Gewinnerwartungen der Unternehmen. Sie erwarten nun sogar einen Gewinnrückgang um 7,2 %. Dies ist zu diesem Zeitpunkt der Befragung der drittschlechteste Wert seit Mitte der Achtzigerjahre. Nur in den Fiskaljahren 1986 und 2009 lagen noch niedrigere Gewinnerwartungen
vor. Der Hauptgrund hierfür dürfte die Yen-Aufwertung sein. So ist der Gewinnpessimismus bei den währungsabhängigen Industrieunternehmen ausgeprägter als bei den Dienstleistern.
Gewinnerwartungen für das Fiskaljahr (Befragungszeitraum: 2.Quartal)*
25
Investitionserwartungen für das Fiskaljahr (Befragungszeitraum: 2.Quartal)*
10
20
5
15
10
0
5
-5
0
-5
-10
-10
-15
-15
-20
-20
84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 12 14 16
84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 12 14 16
*Jahresveränderungsraten in, in Prozent; Jahreswerte beziehen sich auf
das vierte Quartal eines Fiskaljahres (entspricht erste Quartal des Folgejahres); schattierte Flächen entsprechen Rezessionszeiträumen.
*Jahresveränderungsraten in, in Prozent; Jahreswerte beziehen sich auf das
vierte Quartal eines Fiskaljahres (entspricht erste Quartal des Folgejahres);
schattierte Flächen entsprechen Rezessionszeiträumen.
Quellen: Bank of Japan, Economic Cycle Research Institute, DekaBank
Quellen: Bank of Japan, Economic Cycle Research Institute, DekaBank
5.
Lässt man die Zeit seit dem letzten Tankan-Bericht revuepassieren, dann hat sich geldpolitisch wenig verän-
dert. Weiterhin steht die Bank of Japan (BoJ) kurz davor, geldpolitisch nachzulegen. Allerdings scheint sich für einen weiteren
geldpolitischen Schritt keine Mehrheit innerhalb der BoJ zu finden. Denn der volkswirtschaftliche Nutzen wäre wohl gering und
im Falle einer weiteren Leitzinssenkung tiefer in den negativen Bereich könnten die Belastungen im Bankensystem überwiegen.
Ob der Brexit die Einschätzungen innerhalb der BoJ verändern wird, gilt noch abzuwarten. Die erneute Yen-Aufwertung spräche dafür, die eher unauffällige Aktienmarktentwicklung dagegen. Größere Änderungen gab es in den vergangenen Wochen allerdings im Bereich der Fiskalpolitik. So wurde die für 2017 geplante Anhebung der Verbrauchsteuersätze erneut
und zwar auf das Jahr 2019 verschoben. Zudem ist ein weiteres Konjunkturpaket geplant. Es wäre aus unserer Sicht freilich
überraschend, wenn davon eine dauerhafte Stärkung der Wirtschaftsdynamik ausgehen würde.
Makro Research
Volkswirtschaft Aktuell
Freitag, 1. Juli 2016
Autor:
Rudolf Besch
Tel.: 069/7147-5468, E-Mail: [email protected]
Anmerkung:
Die quartalsweise vorgenommene Tankan-Umfrage der japanischen Notenbank gilt als der wichtigste Indikator für die Stimmung der japanischen Unternehmen. Diesmal wurden insgesamt 10.862 Unternehmen unterschiedlicher Größe aus allen Sektoren befragt. Die Erhebung wurde im Zeitraum vom 30. Mai bis zum 30. Juni durchgeführt. Die Indizes werden jeweils berechnet als Differenz zwischen dem prozentualen Anteil der befragten Unternehmen, die optimistisch sind, und denen, die ihre
Lage pessimistisch einschätzen. Es werden verschiedene Indizes berechnet: für große, mittlere und kleine Unternehmen oder
für Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes und für Dienstleistungsunternehmen.
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