1 Prof. Dr. Martin Ludwig Hofmann - HS-OWL

Prof. Dr. Martin Ludwig Hofmann
Humanwissenschaften
Hochschule Ostwestfalen-Lippe
Detmolder Schule für Architektur und Innenarchitektur
Handout – 8
Vorlesung
Umweltpsychologie, Umweltsoziologie
(= Humanwissenschaften für Gestalter)
Prägende Räume II:
Raumpsychologische und soziologische Konzepte
„Ein Großteil des Erfolgs von Frank Lloyd Wright
als Architekt war auf seine Kenntnis der mannigfaltigen
Weisen zurückzuführen, in denen die Menschen
den Raum erfahren.“
Edward T. Hall
I. Territoriales Verhalten in tertiären Territorien
Insbesondere in tertiären Territorien variiert das territoriale Verhalten sehr stark.
- Es gibt tertiäre Räume, in denen klare Zeichen verantwortlichen Handelns sichtbar
sind. Es gibt allerdings auch Territorien, in denen territoriales Verhalten der
Anwohner kaum mehr wahrgenommen werden kann.
- Pruitt-Igoe ist ein Musterbeispiel für den zweiten Fall.
- Warum war in Pruitt Igoe kaum territoriales Verhalten sichtbar?
Grundsätzlich gilt: Öffentliche Räume erzeugen latent Unsicherheit. Das Maß der
Angstgefühle hängt zum großen Teil von den Räumen selbst ab (z.B. mangelnde
Belebtheit, allgemeine Zeichen der Verwahrlosung, Treffpunkte für latent gewalttätige
Gruppen).
II. Das Defensible-Space-Konzept
Defensible Space = spezifische bauliche Umwelt, die so gestaltet ist, dass sie den
Bewohnern erlaubt, Funktionsträger ihrer eigenen Sicherheit zu sein
Begründer des Konzepts: Oscar Newman (1935-2004), Architekt, Stadtplaner, und
Architekturtheoretiker. Für die einen ist Oscar Newman ein Reaktionär, für die anderen
ein wegweisender Architekturtheoretiker, ausgezeichnet mit den höchsten Preisen.
Wie können raumgestalterische Maßnahmen helfen, den „eigenen“ öffentlichen Raum zu
verteidigen?
1. Einteilung des Wohnumfelds in arealbezogene Einflusszonen
2. Überschaubarkeit der Areale
3. Stigma der Einfachstbauweise vermeiden
4. Stabilisierendes Umfeld
Literaturhinweis:
Oscar Newman: Creating Defensible Space, New York 1996.
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III. Aneignung
= Verwandlung der objektiven Umwelt in eine subjektive und persönlich bedeutsame
Umwelt
-
Der Nutzer greift aktiv in die ihn umgebende Umwelt ein.
Er oder sie entwickelt eigene Ausdrucksformen, versieht sie mit eigener Bedeutung
und verändert sie den eigenen Wünschen entsprechend.
Soziologisch gesprochen handelt es sich um Strategien der sozialen Differenzierung
durch Markierung des Raums.
IV. Proxemik
Proxemik (proxemics) = Wissenschaftsgebiet, das sich mit dem Raumverhalten des
Menschen als Teil der nonverbalen Kommunikation beschäftigt
[proximus (lat.) = „der Nächste“]
Begründet von dem Kulturanthropologen Edward T. Hall (1914-2009).
Der „persönliche Raum“
- kein geografisch festgelegter Raum
- sondern ein subjektiv empfundener Raum
- erweitert unser physisches Volumen in den Raum hinein
- umgibt uns wie eine unsichtbare Hülle
- „Raumblase“ (Space Bubble)
- diese Raumblase ist nicht bei jedem Menschen gleich
Vier idealtypische Distanzzonen
1. Die intime Distanz: 0 bis 50 cm
Empfinden wir nur bei engen Bezugspersonen
als angenehm.
2. Die personale Distanz: 50 bis 120 cm
Versuchen wir bei Kontakt mit Freunden und
alltäglichen Begegnungen zu wahren.
3. Die soziale Distanz: 120 bis 300 cm
Wird bei unpersönlichen/geschäftsmäßigen
Kontakten gewahrt.
4. Die öffentliche Distanz: ab 300 cm
Formale öffentliche Kontakte, z.B. bei einem
Vortrag.
Die Distanzzonen des persönlichen Raums sollten
„Grundmaß“ jeder Raumplanung sein!
Literaturhinweis:
Edward T. Hall: Die Sprache des Raumes, Düsseldorf 1976.
V. Dichte und Enge
Dichte beschreibt das objektive Maß der räumlichen Begrenzung.
Enge beschreibt die subjektive Empfindung von Beengtheit.
Eine hohe Dichte kann zu Stressempfinden und damit zu Enge-Phänomenen führen.
Engegefühle (Crowding) können negative Veränderungen des Sozialverhaltens zur Folge
haben (Vermeiden sozialer Kontakte, Zunahme von Aggression).
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