SÜDWESTRUNDFUNK Anstalt des öffentlichen Rechts Radio Fernsehen Internet PRESSE Information Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachfolgend bieten wir Ihnen eine Meldung an. Markus Kerber, BDI-Hauptgeschäftsführer, gab heute, 23.06.16, dem Südwestrundfunk ein Interview zum Thema: „Wirklich so schlimm? Folgen für die deutsche Wirtschaft bei Brexit“. Das „SWR2 Tagesgespräch“ führte Marie Gediehn. Mit freundlichen Grüßen Zentrale Information Chefredaktion Hörfunk Zentrale Information SWR Tagesgespräch Postadresse 76522 Baden-Baden Hausadresse Hans-Bredow-Straße 76530 Baden-Baden Telefon Telefax 07221/929-23981 07221/929-22050 Internet www.swr2.de Datum: 23.06.2016 Deutsche Industrie fordert EU-Reformen nach der Brexit-Entscheidung Baden-Baden: Der Bundesverband der Deutschen Industrie fordert angesichts der BrexitEntscheidung in jedem Fall Veränderungen auf europäischer Ebene. BDI-Hauptgeschäftsführer Markus Kerber sagte im Südwestrundfunk (SWR): „Wir brauchen ein besseres Europa“. Man brauche klarere Regelungen zwischen dem, was Brüssel im Auftrag der nationalen Regierungen werde weiter machen müssen und dem, was man auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene entscheiden wolle. Kerber forderte weniger Bürokratie und einfachere Möglichkeiten, innerhalb der EU ein Unternehmen zu gründen und zu betreiben. Man brauche "nicht weniger, aber bessere Regeln". Wortlaut des Live-Gesprächs: Gediehn: Ist es nicht in jedem Fall die gute Nachricht, dass morgen Früh endlich jeder Unternehmer weiß, in welche Richtung es geht? Kerber: Absolut. Die vergangenen Wochen oder Monate waren geprägt von einem großen Gefühl der Unsicherheit auf beiden Seiten des Kanals bei den jeweiligen Unternehmerlagern und morgen früh ungefähr um dieselbe Uhrzeit werden wir wenigstens wissen, in welchem Szenario wir weiterplanen können. Gediehn: Lassen Sie es uns ein bisschen präzisieren mit Blick auf die deutschen Unternehmen – auf den Südwesten. Welche Branche ist denn hier tatsächlich zu Recht besonders nervös? Kerber: Es ist natürlich die klassische baden-württembergische Branchenmischung, nämlich der Automobil-, der Maschinen-, der Anlagenbau zusammen mit der Metallverarbeitung und den Elektronikunternehmen, die sehr stark betroffen sind von der Situation in Großbritannien. Wir haben Unternehmen in Großbritannien, die sehr stark investiert sind. Wir haben mal geschätzt beim Bundesverband der Deutschen Industrie, dass rund 150- bis 200-tausend Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Kanals davon betroffen sind und ich würde davon ausgehen, dass ein großer Teil davon auch in Baden-Württemberg angesiedelt ist. Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) Gediehn: Eine Studie des BDI hat gesagt: Ein Drittel der Unternehmen rechnet mit negativen Auswirkungen eines Brexit für das eigene Unternehmen. Was ist denn konkret die größte Befürchtung? Kerber: Ganz einfach. Wir habenmittlerweile in Europa eine über viele Regionen und Länder sich erstreckende Produktionsweise. Einzelteile, die in Baden-Württemberg gefertigt werden, gehen nach Großbritannien, werden dort weiterverarbeitet und umgekehrt. Hier herrscht eine große Unsicherheit bei den Unternehmen, ob sie beispielsweise weiterhin ihre Belegschaften, die dahinterstehen – also die Ingenieure, die Verarbeiter, die Werkmeister, ob die weiterhin ungehindert zwischen beispielsweise Wales und Nordwürttemberg werden reisen können. Bislang ist das ja einfach. Wir leben im Binnenmarkt und wir wissen nicht, ob dann Großbritannien außerhalb des europäischen Unionsverbundes und außerhalb von Schengen noch mit weiteren Zugangsproblemen wird rechnen müssen und das würde unsere Belegschaften treffen. Gediehn: Jetzt steuern wir seit Monaten auf dieses Referendum zu, wie können sich denn da in irgendeiner Form Unternehmen wappnen? Kerber: Sie können sich eigentlich nur dadurch wappnen, dass sie für den Fall der Fälle, was ich aber nicht vermute, dass sich die Briten für einen Austritt entscheiden, überlegen, wie wäre denn die Situation meines Unternehmens, wenn es nun in der Schweiz oder in Norwegen angesiedelt wäre. Weil das könnten mögliche Handelsregime sein, unter denen dann ein Wirtschaften mit Großbritannien möglich wäre. Gediehn: Jetzt haben Sie schon gerade gesagt, Sie rechnen gar nicht damit. Zuletzt lagen in Umfragen tatsächlich knapp die vorn in Großbritannien, die in der EU bleiben wollen. Wenn es tatsächlich so kommt, dann mehren sich ja die Stimmen, dass es politisch trotzdem einen Neuanfang braucht in der EU. Wirtschaftlich auch? Kerber: Ja, ich bin völlig einer Meinung mit Jean-Claude Juncker, dem Präsidenten der Europäischen Kommission. Wir brauchen ein besseres Europa und dieses bessere Europa wird nur dadurch entstehen, dass wir uns auseinandersetzen mit den Befürchtungen, mit den Skeptizismen, die viele Bevölkerungen in Europa haben. Die auch daher rühren, dass die Europäische Union ein Stück weit komplexer, unverständlicher geworden ist. Wir brauchen hier klarere Regelungen zwischen dem, was Brüssel im Auftrag der nationalen Regierungen wird machen müssen und dem, was wir auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene entscheiden wollen. Gediehn: Was heißt denn ein besseres Europa, wie Sie es sagen, für ein Unternehmen? Mehr Marktliberalität, weniger Regeln? Kerber: Weniger Bürokratie, einfachere Möglichkeiten innerhalb der Europäischen Union, ein Unternehmen zu gründen und zu betreiben. Ich würde nicht sagen unbedingt weniger Regeln, aber bessere Regeln. Wir haben im Bereich der Internetwirtschaft, im Bereich der Datenverarbeitung immer noch 28 unterschiedliche nationale Regelungen, wenn Sie zum Beispiel ein Software-Unternehmen im Internet gründen wollen. Das kann es nicht sein, hier brauche ich eine einheitliche, eine europäische Regelung. Hier wäre ein einheitlicher, digitaler Binnenmarkt besser als das Nebeneinander und das Durcheinander von 28 nationalen Regelungen. Europa hat schon auch Vorteile. Gediehn: Glauben Sie denn tatsächlich, dass im Falle eines abgewendeten Brexit ein politischer Neuanfang auch wirklich mit einem wirtschaftlichen verknüpft wird? Kleber: Ja, ich kenne quasi kein europäisches Land, in dem nicht das Bedürfnis in den letzten Wochen geäußert wurde, in der Auseinandersetzung dieses bessere Europa nochmal zurück ans Architekturboard zu gehen und bestimmte Regelungen institutioneller Art in Europa neu zu konzipieren. Ich glaube, wir brauchen noch einmal den Mut, bestimmte institutionelle Vertiefungen in der Euro-Zone - das ist ja eine Unterausprägung in der Europäischen Union – Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) anzustreben, hier noch dichter, noch stärker zusammenzuarbeiten und gleichzeitig in der weiteren Europäischen Union der 28, die Dinge vielleicht weniger dicht zu regeln. Das ist ja im Kern das Missverständnis, das bei den Briten vorherrscht, dass sie in eine immer dichter werdende Euro-Zone reingezogen werden, was nachweislich nicht der Fall ist. Wenn diese Missverständnisse bestehen, muss man sie klarer und deutlicher ausräumen und das geht nur mit eindeutigen Regelungen. - Ende Wortlaut - Der SWR ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD)
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