Ärzteblatt Sachsen 6/2016 - Sächsische Landesärztekammer

Ärzteblatt
Sachsen
Editorial
Berufspolitik
Gesundheitspolitik
Recht und Medizin
Mitteilungen der Geschäftsstelle
Medizinische Fachangestellte
Mitteilungen der KVS
Der mündige Patient
228
119. Deutscher Ärztetag in Hamburg
Approbation versus Erlaubnis zur
Erwerbstätigkeit?
CIRS-Fälle
Momentum – Projekt Heidelberg
229
233
234
234
Neue bundesweit geltende Meldepflichten:
Bedeutung für Sachsen
Mitteilungen der Sächsischen Impfkommission
235
236
Asylbewerber: Datenübermittlung an Behörden
STEX in der Tasche – wie weiter?
237
237
Konzerte und Ausstellungen
237
Zuständigkeit der Ethikkommissionen in Sachsen 238
Fachsprachenprüfung für ausländische Ärzte
239
vocatium Dresden 2016
238
Ausschreibung und Abgabe
von Vertragsarztsitzen
240
Originalie
Interventioneller Vorhofohrverschluss –
Wer? Wie? Was?
242
Tagungsbericht
Medizinische Versorgung von Patienten
mit komplexen Behinderungen
246
Verschiedenes
Personalia
7. Seniorenausfahrt der KÄK Zwickau
Innovationspreis des Bundesverbandes der
Deutschen Dermatologen e.V.
25 Jahre Kreisärztekammer Dresden
Prof. Dr. sc. med. Erich Müller
zum 80. Geburtstag
Prof. Dr. med. habil. Gerhard Richter
zum 80. Geburtstag
Prof. Günter Blobel
zum 80. Geburtstag
Nachruf für Dr. med. Wolfgang Schmidt
Jubilare im Juli 2016
Interventioneller
Vorhofohrverschluss
Seite 242
240
247
248
249
250
251
253
254
Buchbesprechung
Gottlob Adolf Ernst von Nostitz und Jänckendorf 256
Medizingeschichte
Vorgestellt: Dr. med. Dietmar Seifert
257
Die Entdeckungen der Anatomen Andreas Vesalius
und Konrad Victor Schneider
257
Beilage
Seite 229
Fortbildung in Sachsen – August 2016
Impfempfehlungen E 5, E 6 und E 7
Andreas Vesalius und Konrad Victor
Schneider
Seite 257
Titelbild: Der Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, Erik Bodendieck,
auf dem 119. Deutschen Ärztetag in Hamburg
© SLÄK
Sächsische Landesärztekammer und „Ärzteblatt Sachsen”:
http://www.slaek.de, E-Mail: [email protected],
Redaktion: [email protected],
Gesundheitsinformationen Sachsen für Ärzte und Patienten:
www.gesundheitsinfo-sachsen.de
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
227
Editorial
Der mündige Patient
Dr. med. Steffen Liebscher
© SLÄK
Wer täglich am und mit dem Patienten arbeitet, der weiß um die Wichtigkeit der Interaktion und Kommunikation zwischen dem Arzt und
dem Kranken. Nun erleben wir einen
Wandel dieser Beziehung. Den Eltern
meines Vaters, die beide in den 70erJahren an einem Bronchialkarzinom
verstorben sind, wurde noch keinerlei Information darüber gegeben,
woran sie leiden und wie (schlecht)
die Prognose eigentlich war. Beide
habe ich als einfache Menschen
erlebt, die sicher auch die behandelnden Kollegen nicht bedrängt
haben und sich in ihre Lage fügten.
Die paternalistische Grundstruktur
des ärztlichen Denkens und Handelns in der Beziehung zum Patient
wurde noch ge­­lebt.
Kurz nach der politischen Wende
war ein, sicher auch da schon nicht
mehr ganz neues Ergebnis meiner
Untersuchungen im Rahmen der Promotion, dass gut über ihre Krankheit
informierte Patienten bessere Voraussetzungen für die Bewältigung
der mit ihrer Krankheit verbundenen
Schwierigkeiten haben.
Heute erlebe ich in der Niederlassung als Hausarzt zunehmend den
„mündigen“ Patienten, der sich seine
Diagnostik- und Therapiegedanken
selbst macht und nicht selten die
Möglichkeiten unseres Gesundheits-
228
wesens als eine Art Selbstbedienungsladen zu nutzen versucht. Der
Arzt wird dann immer häufiger in der
Rolle des Erfüllungsgehilfen gesehen,
von dem die Ausstellung des Rezeptes oder eines beliebigen anderen
Formulars erwartet wird. Ist das
unter einem mündigen Patienten zu
verstehen?
Um nicht missverstanden zu werden:
Ich halte das Einbeziehen der Patienten in die zu treffenden Entscheidungen für selbstverständlich. Ärztlicher
Sachverstand und Expertenwissen
sollten die Patienten auf ihrem Weg
begleiten und nicht bevormunden.
Nun gibt es unzweifelhaft den Typus
Patient, der sowohl intellektuell in
der Lage ist, seine Situation zu erfassen und auch noch die emotionale
Stabilität besitzt, reife Entscheidungen zu treffen, die auch später noch
einer eigenen kritischen Würdigung
standhalten können. Ich frage mich
aber in der Praxis oft, wo verläuft bei
den sich mir anvertrauenden Menschen die Grenze zwischen Handlungsfähigkeit in Informiertheit und
Handlungen, deren Intention entweder nicht klar erkennbar wird oder
solchen, die sich aus oft fragwürdigen Informationen fremder Quellen
ergeben. Exemplarisch und ganz
besonders deutlich wird das bei der
hausärztlichen Abgleichung der
Medikamentenpläne. Mich bewegt
dabei, dass doch häufig abstrus
anmutende Argumentationen, irrationale Ängste und pauschale Vorurteile zum Abbruch einer Therapie
durch den Patienten führen, auch
wenn im besten Fall Krankenhausund andere Fachärzte diese Behandlung eingeleitet haben und durch
mein Verordnen letztlich implizit
auch als „gute Therapie“ erkennbar
werden sollte. Gibt es noch den Vorschuss an Vertrauen der Patienten in
uns? Welche Macht haben elektronische Medien, was bewirken objektive Informationen und die Nutzung
der Erfahrungswelten anderer Kranker über soziale Netzwerke?
Ich möchte uns Ärzte davor warnen,
davon auszugehen, dass alle Patienten ihre Angelegenheiten gut selbst
regeln können. Wir müssen uns
immer wieder auf das gesamte mög-
liche Spektrum im Umgang mit einer
Erkrankung einrichten und in der
Lage sein, uns einmal auf rein fachliche Beratung zu beschränken, den
nächsten Patienten direkt an die
Hand zu nehmen oder einen Dritten
hinsichtlich seiner überzogenen
Erwartungen zu korrigieren. Je größer die Spreizung unter den Varianten, umso mehr steigen auch die
Anforderungen an uns und unsere
Verantwortung. Es ist heute so oft
von Spaltung der Gesellschaft die
Rede. Hier sehe ich eine weitere
Ursache dafür, wenn es nicht gelingt,
medizinischen
Fortschritt
auch
denen adäquat verfügbar zu machen,
die aus intellektuellen Gründen, Psychopathologie oder eben Beeinträchtigung durch die Krankheit in ihren
Selbstbestimmungskräften
eingeschränkt sind. Hier bleibt die Notwendigkeit der fürsorglichen ärztlichen Zuwendung unbedingt erhalten.
Ich glaube, dass das Wunschdenken
mancher „mündiger“ Patienten
wesentlich von der Politik bestimmt
ist. Viele Gesetzesvorhaben der vergangenen Jahre stärken Patientenrechte in einer Weise, die glauben
lässt, der Patient müsse vor den
Akteuren im Gesundheitswesen und
dabei besonders den Ärzten ge­­
schützt werden. Es entsteht der Eindruck, dass der Patient „aufmunitioniert“ werden müsse, um im Kampf
mit dem oder gegen das System
bestehen zu können. Vertrauensfördernde Maßnahmen, die gerade für
die Beziehung zwischen Kranken
und Behandler von höchster Bedeutung sind, sehen anders aus.
Ich rufe aber dazu auf, sich davon
nicht entmutigen zu lassen. Es ist
klar und auch richtig, dass sich das
Verhältnis zu unseren Patienten verändert. Wenn es aber in Zukunft
noch der Ärzteschaft bedarf, statt
einer spezialisierten Technokratenkaste und Robotern, dann gerade
wegen unserer menschlichen Qualitäten und der funktionierenden Be­­
ziehungsebene zwischen Menschen,
die auf Vertrauen beruht.
Dr. med. Steffen Liebscher
Vorstandsmitglied
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Berufspolitik
119. Deutscher
Ärztetag in Hamburg
Eröffnung
Die Eröffnung des 119. Deutschen
Ärztetages fand am 24. Mai 2016 in
der historischen Laeiszhalle in Hamburg statt. Bereits vor 25 Jahren war
die Sächsische Landesärztekammer
erstmals als ostdeutsche Ärztekammer beim 96. Deutschen Ärztetag in
Hamburg vertreten. In seinem Grußwort ging der erste Bürgermeister
der Freien und Hansestadt Hamburg,
Olaf Scholz, darauf ein, wie der Arztberuf attraktiv gestaltet werden
könnte. Er hob dabei die Bedeutung
des Gesundheitswesens der Freien
und Hansestadt Hamburg als wichtigsten Wirtschaftsfaktor hervor. Insbesondere Mitversorgungseffekte für
das Hamburger Umland und ein
Bevölkerungswachstum führten zu
einem Ausbau der Kapazitäten.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe und Bundesärztekammerpräsident
Prof. Dr. med. Frank Ulrich Montgomery (r.)
© SLÄK
tagesaktuell von einer Sitzung der
WHO in Genf, an der er teilgenommen hatte. Er nahm ausführlich zu
den von Prof. Montgomery angeschnittenen Themen Stellung und
ging kurz auf die Irritationen zur
GOÄneu und der Kassenärztlichen
Der Präsident der Bundesärztekam- Bundesvereinigung ein. Dabei former, Prof. Dr. med. Frank Ulrich
derte er nachdrücklich dazu auf,
Montgomery, ging in seinem Referat
dass die Ärzteschaft in stärkerem
auf die auf dem 119. Deutschen Ärz- Maße als gemeinsam handelnde
tetag anstehenden Themen ein. „Mannschaft“ auftreten solle.
Neben kämpferischen Aussagen
Paracelsus-Medaille für
schlug er ebenso moderate Töne an.
Prof. Schulze
in außergewöhnlicher Weise engagiert. Als einer der Gründerväter
der Sächsischen Landesärztekammer
wirkte er maßgeblich am Auf- und
Ausbau der ärztlichen Selbstverwaltung nach dem Fall der Mauer 1989
mit. Jahrzehntelang setzte er sich
für die Belange der deutschen Ärzteschaft ein, ab 1999 über vier Wahlperioden als Präsident der Sächsischen Landesärztekammer. Er gilt als
einer der führenden Diabetologen im
In- und Ausland und hat mit seiner
Forschung insbesondere zum Diabetes mellitus Typ 2 entscheidend zum
heutigen Kenntnisstand bei Diagnostik und Therapie der Krankheit sowie
zur Qualität der Diabetikerbetreuung
beigetragen. Mit seinem vorbildlichen Wirken als Hochschullehrer am
Universitätsklinikum Dresden hat er
Medizinstudierende und junge Ärzte
Er bezog beispielhaft Stellung zu:
■ den Grenzen ökonomischer Zu­­
mutbarkeiten im Rahmen von
Klinikprivatisierungen als Auswüchse eines gewinn- und markt­
orientierten Richtungswechsels,
■ der Bereitstellung ausreichender
Investitionsmittel für die Krankenhäuser,
■der Preisgestaltung bei Arzneimitteln,
■ der Verabschiedung des Antikorruptionsgesetzes für das Gesundheitswesen,
■ der aufopferungsvollen Hilfe vieler tausend Ärzte bei der Bewältigung des Flüchtlingsstromes
sowie
■ den Arbeiten an der Novelle der
Gebührenordnung für Ärzte
(GOÄneu)
■ und vielem mehr.
Im Rahmen der Eröffnung wurde
Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze mit
der Paracelsus-Medaille der deutschen Ärzteschaft geehrt. In der Laudatio heißt es: „Prof. Dr. Schulze hat
sich vier Jahrzehnte lang als Arzt,
Wissenschaftler und Berufspolitiker
Der Bundesminister für Gesundheit,
Hermann Gröhe, MdB, berichtete
Paracelsus-Medaille für Prof. Dr. med. habil. Jan Schulze
© Christian Griebel, helliwood.com
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
229
Berufspolitik
für den Beruf begeistert und nachhaltig geprägt. Für sein erfolgreiches
Bemühen um die deutsch-polnische
Verständigung wurde ihm grenzübergreifend Hochachtung zuteil.
Mit seinem enormen wissenschaft­
lichen und gesundheitspolitischen
Engagement hat sich Prof. Dr.
Schulze um die medizinische Versorgung, die ärztliche Selbstverwaltung
und um das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutschland in hervorragender Weise verdient gemacht.
Es kann rückblickend nicht hoch
genug eingeschätzt werden, dass in
den Zeiten des Umbruchs vor und
während der deutschen Einigung
basisdemokratische Initiativen durch
ehrenamtlichen Einsatz entwickelt
wurden, bevor neue staatliche Strukturen existierten. Mut und Weitsicht
waren die treibenden Kräfte von
Prof. Dr. Schulze bei der Entwicklung
der Verbandsarbeit, die 1989 zur
Gründung des Unabhängigen Verbandes der Ärzte und Zahnärzte in
Sachsen unter seinem Vorsitz und
1990 zur Gründung der Sächsischen
Landesärztekammer führten. Außerdem war er schon im Jahr des Mauerfalls im Unabhängigen Dozentenrat der Medizinischen Fakultät aktiv.
Von 1991 bis 2000 leitete er die
Kreisärztekammer Dresden, und
schließlich war er 16 Jahre lang, von
1999 bis 2015, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer und Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer.
Prof. Dr. Jan Schulze kann auf ein
erfülltes Lebenswerk zurückblicken –
und auf eine Karriere, die für ihn als
Parteilosen trotz seiner fachlichen
Qualifikation zu DDR-Zeiten nicht
absehbar war.“
Neben seiner beeindruckenden wissenschaftlichen Karriere wurde damit
vor allem das über Jahrzehnte währende und außerordentlich vielfältige
berufs- und gesundheitspolitische
Engagement von Jan Schulze zu
Recht gewürdigt.
Arbeitstagung
Nach den Eröffnungsfeierlichkeiten
entstand der Eindruck, dass der 119.
Deutsche Ärztetag eher harmonisch
230
Dipl.-Med. Petra Albrecht
© SLÄK
Präsident Erik Bodendieck
© SLÄK
verlaufen würde. Vor Beginn der
Tagesordnung wurde jedoch ein
Beschlussantrag von verschiedenen
Delegierten einzelner Ärztekammern
zur Abwahl des amtierenden Bundesärztekammerpräsidenten gestellt.
Seine Begründung fand der Antrag
in einem gestörten Vertrauen besonders im Hinblick auf die Reform
der GOÄ. Nach ausführlicher und
sehr differenzierter Diskussion wurde
der Abwahlantrag mehrheitlich ab­­
gelehnt.
sehr gute Zusammenarbeit mit den
Trägern der Unterbringungseinrichtungen, die eine hervorragende
Arbeit leisteten, und den Gesundheitsämtern, konnten größere Infektionsgeschehen vermieden werden.
Gesundheits-, Sozial- und
ärztliche Berufspolitik
Zu der Problematik der Flüchtlinge in
der medizinischen Versorgung referierte unter anderem Frau Dipl.-Med.
Petra Albrecht, Vizepräsidentin der
Sächsischen Landesärztekammer, und
stellte die Situation dar, in der sich
die Gesundheitsämter vor einem Jahr
befanden, als die große Anzahl an
Flüchtlingen in Sachsen ankam. Die
größte Herausforderung hatte an­­
fangs das Gesundheitsamt in Chemnitz zu bewältigen, da es ursprünglich zuständig war für die Erstuntersuchung der in Sachsen registrierten
Flüchtlinge. Durch die erschöpfte
Kapazität der Unterbringungsmöglichkeiten in Chemnitz wurden auch
bald in den Landkreisen und den
anderen kreisfreien Städten Außenstellen für die Erstaufnahme aufgebaut. Das alles war mit großen Problemen verbunden, insbesondere
wenn es um die Einhaltung des
Infektionsschutzes ging. Durch eine
Gebührenordnung
für Ärzte (GOÄ)
Dr. med. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Ausschusses Gebührenordnung der Bundesärztekammer, referierte umfassend in seinem Tätigkeitsbericht zum Sachstand „GOÄneu“. Er berichtete ausführlich über
die Entwicklungen nach dem GOÄSonderärztetag 2016 in Berlin. In
dem Bericht waren die Forderungen
der ärztlichen Spitzenverbände so­­
wie die Ergebnisse der BÄK-Vorstandsitzungen und der Spitzengespräche mit dem Privaten Krankenversicherungs-Verband enthalten.
Die zentralen Kernpunkte sind:
■Erhalt der uneingeschränkten
Freiberuflichkeit des Arztes in Klinik und Praxis.
■ Vermeidung ordnungspolitischer
Anlehnungen an Strukturen der
gesetzlichen Krankenversicherung.
■ Keine Beeinträchtigung des individuellen Arzt-Patienten-Verhältnisses.
■ Keine Honorierung nichtärztlicher
Berufsgruppen nach der neuen
GOÄ.
■ Keine Festlegung absoluter oder
prozentualer Ausgabenobergrenzen im Rahmen des dreijährigen
Monitorings.
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Berufspolitik
■Die auf Beratung beschränkte
Funktion der gemeinsamen Kommission (GEKO).
Zulassung eingereichten Daten auch
im Langzeitverlauf zu überprüfen.
Falls keine neuen Daten vorgelegt
werden, sollte über entsprechende
Sanktionen nachgedacht werden.
Der vorgelegte Ablaufplan des weiteren Verhandlungsprozesses sieht
Frau Birgit Fischer, Hauptgeschäftsvor, dass zuerst eine nochmalige
führerin des „Verbandes forschender
Durchsicht aller Leistungslegenden
Arzneimittelhersteller (vfa)“, versuch­
gemeinsam durch Bundesärztekam­te, die kritischen Bemerkungen von
mer mit den Fach- und BerufsverProf. Dr. Ludwig mit ihren Ausfühbänden erfolgt, sodann eine Bepreirungen zu widerlegen, was ihr nach
sung nach betriebswirtschaftlicher
Ansicht der Delegierten allerdings
Kalkulation und dann schließlich
nur sehr bedingt gelang. In ihrer Eineine Konsentierung der „GOÄneu“
gangsfolie stand: „Mondpreise sind
zwischen PKV/BÄK/Verbände sowie
ein totes Pferd.“ 73 % der deutein eventueller Praxistest. Die Verschen
Preise lägen unter dem Mittel,
handlungen sollen noch in diesem
Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig
34
%
sogar unter dem niedrigsten
Jahr abgeschlossen sein. Ob dies so
© SLÄK
europäischen Vergleichspreis. Arzneieinzuhalten ist, hängt von dem Fortmittel seien ihrer Ansicht nach kein
gang der Gespräche ab. Ein überar- von der Pharmaindustrie häufig
Kostentreiber. Die durchschnittliche
beitetes Leistungsverzeichnis soll
zitierten Hinweis auf die große
jährliche Steigerung der Arzneimitnach der Einigung zwischen den „Innovationskraft“ neuer Arzneimittel
Verbänden, der BÄK und dem
­
vorsichtiger umzugehen. Er bevor- telausgaben liege nur bei 2,6 %.
PKV-Verband sowie der Beihilfe dem
zugt den Begriff „therapeutischer
Unter dem Abschnitt „Innovationen
Bundesgesundheitsministerium über- Fortschritt“. Im Rahmen des Arznei- haben ihren Preis, was darf Gesundreicht werden.
mittelmarkt-Neuordnungsgesetz
heit kosten?, wie viel Geld ist
(AMNOG) sollte es zu einer deutli- gerecht?“ versuchte Frau Fischer zu
Arzneimittelpreisbildung
chen Begrenzung der hohen Preis- erklären, dass nach der Patentierung
Die Preisbildung im Spannungsfeld
und der Markteinführung die hohen
vorstellungen kommen. Das Ziel der
zwischen Patientennutzen und markt­ Einsparungen würde aber noch in
Arzneimittelpreise durch den Ge­­
wirtschaftlich orientierter Unterneh- weiter Ferne liegen. Der Wissensge- sundheitsnutzen im Langzeitverlauf
menskultur bei Arzneimitteln war
zu vernachlässigen seien.
winn aus dem AMNOG-Verfahren
eines der Schwerpunkthemen des
wird in der Praxis noch zu wenig
119. Deutschen Ärztetages. Dieser
Das Ärzteparlament war sich einig,
genutzt.
Tagesordnungspunkt wurde von den
dass die derzeit freie, ausschließlich
Kritisch ging Prof. Dr. Ludwig auch
Delegierten und der Öffentlichkeit
auf die beschleunigten Zulassungs- am Markt orientierte Preisfestlegung
für Arzneimittel im ersten Jahr nach
mit großer Spannung erwartet.
verfahren ein. Er mahnte an, dass
die Pharmaunternehmen verpflichtet
der Markteinführung abgeschafft
werden sollte. Außerdem müssen die
Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, werden müssen, die im Rahmen der
Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft,
warnte vor einer finanziellen Überforderung des Gesundheitssystems
aufgrund der steigenden Arzneimittelpreise. So stiegen die Ausgaben
der gesetzlichen Krankenkassen für
Arzneimittel jährlich um vier bis fünf
Prozent. Besonders die Onkologika
seien für die Pharmaunternehmen
ein gewinnbringender Sektor. So liegen die jährlichen Therapiekosten
pro Patient bei teilweise über
100.000 Euro! Im Rahmen von Kosten-Nutzen-Bewertungen ist zu fragen, ob die erreichte kurze Lebensverlängerung, unter Berücksichtigung der Lebensqualität, diese Preise wirklich rechtfertigt. Prof. Dr. Lud- Dr. med. Steffen Liebscher, Dr. med. Dietrich Steiniger und Dr. med. Stefan Windau
wig sprach sich dafür aus, mit dem
bei der Abstimmung
© SLÄK
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
231
Berufspolitik
Ergebnisse der Nutzenbewertung
den Ärzten schnell und nachvollziehbar zur Verfügung gestellt werden, denn sie sind für eine Indikations- und ökonomisch vertretbare
Verordnung verantwortlich.
Sachstand der Novellierung der
(Muster-)Weiterbildungsordnung
Der Vorsitzende der Weiterbildungsgremien der Bundesärztekammer, Dr.
med. Franz Bartmann, gab in seinem
Einführungsvortrag einen Überblick
zum aktuellen Sachstand der Novellierung der (Muster-)Weiterbildungsordnung. Ausgehend vom bisher
erreichten Stand der Novelle erläuterte er das weitere Vorgehen bis zur
möglichen Fertigstellung. Unmittelbar nach dem Deutschen Ärztetag
werden die Berufs- und Fachverbände über die elektronische Plattform Wiki-BÄK zum aktuellen Stand
informiert und in den Fortgang der
Bearbeitung wiederum mit einbezogen. Im Anschluss an seinen Einführungsvortrag schloss sich eine
umfangreiche Diskussion mit zahlreichen Wortmeldungen an. Im Ergebnis der Aussprache wurden die allermeisten Anträge der Delegierten an
den Vorstand der Bundesärztekammer und damit an die involvierten
Wei-terbildungsgremien zur weite-
Prof. Dr. med. habil. Uwe Köhler
© SLÄK
ren Bearbeitung verwiesen. In der
Ge­­
samtschau handelte es sich um
eine sehr sachbezogene und ergebnisorientierte Debatte. Der Zeithorizont bis zur endgültigen Fertigstellung ist allerdings noch offen. Mittlerweile hat sich auch auf Bundesebene die Erkenntnis durchgesetzt,
dass Sorgfalt vor Schnelligkeit geht.
Leitende Krankenhausärzte im
Konflikt zwischen Medizin und
Ökonomie
Zu diesem Thema referierte Prof. Dr.
med. Hans Fred Weiser, Präsident
Die sächsischen Vertreter beim 119. Deutschen Ärztetag
232
des „Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte (VLK)“. Die leitenden
Krankenhausärzte weisen seit Jahren
mit großer Sorge auf die negativen
Folgen der Ökonomisierung respektive Kommerzialisierung der Medizin
hin, wofür das der Güterwirtschaft
entliehene Vergütungssystem hauptsächlich verantwortlich sei. Der
Tübinger Medizinethiker Urban Wiesing formulierte bereits 2013: „So­­
lange betriebswirtschaftliches Denken dazu dient, eine indizierte Maßnahme möglichst wirtschaftlich und
effektiv umzusetzen, ist es geboten.
Der Rubikon ist überschritten, wenn
ökonomisches Denken zur Erlössteigerung die medizinische Indikationsstellung beeinflusst.“
Selbstverständlich sind sich alle darüber einig, dass auch Ärzte ökonomischem Handeln verpflichtet sind. Es
gilt aber, den Arzt im Vergleich zu
den Verwaltungsberufen des Krankenhauses zumindest auf eine gleiche Ebene zu stellen. Ethisch verantwortungsbewusste Medizin stehe
nicht für den Verkauf von Diagnose
und Therapie zur Prestigesteigerung
bzw.
Gewinnmaximierung
des
Unternehmens Krankenhaus. Prof.
Dr. Weiser betonte, dass „Ärztinnen
und Ärzte von keinem Träger und
© SLÄK
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Berufspolitik
von keiner Geschäftsführung – quasi
als Key Account Manager – an solchen Strategien beteiligt oder gar
per Dienstvertrag verpflichtet werden dürfen“.
Besonders bedenklich sei, dass der
Konflikt zwischen Medizin und Ökonomie in den letzten Jahren zunehmend auf alle an der Krankenhausversorgung beteiligten Ärzte übertragen wird. Der Referent forderte deshalb, dass Verträge mit variablen
Vergütungskomponenten und festgelegten monetären Anreizen, die in
den letzten Jahren an Zahl deutlich
zugenommen haben, von den Be­­
Approbation versus
Erlaubnis zur
Erwerbstätigkeit?
Für die Aufnahme einer ärztlichen
Tätigkeit durch Staatsangehörige aus
Drittstaaten (das heißt Staaten, die
nicht Mitglied oder Vertragspartei
der Europäischen Union sind) scheint
ebenfalls nur die Erteilung einer
Approbation/Berufserlaubnis entschei­
dend. Dies allein ist jedoch nicht ausreichend. Dem ausländischen Arzt
muss zudem eine Erwerbstätigkeit
erlaubt sein. Hierauf weist die Landesdirektion Sachsen auf eine entsprechende Nachfrage der Sächsischen Landesärztekammer hin.
Das ausländerrechtliche und das
approbationsrechtliche
Verfahren
sind zwei voneinander unabhängige
Verfahren. Die Landesdirektion Sachsen als Approbationsbehörde prüft
lediglich, ob der Antragsteller die
approbationsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, um in Deutschland
als Arzt tätig zu werden. Hierbei
handelt es sich um eine fachbezogene Prüfung. Sofern die approba­
tionsrechtlichen Voraussetzungen für
die Erteilung einer Approbation bzw.
Berufserlaubnis vorliegen, heißt dies
nur, dass der Antragsteller hier
grundsätzlich als Arzt arbeiten und
seinen Beruf ausüben könnte.
Die Approbation bzw. Berufserlaubnis kann aber nicht mit einer ErlaubÄrzteblatt Sachsen 6 / 2016
troffenen abgelehnt werden sollten,
da Ärzte Angehörige eines „Freien
Berufes“ sind und einer Berufsordnung unterliegen, die vorschreibt,
dass jede Entscheidung für eine Patientenbehandlung nicht nach ökonomischen Vorgaben getroffen werden
darf.
nicht leitende Krankenhausärzte be­­
troffen seien, soll die Beratung auch
für diese geöffnet werden.
Die gemeinsame Koordinierungsstelle von BÄK und VLK wird nun
prüfen, inwieweit sich Krankenhausgeschäftsführungen an die neue
Gesetzeslage (§ 135c SGB V) halten.
Im Rahmen der 2013 gegründeten
gemeinsamen Koordinierungsstelle
zu „Zielvereinbarungen in Verträgen
zu leitenden Krankenhausärzten“
wurden Bewertungskriterien für Vertragsentwürfe festgelegt, die die
Bonusregelungen besonders kritisch
hinterfragen. Da zunehmend auch
Die Referate des 119. Deutschen
Ärztetages können unter: www.
bundesaerztekammer.de nachgelesen
werden.
nis, auch einer Erwerbstätigkeit
nachgehen zu dürfen, gleichgesetzt
werden. Eine solche Erlaubnis zur
Erwerbstätigkeit umfasst hierbei
selbständige Tätigkeit und Beschäftigung nach § 7 SGB IV. Um tatsächlich als Arzt in Deutschland arbeiten
zu dürfen, bedarf es auch eines
Aufenthaltstitels für den Angehöri­
gen eines Drittstaates, dem sich entnehmen lässt, ob die Ausübung einer
Erwerbstätigkeit erlaubt ist, vgl. § 4
Abs. 2 Aufenthaltsgesetz. So­­
lange
dies nicht der Fall ist, darf auch keine
Erwerbstätigkeit aufgenommen werden.
Während sich Antragsteller um einen
Aufenthaltstitel bei der Ausländerbehörde und eine Arbeitserlaubnis bei
der Bundesagentur für Arbeit gesondert kümmern mussten, ist mittlerweile nur noch eine Antragstellung
bei der Ausländerbehörde notwendig. Dort wird der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für
einen bestimmten Aufenthaltszweck
gestellt und die Ausländerbehörde
beteiligt dann gegebenenfalls die
Bundesagentur für Arbeit und erteilt
bei Erfüllung aller Voraussetzungen
den entsprechenden Aufenthaltstitel.
Prof. Dr. med. habil. Hans-Egbert Schröder
Vorsitzender des Redaktionskollegiums
„Ärzeblatt Sachsen”
Daher ist dem Arzt in der Niederlassung, aber auch stationären Einrichtungen zu empfehlen, vor der Aufnahme der Beschäftigung eines ausländischen Arztes eines Drittstaates
neben der Approbation bzw. Berufserlaubnis, sich auch einen entsprechenden Aufenthaltstitel /eine Er­­laub­
nis zur Erwerbstätigkeit vorlegen zu
lassen.
Ass. jur. Michael Kratz
Rechtsreferent
233
Berufspolitik
CIRS-Fälle:
„Der Anfang des Heils ist die
Kenntnis des Fehlers“
Epikur
Die Buchstaben „CIRS“ stehen für
Critical Incident Reporting-System. Die Internetplattform http://
www.cirsmedical.de/ ist inzwischen allgemein bekannt und
wird von vielen Kolleginnen und
Kollegen genutzt, um anonym
kritische Fälle zur Diskussion zu
stellen und aus diesen Fällen zu
lernen. Wir stellen Ihnen regelmäßig einzelne Fälle vor, die wir
für interessant halten.
Aufmerksam machen möchten
wir auch auf die speziell für Krankenhäuser angelegte Plattform
http://www.kh-cirs.de/ und die
Plattform für Hausarztpraxen
https://www.jeder-fehler-zaehlt.
de/
Auf der CIRS-Seite der Anästhesie
findet sich ein wichtiger Problemfall
als Fall des Monats Oktober 2014.
Wissenschaftliche Studie zum
Umgang mit einer Krebserkrankung – Ärzte und Ärztinnen für
eine (Online-) Befragung gesucht
Wen suchen wir?
Ärzte und Ärztinnen, vor allem aus
den Bereichen Allgemeinmedizin,
Gynäkologie, Urologie, Gastroenterologie, Chirurgie und Strahlentherapie, die in ihrem Behandlungsalltag
regelmäßig Kontakt zu Patienten
bzw. Patientinnen mit Brust-, Darmoder Prostatakrebs haben.
Worum geht es in der Befragung?
Es geht um die ärztliche Sicht auf
Strategien und Maßnahmen, die an
Krebs erkrankte Personen zusätzlich
zu der medizinischen Behandlung
anwenden (können), zum Beispiel
ernährungsbezogene Strategien oder
körperliche Aktivität. Was halten Sie
234
Bei einer seit mehreren Stunden in
der geburtshilflichen Abteilung eines
Hauses stationär aufgenommenen
Patientin erfolgte eine dringliche
Sectio. Das entbundene Kind, das
üblicherweise an die Hebamme
übergeben wird, wurde dem Anästhesisten zur Versorgung überreicht,
da keine Hebamme anwesend war.
Es wird geschildert, dass dieses Pro­
blem aufgrund von Personalmangel
mindestens einmal monatlich auftritt.
In der juristischen Beurteilung findet
sich die ganz klare Aussage, dass
eine Geburt nur in Anwesenheit
einer Hebamme stattfinden darf.
Gerade in kleineren Häusern gibt es
im Laufe des Jahres jedoch immer
wieder Fälle, in denen zwei Geburten parallel betreut werden müssen
und daher auch einmal ein Kaiserschnitt ohne Hebammenbetreuung
notwendig wird. Hier ist es wichtig
(wie in diesem Falle auch), dass der
Anästhesist geschult ist in der Versorgung eines Neugeborenen. In dem
geschilderten Fall jedoch handelte es
für sinnvoll? Welche Empfehlungen
zusätzlich zur medizinischen Behandlung geben Sie und wovon raten Sie
eher ab?
Was ist das Ziel der Studie?
Mit den Ergebnissen unserer Studie
soll die ärztliche Beratungssituation
für alle Beteiligten verbessert sowie
Angebote und Informationsmaterialien für Patienten/-innen entwickelt
werden.
Wer führt die Studie durch?
Am Momentum Projekt beteiligt sind
die Universität Heidelberg (Prof. Dr.
Monika Sieverding), das Deutsche
Krebsforschungszentrum (Prof. Dr.
Karen Steindorf), das Universitätsklinikum Heidelberg (Dr. Joachim Wiskemann) und das Nationale Centrum
für Tumorerkrankungen. Das Projekt
wird von der Deutschen Krebshilfe
gefördert.
sich um ein dienstplanerisches Pro­
blem, in der fraglichen Nacht war
keine Hebamme eingeplant.
Das stellt ein erhebliches Organisationsverschulden dar. Nicht nur die
geburtshilfliche Abteilung sollte das
notwendige Personal einfordern,
sondern auch durch die Anästhesie
in dieser Forderung aktiv unterstützt
werden.
In Sachsen mussten allein im letzten
Jahr aufgrund des Personalmangels
an Hebammen zwei (allerdings sehr
kleine) geburtshilfliche Abteilungen
geschlossen
werden.
Weitere
Anfahrtswege müssen aufgrund
zwingend erforderlicher Qualitätsanforderungen an eine Geburt in Kauf
genommen werden.
Details finden Sie unter https://www.
cirs-ains.de/files/fall-des-monats/
FdMOktober2014.pdf.
Dr. med. Patricia Klein
Ärztliche Geschäftsführerin
Wie können Sie teilnehmen?
Über unsere Homepage www.
momentum-projekt.de können Sie
an der Befragung teilnehmen (Dauer:
ca. 15 bis 20 Minuten).
Alternativ können Sie den Fragebogen gern auch in einer Papierversion
zugeschickt bekommen (mit frankiertem Rückumschlag). In dem Fall
schreiben Sie uns eine E-Mail an:
[email protected]
Für die Teilnahme an unserer Befragung erhalten Sie eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 25 Euro.
Über Ihre Teilnahme würden wir uns
sehr freuen!
Prof. Dr. rer. nat Karen Steindorf
Abteilung Bewegung, Präventionsforschung
und Krebs
Deutsches Krebsforschungszentrum und
Nationales Centrum für Tumorerkrankungen,
Heidelberg
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Gesundheitspolitik
Neue bundesweit
geltende Meldepflichten: Bedeutung
für Sachsen
Am 1. Mai 2016 trat die Verordnung
zur Anpassung der Meldepflichten
nach dem Infektionsschutzgesetz an
die epidemische Lage (IfSG-Meldepflicht-Anpassungsverordnung – IfSGMeldAnpV) in Kraft. Einige der hier
aufgeführten Meldepflichten bestanden bereits und waren bis dato
durch andere Verordnungen geregelt.
Ausdehnung der Meldepflichten
in Bezug auf namentlich an das
zuständige Gesundheitsamt zu
meldende Krankheiten
(sogenannte Arztmeldung)
Zu melden sind der Verdacht sowie
die Erkrankung und der Tod an zoonotischer Influenza. Die seit 2007
geltende „Aviäre-Influenza-Meldepflicht-Verordnung“ wird hierdurch
ersetzt und tritt außer Kraft.
An dieser Stelle eingebunden wurde
außerdem die bundesweite Meldepflicht der Erkrankung und des Todes
an einer Clostridium-difficile-Infektion mit schwerem Verlauf. Da in
Übereinstimmung mit den zuständigen Seuchenreferenten der Länder
davon ausgegangen wurde, dass
schwer verlaufende Infektionen
durch C. difficile als bedrohliche
Krankheit mit Hinweis auf eine
schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit zu werten sind, wurde
bereits im Jahr 2007 die namentliche
Meldepflicht nach § 6 IfSG für den
Nachweis von Ribotyp-027-Infektionen sowie für die Diagnose schwerer
bzw. rekurrierender C.-difficile-Infektionen eingeführt. Hier wird der
Bedeutung des Erregers Rechnung
getragen, indem er nun explizit aufgeführt wird und nicht mehr nur
unter der Rubrik der sogenannten
weiteren bedrohlichen Krankheiten
erfasst wird. Da in Sachsen gemäß
(§ 1 Abs. 1 Nr. 5 und § 4 Abs. 1 Nr.
4) sächsischer IfSG-Meldeverordnung
(Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und VerÄrzteblatt Sachsen 6 / 2016
braucherschutz über die Erweiterung
der Meldepflicht für übertragbare
Krankheiten und Krankheitserreger
nach dem Infektionsschutzgesetz –
IfSGMeldeVO) eine generelle Meldung der Erkrankung und des Todes
an einer durch C. difficile verursachten Enteritis infectiosa bereits seit
langem besteht und C. difficile somit
auch meldepflichtig ist, wenn allein
das Krankheitssymptom „Durchfall“
gegeben ist, sind keine Änderungen
zu beachten.
Ausdehnung der Meldepflicht
in Bezug auf namentlich
meldepflichtige Nachweise von
Krankheitserregern (sogenannte
Labormeldung)
Die Meldepflicht nach § 7 Abs. 1 des
Infektionsschutzgesetzes wurde ausgedehnt auf den direkten oder indirekten Nachweis von ChikungunyaVirus, Dengue-Virus, West-Nil-Virus,
Zika-Virus und sonstige Arboviren,
soweit der Nachweis auf eine akute
Infektion hinweist. Da sie in seltenen
Fällen auch das Krankheitsbild eines
hämorrhagischen Fiebers auslösen
können, kamen Nachweise von Dengue-Virus bereits gemäß IfSG zur
Meldung. Dem großen, expandierenden Zika-Virus-Ausbruch in Mittelund Südamerika geschuldet, wurden
nun die neuen Meldekategorien der
durch Arthropoden übertragenden
Gruppe der Arboviren eingeführt.
Zudem wird vermutet, dass die bis in
gemäßigte Breiten vorkommende
asiatische Tigermücke (Aedes albo-
pictus) übertragungskompetent ist
und in Zukunft auch in einigen Regionen Deutschlands autochthone
Infektionen auftreten könnten.
Außerdem sind die direkten Nachweise folgender Krankheitserreger
zu melden: Staphylococcus aureus,
Methicillin-resistente Stämme (MRSA);
Meldepflicht für den Nachweis aus
Blut oder Liquor.
Hierfür liegt bereits seit Mai 2009
eine entsprechende Meldepflicht
nach Labormeldepflicht-Anpassungsverordnung vor und es wurde nur
eine sinnvolle Zusammenführung
vollzogen. In dem Zusammenhang
ist darauf hinzuweisen, dass in Sachsen entsprechend § 2 Abs. 1 Nr. 6
IfSGMeldeVO zusätzlich eine na­­ment­
liche Meldepflicht des direkten oder
indirekten Nachweises von caMRSA
(community acquired Methicillinresistentem S.aureus, PVL-bildend)
besteht.
Eine Erweiterung der bundesweiten
Meldepflicht wurde zudem vollzogen
für: Enterobacteraceae sowie Acinetobacter spp. mit CarbapenemNichtempfindlichkeit oder bei Nachweis einer Carbapenemase-Determinate; Meldepflicht bei Infektion und
Kolonisation. Im Freistaat Sachsen ist
diese Erregergruppe gemäß der IfSGMeldeVO bereits seit Dezember
2012, jeweils differenziert nach
Infektion und Kolonisation, zu übermitteln. Gemeinsam mit dem Bun-
235
Gesundheitspolitik
desland Hessen hatte Sachsen diesbezüglich eine Vorreiterstellung eingenommen.
Zusätzlich ist in Sachsen auch der
Nachweis von Pseudomonas aeruginosa mit erworbenen Carbapenemasen oder bei gleichzeitigem Vorliegen von phänotypischer Resistenz
gegen Acylureido-Penicilline, Cephalosporine der 3. und 4. Generation,
Carbapeneme und Fluorchinolone zu
melden. Diese Meldepflicht gemäß
sächsischer IfSGMeldeVO bleibt un­­
berührt.
Zusammenfassend bedeuten die
neuen Meldepflichten für Sachsen,
bis auf die Tatsache der nun zu erfassenden Arbovirus-Infektionen, keine
Mitteilungen der
Sächsischen Impfkommission (SIKO):
Aktualisierung der Empfehlungen
der Sächsischen Impfkommission
zur Durchführung von Schutzimpfungen im Freistaat Sachsen
– Impfempfehlungen E 5, E 6 und
E 7 – ab 1. Juli 2016:
Die Sächsische Impfkommission
(SIKO) beschloss auf ihrer 47. Sitzung am 01.04.2016 die Aktualisierung folgender Dokumente zum
01.07.2016:
Ärztliche Meldepflichten gemäß Infektionsschutzgesetz:
• Meldepflichtige Erkrankungen: Gemäß § 6 IfSG sind vom feststellenden/leitenden Arzt der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der
Tod an den dort festgelegten Erkrankungen zu melden.
• Meldepflichtige Erreger: Gemäß § 7 IfSG haben die Leiter der Labore
Nachweise der dort festgelegten Krankheitserreger zu melden.
• Leiter von Einrichtungen der pathologisch-anatomischen Diagnostik
haben sowohl meldepflichtige Erkrankungen gem. § 6 IfSG als auch
meldepflichtige Erreger gem. § 7 IfSG zu melden.
maßgeblichen Neuerungen. Die
aktualisierten Meldebögen sowie
Versionen, die direkt am PC ausfüllbar sind, finden Sie unter den folgenden Links:
http://www.gesunde.sachsen.de/
download/lua/LUA_HM_ArztMeldebogen.pdf
E5
Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zu Impfabständen
E6
Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zu Impfungen im
Zusammenhang mit Operationen
E7
Empfehlungen der Sächsischen Impfkommission zu hygienischen Grundbedingungen bei der Durchführung
von Schutzimpfungen
Die novellierten Impfempfehlungen
E 5, E 6 und E 7 liegen als Sonderdruck dieser Ausgabe des Ärzteblat-
http://www.gesunde.sachsen.de/
download/lua/LUA_HM_LabMeldebogen.pdf
http://www.gesunde.sachsen.de/
download/lua/LUA_HM_LabMeldebogen_MRE.pdf
Dr. med. Sophie-Susann Merbecks
Landesuntersuchungsanstalt für das
Gesundheits- und Veterinärwesen (LUA) Sachsen
tes Sachsen vom Juni 2016 bei. Sie
werden außerdem auf den Homepages
• der Sächsischen Landesärztekammer:
www.slaek.de ➝ Ärzte ➝ Informationen / Leitlinien ➝ Impfen
• der Gesellschaft für Hygiene,
Umweltmedizin und Schutzimpfungen in Sachsen:
www.ghuss.de ➝ Sächsische Impfkommission
veröffentlicht.
Korrespondenzanschrift:
Dr. med. Dietmar Beier
Vorsitzender der Sächsischen Impfkommission
Elisabeth-Reichelt-Weg 35
09116 Chemnitz
[email protected]
[email protected]
Anzeige
236
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Recht und Medizin
Asylbewerber:
Datenübermittlung
an Behörden
Aktuell kommt es immer wieder zu
Unstimmigkeiten bezüglich der Kommunikation mit Behörden. Konflikte
mit der ärztlichen Schweigepflicht
treten dabei immer wieder auf, da
sich die rechtlichen Regelungen zur
Datenübermittlung im Asylrecht von
denen des Sozialrechts unterscheiden.
Insbesondere gilt dies, wenn die
Behörde (Landesdirektion/Sozialamt/
Gesundheitsamt) selbst Daten erhebt.
Sie ist dabei an datenschutzrechtliche Grundsätze gebunden. Danach
ist eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten zulässig, wenn
eine Rechtsvorschrift sie erlaubt oder
soweit der Betroffene einwilligt. Mit
§ 7 AsylG liegt eine solche Rechtsvorschrift bzw. Erlaubnisnorm vor,
sodass es im hiervon erfassten
Bereich daneben keiner Einwilligung
bedarf.
Orientierungshinweise
Fragt die Behörde (Landesdirektion/
Sozialamt/Gesundheitsamt) beim be­­
handelnden Arzt medizinische Informationen zu einem Asylbewerber an,
so können diese ohne Entbindung
von der Schweigepflicht weitergegeben werden, wenn es „offensichtlich
ist, dass es im Interesse des Betroffenen liegt und kein Grund zu der
Annahme besteht, dass er in Kenntnis der Erhebung seine Einwilligung
verweigern würde“ (siehe § 7 Abs. 2
Satz 2 Nr. 2 AsylG). Dies dürfte regel-
Mitteilungen der Geschäftsstelle
haft der Fall sein, wenn es um die
Bewilligung einer medizinisch notwendigen Leistung geht.
Wenn dagegen der behandelnde
Arzt im Antrag auf Kostenzusage
von sich aus medizinische Informationen an die Behörde sendet, muss
eine personalisierte Entbindung von
der Schweigepflicht des Asylbewerbers vorliegen. Formalisierte Entbindungen von der Schweigepflicht in
verschiedenen Sprachen finden sich
auf der Internetseite der Sächsischen
Landesärztekammer (www.slaek.de
➛ FAQ ➛ Asylbewerber – Medizinische Versorgung ➛ Wo finde ich
Anamnesebögen in anderen Sprachen).
Dr. med. Patricia Klein
Ärztliche Geschäftsführerin
Konzerte und
Ausstellungen
Programmvorschau
25. September 2016, 11.00 Uhr
Junge Matinee „Herbstliche Klänge”
Es musizieren Schülerinnen und
Schüler der Musikschule des
Landkreises Meißen.
Ausstellungen im Foyer und
4. Etage
Katharina Lewonig
Hinkeln – Malerei und Zeichnung
bis 10. Juli 2016
Rita Geißler
Im Licht – Malerei, Zeichnung, Grafik
28. Juli bis 23. Oktober 2016
Vernissage: Donnerstag,
28. Juli 2016, 19.30 Uhr
Einführung: Dr. sc. phil. Ingrid Koch,
Kulturjournalistin, Dresden
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
237
Mitteilungen der Geschäftsstelle
Zuständigkeit der
Ethikkommissionen
in Sachsen
Die Sächsische Landesärztekammer
weist aktuell darauf hin, dass bei der
Teilnahme an medizinischen Forschungsvorhaben grundsätzlich die
Ethikkommission der Sächsischen
Landesärztekammer (SLÄK) für die
Beratung von Ärzten in Sachsen
zuständig ist. Dies resultiert aus § 5a
Abs. 1 des Sächsischen Heilberufekammergesetzes und umfasst auch
eine Zuständigkeit für akademische
Lehrkrankenhäuser und Lehrpraxen.
Eine Ausnahme zu dieser grundsätz-
Medizinische Fachangestellte
lichen Zuständigkeit bildet § 5a Abs. 3
Sächsisches
Heilberufekammergesetz. Danach können die Medizinischen Fakultäten oder die Universitäten Leipzig und Dresden selbst
eigene Ethikkommissionen errichten.
Diese treten für ihren Zuständigkeitsbereich an die Stelle der Ethikkommission der Sächsischen Landesärztekammer. Zu diesem Zuständigkeitsbereich gehören jedoch nicht die
Akademischen Lehrkrankenhäuser
und Lehrpraxen.
Dies bestätigen auch die Staatsministerien für Soziales und Verbraucherschutz sowie für Wissenschaft und
Kunst als zuständige Rechtsaufsichtsbehörden, wonach „die Interpreta-
tion der einschlägigen Gesetzesvorschriften … zu dem Ergebnis führt,
dass die universitären Ethikkommissionen lediglich einen eng begrenzten
Zuständigkeitsbereich haben, der
Lehrkrankenhäuser und Lehrpraxen
als außeruniversitäre Einrichtungen
nicht umfasst.“
Das Anliegen der SLÄK ist es, für die
in Sachsen tätigen Ärzte rechtlich
nicht angreifbare Voten zu erstellen
und ihren Mitgliedern eine gesetzeskonforme, rechtssichere und unabhängige Beratung zu garantieren.
Ass. jur. Anke Schmieder
Leiterin Referat Ethikkommission
vocatium Dresden
2016
9. Fachmesse für Ausbildung und
­Studium
Rund 2.400 Schülerinnen und Schüler aus über 61 Schulen besuchten
am 11. und 12. Mai 2016 im Internationalen Congress Center die
vocatium Dresden.
Die Messe richtete sich in erster Linie
an Schüler der 9. Klassen von Oberschulen und der 11. Klassen an Gymnasien, die sich über Ausbildungsund Studienmöglichkeiten informieren konnten. Das Veranstaltungskonzept basiert auf passgenauen, verbindlichen
Beratungsgesprächen
zwischen den Ausstellern und den
Jugendlichen. Mehr als 6.000 Ge­­
sprächswünsche wurden bereits im
Vorfeld der Messe für feste Ge­­
sprächstermine mit den Ausstellern
angemeldet.
Die Sächsische Landesärztekammer
beteiligte sich zum zweiten Mal an
dieser Fachmesse. An ihrem Stand
warb sie für den interessanten, ab­­
wechslungsreichen und anspruchs­
vollen Beruf der Medizinischen
Fachangestellten (MFA). Für alle Fragen rund um das Berufsbild standen
den zahlreichen Interessenten die
Mitarbeiterinnen des Referates Medi-
238
Beratungsgespräch am Stand der Sächsischen Landesärztekammer
zinische Fachangestellte der Sächsischen Landesärztekammer zur Verfügung.
Aus dem Praxisalltag ist die MFA
nicht wegzudenken. In einigen Regionen werden qualifizierte MFA
händeringend gesucht. Schon aus
­
eigenem Interesse sind Praxen daher
gefordert, in den Nachwuchs zu
investieren, junge Menschen auszubilden und durch attraktive Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen
sowie Aufstiegsmöglichkeiten an
ihre Arbeitsplätze zu binden.
Die Rahmenbedingungen auf dem
Ausbildungsmarkt haben sich ve­­
r­
ändert. Seit 2007 ist die Zahl der
Schüler, die einen Ausbildungsplatz
© SLÄK
suchen, deutlich zurückgegangen.
Mehr junge Menschen als bisher
streben ein Studium an. Gleichzeitig
haben aber zahlreiche junge Menschen Probleme, den Einstieg in die
Ausbildung zu finden. Zum Teil gibt
es ein Ungleichgewicht zwischen
den Ausbildungsanforderungen und
den Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber.
Die Beratungsgespräche ermöglichen eine qualifizierte Information
der SchülerInnen über das Berufsbild
der MFA, die Ausbildungsvoraussetzungen und Ausbildungsanforderungen.
Marina Hartmann
Leitende Sachbearbeiterin
Referat Medizinische Fachangestellte
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Mitteilungen der Geschäftsstelle
Fachsprachen­
prüfung für
­ausländische Ärzte
Seit dem 1. Mai 2016 hat die Landesdirektion Sachsen bei der Erteilung der Approbation bzw. einer
Berufserlaubnis zu prüfen, ob der
Antragsteller über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt. Nach Einzelfallprüfung
wird der Antragsteller durch die Landesdirektion Sachsen aufgefordert,
einen Fachsprachentest zu absolvieren. Mit der Durchführung der Fachsprachenprüfungen für Ärzte wurde
die Sächsische Landesärztekammer
beauftragt.
Die Fachsprachenprüfung dient
dabei der behördlichen Aufklärung
zum Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen zur Erteilung der Approbation. Es handelt sich damit um ein
Sachverständigengutachten.
Die Fachsprachenprüfungen für
Ärzte finden in der Sächsischen Landesärztekammer statt. Organisatorisch werden sie durch das Referat
Weiterbildung / Prüfungswesen be­­
treut.
Die ersten Mitglieder der Prüfungskommission Fachsprache wurden
bereits durch den Vorstand der Sächsischen Landesärztekammer berufen.
Bei der Vorbereitung der Einführung
der Fachsprachenprüfungen wurde
die Sächsische Landesärztekammer
von Mitgliedern der Ärztekammer
Westfalen Lippe fachlich unterstützt,
die im April 2016 auch eine Informationsveranstaltung für die ersten
zukünftigen Fachsprachenprüfer in
Dresden durchführten. Die ersten
Prüfungstermine sind für Ende Juli/
Anfang August 2016 geplant.
Der Test dauert mindestens 60 Minuten und umfasst folgende Teile zu je
20 Minuten:
a) ein Anamnesegespräch mit einem
(gespielten) Patienten,
b) Anfertigung eines ärztlichen Kurzberichtes über das geführte Anam­
­nesegespräch,
c)Weitergabe der im Anamnesegespräch erhaltenen Informationen
an einen Arzt im Rahmen eines
Übergabegespräches, Absprache
möglicher Diagnosen, Maßnahmen und Therapien.
Ärzte müssen über Fachsprachenkenntnisse im berufsspezifischen
Kontext orientiert am Sprachniveau
der Niveaustufe C1 (GER) verfügen.
Dafür sind folgende fachspezifische
Sprachanforderungen zu erfüllen:
■ Sie müssen ihre Patienten inhaltlich ohne wesentliche Rückfragen verstehen und sich insbesondere so spontan und so fließend
verständigen können, dass sie in
der Lage sind, sorgfältig die
Anam­nese zu erheben, Patienten
sowie deren Angehörige über
erhobene Befunde sowie eine
festgestellte Erkrankung zu informieren,
die
verschiedenen
Aspekte des weiteren Verlaufs
darzustellen und Vor- und Nachteile einer geplanten Maßnahme
sowie alternativer Behandlungsmöglichkeiten zu erklären, ohne
öfter deutlich erkennbar nach
Worten suchen zu müssen.
■ In der Zusammenarbeit mit Kollegen sowie Angehörigen anderer
Berufe müssen sie sich so klar
und detailliert ausdrücken können, dass bei Patientenvorstellungen sowie ärztlichen Anordnungen und Weisungen Missverständnisse sowie hierauf beruhende Fehldiagnosen, falsche The­
rapieentscheidungen und Therapiefehler ausgeschlossen sind.
■ Darüber hinaus müssen sie die
deutsche Sprache auch schriftlich
angemessen beherrschen, um
Krankenunterlagen ordnungsgemäß führen und ärztliche Be­­schei­
nigungen ausstellen zu können.
Bewertung der Prüfung
Die Prüfungskommissionen bestehen
aus drei Personen, von denen mindestens zwei Ärzte sind. Die Mitglieder der Kommissionen nehmen die
Bewertung der Prüfung nach einem
einheitlichen, strukturierten Schema
gemeinsam vor und teilen das Ergebnis unmittelbar nach der Prüfung
dem Prüfungskandidaten mit. Das
Prüfungsergebnis wird im Anschluss
der Approbationsbehörde mitgeteilt.
Die weitere Bearbeitung erfolgt dort.
Im Falle des Nichtbestehens kann
die gesamte Fachsprachenprüfung
mehrmals wiederholt werden. Die
Anzahl der Wiederholungsprüfungen
ist nicht begrenzt. Für jede Prüfung
ist eine Gebühr zu entrichten.
Ausführliche Informationen zur Prüfung stehen unter www.slaek.de bei
Ärzte / Ausländische Ärzte / Fachsprachenprüfungen.
Dr. med. Patricia Klein
Ärztliche Geschäftsführerin
Ablauf der Fachsprachenprüfung
Der Fachsprachentest findet in Form
einer Einzelprüfung statt, in der die
mündliche und schriftliche Kommunikationsfähigkeit des Antragstellers
im berufsspezifischen Kontext überprüft wird. Das Fachwissen des An­­
tragstellers wird nicht überprüft.
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
239
Mitteilungen der KVS
Verschiedenes
Ausschreibung von
Vertragsarztsitzen
Von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen werden gemäß § 103
Abs. 4 SGB V folgende Vertragsarztsitze in den Planungsbereichen zur
Übernahme durch einen Nachfolger
ausgeschrieben:
Bitte beachten Sie folgende Hinweise:
*) Bei Ausschreibungen von Fachärzten für Allgemeinmedizin können
sich auch Fachärzte für Innere Medizin bewerben, wenn sie als Hausarzt
tätig sein wollen.
Bei Ausschreibungen von Fachärzten
für Innere Medizin (Hausärztlicher
Versorgungsbereich) können sich
auch Fachärzte für Allgemeinmedizin
bewerben.
sorgungsebenen sind auf der
Homepage der KVS (www.kv
sachsen.de → Mitglieder → Arbeiten als Arzt → Bedarfsplanung und
sächsischer Bedarfsplan) abrufbar.
Bitte geben Sie bei der Bewerbung
die betreffende Registrierungs-Nummer (Reg.-Nr.) an.
Nähere Informationen hinsichtlich des räumlichen Zuschnitts
sowie
der
arztgruppenbezogenen Zuordnung zu den einzelnen Planungsbereichen bzw. Ver-
Es wird darauf hingewiesen, dass
sich auch die in den Wartelisten eingetragenen Ärzte bei Interesse um
den betreffenden Vertragsarztsitz
bewerben müssen.
Bezirksgeschäftsstelle Chemnitz
Reg.-Nr.
Fachrichtung
16/C025
Kinder- und Jugendmedizin
Planungsbereich
Bewerbungsfrist
Allgemeine fachärztliche Versorgung
Chemnitz, Stadt
24.06.2016
Schriftliche Bewerbungen sind unter Berücksichtigung der Bewerbungsfrist an die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Bezirksgeschäftsstelle
Chemnitz, Postfach 11 64, 09070 Chemnitz, Tel. 0371 2789-406 oder -403 zu richten.
Bezirksgeschäftsstelle Dresden
Reg.-Nr.
Fachrichtung
Planungsbereich
Bewerbungsfrist
16/D028
Kinder- und Jugendmedizin
Dresden, Stadt
24.06.2016
16/D029
Kinder- und Jugendmedizin
Riesa-Großenhain
11.07.2016
16/D030
Psychologische Psychotherapie –
Verhaltenstherapie
(hälftiger Vertragspsychotherapeutensitz)
Weißeritzkreis
24.06.2016
Allgemeine fachärztliche Versorgung
Schriftliche Bewerbungen sind unter Berücksichtigung der Bewerbungsfrist an die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Bezirksgeschäftsstelle
Dresden, Schützenhöhe 12, 01099 Dresden, Tel. 0351 8828-310 zu richten.
Aufruf zur Publikation von Beiträgen
Sächsische Ärz­­
te können jederzeit
praxisbezogene, klinisch relevante
medizinisch-wissenschaftliche Beiträ­
ge und Übersichten mit diagnosti­
schen und therapeutischen Empfehlungen, berufspolitische, gesundheitspolitische und medizingeschichtliche
Artikel zur Veröffentlichung im „Ärzteblatt Sachsen“ einreichen (E-Mail:
redaktion@ slaek.de).
Die Manuskripte sollten in didaktisch
klarem, allgemein verständlichem Stil
verfasst sein. Unter www.slaek.de sind
die Autorenhinweise nachzulesen.
7. Seniorenausfahrt
der Kreisärzte­
kammer Zwickau
Die Kreisärztekammer Zwickau lädt
am 29. September 2016 zur 7.
Seniorenausfahrt ein. Die Tagesfahrt
führt nach Coburg und dort vor
allem auf die Veste Coburg.
Die Ausfahrt beginnt 7.00 Uhr ab
Betriebshof der Firma „Kaiser-Reisen“, Lengenfelder Straße 155,
08064 Zwickau. Weitere Details ent-
nehmen Sie bitte dem Einladungsschreiben, welches jedes Mitglied der
Kreisärztekammer
Zwickau
im
„Senioren­alter“ erhalten hat.
Bitte senden Sie die verbindliche
Reiseanmeldung bis zum 15. Juli
2016 an die:
Kreisärztekammer Zwickau
z. Hd. Frau Martin
Ronneburger Str. 106
08412 Werdau
Dr. med. Stefan Hupfer
Vorsitzender der Kreisärztekammer Zwickau
Prof. Dr. med. habil. Hans-Egbert Schröder
Vorsitzender des Redaktionskollegiums
„Ärzteblatt Sachsen“
240
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Mitteilungen der KVS
Bezirksgeschäftsstelle Leipzig
Reg.-Nr.
Fachrichtung
Planungsbereich
Bewerbungsfrist
16/L019
Allgemeinmedizin*)
Leipzig
11.07.2016
16/L020
Praktische/r Arzt/Ärztin*)
Leipzig
11.07.2016
16/L021
Kinder- und Jugendmedizin/Kinder-Nephrologie
Leipzig, Stadt
11.07.2016
16/L022
Neurologie
Leipzig, Stadt
24.06.2016
Hausärztliche Versorgung
Allgemeine fachärztliche Versorgung
Schriftliche Bewerbungen sind unter Berücksichtigung der Bewerbungsfrist an die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Bezirksgeschäftsstelle
Leipzig, Braunstraße 16, 04347 Leipzig, Tel. 0341 2432-153 oder -154 zu richten.
Abgabe von
Vertragsarztsitzen
Von der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen werden folgende Vertragsarztsitze zur Übernahme veröffentlicht:
Bezirksgeschäftsstelle Chemnitz
Fachrichtung
Planungsbereich
Bemerkung
Hausärztliche Versorgung
Allgemeinmedizin*)
Glauchau
geplante Abgabe: 01.07.2016
Allgemeinmedizin*)
Zwickau
geplante Abgabe:
3. Quartal 2017
Allgemeinmedizin*)
Freiberg
geplante Abgabe:
ab dem 4. Quartal 2017
Interessenten wenden sich bitte an die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Bezirksgeschäftsstelle Chemnitz, Postfach 11 64, 09070
Chemnitz, Tel. 0371 2789-406 oder -403.
Bezirksgeschäftsstelle Dresden
Fachrichtung
Planungsbereich
Bemerkung
Hausärztliche Versorgung
Allgemeinmedizin*)
Görlitz
Abgabe: ab sofort
Allgemeinmedizin*)
Weißwasser
Abgabe: I/2017
Allgemeinmedizin*)
Weißwasser
Abgabe: I/2017
Allgemeinmedizin*)
Zittau
Ort: Großschönau
Abgabe: 2017/2018
Allgemeinmedizin*)
Löbau
Ort: Herrnhut
Abgabe: III/2018
Allgemeinmedizin*)
(Vertragsarztsitz in einer
Berufsausübungsgemeinschaft)
Weiterführung in jeder Form möglich
Zittau
Ort: Kurort Jonsdorf
Abgabe nach Vereinbarung
Interessenten wenden sich bitte an die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen, Bezirksgeschäftsstelle Dresden, Schützenhöhe 12, 01099
Dresden, Tel. 0351 8828-310.
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
241
Originalie
Interventioneller
Vorhofohrverschluss –
Wer? Wie? Was?
C. Mues, K. Ibrahim, U. Speiser,
M. Hubald, R. H. Strasser
Technische Universität Dresden,
Herzzentrum Dresden, Universitätsklinik,
Dresden
Der interventionelle Vorhofohrverschluss ist eine leitliniengerechte
Therapiemöglichkeit von Patienten
mit nicht valvulärem Vorhofflimmern,
die nicht mit einer Langzeitantikoagulation behandelt werden können.
Hintergrund und Indikation
Vorhofflimmern ist die häufigste
Herzrhythmusstörung weltweit. Bei
nicht valvulärem Vorhofflimmern
entstehen 90 % der zur kardialen
Embolie führenden Thromben im linken Vorhofohr („left atrial appendage“, LAA). Bei valvulär bedingtem
Vorhofflimmern (definiert als rheumatisch bedingtes oder durch klappenprothetischen Ersatz bedingtes
Vorhofflimmern) entstehen nur ca.
50 % der Thromben im LAA. Zur
Verhinderung von Thrombembolien
wird leitliniengerecht ab einem
CHA2DS2-VASc-Score > 1 eine orale
Antikoagulation empfohlen (Info­
box 1). Zur Antikoagulation bei nicht
valvulärem Vorhofflimmern stehen
aktuell Vitamin-K-Antagonisten, He­­
parine, direkte Faktor-Xa-Inhibitoren
(Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban)
und direkte Thrombininhibitoren
(Dabigatran) zur Verfügung. Hierdurch kann das Risiko einer vorhofflimmerbedingten Thrombembolie
um ca. 70 % reduziert werden. Vor
Infobox 1: Mit dem CHA 2DS2-VASc-Score kann das patientenindividuelle Thromb­
embolie-Risiko bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern berechnet werden. Ab einem
Punktwert von > 1 ist eine orale Antikoagulation bei nicht-valvulärem Vorhofflimmern
indiziert.
Infobox 2: Mit dem HAS-BLED-Score kann das patientenindividuelle Blutungsrisiko
eruriert werden. Ab einem Punktwert > 3 gilt das Blutungsrisiko als hoch.
242
Beginn einer Behandlung mit Antikoagulantien sollte das patientenindividuelle Blutungsrisiko durch den HASBLED-Score (Infobox 2) ermittelt werden. Ab einem Punktwert von >3 gilt
das Risiko für schwere Blutungen als
hoch (1).
Bei Patienten mit stattgehabter Blutungskomplikation oder Kontraindikationen gegen eine Behandlung mit
Antikoagulantien und gleichzeitig
bestehender Notwendigkeit zur Antikoagulation bei Vorhofflimmern, stehen die behandelnden Ärzte vor
einem Dilemma.
In der ESC-Leitlinie von 2012 zum
Management von Vorhofflimmern
wird bei Kontraindikation zur OAK
der interventionelle Vorhofohrverschluss mit einer IIb Indikation empfohlen. Hintergrund dieser Empfehlung ist, dass eine effektive Vermeidung von Thrombembolien in dieser
Situation nicht durch eine Thrombozytenhemmung zu erzielen ist (2).
Erste Erfahrungen zum interventionellen Vorhofohrverschluss wurden
2001 mit dem Okkluder PLAATO
Device von Appriva Medical gesammelt. Die aktuell verfügbaren Devices
stellen im Wesentlichen Weiterentwicklungen dieses ersten Okkluder
dar. Mit der ersten, großen, prospektiv-randomisierten Studie 2009 zum
interventionellen Vorhofohrverschluss,
der PROTECT AF Studie, fand der
interventionelle Vorhofohrverschluss
Einzug in die klinische Routine. Mittlerweile wurden ca. 25.000 Patienten in Deutschland mit einem Vorhof­
ohrverschluss behandelt. Alleine 2015
wurden ca. 5.000 interventionelle
Vorhofohrverschlüsse durchgeführt,
so dass diese Behandlungsform als
Routinetherapie anzusehen ist.
Der interventionelle Vorhofohrverschluss ist unter dem Operationenund
Prozedurenschlüssel
(OPS)
8-837.s und der Diagnosis Related
Group (DRG) F95A hinterlegt und
wird mit einem Relativgewicht von
2,899 gewichtet. Hieraus ergibt sich
ein Erlös von ca. 9.300 Euro.
Ein Vorhofohrverschluss wird fünf
Jahre nach Implantation kostengünstiger als eine Therapie mit direkten
oralen Antikoagulantien. Im Vergleich zu einer PhenprocoumontheÄrzteblatt Sachsen 6 / 2016
Originalie
rapie werden durch den Vorhohrverschluss nach zehn Jahren Kostenersparnisse erreicht (12).
Vorhofohrverschluss –
Patientenauswahl
Idealerweise sollten bei Patienten mit
Indikation zum LAA Verschluss keine
Nebenerkrankungen bestehen, die
eine Antikoagulation erfordern oder
ein konkomittierendes Risiko für
einen Schlaganfall darstellen. Je
nach Art der Nebenerkrankung kann
der Vorhofohrverschluss hierdurch
kontraindiziert sein (zum Beispiel
mechanische Herzklappe) oder be­­
darf einer individuellen Abwägung
(zum Beispiel rezidivierende Bein­
venenthrombosen). Ein interventioneller LAA-Verschluss soll weiterhin
nicht durchgeführt werden, wenn
zusätzliche Erkrankungen bestehen,
die eine kardiochirurgische Operation erfordern.
Patienten mit Indikation zum Vorhofohrverschluss sollten präinterventionell eine transösophageale Echokardiografie (TEE) erhalten, um die Be­­
schaffenheit des LAA und des intra­
atrialen Septums (IAS) beurteilen zu
können. Alternativ kann ein hochauflösendes Cardio-CT mit niedriger
Strahlenbelastung Verwendung finden. Eingangsdurchmesser und Tiefe
des LAA müssen ermittelt werden.
Zur genaueren Beurteilung der Eingangsebene eignet sich eine 3D-Darstellung. Das LAA sollte zum Zeitpunkt des Verschlusses thrombenfrei
sein (3).
Vorhofohrverschluss – Technik
Beim interventionellen Vorhofohrverschluss wird bei Patienten mit nichtvalvulärem Vorhofflimmern das LAA
mit einem Implantat verschlossen.
In Europa gibt es derzeit zwei Systeme, die kommerziell erhältlich sind:
Watchman-Device (Boston Scientific)
(Abb. 1) und Amplatzer Cardiac
Plug 2 – Amplatzer Amulet Left
Atrial Appendage Occluder (St. Jude
Medical) (Abb. 2) (4). Die verschiedenen Vorhofohr-Okkluder werden
interventionell ähnlich implantiert
(Abb. 3a, b). Die Intervention wird in
einem Herzkatheterlabor unter Analgosedierung durchgeführt. Empfohlen ist der gleichzeitige Einsatz von
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
fluoroskopischer und transösophagealer echokardiografischer Kontrolle
der Implantation. Zugangsweg zur
Okkluder-Implantation ist die V.
femoralis.
Nach transseptaler Punktion wird ein
Applikationskatheter in das LAA vorgebracht und mittels Kontrastmittel
angiografisch dargestellt. Der passende Okkluder wird durch den
Applikationskatheter in das LAA vorgebracht. Bei Rückzug des Applikationskatheter entfaltet sich der Okkluder im LAA und verschließt dieses.
Sitzt der Okkluder nicht richtig, führt
man ihn in den Applikationskatheter
zurück und unternimmt einen Repositionierungsversuch. Bei korrektem
Sitz lässt man den Okkluder vom
Applikationskatheter frei. Die Eingriffszeit beträgt durchschnittlich ca.
45 Minuten.
Im Anschluss an die Intervention ist
eine transthorakale Echokardiografie
erforderlich, um schwere Komplikationen, insbesondere einen Perikard­
erguss oder ‑tamponade auszuschließen. Die Patienten sollten einen
­weiteren Tag zur Beobachtung in der
Klinik verbleiben und können am
Folgetag bei komplikationsloser
Intervention entlassen werden.
Abb. 1: Das Watchman-Device von Boston Scientific besteht
aus einem selbstexpandierenden Nitinolrahmen, an dem zehn
Fixierungshaken befestigt sind. Die Oberfläche wird von einer
PET-Schicht (PET=Polyethylenterephthalat) bedeckt. Das Device
ist in verschiedenen Größen verfügbar und wird in einem vorgeladenen Applikationskatheter geliefert. In dieser Abbildung
ist es noch am Applikations­katheter verschraubt. Hierüber ist
eine Repositionierung (Recapture) bei nicht optimaler Platzierung im LAA möglich. Nach korrekter Positionierung im LAA
wird es vom Applikationskatheter abgeschraubt und versiegelt
das LAA Ostium.
© Boston Scientific, 2016
Postinterventionelle
Gerinnungshemmung
Da die Oberfläche des Okkluders
unmittelbar nach interventionellem
Vorhofohrverschluss als thrombogen
gilt, muss eine Antikoagulation/
Thrombozytenhemmung bis zur
Endothelialisierung eingenommen
werden. 3 – 6 Monate werden für
die Endothelialisierung benötigt.
Derzeit wurde lediglich eine Nachbehandlung mit ASS und Clopidogrel
für 3 – 6 Monate mit anschließender
ASS-Monotherapie bei Patienten mit
Kontraindikation gegen OAK untersucht. Hiervon kann in individuellen
Fällen abgewichen werden. Bei Patienten mit hoher Blutungswahrscheinlichkeit muss das Ziel sein,
nach 6 Monaten keine blutverdünnenden Medikamente verordnen zu
müssen (5, 6).
Sicherheit der Prozedur
Ein wesentlicher Punkt, der bei interventionellen Verfahren nicht außer
Abb. 2: Der AMPLATZER Amulet Left Atrial Appendage
Occluder von St. Jude Medical:
Er besteht aus einem selbstexpandierenden dreiteiligen
­flexiblen Nitinolgeflecht. Distal befindet sich eine mit
­Fixierungshaken und Polyestergewebe ausgestattete Verankerungsscheibe, die Lobe genannt wird und sich dem Ostium des
LAA anpasst. Lobe ist über eine flexible Taille mit der 4–6 mm
größeren Abschlussscheibe, Disc genannt, verbunden, die den
Eingang des LAA wie ein Schnuller verschließt. Der ACP kann
auch bei geringer Tiefe des LAA implantiert werden, da er
­speziell für niedrige Landungszonen entwickelt wurde. Der
ACP ist ebenfalls in verschiedenen Größen verfügbar.
© St. Jude Medical, 2016
Acht gelassen werden darf, ist die
periprozedurale Sicherheit. Naturgemäß entstehen bei einem interventionellen Verfahren periprozedurale
Komplikationen, die jedoch für den
LAA-Verschluss nicht mit einem statistischen Nachteil einhergehen. 95 %
der sicherheitsrelevanten Ereignisse
treten während oder kurz nach der
Intervention auf. Sicherheitsrelevan­te
Ereignisse sind vor allem: Perikardergüsse (bis max. 5 % in großen Stu-
243
Originalie
einem erhöhten Thrombembolie­
risiko vergesellschaftet (Abb. 4).
Bei einem Restfluss > 5mm besteht
prinzipiell die Indikation zur Fortführung einer oralen Antikoagulation
(5, 6).
Studienlage
Das Watchman-Device ist der einzige
Okkluder, der bisher in zwei prospektiven randomisierten Studien untersucht wurde. Es ist der in Studien am
umfangreichsten untersuchte LAAOkkluder.
Abb. 3a: © St. Jude Medical, 2016
Abb. 3b: Die Okkluder-Implantation ist bei beiden Device-Typen ähnlich (a: Amplatzer
Cardiac Plug, b: Watchman). Über einen (meist rechts) femoralen Zugang wird der
Applikationskatheter via transseptaler Punktion in das LAA vorgebracht und unter
transösophagealer und fluoroskopischer Führung im LAA positioniert. Im LAA wird der
Okkluder anschließend entfaltet und das LAA damit verschlossen. Im IAS verbleibt ein
minimaler iatrogener ASD II, welcher sich in der Regel von selbst verschließt.
© Boston Scientific, 2016
dien), periinterventionelle Schlaganfälle (bis 1 %, meist Luftembolien),
periinterventioneller Device-Verlust
(0,6 %), Thrombenbildung am
Device (4,2 %) (7).
Nachsorge
Echokardiografische Kontrollen des
Okkluders mit TEE 45 Tage, sechs
Monate und zwölf Monate nach
244
Implantation sind sinnvoll. Hierbei
sollte nach eventuell anhaftenden
Thromben gesucht werden, die in
der Regel gut mit niedermolekularem Heparin über vier Wochen
behandelt werden können. Außerdem sollte auf einen Restfluss am
LAA geachtet werden. Derzeit wird
ein Restfluss bis 5mm als unproblematisch erachtet und ist nicht mit
Die PROTECT-AF-Studie (PROTECT-AF
= PROTECTion in Patients with Atrial
Fibrillation) ist eine multizentrische,
prospektive, randomisierte Studie, in
die 707 Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern ohne Kontraindikation gegen OAK eingeschlossen
wurden und 2 : 1 in Device- und
Warfaringruppe randomisiert wurde.
Nach einem mittleren Follow-up von
vier Jahren ergibt sich mit 2,3 % primären Endpunktereignissen (definiert als: Schlaganfall [ischämisch
und hämorrhagisch], kardiovaskulär
bedingter Tod, systemische Embolie)
pro Jahr in der Device-Gruppe und
3,8 % primären Endpunktereignissen
in der Vitamin K -Gruppe eine statistische Überlegenheit für die Devicetherapie. Es wird eine relative Risikoreduktion von 38 % erreicht. Bei
den Sicherheitsendpunkten (Perikard­
erguss, Device-Verlust, Blutungskomplikationen) ergeben sich nach vier
Jahren Followup 3,6 %/Jahr Sicherheitsendpunkte in der DeviceGruppe und 3,1 %/Jahr in der VKAGruppe. Hier besteht statistische
Nichtunterlegenheit des Devices im
Vergleich zur VKA-Gruppe (8).
Die PREVAIL-Studie (PREVAIL = Prospective Randomized EVAluation of
the WATCHMAN™ LAA Closure
Device In Patients with Atrial Fibrillation Versus Long Term Warfarin Therapy) ist die zweite prospektiv randomisierte Studie. 461 Patienten ohne
Kontraindikation gegen eine OAK
wurden 2 : 1 in Device- und Warfarin-Gruppe randomisiert. Die untersuchten Endpunkte waren mit denen
der PROTECT AF Studie identisch.
Eine im kombinierten primären Endpunkt überdurchschnittlich gut ab­­
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Originalie
– Praxisklinik Herz und Gefäße,
Dresden
– Elblandklinikum Riesa
– Lausitzer Seenlandklinikum
Hoyerswerda
– Helios Klinikum Aue
Erste Daten zu Wirksamkeit und
Sicherheit wurden zur Jahrestagung
der deutschen Gesellschaft für Kardiologie 2016 im März in Mannheim
vorgestellt. Im ORIGINAL Register
wurden fast ausschließlich Patienten
mit Kontraindikation gegen eine
OAK eingeschlossen und mit einem
Vorhofohrokkluder versorgt. Bei
bisher 129 untersuchten Patienten
­
konnte in diesem „real world“ Patientenregister eine gute Sicherheit
und Wirksamkeit des LAA-Verschlusses, vergleichbar zu den oben
genannten großen Studien, im ersten Follow up gezeigt werden. Langzeitdaten stehen in diesem Register
noch aus.
Zusammenfassung
Abb. 4: Durch die ovale Form des LAA ist eine vollständige Versiegelung durch den
Okkluder nicht in jedem Fall möglich, so dass Restflüsse vorkommen. Noch ist nicht
geklärt, ab welchem Ausmaß der Schutz durch den Okkluder verringert wird. Zurzeit
wird ein Restfluss von >5mm als kritisch angesehen.
schneidende Warfarin-Gruppe (2,9 %
in 18 Monaten) bewirkt, dass das
Device (5,3 % in 18 Monaten) keine
statistische Nichtunterlegenheit er­­
reicht. Diese wird nur erreicht, wenn
der Zeitraum sieben Tage nach
Implantation bis 18 Monate nach
Implantation verglichen wird (9).
Es ist zu betonen, dass die beschriebenen großen prospektiv randomisierten Studien allesamt Patienten
ohne Kontraindikationen gegen eine
OAK untersuchten und daher nicht
das Patientenkollektiv beschreibt,
dass leitliniengerecht mit einem LAAOkkluder versorgt werden sollte.
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Daher wurden einzelne nicht randomisierte Registerstudien initiiert (10).
So auch das ORIGINAL Register
(saxOnian RegIstry analyzinG and followINg left atrial Appendage cLosures), welches ein multizentrisches,
prospektives Register aus Ostsachsen
ist.
Teilnehmende Zentren sind:
– Technische Universität Dresden,
Herzzentrum Dresden,
Universitätsklinik
– Städtisches Klinikum DresdenFriedrichstadt
– Klinikum Pirna
Der interventionelle Vorhofohrverschluss ist eine leitliniengerechte
Therapiemöglichkeit bei Patienten
mit nicht valvulärem Vorhofflimmern
und Indikation zur oralen Antikoagulation, die nicht mit Langzeit-OAK
behandelt werden können. Die
Implantation ist sicher und bietet
einen vergleichbaren Schutz vor
Thrombembolien zu einer Antikoagulation mit einem Vitamin K Antagonisten. Vor einem geplanten interventionellen Verschluss müssen bildgebende Untersuchungen (TEE, CT)
stattfinden, um das LAA zu beurteilen. Postinterventionell muss für drei
bis sechs Monate eine Therapie mit
Antikoagulantien verschiedener Art
durchgeführt werden, um eine Endothelialisierung des Devices zu ermöglichen. Hierzu gibt es aktuell noch
kein abschließend empfehlenswertes
Schema (11).
Literatur bei den Verfassern
Interessenskonflikte: keine
Korrespondenzadresse:
Dr. med. Christoph Mues
Technische Universität Dresden
Herzzentrum Dresden
Universitätsklinik Dresden, Klinik für Innere
Medizin und Kardiologie
Fetscherstraße 76, 01307 Dresden
E-Mail: [email protected]
245
Tagungsbericht
Medizinische Versorgung von Patienten
mit komplexen
Behinderungen
Tagungsrückblick
Die medizinische Versorgung von
Patienten mit komplexen Behinderungen stellt für Behandler, Angehörige und nicht zuletzt für die Patienten selbst oftmals eine große Herausforderung dar. Die Schwierigkeiten
beginnen in der erschwerten Kommunikation über Beschwerden, die
sich häufig eher als unspezifische
Verhaltensstörungen
bemerkbar
machen und reichen hin bis zu ethischen Fragen der Umsetzung einer
angemessenen Aufklärung und Einwilligung. Kolleginnen und Kollegen,
die in der hausärztlichen Versorgung
den Bedarf von Wohnheimen der
Behindertenhilfe kennen, kennen
auch die engen Grenzen der diagnostischen Möglichkeiten im Hausbesuch. Weiterführende diagnostische Maßnahmen lassen sich häufig
nur in Narkose planen, sodass das
Narkoserisiko gegen den Informa­
tionsgewinn abgewogen werden
muss. Umfangreiche koordinative
Absprachen sprengen meist deutlich
den Rahmen ärztlicher Tätigkeit und
werden der Notwendigkeit gehorchend ohne Abbildbarkeit der Leistung erbracht.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund
der Behindertenrechtskonvention der
Vereinten Nationen (https://www.
behindertenbeauftragter.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Broschuere_
UNKonvention_KK.pdf?__
blob=publicationFile), die im Artikel
25 das Gesundheitswesen dazu auffordert, für die über die Regelversorgung hinausgehende spezialisierte
Versorgung aufgrund von Behinderungen zu sorgen, förderte die Sächsische Landesärztekammer bereits
die zweite Tagung zu Aspekten der
medizinischen Versorgung von Patienten mit komplexen Behinderungen. Die Unterstützung der Tagung,
die am 16. April 2016 in der Sächsischen Landesärztekammer stattfand,
reichte so weit, dass sich die Teilnehmer, etwa je zur Hälfte aus Ärztin-
246
Dipl.-Med. Kerstin Jahnke, Carmen Badura, Dr. med. Claudia Eberhard, Anne Wrede,
Prof. Dr. med. Andreas Tzschach, Dr. med. Björn Kruse, Dr. med. Katja Albertowski
(v.l.n.r.:)
© SLÄK
nen und Ärzten, vorrangig aus den
Fachgebieten Allgemeinmedizin und
Psychiatrie und Psychotherapie, und
aus Mitarbeitern verschiedener Be­­
rufe aus dem Bereich sozialer Arbeit
in der Behindertenhilfe zusammensetzte.
Dr. med. Claudia Eberhard, die am
Sächsischen Ministerium für Soziales
und Verbraucherschutz unter anderem den Bereich Psychiatrische Versorgung vertritt, gab zur Tagung
einen Einblick in die Kommunikation
zwischen Vertretern der Behindertenhilfe, Vertretern der Ärzteschaft,
der Kostenträger und dem Ministerium, die bereits vor Inkrafttreten des
neuen §119c SGB V am 16. Juli
2015 initiiert wurde. Im Rahmen des
GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes
wurde mit dem § 119c SGB V
(https://dejure.org/gesetze/SGB_V/
119c.html) in Verbindung mit dem
§ 43b SGB V (https://dejure.org/
gesetze/SGB_V/43b.html) die gesetzliche Grundlage für die Gründung
von Medizinischen Zentren für
erwachsene Menschen mit Behinderung (MZEB) geschaffen, sodass be­­
reits Anträge beim Zulassungsausschuss gestellt werden können. Dr.
Eberhard mahnte, dass die in ihrem
Vortrag erneut dokumentierte Befürwortung mögliche Antragsteller
nicht davon entbinden wird, die konzeptionell angedachten Leistungen
eines MZEB von bisher möglichen
Leistungen der Regelversorgung
abzugrenzen und den spezifischen
Bedarf zu begründen.
Prof. Dr. med. Michael Tzschach, Leiter der Genetischen Ambulanz am
Institut für Klinische Genetik, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
der TU Dresden, gab einen breiten
Überblick über genetische Ursachen
von geistiger Behinderung und
zeigte die Möglichkeiten der humangenetischen Diagnostik speziell bei
Erwachsenen mit geistiger Behinderung auf. Dr. med. Björn Kruse,
Oberarzt im Fachbereich Geronto­
psychiatrie am Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge Berlin, referierte sehr detailliert und praxisnah über die Besonderheiten der Diagnostik und Be­­
handlung von Demenzerkrankungen
bei Intelligenzminderung. Die spezialisierte psychiatrische Versorgung
wurde am Beispiel der stationären
Konzeption heilpädagogisch-psychiatrischer Behandlung am Sächsischen Krankenhaus Großschweidnitz
durch die Bereichsoberärztin Dipl.Med. Kerstin Jahnke und an einem
Beispiel ambulanter Krisenintervention bei Autismusspektrumstörung
durch Dr. med. Katja Albertowski,
Klinik und Poliklinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und -psychotherapie am Universitätsklinikum in Dresden, dargestellt. Leider musste Prof.
Dr. med. Michael Seidel seinen
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Tagungsbericht
Hauptvortrag zu den Herausforderungen psychiatrischer Fragestellungen bei Patienten mit Intelligenzminderung kurzfristig absagen. Ohne
das überregional und politisch wirksame Handeln von Prof. Seidel wäre
die neue Gesetzesgrundlage für
MZEBs einschließlich der dazu erarbeiteten Rahmenkonzeption (http://
www.diefachverbaende.de/files/
stellungnahmen/2015-10-12-Rahmenkonzeption_MZEB_2015.pdf)
nicht auf den Weg und zum Ab­­
schluss gekommen. Daher war allein
das Stattfinden der Tagung auch ein
Zeugnis seiner richtungsweisenden
Arbeit.
Abgerundet wurden die medizinisch
geprägten Vorträge durch Beiträge
aus den Bereichen Soziale Arbeit und
Einfache Sprache. Basierend auf
einem Rückblick in die Zeit zur politischen Wende lud Carmen Badura,
Dozentin für Sozial- und Heilpäda­
gogik, zur Auseinandersetzung mit
unserer Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen ein. Anne
Wrede, stellvertretende Leiterin des
bundesweit ersten Büros für leichte
Sprache, erklärte die Leitlinien zur
Gestaltung von Inhalten in Leichter
Sprache, die für die Transparenz von
medizinischem Handeln für Menschen mit Beeinträchtigungen der
Intelligenz eine hohe Relevanz
haben.
Insgesamt trug die Veranstaltung zur
Bewusstseinsbildung und Netzwerkstärkung bei und gab Teilnehmern
Verschiedenes
mit Praxisbezug umsetzbare Hinweise zu verschiedenen Gesichtspunkten. Die Entwicklung von Konzepten von Medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit
Behinderungen wird nun die Aufgabe der Kollegen sein, die in der
Praxis die Unterversorgung wahrnehmen. Die Weichen sind gestellt, Initiative und Durchhaltevermögen werden erforderlich sein, wenn es in
Sachsen in absehbarer Zeit ein spezialisiertes Behandlungsangebot für
Patienten mit komplexen Behinderungen geben soll.
Dr. med. Katja Albertowski
Klinik und Poliklinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
Universitätsklinikum Carl Gustav Carus
Dresden
Innovationspreis des
Bundesverbandes
der Deutschen
­Dermatologen e. V.
Der erste Platz des Innovationspreises des Bundesverbandes der Deutschen Dermatologen e.V. in Höhe
von 5.000 Euro wurde am 9. April
2016 an das Leipziger Telemedizinprojekt „Consilium Dermatologicum“
verliehen.
Per Telekonsil werden innerhalb dieses Projektes Haus- und Hautärzte
insbesondere in ländlichen Regionen
miteinander vernetzt, um eine
schnelle fachärztliche Vorstellung bei
dermatologischen Fragestellungen
zu realisieren. In ländlichen Gegenden schwindet die Zahl der niedergelassenen Dermatologen zusehends,
was für die Patienten weite Anfahrtswege bis zum nächsten Hautarzt
bedeutet. Zudem beträgt die Wartezeit bis zu einem Hautarzttermin oft
mehrere Wochen bis Monate. Dieser
Verzug bis zur korrekten Diagnosestellung kann für manchen Patienten
einen entscheidenden Progress seiner Erkrankung bedeuten.
Im Detail übermittelt der Hausarzt
den Befund des Patienten mithilfe
eines Fotos und gegebenenfalls einer
hochauflösenden Detailaufnahme
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Preisverleihung – Innovationspreis BVDD e. V. am 9.4.2016 in Frankenthal.
Dr. med. Klaus Strömer, Thomas Kuwatsch, Dr. med. Anna-Theresa Seitz, Prof. Dr.
med. habil. Uwe Paasch, Dr. Sebastian Landschulze, Prof. Dr. med. Klaus Fritz (v.l.)
© BVDD e.V.
sowie die klinischen Angaben des
Patienten per Telekonsil über ein
sicheres Datennetz an einen teilnehmenden Dermatologen. Der kontaktierte Hautarzt gibt entweder eine
Behandlungsempfehlung an den
hausärztlichen Kollegen oder ermöglicht bei Bedarf eine zeitnahe Vorstellung in seiner Praxis. Insbesondere das gesetzliche Hautkrebsscreening, das aktuell bei Haus- und
Hautärzten stattfindet, kann über
das Projekt „Consilium Dermatologicum“ entzerrt werden.
Das Projekt „Consilium Dermatologicum“ wurde von den Leipziger Dermatologen Prof. Dr. med. habil. Uwe
Paasch und Dr. med. Anna-Theresa
Seitz sowie dem Betriebswirt Thomas
Kuwatsch entwickelt. Die Projektlaufzeit ist auf drei Jahre angesetzt
und der Projektstart für den
1. August 2016 geplant. Perspektivisch ist auch die teledermatologische Vernetzung von niedergelassenen Dermatologen und speziellen
Fachkliniken geplant. Aktuell besteht
noch die Möglichkeit als interessierte
Praxis oder als potenzieller Investor
an dem Projekt „Consilium Dermato­
logicum“ teilzunehmen und das
Thema Teledermatologie aktiv zu ge­­
stalten.
Dr. med. Anna-Theresa Seitz
Consilium Dermatologicum
E-Mail: [email protected]
247
Verschiedenes
25 Jahre Kreisärztekammer Dresden
Am Sonnabend, dem 7. Mai 2016,
beging die Kreisärztekammer Dresden ihr „Silbernes Gründungsjubiläum“ mit einem wunderbaren Fest
auf Schloss Albrechtsberg.
Ganz in der Nähe des Kammer-­
Gründungsortes, dem Lingnerschloss,
eines der drei Dresdner Elbschlösser,
feierten knapp 200 Dresdner Ärztinnen und Ärzte, ehemalige und aktuelle Kreiskämmerer, Medizinstudierende und ihre Angehörigen und
Freunde 25 Jahre Kreisärztekammer.
Bei wundervollem Frühjahrswetter
genossen die Gäste künstlerische
Highlights, die in diesem Jahr ausschließlich von ärztlichen Kolleginnen und Kollegen gestaltet wurden.
Bereits den heiteren Auftakt auf der
Südterrasse des Schlosses umrahmten stilvoll die „Triologinnen“, ein
Streichertrio um die Cellistin Dr. med.
Anne-Sophie Hajduk.
Die Big Band Therapy – die großartige Bigband Dresdner Medizin- und
Zahnmedizinstudierender – spielte
swingenden Jazz, der die Gäste im
Gartensaal nicht auf ihren Sitzen
hielt. Später übernahm Smart Evidence die Mikrofone und sorgte
nach der mitreißenden Bigband mit
Anzeige
© SLÄK
ihrem ganz speziellen funky Poprock- unnachahmlichen, unterhaltsam-präg­
Sound dafür, dass die Tanzfläche
nanten Weise. Zum einen ließ er
unentwegt gefüllt war.
multimedial die letzten 25 Jahre
In der Kronensaal-Etage spielte die
Kreisärztekammertätigkeit
Revue
Reinhard Stockmann Band zum Ball
passieren, wobei unter den feiernauf und unterhielt mit umfassendem
den Gästen zahlreiche Erinnerungen
Repertoire von klassischer Dinner
aufkamen. Zum anderen wurde er
Musik über Disco-Klänge bis hin zum
zum Auktionator kurz vor Mittergroßen Walzer, sodass alle tanzwüti- nacht, um ganz besondere Auktionsgen Gäste bis in den frühen Mai- güter (wie persönliche Führungen
Sonntag hineintanzen konnten.
und Konzertkarten) zu versteigern.
Die beiden Programm-Höhepunkte
Diese Versteigerung fand zu Gunsdes Abends gestaltete Dr. med. Michael
ten der „Schmorlschen SammlunNitschke-Bertaud, stellvertretender
gen“ des Instituts für Pathologie
Vorsitzender der KÄK Dresden und „Georg Schmorl“ des Krankenhauses
Wort- und Technik-Akrobat, in seiner
Dresden-Friedrichstadt statt und
erbrachte zum Auftakt ca. 600 Euro
sowie zahlreiche neue Unterstützer
des Fördervereins.
Der Vorstand der Kreisärztekammer Erzgebirge lädt ein:
Die „silberne Geburtstagsfeier“ war
in jeglicher Hinsicht – Gäste, Wetter,
Stimmung – ein grandioser Abend.
Sie zeigte die künstlerische Vielfalt,
die allein in der hiesigen Ärzteschaft
vertreten ist, sodass sicherlich auch
auf den kommenden Veranstaltungen vor allem unsere eigenen Kolleginnen und Kollegen gebeten werden, ihre künstlerischen Fähigkeiten
EMPFANG AB 18.30 UHR
zu präsentieren. Und sie war besonders erfreulich in der Hinsicht, dass
GÄSTEHAUS WOLFSBRUNN
mit den Medizinstudierenden 2016
die
nächste ärztliche, aber auch
Stein 8, 08118 Hartenstein
künstlerisch begabte und berufspolitisch interessierte Mediziner-Generation zu Gast war.
Wir empfehlen eine rechtzeitige Anmeldung, da die Plätze begrenzt sind und die Anmeldung in
Auf ein Neues – 2017!
Tanz in den Sommer
© 2016 // Gestaltung: www.beuthner-konzepte.de
FREITAG, 24. JUNI 2016
der Reihenfolge ihres Eingangs berücksichtigt werden.
Der Preis für die Karte beträgt 65 EUR / pro Person. Ihre Anmeldung richten Sie bitte an die
Kartenreservierung: Telefon: 03771/32161
248
anzeige_KAEK_16.indd 1
Dr. med. Katharina Schmidt-Göhrich
Vorsitzende der Kreisärztekammer Dresden
(Stadt)
27.04.16 09:41
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Personalia
Prof. Dr. sc. med.
Erich Müller
zum 80. Geburtstag
Prof. Dr. med. Erich Müller wurde am
18. Mai 1936 in Wulka (Polen) geboren. Sein Abitur legte er 1955 in
Großenhain ab und studierte an­­
schließend Humanmedizin an der
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifs­
wald und an der Universität Rostock.
1960 erhielt er die ärztliche Approbation.
Sein Mentor, Prof. Dr. med. Wolfgang Dürwald, begeisterte ihn für
das Fachgebiet Gerichtliche Medizin
und somit absolvierte er von 1961
bis 1964 eine Facharztausbildung an
der Universität Leipzig sowie Weiterbildungen auf dem Gebiet der
Pathologie (1963/64) und der Neurologie und Psychiatrie (1964/65).
1965 erlangte er die Anerkennung
als Facharzt für Gerichtliche Medizin.
Unter dem Ordinariat von Prof. Dürwald fertigte er seine Promotion
„Der Suizid – unter besonderer Be­­
rücksichtigung der Stadt Leipzig“ an,
die er 1964 erfolgreich verteidigte.
1971 wurde er zum 1. Oberarzt am
Institut für Gerichtliche Medizin der
Martin-Luther-Universität Halle er­­
nannt und erlangte 1974 die Lehr­
befähigung (Facultas docendi) für
Gerichtliche Medizin. Unter Vorlage
der wissenschaftlichen Arbeit zum
Thema „Histochemische und physikochemische Methoden zur Beurteilung vitaler Reaktionen. Experimen-
Prof. Dr. sc. med. Erich Müller
© privat
telle Studien an der Rattenhaut“
habilitierte sich Erich Müller 1978 an
der Universität Halle und wurde hier
am 1. Februar 1978 zum Hochschuldozenten für Gerichtliche Medizin
be­­rufen.
Zum 1. September 1985 wurde Prof.
Dr. Müller als ordentlicher Professor
für Gerichtliche Medizin an die
Medizinische Akademie Dresden
berufen und mit der Leitung des Instituts für Gerichtliche Medizin be­­
traut. Er führte das Institut erfolgreich durch die Zeit nach der Wiedervereinigung, wurde zum 1. April
1994 als C4-Professor berufen und
leitete das Institut auch nach seiner
Umbenennung in Institut für Rechtsmedizin an der Medizinischen Fakultät der TU Dresden (1994) bis zu seiner Emeritierung 2001.
In seinen über 100 Publikationen
setzte sich Prof. Dr. Müller insbesondere mit der klassischen Gerichtsmedizin, der Histochemie, der Histologie und der Serologie auseinander.
Besonders in Erinnerung geblieben
ist auch die Organisation der ersten
gemeinsamen Tagung der Rechtsmediziner aus den neuen und alten
Bundesländern 1990 in Dresden.
Prof. Dr. Müller war immer eine
intensive Kommunikation sowohl mit
den Vertretern der Staatsanwaltschaften als auch den Polizeidienststellen auf hohem wissenschaftlichem Niveau besonders wichtig.
Dies kam auch in der Anerkennung,
Hochachtung und Sympathie dieser
Stellen gegenüber Herrn Prof. Dr.
Müller zum Ausdruck.
In seiner Zeit als Direktor des Instituts für Rechtsmedizin in Dresden
war er stets für seine Mitarbeiter ein
fachlich hochkompetenter, aber auch
ein menschlich kollegialer Ansprechpartner. Auch nach seiner Emeritierung stellte er sein Fachwissen weiterhin dem Institut zur Verfügung,
wofür ihm an dieser Stelle nochmals
von den Mitarbeitern gedankt werden soll.
Die Mitarbeiter des Instituts gratulieren Herrn Prof. Dr. Erich Müller nachträglich zu seinem Ehrentag und
wünschen ihm vor allem weiterhin
eine stabile Gesundheit, viel Zeit mit
seiner Frau und seiner Familie und
noch viele weitere besondere Ehrentage.
Prof. Dr. med. habil. Christine Erfurt, Dresden
Anzeige
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
249
Personalia
Prof. Dr. med. habil.
Gerhard Richter
zum 80. Geburtstag
Zu den Achtzigern, denen man acht
vollendete Lebensjahrzehnte weder
anmerkt noch ansieht, zählt zweifelsohne Prof. Dr. med. habil. Gerhard Richter. Er wurde am 9. Juni
1936 in Pirna geboren und hat seine
berufliche Laufbahn als Dermatologe
in Dresden begonnen und auch
beendet. Offenbar ist er der Empfehlung William Somerset Maughams
gefolgt „Man soll dort bleiben, wo
man sich glücklich fühlt. Glück ist
ein transportempfindliches Möbelstück.“
Auch unter dieser Prämisse war
sein beruflicher Werdegang voller
He­­rausforderungen. Als stellvertretender Klinikdirektor der Hautklinik
der Medizinischen Akademie „Carl
Gustav Carus“ und des späteren Universitätsklinikums Carl Gustav Carus
hat er drei Klinikdirektoren ganz
unterschiedlicher Couleur souverän
auf Augenhöhe begleitet. Seine ausgewogenen Ratschläge und seine
weitsichtige Kreativität waren allseits
geschätzt. Niemals hat er sich in den
Vordergrund gedrängt, sondern stets
eine wohltuende Bescheidenheit
bewahrt.
Besonders auf den Gebieten der
Berufsdermatologie und der medizinischen Informatik leistete er Pionier-
kommissarischen Klinikdirektors der
Hautklinik in den Jahren 1995/96. Es
gelang ihm in dieser schwierigen Zeit
das Leistungsspektrum der Klinik auf
hohem Niveau zu stabilisieren und
damit die Basis für eine geordnete
Amtsübergabe zu bereiten. Auch hier
kam sein sachlicher, oft von feinsinnigem Humor aufgefrischter Führungsstil zum Tragen.
Prof. Dr. med. habil. Gerhard Richter
© privat
arbeit, was mit seiner 1974 verteidigten Promotion B (Habilitation)
besiegelt wurde. Darüber hinaus entwickelte er sich zu einem national
und international anerkannten Ex­­
perten auf den Feldern der Allergologie, Dermatotherapie und Dermatostomatologie. Letztere Aktivitäten
sind auch in das zusammen mit Prof.
Dr. med. habil. Joachim Barth und
Prof. Dr. med. habil. Peter Altmeyer
verfasste Dermatologie-Lehrbuch für
Zahnmediziner eingeflossen.
2001 wurde Prof. Dr. Gerhard Richter
in den wohlverdienten Ruhestand
verabschiedet. In dieser neuen
Lebensphase blieb er der Dermatologie in vielfältiger Weise verbunden.
Zusammen mit seiner lieben Ehefrau,
einer gestandenen Stomatologin,
widmete er sich aber auch vermehrt
den anstehenden großelterlichen
Pflichten. Eine besondere Freude hat
ihm die bemerkenswerte journalistische und schriftstellerische Karriere
seines Sohnes Peter bereitet. Somit
darf er mit Fontane sicherlich erfüllt
resümieren „Auch die Jagd nach
dem Glück. All derlei Sachen, Ich
lasse sie längst durch Andere
machen“. Möge er dies noch viele
Jahre in Wohlbefinden genießen
können.
Folgerichtig wurde Prof. Dr. Gerhard
Richter 1976 zum Hochschuldozenten und 1984 zum außerordentlichen Professor berufen.
Eine seiner größten beruflichen He­­
rausforderungen war zweifelsohne
die Übernahme der Funktion des
Prof. Dr. med. habil. Joachim Barth, Leipzig
Prof. Dr. med. habil. Günther Sebastian,
Dresden
Anzeige
250
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Personalia
Prof. Günter Blobel,
MD, Ph.D.
zum 80. Geburtstag
Dr. George E. Palade, Nobelpreisträger für Medizin oder Physiologie des
Jahres 1974, tätig war. Prof. Blobel
stieg an dieser Universität zum John
D. Rockefeller Jr. Professor auf.
Vom Kriegsflüchtling zum Nobelpreisträger für Medizin oder Physiologie, so ist der Lebensweg von Prof.
Günter Blobel zu beschreiben. Am
21. Mai 2016 feierte er seinen 80.
Geburtstag.
Anlässlich der Verleihung des Nobelpreises für Medizin oder Physiologie
am 10. Dezember 1999 an ihn,
schrieb der damalige deutsche Bundespräsident Johannes Rau im
Glückwunschschreiben: „Damit stehen Sie in der beeindruckenden
Reihe der Medizin-Nobelpreisträger,
die einst mit Adolf Bering ihren
Anfang nahmen. Wie viele Nobelpreisträger gehen aus Schlesien hervor, denn kein anderer Volksstamm
hat mehr Nobelpreisträger hervorgebracht als Schlesien“ (siehe „Ärzteblatt Sachsen“, Heft 2, 2002).
Als 14. von ihnen wurde Prof. Blobel
am 21. Mai 1936 in Niederschlesien
östlich der Neiße in Waltersdorf
(Niegosławice) im Kreis Sprottau
(Powiat Szprotawa) als fünftes Kind
des Tierarztes Bruno Blobel geboren.
Im Alter von acht Jahren gehörte er
zu den Kriegsflüchtlingen. Auf der
Flucht erlebte er noch das unzerstörte Dresden als Zentrum von
Kunst und Architektur Sachsens.
Dies brachte er mit folgenden Worten zum Ausdruck: „Ich habe als
Achtjähriger Dresden in seinen letzten Tagen des Glanzes gesehen.“
Umso betroffener war er, als er
danach von einem 40 Kilometer von
Dresden entfernten Ort den Feuerschein über dieser Stadt am 13. Februar 1945 sah und bei einem Besuch
dieser Stadt danach deren Zerstörung vorfand. „Ich sah die Zerstörung, das hinterließ einen schrecklichen Eindruck bei mir.“
Die Entscheidungen der Alliierten in
Potsdam im August 1945 verhinderten eine Rückkehr nach Waltersdorf.
Da infolgedessen das Passieren der
Neiße nicht möglich war, verbrachten die Blobels vier Wochen in NieÄrzteblatt Sachsen 6 / 2016
Prof. Günter Blobel, MD, Ph.D.
© Wikimedia Commons / Masur
derschlesien westlich der Neiße bei
einem Verwandten des Vaters im
vom Krieg zerstörten Jänkendorf bei
Niesky, heute zum Landkreis Görlitz
gehörend. Diesen Aufenthalt be­­
schrieb Blobel in einem Brief wie
folgt: „Es war grauenhaft. Die toten
Tiere lagen verwest auf dem Hof. Wir
blieben dort einige Wochen und sind
dann mit der Schubkarre von dort
nach Freiberg gelaufen. Das Ganze
hat über zwei Wochen gedauert.
Übernachtet haben wir in Scheunen
bei Bauern.“ Freiberg wurde danach
sein Wohnsitz. In dieser Stadt be­­
suchten Günter Blobel und seine
Geschwister das Geschwister-SchollGymnasium. An dieser Schule legte
er die matura mit einer Eins ab. Da
sein Vater Tierarzt war, wurde Günter Blobel ein Medizinstudium in der
DDR verwehrt, geschuldet dem Verhältnis der damaligen Gesellschaftsordnung zur bürgerlichen Herkunft.
Infolgedessen begab er sich in die
Bundesrepublik, um an den Universitäten in München, Kiel, Freiburg und
Tübingen Medizin zu studieren.
An der Universität in Tübingen legte
er 1960 sein Staatsexamen ab und
promovierte an dieser alma mater.
1962 führte ihn sein Weg in die USA,
um Biochemie zu studieren und an
der Universität Wisconsin noch einmal auf dem Gebiet der Onkologie
zu promovieren. Es schloss sich eine
wissenschaftliche Forschungsarbeit
an der Rockefeller-Universität in New
York an, wo er als Assistent bei
Bereits während seiner Tätigkeit
unter Dr. Palade schenkte Prof. Blobel der molekularen Zellbiologie
besondere Aufmerksamkeit. Dabei
entdeckte er, dass die milliardenfach
in der Zelle neugebildeten Proteine
eine Vielzahl unterschiedlich spezieller Aufgaben zu erfüllen haben, um
chemische Reaktionen zu beschleunigen, Zellen in Form zu halten oder
um für die Bewegung der Muskeln
zu sorgen. Damit sie den richtigen
Platz für diese Funktion erhalten,
werden sie über ein Signalsystem zu
diesem Ort dirigiert. Dies geschieht
ähnlich der Funktion einer Postleitzahl über Aminosäuren, die in einer
bestimmten Reihenfolge angeordnet
sind. Proteine mit fehlerhaften Signalen führen dazu, dass diese
Eiweiße nicht korrekt an ihren richtigen Platz gelangen, was zur Entstehung von be­­stimmten Krankheiten
und Erbkrankheiten führt und deren
Ursache erklärt.
Durch die 20-jährige Arbeit von Prof.
Blobel und seinen Mitarbeitern
wurde nachgewiesen, dass dieses
Phänomen für alle Hefe-, Pflanzenund Tierzellen zutrifft. Basierend auf
diesen Entdeckungen geht Prof. Blobel als Vater der molekularen Zellbiologie in die Medizingeschichte ein.
Aufgrund dieser Forschungsergebnisse erhielt er im Jahr 1999 den
Nobelpreis für Medizin oder Physiologie.
Vom damaligen Justizminister Sachsens, Steffen Heitmann, als großartige Geste bewertet, spendete Prof.
Blobel das Preisgeld in Höhe von
1,6 Mio. DM für den Wiederaufbau
der Frauenkirche in Dresden.
Dies geschah in Gedenken an seine
Schwester, die als Kriegsflüchtling
bei einem Bombenangriff auf einen
Flüchtlingszug ums Leben kam.
100.000 DM stellte er für den Wiederaufbau der Synagoge in dieser
Stadt zur Verfügung.
251
Personalia
Prof. Blobel liebt klassische Musik
von Bach bis Mozart und historische
Architektur, besonders die des
Barock. Diese wiederzubeleben, hat
er sich auf die Fahnen geschrieben.
So sind seine vielfältigen Aktivitäten
(unter anderem in Dresden, Leipzig,
Freiberg und Potsdam) zu verstehen.
Dabei hat Prof. Blobel klare Vorstellungen zu den Objekten seiner Förderung, was durchaus zu Konflikten
geführt hat (Silbermannorgel der
Frauenkirche Dresden, Gestaltung
des historischen Neumarktes Dresden, Auseinandersetzung zur Waldschlösschenbrücke, Pauliner-Kirche
Leipzig).
Mit Dresden verbunden, gründete er
in den USA den Verein „Friends of
Dresden“ und warb für diesen Verein und Dresden mit den Worten:
„Dresden ist eine großartige Stadt mit
einer großartigen Geschichte und
einer großartigen Frauenkirche.“ Im
Jahr 2000 wurde er Ehrensenator der
Technischen Universität Dresden.
2001 erhielt er die Ehrendoktorwürde von der Technischen Universität Bergakademie Freiberg verliehen.
Um seine Verdienste im Bereich der
Zellularbiologie wissend, entschieden
Dozenten und Schüler des TÜV Privatfachschulzentrums für Ergotherapie und Rettungsassistenz und Medizinische Dokumentation in Görlitz,
dem Neubau dieser Bildungseinrich-
252
tung den Namen „Professor Günter
Blobel“ zu geben. Anlässlich dieser
Namensgebung besuchte Prof. Blobel Görlitz. Er bewertete diese
Namensgebung und die Einladung
mit den Worten: „Es ist mir einen
große Ehre, aber ich lebe doch
noch“.
Bei diesem Besuch war er von der
Architektur dieses einzigartigen Flächendenkmals und dem Charme der
Stadt Görlitz so beeindruckt, dass er
vor 300 Besuchern öffentlich kundtat: „Ich werde Propaganda machen,
damit man mehr über Görlitz und
Niederschlesien redet“. Eine sehenswerte Dauerausstellung in diesem
Neubau informiert den Besucher
über das Leben und Wirken dieses
Nobelpreisträgers. Anschließend an
diesen Besuch von Görlitz trat er an
die Sächsische Staatsregierung mit
der Bitte heran, die Kulturhauptstadtbewerbung dieser Stadt zu
unterstützen.
Der Besuch in Görlitz führte ihn auch
nach Jänkendorf, einem Dorf, das
damals zum Niederschlesischen
Oberlausitzkreis innerhalb des Freistaates Sachsens gehörte. Dort sah
er nach 59 Jahren seine Großcousine
wieder. In Erinnerung an das unerwartete Wiedersehen und an seinen
Aufenthalt während seiner Flucht im
Jahre 1945 in Jänkendorf pflanzte
Prof. Günter Blobel eine Eiche im
Landschaftspark Jänkendorf – Ullersdorf. Zugleich wurde ein Gedenkstein enthüllt, der auf diese BlobelEiche hinweist. Hinzu kam später ein
Granitblock mit einer Erinnerungstafel versehen, die über den Lebensweg von Prof. Blobel Auskunft gibt.
Als Mitglied des Ordens „Pour le
mérite für Wissenschaften und
Künste“ hatte er später erneut die
Gelegenheit, anlässlich einer Tagung
Görlitz zu besuchen.
Prof. Blobel erhielt eine Vielzahl von
Ehrungen und Preisen. Zu ihnen
gehören unter anderem der MaxDelbrück-Preis und der Max-PlanckForschungspreis. Er ist Mitglied der
Leopoldina. Seine Forschungsergebnisse bewertet er wie folgt: „Meine
Forschung heilt keine Krankheiten,
aber sie heilt ein wenig unsere
Unwissenheit über die biologischen
Abläufe unserer Zellen. Wenn wir die
großen Krankheiten heilen wollen,
müssen wir noch vielmehr über die
Grundlagen wissen. Sie sind die treibende Kraft, der Katalysator zum
Verständnis.“
Prof. Günter Blobel ist gegenwärtig
noch regelmäßig präsent in seinem
Institut an der Rockefeller-Universität
in New York, da es für ihn seine wissenschaftliche Heimat geworden ist.
Dr. med. Jürgen Wenske, Görlitz
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Personalia
Nachruf für
Dr. med. Wolfgang
Schmidt
Schmidt konnten zahlreiche Ausbildungsassistenten ihre Facharztprüfung erfolgreich bestehen.
Die Fortbildungsveranstaltungen für
Klinikmitarbeiter sowie Symposien
für die Augenärzte der Region ge­­
hörten zum festen Bestandteil der
Arbeit von Dr. Schmidt und waren
neben ihrer fachlichen Qualität vor
allem wegen der ausgezeichneten
Rhetorik und der nie fehlenden philosophischen Betrachtungen sehr
beliebt.
* 21.8.1932 † 4.1.2016
Mit tiefer Betroffenheit nahmen wir
Abschied von Dr. med. Wolfgang
Schmidt.
Von 1966 bis 1995 stand er als Chefarzt der Augenklinik des Bezirkskrankenhauses Plauen (später Vogtlandklinikum Plauen) vor. Unter der Leitung von Dr. Wolfgang Schmidt entwickelte sich die Augenklinik Plauen
zu einer angesehenen Klinik, in der
neue Erkenntnisse und Methoden
der Augenheilkunde zügig eingeführt sowie Bewährtes weiterentwickelt und vervollkommnet wurde. Dr.
Schmidt war ein exzellenter Operateur. Er beherrschte die klassische
Katarakt-Operation mit Kapselpinzette, ebenso ausgezeichnet wie die
spätere Kryoextraktionsmethode und
das darauffolgende moderne Pha­
koemulsifikationsverfahren mit der
Kunstlinsenimplantation. Goniotrepanationen, Schieloperationen, Tränenwegsoperationen und die Lidchirurgie gehörten zum festen Operati-
Dr. med. Wolfgang Schmidt
onsprogramm in seiner Klinik, wobei
er die operativen Fähigkeiten seiner
Mitarbeiter nach besten Kräften förderte.
Größten Respekt zollen seine ehemaligen Mitarbeiter noch heute seinem
ausgezeichneten Fachwissen. Zu
allen, gerade zur Debatte stehenden
Krankheitsbildern hatte „unser Chefarzt“ immer Literaturquelle mit Jahrgang und Seitenzahl parat, auch die
Kenntnis der zahlreichen Syndrome
war für uns immer faszinierend.
Unter der Anleitung von Chefarzt Dr.
Gern erinnern wir uns auch an die
vielen außerbetrieblichen Veranstaltungen, die Chefarzt Dr. Schmidt
organisierte: Wir denken gern an die
Maiausfahrten,
Weihnachtsfeiern,
Schlittenfahrten und andere sportliche Betätigungen. Erwähnenswert
sind auch etliche besonders lukullische Höhepunkte, mit denen Herr
Chefarzt die Mitarbeiter überraschen.
konnte.
Wir verlieren einen allseitig hochgeschätzten Kollegen. Die gemeinsame
Zeit mit ihm werden wir in dankbarer
Erinnerung behalten.
Dr. med. Roland Schmidt, Plauen
im Namen der Augenärzte des Vogtlandkreises
Anzeige
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
253
Personalia
Unsere Jubilare
im Juli 2016 –
wir gratulieren !
65 Jahre
01.07. Dipl.-Med. Frank, Veronika
08209 Rebesgrün
07.07. Dr. med. Weise, Matthias
01326 Dresden
08.07. Priv.-Doz. Dr. med. habil. Heptner, Gerhard
01328 Dresden
10.07. Dr. med. Fiedler, Claus
01259 Dresden
10.07. Dr. med. Huth, Christine
04155 Leipzig
11.07. Dr. med. Haferland, Christiane
01445 Radebeul
12.07. MUDr. Broulik, Ivan
01819 Berggießhübel
13.07. Dr. med. Wehnert, Jürgen
01445 Radebeul
15.07. Dr. med. Junge, Annelore
01309 Dresden
17.07. Dr. med. Begand, Marianne
08468 Reichenbach
17.07. Dr. med. Guhl, Regine
09355 Gersdorf
18.07.Dipl.-Med.
Bretschneider, Barbara
04703 Leisnig
19.07. Dr. med. Georgi, Volker
08066 Zwickau
22.07. Dr. med. Gericke, Evelyn
09366 Stollberg
23.07.Dipl.-Med.
Jurke-Bauer, Gabriele
01187 Dresden
24.07. Dr. med. Arnold, Thomas
04643 Geithain
24.07. Dr. med. Krahl-Mohr, Anita
04289 Leipzig
24.07. Dr. med. Stephan, Dietmar
01471 Radeburg
24.07. Dipl.-Med. Tröltzsch, Ingrid
04349 Leipzig
25.07. Prof. Dr. med. habil.
Wittekind, Christian
04229 Leipzig
30.07. Dr. med. Waberzeck, Brigitte
04746 Hartha
31.07. Dipl.-Med. Heyser, Ingrid
02625 Bautzen
05.07.
254
70 Jahre
Dr. med.
Deterding, Manfred
02763 Bertsdorf
05.07. Schmieder, Peter
01277 Dresden
10.07. Kaltenbach, Marianne
01309 Dresden
10.07. Dr. med. Kropf, Gerhard
04229 Leipzig
15.07. Heyer, Ingrid
09130 Chemnitz
16.07.Dipl.-Med.
von Ardenne, Dagmar
01324 Dresden
20.07. Prof. Dr. med. habil.
Saeger, Hans-Detlev
01309 Dresden
21.07. Dr. med. Kanzler, Ingrid
04159 Leipzig
22.07. Dr. med. Uebel, Rainer
04758 Oschatz
23.07. Dr. med. Herbrich, Rainer
02827 Görlitz
26.07. Dr. med. Wunderlich, Hella
09618 Großhartmannsdorf
27.07. Dr. med. Groh, Gottfried
08064 Zwickau
27.07. Tröger, Ingrid
04129 Leipzig
75 Jahre
01.07. Dr. med. Greulich, Peter
02763 Mittelherwigsdorf
02.07. Dr. med. Noack, Heidemarie
09376 Oelsnitz
03.07. Dr. med. Hopf, Dieter
08258 Markneukirchen
03.07. Prof. Dr. med. habil.
Dipl.-Psych.
Schroeder, Wolfgang
09306 Wechselburg
03.07. With, Gerda
02736 Beiersdorf
04.07. Dr. med. Vulpe, Brigitte
08648 Bad Brambach
05.07. Dr. med. Gerhardt, Wolfgang
09217 Burgstädt
05.07. Grobitzsch, Klaus
08393 Meerane
05.07. Dr. med. Syhre, Barbara
04736 Waldheim
07.07. Dr. med. Kirchhof, Klaus
04509 Delitzsch
07.07. Dr. med.
Wiedemann, Klaus
09217 Burgstädt
08.07. Dr. med. Büsch, Frank
08060 Zwickau
08.07. Dr. med. Einenkel, Monika
09419 Thum
08.07. Dr. med. Haase, Ute
04720 Döbeln
09.07.
09.07.
09.07.
09.07.
14.07.
15.07.
15.07.
16.07.
16.07.
17.07.
17.07.
18.07.
18.07.
19.07.
20.07.
20.07.
24.07.
27.07.
27.07.
28.07.
29.07.
30.07.
31.07.
31.07.
Dr. med. Müller, Christine
01259 Dresden
Dr. med. Richter, Helga
04683 Naunhof
Prof. Dr. med. habil.
Sommer, Erika
01219 Dresden
Dr. med. Unger, Karin
08262 Muldenhammer
Dr. med. Pfau, Eberhard
09241 Mühlau
Dr. med.
Donath, Rosmarie
08523 Plauen
Dr. med. Findeisen, Barbara
09619 Sayda
Dr. med. Oehler, Annerose
01454 Ullersdorf
Dr. med. Viehweg, Helmut
08134 Wildenfels
Dr. med. Roski, Rudolf
02826 Görlitz
Dr. med. von Saal, Siegfried
01589 Riesa
Dr. med. Dietrich, Dagmar
01936 Schwepnitz
Dr. med. Drechsler, Ingrid
09117 Chemnitz
Dr. med. Göbel, Gerd
01445 Radebeul
Dr. med. Boeck, Doris
01589 Riesa
Dr. med. Krolzig, Annegret
01689 Weinböhla
Dr. med. habil.
Seibt, Annelore
09419 Thum-Jahnsbach
Dr. med. Wittig, Jürgen
01156 Dresden
Dr. med. Zotter, Rita
01324 Dresden
Dr. med. Sachs, Bernd
01558 Großenhain
Dr. med. Thieme, Carla
01277 Dresden
Dr. med. Bach, Karin
09669 Frankenberg
Dr. med.
Landgraf, Wolfgang
08412 Leubnitz
Dr. med. Leistner, Peter
08228 Rodewisch
80 Jahre
03.07. Böger, Helga
04229 Leipzig
03.07.Dipl.-Med.
Schubert, Miroslawa
01307 Dresden
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Personalia
03.07.
09.07.
10.07.
12.07.
13.07.
14.07.
14.07.
17.07.
19.07.
20.07.
25.07.
25.07.
25.07.
29.07.
31.07.
Dr. med. Thunecke, Erika
01904 Steinigtwolmsdorf
Dr. med. Geisthardt, Gisela
01326 Dresden
Dr. med. Schneider, Ulrich
01129 Dresden
Dr. med. Luther, Karin
04159 Leipzig
Dr. med. Windisch, Alexander
08412 Leubnitz
Prof. Dr. med. habil.
Eberhardt, Hans-Jürgen
01324 Dresden
Dr. med.
Uhlemann, Gabriele
09126 Chemnitz
Dr. med. Kerkhoff, Erich
04654 Frohburg
Dr. med. Klaproth, Edith
01737 Kurort Hartha/
OT Fördergersd.
Dr. med. Bröker, Regine
04347 Leipzig
Dr. med.
Bachmann, Katharina
01099 Dresden
Dr. med. Franck, Joachim
08412 Werdau
Dr. med. Scheffler, Joachim
08529 Plauen
Dr. med. Erler, Magda
09111 Chemnitz
Dr. med. Brauer, Roland
09350 Lichtenstein
23.07.
23.07.
26.07.
29.07.
Dr. med.
Brauer, Karl-Heinrich
01307 Dresden
Dr. med. Kipping, Margrid
04329 Leipzig
Dr. med. Langner, Dieter
04328 Leipzig
Dr. med. Ernst, Rosemarie
01307 Dresden
06.07.
07.07.
11.07.
12.07.
13.07.
15.07.
15.07.
17.07.
22.07.
30.07.
82 Jahre
Dr. med.
Weinhold, Christine
09599 Freiberg
Dr. med. Kopmann, Gudrun
04416 Markkleeberg
Pahlig, Brigitte
04552 Borna
Dr. med. Fischer, Edith
04552 Borna
Dr. med. Kluge, Christa
01259 Dresden
Dr. med.
Grimmann, Manfred
09456 Annaberg-Buchholz
Dr. med.
Ständer, Wolfgang
04435 Schkeuditz
Dr. med. Hamann, Horst
02779 Großschönau
Dr. med. Wolf, Christian
04720 Gärtitz
Dr. med. Fickert, Adelheid
08525 Plauen
03.07.
06.07.
09.07.
09.07.
11.07.
12.07.
13.07.
20.07.
20.07.
21.07.
81 Jahre
Dr. med.
Trültzsch, Siegfried
08064 Zwickau
Dr. med.
Kretzschmar, Klaus
02979 Elsterheide
Dr. med. Heyser, Heinz
02625 Bautzen
Prof. Dr. med. habil.
Richter, Joachim
04509 Delitzsch
Dr. med. Scheidig, Ingrid
01219 Dresden
Dr. med. Möckel, Liesa
09599 Freiberg
Dr. med. Vetters, Wolfgang
01445 Radebeul
Dr. med. Kunkel, Inge
09350 Lichtenstein
Dr. med. Lehnert, Ute
01445 Radebeul
Dr. med. Preuße, Christiane
04109 Leipzig
01.07.
02.07.
02.07.
03.07.
09.07.
13.07.
16.07.
17.07.
26.07.
83 Jahre
Dr. med. Körtel, Erhard
01796 Pirna
Dr. med. Nestler, Ulrich
08289 Schneeberg
Dr. med.
Sengebusch, Wolf-Dieter
01855 Sebnitz
Dr. sc. med.
Palowski, Hubert
01279 Dresden
Prof. Dr. med. habil.
Gmyrek, Dieter
01445 Radebeul-Wahnsdorf
Dr. med. Geidel, Klaus
04687 Trebsen
Prof. Dr. med. habil.
Kiene, Siegfried
04416 Markkleeberg
Dr. med. Clauß, Gudrun
09117 Chemnitz
Dr. med.
Löhnert, Annemarie
01814 Prossen
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
29.07.
29.07.
31.07.
Dr. med. Runge, Eva
01277 Dresden
Dr. med. Werner, Arndt
01445 Radebeul
Dr. med. Scharfe, Gisela
01774 Höckendorf
03.07.
06.07.
08.07.
10.07.
14.07.
20.07.
31.07.
84 Jahre
Dr. med. Streitz, Ulrich
04275 Leipzig
Dr. med. Hacker, Gertrut
01157 Dresden
Dr. med. dent.
Zschiesche, Dieter
04207 Leipzig
Auerbach, Johanna
01454 Radeberg
Prof. Dr. med. habil.
Reinhold, Dieter
01324 Dresden
Dr. med. Rothe-Horn, Ilse
04318 Leipzig
Dr. med. Krenkel, Johannes
09577 Braunsdorf
02.07.
08.07.
11.07.
17.07.
23.07.
27.07.
85 Jahre
Dr. med. Beyer, Wolfgang
02627 Weißenberg
Dr. med. Schuster, Christa
08261 Schöneck
Dr. med. Jungmichel, Dieter
04849 Bad Düben
Dr. med. Kratzsch, Erika
09131 Chemnitz
Dr. med.
Lincke, Hans-Ullrich
02826 Görlitz
Dr. med. Göttsching, Maria
01612 Nünchritz
02.07.
11.07.
18.07.
21.07.
22.07.
86 Jahre
Prof. Dr. med. habil.
Theile, Herbert
04319 Leipzig
Dr. med.
Wunderlich, Hans
04643 Geithain
Prof. Dr. med. habil.
Wohlgemuth, Balthasar
04229 Leipzig
Müller, Gisela
09126 Chemnitz
Dr. med. Stafetzky, Rudi
08321 Zschorlau
OT Burkhartsgrün
87 Jahre
13.07. Dr. med. Gitter, Werner
09116 Chemnitz
255
Personalia
13.07.
25.07.
Dr. med. Queißer, Hermann
01109 Dresden
Prof. Dr. med. habil. Schwarz, Reinhold
04157 Leipzig
01.07.
02.07.
03.07.
07.07.
88 Jahre
Dr. med. habil.
Scholbach, Manfred
04105 Leipzig
Richter, Manfred
02957 Krauschwitz
Dr. med. Renz, Hildegard
08606 Oelsnitz
Böhm, Günter
08297 Zwönitz
Gottlob Adolf Ernst
von Nostitz und
J­ änckendorf
(1765 – 1836)
Autor: Dr. Boris Böhm
ISBN: 978-3-9813772-9-3.
Preis: 18 Euro
Die Entstehung der sächsischen Heilanstalten ist untrennbar mit Gottlob
Adolf Ernst von Nostitz und Jänckendorf (1765 – 1836) verbunden. In
einer aktuellen Forschungsarbeit hat
sich der derzeitige Leiter der Ge­­
denkstätte Pirna-Sonnenstein, Dr.
Boris Böhm, mit dem Wirken des
Juristen, königlichen Beraters und
Verteidigers der Kranken und Waisen
wissenschaftlich auseinandergesetzt.
Die im März 2016 erschienene
umfangreiche Publikation ist gerade
für medizin- und kulturhistorisch
interessierte Ärzte besonders zu
empfehlen, da es die Zeit der Teilung
der Oberlausitz, den Krieg gegen
Napoleon und den Aufbau einer
Kriegsfürsorge detailliert beschreibt.
Gottlob Adolf Ernst von Nostitz und
Jänckendorf wurde 1765 auf dem
väterlichen Gut in See geboren. Be­­
reits im Alter von 16 Jahren konnte
er Rechts- und Staatswissenschaften
an der Universität Leipzig studieren.
Im Alter von 20 Jahren trat Nostitz
als Finanzrat in den Staatsdienst ein,
verließ diesen jedoch schon 1789,
um die Verwaltung der väterlichen
Güter zu übernehmen. Wieder in der
256
Buchbesprechung
13.07. Jänicke, Inge
04288 Leipzig
89 Jahre
31.07. Dr. med. Bönisch, Lothar
09306 Wiederau
11.07.
90 Jahre
Dr. med.
Dorscheid, Marie-Luise
01705 Freital
91 Jahre
22.07. Grams, Johanna
04347 Leipzig
92 Jahre
31.07. Dr. med. Seikowski, Gisela
08645 Bad Elster
12.07.
27.07.
94 Jahre
Dr. med.
Weißbrodt, Charlotte
04157 Leipzig
Dr. med. Stüve, Annemarie
04668 Grimma
19.07.
96 Jahre
Prof. em. Dr. med. habil. Tittel, Kurt
04229 Leipzig
Oberlausitz, wurde er 1792 Landes­
ältester des Bautzener Kreises und
1804 Oberamtshauptmann, zudem
stiftete er ein Armenhaus auf seinem
Gut in Oppach. Nostitz trat 1790 der
noch jungen Oberlausitzischen Ge­­
sellschaft der Wissenschaften in Görlitz bei und war ab 1793 Mitarbeiter
an der Lausitzischen Monatsschrift.
Im Alter von 30 Jahren wählte ihn
die Gesellschaft 1795 zu ihrem Präsidenten – ein Amt das er erst 1817
infolge der Teilung der Oberlausitz
niederlegte.
1806 wurde Nostitz als Oberkonsistorialpräsident nach Dresden berufen
und mit der Revidierung der Verfassung der Universität Leipzig betraut.
1809 wurde er als wirklicher Konferenzminister fortdauerndes Mitglied
des damaligen geheimen Consiliums,
aus dem später der Geheime Rat des
sächsischen
Königs
hervorging.
Während der Befreiungskriege wandelte sich seine pronapoleonische
Haltung noch während der sächsischen Koalition zu tiefer Abneigung,
Nostitz’ Sohn, Eduard Gottlob, trat
gar in die preußische Armee ein.
Nach den Kriegen wirkte Nostitz bei
der Ausgleichung der Kriegsentschädigungen, besorgte die oberste Leitung der Landsarmenkommission
und reorganisierte die Heilanstalt für
Geisteskranke auf der ehemaligen
Feste Sonnenstein bei Pirna, die
unter ihm europäischen Ruf erlangte.
Er gründete 1824 zu Bräunsdorf bei
Freiberg eine Landeswaisenanstalt,
in der nach einem neuen Plan 150
Zöglinge zu Landbebauern, Handwerkern oder Soldaten erzogen wurden, und machte sich durch weitere
Einrichtungen um das Land wohlverdient. Er war 1808 in die Freimaurerloge „Zur goldenen Mauer“ in Bautzen aufgenommen worden. Seit
1830 bekleidete er das Amt des
Großmeisters der Großen Landesloge
zu Sachsen.
Nostitz war auch an der Begründung
der ersten sächsischen Verfassung
beteiligt und einer der Unterzeichner
der Verfassungsurkunde. Er wurde
Konferenzminister und erhielt den
Vorsitz in dem neu geschaffenen
Staatsrat.
Gottlob Adolf Ernst von Nostitz und
Jänkendorf starb 1836 auf seinem
Gut in Oppach.
Knut Köhler M.A.
Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Medizingeschichte
Vorgestellt: Lang­
jährige Autoren des
„Ärzteblatt Sachsen“
Dr. med. Dietmar Seifert
Ich wurde am 4. Juni 1944 in der
nordsächsischen Stadt Delitzsch
geboren und gehöre zwar nicht zur
Kriegsgeneration, aber zu denen, die
in einem zerstörten Land aufgewachsen sind. Empfand ich dies
zunächst als normal, so habe ich das
Verstörende dieses Zustandes begriffen, als ich mit meinem Vater 1951
durch das zerbombte Dresden fuhr.
Er fand zu seinem Entsetzen keine
der bekannten Straßen, bis wir das
Kronentor des Zwingers sahen, um
das sich Steinmetze bemühten. Mein
Vater, der alles Schöne liebte, starb
ein Jahr später. Seither verbindet sich
bei mir die Sorge um das gefährdete
Leben mit der Liebe zu unserer Kultur, die es in all ihren Formen zu
bewahren gilt. Trotz meiner Herkunft
aus der Schicht der „Sonstigen“ und
politisch bedingter Schwierigkeiten,
Die Entdeckungen der
Anatomen Andreas
Vesalius und Konrad
Victor Schneider
Stationen des Weges von den
Dogmen des Galen zur modernen
Medizin
Dr. med. Dietmar Seifert © privat
die 1961 zu einer einjährigen Relegation von der erweiterten Oberschule führten, habe ich im Jahre
1963 das Abitur abgelegt. Nach
zweijähriger pflegerischer Tätigkeit
begann ich in Halle/S. mein Medizinstudium, das ich 1971 mit Staatsexamen und Diplom abgeschlossen
habe. Danach begann ich mit der
Ausbildung zum Facharzt für Innere
– 100 Jahre nach Vesal – geboren
wurde. Auch er wurde noch mit den
Lehren des Galen von Pergamon
(129 – 201?) konfrontiert, die die
Mehrheit der medizinischen Autoritäten verbissen verteidigte. Dieser
hervorragende griechische Arzt hatte
im 2. nachchristlichen Jahrhundert
das gesamte antike medizinische
Wissen in ein „scharfsinniges System“ gebracht, das mit seinem
Anspruch auf Unfehlbarkeit mehr als
1.400 Jahre auf der Medizin lastete
und durch den arabischen Arzt
Avicenna (980 – 1037) nach Europa
vermittelt, schließlich die Autorität
eines unumstößlichen Dogmas er­­
langte.
Im Jahre 2014 beging die medizinische Welt den 500. Geburtstag des
am 31. Dezember 1514 geborenen
großen Arztes Andreas Vesalius, der
als Begründer der modernen Anatomie gilt. Er begann die bis dahin
gültigen medizinischen Lehrsätze
­
infrage zu stellen. Damit stand er an
der Schwelle einer Entwicklung, in
deren Verlauf bedeutende Ärzte
Im 16. Jahrhundert, als die Renaisdie bis dahin gültigen Dogmen der
sance zur Blüte gelangte, begannen
Medizin widerlegten und bald
auch die humanistisch gebildeten
grundsätzlich Neues entdeckten. Mediziner getreu ihrem Wahlspruch
Den wichtigsten kursächsischen Bei- „Zu den Quellen“ die griechischen
trag dazu leistete Konrad Victor
Originaltexte zu sichten und zu samSchneider, der am 18. August 1614
meln. Dies führte 1526 zur ersten in
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Medizin, die ich 1976 erfolgreich
beendet habe. Im Jahre 1975 wurde
ich mit einer externen Arbeit promoviert. Von 1978 – 1991 war ich als
Oberarzt in der kardiologischen
Intensivtherapie tätig und erwarb
1988 die Zusatzbezeichnung FA Kardiologie/Angiologie. Zwei Jahre nach
der Wende habe ich mich in Bitterfeld niedergelassen und bis Ende
2008 eine kardiologische Praxis
geführt. Seither befinde ich mich im
Ruhestand, habe eine Reihe medizinhistorischer Arbeiten veröffentlicht
sowie die Gedenkveranstaltungen
zum 200. Todestag August Gottlieb
Richters in Zörbig und zum 400.
Geburtstag Konrad Victor Schneiders
in Bitterfeld vorbereitet und geleitet.
Schneider, ein heute leider wenig
bekannter Arzt, leistete den entscheidenden kursächsischen Beitrag
zur Fortentwicklung der Medizin im
17. Jahrhundert.
Ich bin verheiratet und Vater einer
Tochter, die als klinische Psychologin
tätig ist.
Venedig erschienenen Gesamtausgabe der Bücher des Galen in griechischer Sprache, den Aldina-Drucken, an deren Edition auch der
Mineraloge und Arzt Georg Agricola
(1494 – 1555) beteiligt war. Die klassisch gebildeten Gelehrten Jacob Sylvius (1478 – 1555) und Johann Winter von Andernach (1505 – 1574)
schufen erste lateinische Übersetzungen, die Andreas Vesalius (1514
– 1564), der in Brüssel als Sohn einer
Arzt- und Apothekerfamilie geboren
wurde, während seines Studiums in
Paris kennenlernte.
Im Jahre 1536 verließ er die französische Hauptstadt und wandte sich
nach Padua, der bedeutendsten
Anatomieschule Europas. Dort wur­
de er zum Professor für Anatomie
ernannt, wobei er entgegen der Tradition das Messer selbst in die Hand
nahm und unermüdlich sezierte.
Gleichzeitig ließ er sich von dem Arzt
und Verleger Montanus (1498 –
257
Medizingeschichte
„verkocht“ und von dort in den Kör- 1540 hatte er sich der Autorität
Galens unterworfen, und hatte die
per gepumpt würde. Es gelange
auch in die Hirnkammern, wo daraus „Rete mirabile“ in den „Tabulae anader Spiritus animalis (Seelengeist)
tomicae“ der Tradition folgend darentstehe, der über die Nerven- gestellt, obwohl er sie selbst nicht
stränge im Körper verteilt werde. gesehen hatte. Umso genauer
Allerdings sei auch eine direkte Ent- notierte Vesal nun das selbst Gesestehung des Seelengeistes durch die
hene vor der Niederschrift der „fabLuft möglich, die durch die Sieb- rica“ und fand in Johann von Kalkar
platte in die Hirnkammern eingeso- (1499 – 1546) einen kongenialen
gen werde. Der bei der Bereitung
Mitarbeiter, der nach seinen Anweides Spiritus animalis entstehende
sungen künstlerisch hochstehende
überschüssige Schleim würde direkt
Illustrationen anfertigte. In anderen
von den Riechkolben, aber auch
Fragen zeigte er sich zögerlicher. So
durch den Trichter, das heißt durch
konnte er die von Galen behaupteden Stiel der Hypophyse, zur Drüse
ten Herzporen nicht finden, hielt
selbst und von dort zur Siebplatte
jedoch an der Lehrmeinung fest,
fließen. Durch deren Löcher gelange
wonach ein Luft-Blutgemisch durch
er in die Nase. Diesen Schleim sah er
das Septum von der rechten in die
linke Herzkammer sickere. Vesal
als einen der vier Säfte an, zu denen
schrieb darüber, dass man die Kunst
die antiken Ärzte neben der gelben
des Schöpfers bewundern müsse,
und der schwarzen Galle auch das
welche es ermögliche, dass das Blut
Blut zählten. Gelange ein Übermaß
Andreas Vesalius
durch unsichtbare Gänge aus dem
des Hirnschleims in verschiedene
© Universitätsbibliothek Leipzig, Inv.-Nr. 54/142
rechten in den linken Ventrikel
Körperregionen, wie zum Beispiel in
die Lunge, rufe er dort Katarrhe her- sickere.
1551) überzeugen, an der Überset- vor. Um es noch einmal klarzustellen:
Nur von der linken Herzkammer
Galen nahm wie vor ihm Hippokrates
zung des Gesamtwerkes Galens ins
gelange das feurige Gemisch in den
an, dass der bei Entzündungen der
Lateinische teilzunehmen.
Körper und zu den Hirnkammern,
Atemwege abgehustete Schleim aus
wo daraus Spiritus animalis hergeDas System des Galen, wie es
dem Gehirn stamme.
stellt werde und der Schleim als
Vesal in den Urschriften vorfand
Abfallprodukt entstehe. Denn die
So hatte Vesal schon als junger Pro- Vesals Rezeption der Werke des
von Galen behauptete Verbindung
fessor Gelegenheit, das System des
Galen und seine Kritik daran
zwischen Nase und Hirnkammern
Andreas Vesalius, der Begründer der
Griechen kennenzulernen. Dieses
konnte der große Entdecker nicht
umfasste nicht nur die Anatomie des
finden. Den „Trichter“, jene Struktur,
neuzeitlichen Anatomie, kam nach
die die Hirnanhangdrüse mit dem
Menschen, sondern auch die Physio- dem Vergleich der Schriften des
logie, die Therapie und die Diätetik. Griechen mit seinen durch eigenhän- Gehirn verbindet, hielt er jedoch der
Im Mittelpunkt seines den modernen
dige Sektionen gewonnenen Erfah- Tradition folgend für hohl. Vesal sah
Ärzten sehr fremden Systems stand
darin, wie schon von Galen behauprungen zu dem Schluss, dass Galen
die Lehre von den Lebensgeistern, nur Tiere seziert habe, weshalb viele
tet, einen Kanal, in dem der überdie dem Körper Leben einhauchen
schüssige Hirnschleim zur Hirnanseiner Angaben auf den Menschen
würden. Galen lehrte, dass der in der
nicht zuträfen. Darüber berichtete er
hangdrüse transportiert würde, die
im Vorwort seines anatomischen
Natur allgemein verbreitete Spiritus
er deshalb Glandula pituitaria
naturalis zusammen mit dem Blut ins
Hauptwerkes „De humani corporis
nannte. Der Schleim, so meinte
Herz gelange. Das Blut entstehe in
fabrica libri septem“. In diesem epo- Vesalius, fließe von dort durch die
der Leber und ströme durch die
chalen Werk korrigierte er viele
Foramina lacera anteriora zum GauHohlvene zur rechten Herzkammer. Behauptungen des Griechen, der
men. Somit konnte er die grundleDort würde es mit Luft vermischt. zum Beispiel das Sternum für sieben- genden Aussagen des Galen beibeDiese gelange durch den Respirati- teilig hielt, die Anatomie des Kehl- halten. Neuland betrat Vesal jedoch,
onstrakt in die Lunge und von dort
kopfes falsch dargestellt und ange- als er die graue von der weißen Hirnsubstanz unterschied und Zweifel
über die Pulmonalvene in die rechte
nommen hatte, dass die Leber aus
äußerte, dass die Lehre vom Sitz der
Herzkammer.
fünf Lappen bestehe. Außerdem
Geisteskräfte in den Ventrikeln ausWährend ein Teil des Blutes von der
zeigte er in der 1543 erschienenen
reichend begründet sei. In den folrechten Herzkammer direkt in den „fabrica“, dass die sogenannte „Rete
mirabile“, ein bei manchen Säuge- genden Jahrzehnten korrigierten
Körper ströme, sickere ein anderer
tierarten vorhandenes Netz von Arte- andere bedeutende Mediziner mandurch angenommene Poren in die
rien an der Schädelbasis, beim Men- che Aussagen des großen Anatomen
linke Herzkammer, wo das Gemisch
und Arztes.
schen nicht nachweisbar ist. Noch
aus Blut und Luft zu Spiritus vitalis
258
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
Medizingeschichte
Grundlegende Entdeckungen in
der Medizin um die Wende vom
16. zum 17. Jahrhundert und das
Auftreten Konrad Victor Schneiders
Zu grundlegend neuen Erkenntnissen gelangten jedoch erst der spanische Arzt Michael Servet (1509 –
1553), der Erstbeschreiber des kleinen und William Harvey (1578 –
1657), der Entdecker des großen
Körperkreislaufs. Das Blut absorbierte in seiner Konzeption gewissermaßen den Spiritus naturalis und
den Spiritus vitalis. Es wurde von
Harvey zum Vitalprinzip und „zu
Gottes eigentlichen Schöpfungsrequisit“ erhoben, das im Herz entstehe. Den Hirnkammern kam in dieser Konzeption jedoch lediglich die
Funktion eines Abfallbehälters zu.
Etwa zur gleichen Zeit wurden von
Gaspare Aselli (1581 – 1626) die
Chylusgefäße entdeckt, die er jedoch
zur Leber ziehen sah. Erst Jean Pecquet (1622 – 1674) beschrieb 1651
in seiner Schrift „Experimenta nova
anatomica“ den Ductus thoracicus,
den er schon 1647 entdeckt hatte.
Der sächsische Arzt und Anatom
Konrad Victor Schneider gab jedoch
in seinem Hauptwerk „De Catarrhis“
an, ihn schon 1638 seinen Studenten demonstriert zu haben. Der Philosoph Christian Wolff (1679 – 1754)
sah darin eine der in der Medizingeschichte häufigen Duplizitäten, die
zu Prioritätsstreitigkeiten führen. Der
Medizinhistoriker Kurt Sprengel
(1766 – 1833) bemerkte gewisse
Widersprüche in Schneiders Angaben, hob jedoch dessen richtige
Hypothese hervor, wonach es sich
bei den neu entdeckten Lymphgefäßen um die Glieder eines Saugadersystems handelt. Schneider war zu
diesem Zeitpunkt 23 Jahre alt. Er
wurde am 18. September 1614 in
dem damals zu Sachsen gehörenden
Bitterfeld als Sohn des Amtsschreibers Michael Schneider (1582 –
1649) geboren und bezog schon mit
sieben Jahren zusammen mit seinem
zwei Jahre älteren Bruder Michael
(1612 – 1639) die Universität Wittenberg, wo er unter Anleitung eines
Hauslehrers das Magisterstudium
aufnahm. Nachdem er diese Ausbildung abgeschlossen hatte, wandte
er sich der Medizin zu und studierte
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
zunächst in Wittenberg bei dem
berühmten Mediziner Daniel Sennert
(1572 – 1637). Nach seiner Promotion entschied sich Schneider, mitten
im Dreißigjährigen Krieg nach Jena
zu gehen, um sich bei dem Anatomen Werner Rolfinck (1599 – 1673)
weiterzubilden, der zu den ersten
Anhängern William Harveys gehörte.
Von dort begab sich Schneider auf
eine Studienreise, die ihn nach
Kopenhagen, Leiden, Paris und Bourges führte, wo er erneut promovierte. Nachdem er aus Wittenberg
die Nachricht erhalten hatte, dass er
dort zum Professor für Medizin, Anatomie und Botanik ernannt worden
sei, kehrte er nach Wittenberg
zurück. Zwischenzeitlich unternahm
Schneider noch eine kurze Studienreise nach England. In Wittenberg
hatte er als akademischer Lehrer
bald überragenden Erfolg, sodass
sich zunehmend mehr Medizinstudenten an der Universität der Stadt
immatrikulierten. Nach dem Ende
des Dreißigjährigen Krieges im Jahre
1648 überstieg ihre Zahl bald diejenige der benachbarten Universitäten
Leipzig und Frankfurt/Oder. Im Jahre
1646 heiratete der inzwischen be­­
rühmte Professor Anna Barbara geb.
Strauch (1627 – 1672), die Tochter
des Dresdener Superintendenten
Aegidius Strauch (1583 – 1657).
Mütterlicherseits war sie eine direkte
Nachfahrin der Malerfamilie Cranach. Bald arbeitete Schneider wieder wissenschaftlich und veröffentlichte 1653 die Abhandlung „De
osse temporum...“, in der er die anatomische Struktur des Schläfenbeins
in manchen Details genauer be­­
schrieb als seine Vorgänger und Zeitgenossen.
Schneiders Forschungen zur
Struktur der Nasenschleimhaut
und ihrer Funktion als Ort der
Schleimentstehung
Zwei Jahre später publizierte er die
Abhandlung „De osse cribriformi...“,
in der er begann, das schon von
Andreas Vesalius in Hinblick auf die
Ableitungswege modifizierte Dogma,
wonach der Schleim in den Hirnventrikeln entstehe, endgültig zu widerlegen. Diese Schrift nannte der
Posener HNO-Arzt und Medizin­
historiker Karl Kassel „das erste
s­ elbständige rhinologische Werk der
Medizingeschichte“. Darin verwarf
Schneider die Ansicht, dass die
Schleimhaut von der harten Hirnhaut
abstamme, betonte die besondere
Empfindlichkeit der Nasenschleimhaut und beschrieb die Riechnerven,
von denen sie durchzogen ist. Zur
Verdeutlichung ihrer Funktion führte
er eine Kasuistik des Eustachius
Rudius (1551 – 1611) an, der einen
jungen Mann beobachtet hatte, welcher keinen Geruchsinn besaß,
wobei sich bei der Sektion, die nach
seinem Tode vorgenommen wurde,
keinerlei Geruchsnerven fanden.
Schon in dieser frühen Publikation
gab Schneider an, dass die „Tunica“
auch die kleinen Kanälchen der
Lamina cribrosa überziehe, sodass
diese für Schleim undurchlässig sei.
Konrad Victor Schneiders
Widerlegung eines zentralen
Bestandteils der Doktrin
des Galen
Im Jahre 1660 begann Schneider
durch seinen Lehrer Werner Rolfinck
ermutigt, sein gewaltiges vierbändiges Hauptwerk „De Catarrhis“ zu
veröffentlichen. Er erbrachte darin
den Beweis, dass der Schleim nicht
das Abfallprodukt der Hirntätigkeit,
sondern eine Absonderung der
Schleimhaut darstellt. Im zweiten
Band ging er direkt auf Andreas
Vesalius ein, von dem er schrieb,
dass er nach den Ausführgängen des
Schleims gesucht, sie aber nirgends
gefunden habe, weshalb er sie sich
oberhalb der Hirnhäute vorgestellt
habe, was wiederum zu einer „Opinio communis“, einer Lehrmeinung,
geworden sei, weshalb niemand seinen Irrtum bemerkt habe. Um den
Irrtum seiner Vorgänger widerlegen
zu können, ging Schneider mit
äußerster Gründlichkeit vor. Er nutz­
te dazu zunächst alle bekannten
­
Methoden der Human- und der vergleichenden Anatomie.
1. Anatomische Untersuchungen
Im ersten Band seines Hauptwerkes
untersuchte Schneider zunächst
noch einmal die Lamina cribrosa des
Siebbeins, die er sowohl bei Tieren
als auch beim Menschen undurchläs-
259
Medizingeschichte
Jacob von Sandrart, Konrad Victor Schneider, Kupferstich 1655 – 1660. Konrad Victor
Schneider, Philosoph und Arzt, Doktor und öffentlicher Professor, des erhabensten
anhaltinischen Fürsten Arzt. „Frömmigkeit ist die Grundlage aller religiösen Tugenden.“
(nach einem Zitat von Cicero).
© Kreismuseum Bitterfeld
sig fand. Er schrieb deshalb, dass sie
von den Hirnkammern in die Nasennur in getrocknetem Zustand Löcher
höhle zum Rachen oder Gaumen
habe. Die irrige Meinung, wonach
hätte sickern können, weitgehend
sie durchlässig ist, sei durch die „verstopft“. Im Rahmen seiner SektiBetrachtung von Schädeln entstan- onen entdeckte Schneider sozusaden, die vom Kirchhof stammten. gen nebenbei die Rachenmandel,
Wie schon Vesal und andere bestritt
worauf Emil Zuckerkandl (1849 –
er auch die von Galen behauptete 1910) als erster aufmerksam ge­­
Schleimdurchlässigkeit des Türken- macht hat.
sattels. Im ersten Band von „De
Catarrhis“ widerlegte er jedoch auch
2. Experimentelle Untersuchungen
die Ansicht des Andreas Vesalius, Im zweiten Band von „De Catarrhis“
zeigte Schneider außerdem, dass der
dass das Keilbein und bestimmte
Trichter, das heißt die Verbindung
Suturen der Schädelbasis für den
zwischen dem Gehirn und der HirnSchleim durchlässig seien, denn sie
seien durch Knorpel verschlossen. anhangdrüse nicht hohl, sondern
solide ist. Somit hatte er ausgeDamit waren die anatomischen
schlossen, dass Schleim, wie von
Strukturen, durch die der Schleim
260
Galen, aber auch noch von Vesal
angenommen, von den Hirnkammern zur Glandula pituitaria ab­­
tropft. Diese Drüse wird auch deshalb heute nicht mehr Schleimdrüse,
sondern
Hypophyse
genannt.
Schneider bewies dies in einem Zeitalter, als es noch keine brauchbaren
Mikroskope gab, durch Gefrierversuche. Dabei entnahm er Hypophysen
samt Trichter und setzte sie der Kälte
aus. Bei der nachfolgenden Untersuchung fand Schneider niemals auch
nur die kleinsten Eiskristalle, was
dafür sprach, dass keine messbare
Flüssigkeitsmenge durch den Trichter
fließt. Daneben nahm der Forscher
sowohl bei verschiedenen Tierarten,
als auch beim Menschen Wägungen
der Hypophyse und des Gehirns vor.
Schneider stellte dabei fest, dass
sich die Gewichtsrelation zwischen
Gehirn und Hirnanhang bei vielen
niederen Tierarten zugunsten der
Drüse verschiebt. Dieser Befund
erwies sich als fortwirkende Anregung für andere Forscher. Den endgültigen Beweis dafür, dass der
Schleim nicht im Gehirn, sondern in
den Nasenschleimhäuten produziert
wird, führte Schneider durch die
Untersuchung eines an Rotz erkrankten Pferdes, das er in der Endphase
der Erkrankung töten ließ. Bei der
Sektion fand sich in den Ventrikeln
keinerlei Schleim, während die
Nasenschleimhäute geschwollen und
die Höhle mit Schleim gefüllt war.
Auf der Basis dieser Experimente
zeigte Schneider im dritten Band seines Hauptwerkes, dass auch das
Trommelfell dicht und somit die
Transsudation von Eiter und „Surdes“
nicht möglich ist. Er bewies damit,
dass das Cerumen ebenfalls nicht,
wie bisher angenommen, im Gehirn,
sondern im äußeren Gehörgang entsteht.
Das von den Schleimhäuten abgesonderte Phlegma hielt er allerdings
für ein unmittelbares Filtrat des Blutes, dem er eine ähnlich hohe Bedeutung wie William Harvey beimaß.
Schneider ging jedoch über die Lehre
des englischen Forschers hinaus,
indem er die Hypothese formulierte,
dass sich die Bildungsstätte des BluÄrzteblatt Sachsen 6 / 2016
Medizingeschichte
tes weder in der Leber, noch im Herzen, sondern in ihm selbst befinde.
Schneiders Forschungsergebnisse –
ein epochaler, angefeindeter
Fortschritt der Medizin
Seine Forschungsergebnisse waren
für die Entwicklung der Medizin von
prinzipieller Bedeutung. Sie stellten
einen entscheidenden Beitrag zur
Neubewertung der Hirnfunktionen
dar. Denn die Spirituslehre war nun
in ihrer seit Galen tradierten Form
endgültig widerlegt. Viele berühmte
Zeitgenossen, wie zum Beispiel Thomas Bartholin (1616 – 1680), lehnten diese Erkenntnisse ab, denn
durch sie wurde nicht nur die Spirituslehre in ihrer überlieferten Form
widerlegt, sondern auch die Lehre
von den vier Säften erschüttert.
Musste doch nun der Entstehungsort
der Katarrhe von den Hirnkammern
in die von dieser Krankheit befallenen Organe verlegt werden. Daraus
ergab sich die Notwendigkeit, nach
völlig neuen Behandlungsformen zu
suchen. Die vielen Reinigungsmethoden des Schädels (Craniopurgien),
die man unter der Vorstellung
anwendete, damit die Hirnkammern
vom Schleim zu reinigen, waren nun
obsolet. Schneider selbst kämpfte
gegen jegliche Einspritzungen von
Medikamenten in den äußeren
Gehörgang, von dem man bisher
annahm, dass er über eine direkte
Verbindung zu den Hirnkammern
verfüge, sodass von dort Medikamente in die Gehirnkammern gelangen würden. Seine eigenen Forschungsergebnisse und seine „große
Gelehrsamkeit“ befähigten ihn zu
weiteren fortwirkenden Hypothesen.
So vertrat er wie Vesal die Meinung,
dass die Hirnhöhlen Flüssigkeit
enthielten. Er vermutete jedoch als
erster, dass diese für die Befeuchtung des Gehirns selbst und damit
für seine Funktion bedeutsam sei.
Die anregende Wirkung Schneiders
auf die Forschungsarbeiten
zeitgenössischer Mediziner
Im Gegensatz zu seinem Lehrer
Bartholin nahm Nicolaus Steno
Ärzteblatt Sachsen 6 / 2016
(1638 – 1686) die Forschungsergebnisse Schneiders auf und entwickelte
sie weiter. Er stimmte mit Schneider
darin überein, dass das Phlegma in
den Schleimhäuten selbst entstehe,
entdeckte jedoch, dass es sich nicht
wie von Schneider angenommen,
um ein reines Blutfiltrat, sondern um
eine Flüssigkeit handelt, die von
Schleimdrüsen aus Blutbestandteilen
hergestellt wird. Im Jahre 1665 entdeckte er die Ceruminaldrüsen des
äußeren Gehörgangs. Dieser kreative
dänische Forscher hatte schon am
27. Mai 1661 den Ausführgang der
Ohrspeicheldrüse entdeckt und
arbeitete nun an seiner Schrift über
die Drüsen des Mundes. Gerade als
er das Manuskript zum Druck geben
wollte, kam ihm der dritte Band von
Schneiders Werk „De Catarrhis“ in
die Hand, in dem dieser seine Entdeckung der Rachenmandel publiziert
hatte.
Die Beschreibungen des Wittenberger Mediziners bestätigten Nicolaus
Stenos eigene Beobachtungen, die er
an den Gaumenmandeln und dem
sie umgebenden lymphatischen
Gewebe gemacht hatte. Später kam
Steno im Rahmen seiner Untersuchungen des Herzmuskels ebenso
wie Schneider zu der Überzeugung,
dass das Blut nicht im Herzen gebildet wird, wodurch sich beide gegen
alle zeitgenössischen Autoritäten zu
stellen wagten. In England übersetzte Richard Lower (1631 – 1691),
ein Pionier der Bluttransfusion und
der wichtigste Mitarbeiter des großen Neuropathologen Thomas Willis
(1621 – 1675), Schneiders Hauptwerk. Obwohl die beiden Engländer
die Hirnschleimableitung via Hypophyse ins Gefäßsystem behaupteten,
wurde „De Catarrhis“ für ihr eigenes
Werk bedeutsam. Denn der Wittenberger Forscher hatte die Hypophysen verschiedener Tierarten gewogen und war zu dem Schluss gekommen, dass der „Hirnanhang“ bei
vielen Tierarten im Verhältnis zum
Körpergewicht größer sei als beim
Menschen. Richard Lower bestätigte
diese Untersuchungen in seiner Dis-
sertation. Aufgrund dieser Ergebnisse hatte Thomas Willis, auf welchen Weg auch immer, den genialen
Einfall, dass die ins Blut abgegebene
Hirnlymphe die Hoden anregen
würde, jene Substanz zu produzieren, von der schon Galen angenommen hatte, dass sie den menschlichen Körper kräftigt. Ob­­wohl, wie
wir heute wissen, die „Lymphe“ von
der Willis sprach, nicht in den Hirnventrikeln, sondern im Hirnanhang
selbst produziert wird, war dies ein
tragfähiger Ansatz. Die Geburtsstunde der Endokrinologie hatte
geschlagen.
Schneider hatte auch daran einen
wesentlichen Anteil. Er wurde von
Steno nicht ohne Grund hochgelehrt
genannt, denn er veröffentlichte
noch weitere bedeutsame wissenschaftliche Wer­­ke und wirkte auch
als hochgeschätzter praktischer Arzt,
sodass er zum Leibarzt des sächsischen Kurfürsten Johann Georg II.
(1613 – 1680) ernannt wurde. Sicher
war er am kursächsischen Hof auch
deshalb besonders gut gelitten, weil
sein Schwager Augustin Strauch
(1612 – 1674) als wichtiger sächsischer Diplomat und späterer kursächsischer Kanzler großen Einfluss
hatte. Seine Schwester, Schneiders
Frau Anna Barbara, starb zum großen Schmerz ihres Ehegattens im
Jahre 1672. Seither lebte der große
Arzt sehr zurückgezogen, aber hochverehrt, als Senior der Medizinischen
Fakultät der Wittenberger Universität. Konrad Victor Schneider starb im
August des Jahres 1680. Ihm zu
Ehren wurden die Nasenschleimhäute lange Zeit „Schneidersche
Membranen“ ge­­nannt. Sein niemals
in seiner ganzen Bedeutung gewürdigtes Werk be­­
kannt zu machen,
war das Anliegen dieses Beitrags.
Dr. med. Dietmar Seifert, Delitzsch
261