Maturaarbeit «Ich konnte mir eine neue Sicht auf meine Heimat erschliessen» Besetztes Land, Kriegsverbrechen, Hungersnot, Widerstand und Kollaboration: Inspiriert von einer Geschichte ihrer Grosstante und von der eigenen Neugier hat sich Myrtha Georgakakou mit dem Zweiten Weltkrieg in Griechenland befasst. Dies im Rahmen ihrer Maturaarbeit am Gymnasium Burgdorf. entschied ich mich, etwas über diese Zeit zu machen. Diese Feindschaft eskalierte zunehmend und gipfelte in einem Bürgerkrieg. Was wollten Sie mit der Arbeit aufzeigen? Und: Wie sind Sie methodisch vorgegangen? Ich wollte herausfinden, was damals genau passiert war, und mir einen anderen Blickwinkel auf eine vertraute Gegend verschaffen. Es ging mir einerseits um die geschichtlichen Ereignisse, aber ebenso um die konkreten Lebensumstände in der Kriegszeit. Die Arbeit geht vom Allgemeinen über das Regionale bis zum Persönlichen. Zuerst studierte ich die Fachbücher, später interviewte ich zwei Zeitzeugen zum Thema. Dazu begab ich mich vor Ort. Und wie erging es nun dem kleinen Hafenstädtchen Gythio auf der Peleponnes? In der Besatzungszeit wurden die Menschen zum Teil aus ihren Dörfern vertrieben. Sie nahmen auf den Feldern Zuflucht, wohnten in selbstgebauten Hütten oder Zelten und mussten eine abendliche Ausgangssperre einhalten. Sie ernährten sich von dem, was sie finden oder anpflanzen konnten. Für den Kauf von Fleisch war kein Geld vorhanden. Der Winter 1940/41 brachte ganz Griechenland eine Hungersnot, an der rund 300 000 Menschen starben. Sie zeigen in Ihrer Arbeit auf, dass Griechenland im Zweiten Weltkrieg eine äusserst schwierige Zeit durchlebte. Was spielte sich in groben Zügen ab? Bereits vor dem Krieg befand sich Griechenland in einer turbulenten Zeit. 1936 kam Ioannis Metaxas an die Macht. Er errichtete eine Diktatur. 1940 wollte Italien das Land besetzen. Griechenland konnte die italienischen Streitkräfte jedoch zurückdrängen. Ein halbes Jahr später wurde das Land von den Deutschen eingenommen und in drei Besatzungszonen mit einer Marionettenregierung aufgeteilt. So entstand ein Chaos, das die weitere Entwicklung des Landes geprägt hat. Hat in ihrer Maturaarbeit auf eine bewegte Zeit ihrer Heimat zurückgeblickt: Myrtha Georgakakou. Peter Brand Frau Georgakakou, Ihre Maturaarbeit trägt den Titel «Der Zweite Weltkrieg im griechischen Hafenstädtchen Gythio». Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen? Als Tochter eines griechischen Vaters und einer Schweizer Mutter verbrachte ich die ersten sieben Jahre meines Lebens in der Nähe von Gythio. Bei der Themensuche erinnerte ich mich an eine Geschichte, die mir meine Grosstante erzählte: In der Kriegszeit standen eines Tages plötzlich deutsche Soldaten in ihrem Haus. Sie war gerade am Kochen und liess die Soldaten von den Speisen probieren. «Gut, gut», sagten die Uniformierten und gingen wieder. Diese Geschichte blieb bei mir hängen. So Und nach dem Abzug der Deutschen rutschte das Land in einen dreijährigen Bürgerkrieg … Genau genommen begann dieser Bürgerkrieg bereits während des Zweiten Weltkrieges. Lange Zeit dominierte eine linke Gruppierung den Widerstand. Später gab es auch rechte Gruppierungen. Diese kollaborierten jedoch häufig mit den Deutschen, weshalb sie von den Linken als Verräter betrachtet wurden. Zur Sprache kommt auch die Spaltung der Gesellschaft in Kollaborateure und Widerstandskämpfer. Wie ging man im Alltag damit um? Von den beiden Interviewpartnern weiss ich, dass man als Familie ein einigermassen geschlossenes System war, es jedoch in der weiteren Verwandtschaft durchaus abweichende politische Gesinnungen gab. Offenbar stellte man jedoch die Beziehung über die Ideologie. Man versuchte miteinander zu reden und zusammen ins Café zu gehen. Dennoch war das Leben schwierig. Man konnte leicht zwischen die Fronten geraten. Zum Beispiel weil man, um zu über leben, Handel mit den Besatzern betrieb. Ein Thema sind auch die Kriegsverbrechen. Ein ganz düsteres Kapitel dieser Zeit … Das ist so. Es gab auch Kriegsverbrechen in Gythio. Ein Denkmal zeugt jetzt noch davon. Die Deutschen töteten 49 Menschen, als Vergeltung für einen Angriff der Widerstandsorganisation. Beide Interviewpartner haben einen persönlichen Bezug zum Denkmal. Der eine verlor bei der Hinrichtung seinen Bruder, der andere half mit bei der Errichtung des Denkmals. Welches sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse aus Ihrer Arbeit? Ich lernte einen kleinen Ausschnitt aus der Geschichte meines Städtchens kennen und konnte mir eine neue Sicht auf meine Heimat erschliessen. Ich verstehe nun einigermassen, wie das Leben zu dieser Zeit war. Dies her auszufinden war für mich sehr spannend – auch wenn dieser Abschnitt historisch gesehen auch wieder nur ein Teil eines grösseren Gesamten ist. Sie haben ein historisches Thema gewählt. Hat das mit Ihren Studienplänen zu tun? Nein. Geschichte hat mich zwar immer fas ziniert. Ich habe dieses Fach auch als Ergänzungsfach gewählt. Im Moment sieht es aber eher nach einem Medizinstudium aus. [email protected] Maturaarbeit Nebst Schwerpunkt- und Ergänzungsfach gehört die Maturaarbeit zum indi viduellen Wahlbereich im gymnasialen Bildungsgang. Sie fördert die Fähigkeit, sich neues Wissen zu erschliessen, die eigene Vorgehensweise zu planen, zu organisieren und zu überdenken sowie eine grössere schriftliche Arbeit zu verfassen. Die Maturaarbeit wird im letzten gymnasialen Ausbildungsjahr verfasst und präsentiert. Die Note ist Teil des späteren Maturitätszeugnisses. Mehr zum gymnasialen Bildungsgang: www.erz.be.ch ( > Mittelschule > Gymnasien > Gymnasialer Bildungsgang) «espace einsteiger» ist eine Dienstleistung der Espace Media AG und des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes des Kantons Bern und wird in Zusammenarbeit mit folgenden Partnern realisiert: BEKB | BCBE (www.bekb.ch) • Die Schweizerische Post, Berufsbildung (www.post.ch/lehrstellen oder 0848 85 8000) • Berufsbildung Bundesverwaltung (www.epa.admin.ch/dienstleistungen/lehrstellenangebote) • Meyer Burger AG (www.meyerburger.com)
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