eMagazin für Gründung und Wachstum Juni 2016 Start-ups: Ideen für eine neue Unternehmenskultur? Inhalt Schwerpunkt »»Start-ups: Gründen als Lifestyle? »»Interview mit Kerstin Eisbrenner, Schlüsselmomente »»Das neue UnternehmerInnen-Bild »»Die Zukunft für kleine und mittlere Unternehmen gestalten »»Als Unternehmer gesellschaftliche Verantwortung tragen »»Interview mit Christoph Müller-Dechent, FoodLoop GmbH »»Auf dem Weg zu einer NEUEN Kultur des Scheiterns? Service »»Aktuelle Meldungen »»Veranstaltungen »»Print- und Online-Tipps »»BMWi-Expertenforum Seite 2 Intro Die Start-up-Szene bringt frischen Wind in die deutsche Gründungskultur. Und nicht nur dort, sondern auch in der großen „Community“ der deutschen Mittelständler. Und die sind für Neues immer offen. G anz gleich, ob als Freiberufler, Kleinunternehmer, Startup-Gründer oder Unternehmensnachfolger: Wer sich selbständig macht, gehört damit zu den 3,6 Millionen kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die in Deutschland als unternehmerischer Mittelstand bezeichnet werden. Den wenigsten ist das bewusst. Den einen nicht, weil sie mit dem Begriff des „unternehmerischen Mittelstands“ nicht vertraut sind, den anderen nicht, weil sie sich als Existenzgründer (noch) nicht als Mittelständler „fühlen“. wie zum Beispiel durch die Gründerinnen und Gründer in der Digitalwirtschaft. Dort, in der Start-up-Szene, ist man gerade dabei, „alte Zöpfe“ abzuschneiden: Inspiriert durch Vorbilder aus den USA tragen Start-ups inzwischen auch in Deutschland zu einer neuen Gründungskultur, einem veränderten Blick auf das Unternehmerbild oder auch einer Kultur des Scheiterns bei. Dabei hat - nicht nur aus diesen Gründen - das Interesse am Erfahrungsaustausch zwischen „gestandenen“ Mittelständlern und Start-up-Gründern stark zugenommen. Wer weiß, vielleicht entsteht damit tatsächlich so etwas wie die „Beta-Version“ für einen neuen Mittelstand. Quelle: Institut für Mittelstandsforschung Bonn, 2016 Dabei könnten sie stolz darauf sein, dem Mittelstand anzugehören – nicht nur, weil ohne ihn die deutsche Wirtschaft brach liegen würde, sondern auch, weil er das gesellschaftliche Leben ganz entscheidend mit prägt. Nicht zuletzt, weil es um Fragen der unternehmerischen Kultur in Deutschland und um die Wahrnehmung von Unternehmerinnen und Unternehmern in der Öffentlichkeit geht, genauso wie um gesellschaftliche Werte, soziale und ökologische Verantwortung und um die Suche nach Lösungen für globale Probleme wie Ressourcenmangel, Klimawandel und demographische Veränderung. Allesamt aktuelle Themen, die regelmäßig in Unternehmerkreisen diskutiert werden und nicht zuletzt durch den unternehmerischen Nachwuchs neue Impulse erhalten. So Seite 3 Start-ups: Gründen als Lifestyle? Schon seit Jahren geht die Zahl der Gründungen zurück. Die Kurzformel dazu lautet: gute Konjunktur = weniger Gründungen: Ein Zusammenhang, der schon seit Jahrzehnten immer wieder zu beobachten ist. Nur diesmal scheint etwas anders zu sein: Vor allem im IT- und Kreativbereich schwimmt eine quicklebendendige Start-up-Szene gegen den Strom. Nimmt man die Fülle der Presseberichte als Maßstab, könnte man vermuten, dass täglich landauf, landab neue und erfolgreiche Start-ups gegründet werden. Ganz klar: Dem ist nicht so. Der Bundesverband Deutsche Startups geht für 2015 von 6.000 Start-ups deutschlandweit aus. Das ist nicht viel, wenn man die Zahl von über 3,6 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen und rund 382.000 gewerblichen und freiberuflichen Gründungen in 2015 (IfM Bonn) dagegen hält. Dennoch stürzt sich die Presse auf die jungen „digitalen Wilden“. „Wobei die Medien das Ganze derzeit ein wenig überdrehen“, meint Sascha Schubert. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Startups e.V. „Erfolgreiche Gründer werden ja irgendwie schon wie Popstars behandelt. Einige werden da schon als die Marc Zuckerbergs oder Jeff Bezos von morgen gehandelt. Dabei gibt es Leute, die hier in Berlin seit Jahren rumspringen – ich weiß gar nicht, wovon die leben – und immer wieder eine neue Idee haben und es mit der Gründung nicht ganz so ernst meinen.“ Ernst wird es erst, wenn aus dem Wannapreneur, also dem „Möchtegern-Unternehmer“ tatsächlich ein Entrepreneur wird. Das geschehe, so Schubert, spätestens dann, wenn Kapitalgeber ins Spiel kommen. „Wenn die Gründer Investoren von ihrer Idee überzeugen müssen, um eine Finanzierung zu erhalten, zählen nur fundierte Argumente und nachvollziehbare Zahlen. Da steckt viel Arbeit dahinter und dabei wird aus dem Möchtegern-Unternehmer schnell ein ernsthafter Entrepreneur.“ Und vielleicht sogar irgendwann ein erfolgreicher Mittelständler. Ökosysteme lassen Start-ups aufblühen Dass diese Wandlung vom Wannapreneur zum Entrepreneur in der Regel funktioniert, hat auch mit den so genannten Ökosystemen oder Hotspots zu tun, die vor allem in Berlin, Hamburg, Stuttgart, Karlsruhe, München oder auch der Region Rhein-Ruhr entstehen. „Diese Hotspots entstehen dann“, sagt Sami Bettaieb von der Start-up-Unit bei der IHK Berlin, „wenn eine kritische Masse an Akteuren, Dienstleistern und auch Mentoren zusammengefunden haben. Dabei entsteht an diesen Hotspots eine Art Schwarm-Begeisterung, die sich auf die gesamte Gründer-Community auswirkt, unterstützt von einer Schwarm-Intelligenz aus Beratern, Investoren, potenziellen Partnern und vor allem jeder Menge anderer Gründerinnen und Gründer.“ Quelle: Deutscher Start-up Monitor 2016 Insgesamt bringen der enge Austausch, die Vernetzung und zahlreichen Events tatsächlich frischen Wind ins deutsche Gründungsklima, in dem ansonsten ja eher Flaute herrscht. „Es ist eine Gründer- bzw. Start-up-Szene entstanden, die es vorher so in Deutschland nicht gab“, sagt Prof. Dr. Nils Högsdal von der Hochschule der Medien in Stuttgart. Den Stein ins Rollen gebracht haben dabei nicht zuletzt die zahlreichen Erfolgsbeispiele aus den USA. Die Gründer von Google, Facebook oder Amazon im sonnigen Kalifornien haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass eine Karriere als Unternehmer auch für Berufsanfänger oder Studierende in Berlin, Karlsruhe, Hamburg oder München immer vorstellbarer wird. Dabei haben sie nicht selten auch schon den US-amerikanischen Markt im Blick und bewerben sich zum Beispiel beim German Accelerator, der Gründern aus den Informations- und Kommunikationstechnologien sowie den Life Sciences einen mehrmonatigen Aufenthalt in den USA ermöglicht. Oder sie nehmen an Wettbewerben wie dem South by Southwest in Texas teil. Dessen begehrter Gründerpreis ging in diesem Jahr sogar an ein Start-up aus Berlin. „Wobei sich das bisher noch nicht auf die tatsächlichen Gründungszahlen auswirkt. Seite 4 Dennoch ist auf jeden Fall positiv festzuhalten, dass vor allem bei den Jüngeren die gerade in Deutschland weit verbreitete Angst vor dem Risiko einer Unternehmensgründung nicht mehr so stark vertreten ist“, freut sich Prof. Högsdal. START-UPS... -- sind jünger als 10 Jahre und mit ihrer Technologie und/oder ihrem Geschäfts-- sind modell (hoch) innovativ oder (streben) ein signifikantes Mitarbeiter- und/ -- haben oder Umsatzwachstum (an) Quelle: Deutscher Startup Monitor 2015 Digitalisierung als Gründungstreiber Apps, Games, digitale Vernetzung oder auch eMobility: Vor allem die Digitalwirtschaft ist eine Inspirationsquelle für jeden IT-affinen Gründer. „Wir erleben heute mit der Digitalisierung einen Paradigmenwechsel. Dieser Paradigmenwechsel bringt, wie seinerzeit der Paradigmenwechsel zur Industrialisierung, eine Gründerzeit mit sich. Weil er einfach viele unternehmerische Chancen im Gepäck hat“, ist Sascha Schubert überzeugt. Nicht zuletzt deswegen wird die unternehmerische Selbständigkeit heute gerade an Hochschulen mehr als bisher als berufliche Option wahrgenommen. Und sie wird durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützt. Dazu hat nach Einschätzung von Prof. Nils Högsdal auch der Bologna-Prozess beigetragen – wenn auch eher unbeabsichtigt: „Wir wissen, dass es für etwa ein Viertel der Bachelor-Absolventen keine direkt anschließenden Masterstudiengänge gibt. Die Zeit zwischen Bachelor und Master nutzen daher viele, um erste berufliche Erfahrungen zu sammeln. Dazu kann auch die Gründung eines Start-ups gehören. Dabei haben wir es mit jungen Gründerinnen und Gründern im Alter von Anfang, Mitte 20 zu tun. Die haben noch keinen finanziellen Druck und keine familiären Verpflichtungen und können tatsächlich ihre Ideen ausprobieren - unterstützt von guten Betreuungs- und Förderangeboten wie beispielsweise dem BMWi-Förderprogramm EXIST“. Den wenigsten Gründerinnen und Gründern kommt es dabei darauf an, viel Geld zu verdienen. An erster Stelle steht vielmehr die Umsetzung der eigenen Ideen. Prof. Nils Högsdal: „Wir haben es mit der Generation Y zu tun. Die sind technologieaffin, sind mit Internet und mobiler Kommunikation aufgewachsen und arbeiten bevorzugt in Teams. Denen geht es weniger um Status und Geld, sondern um sinnvolle Arbeit, Freizeit und Familie.“ Hinzu kommt der Wunsch, Erwerbsbiographien flexibler zu gestalten und dabei häufiger zwischen einer selbständigen und angestellten Tätigkeit zu wechseln. Bleibt nur abzuwarten, inwiefern sich die Erwartungen und Ansprüche an die eigenen Erwerbs- und Lebensmodelle erfüllen und ob sie von den Gründern von heute auch mit zunehmendem Alter noch angestrebt werden. Wie auch immer: In jedem Fall ist es ihnen gelungen, dass das Thema „Unternehmensgründung“ in der deutschen Presse für Schlagzeilen sorgt. WEITERE INFORMATIONEN KPMG »» 3. DSM Deutscher Startup Monitor 2015 Institut für Mittelstandsforschung Bonn »» Institut für Mittelstandsforschung Bonn KfW Bankengruppe »» KfW-Gründungsmonitor 2015 Startup Compass Inc »» The Global Startup Ecosystem Ranking 2015 Seite 5 Interview mit Kerstin Eisbrenner, Schlüsselmomente „Man muss mutig sein, aber die Risiken auch realistisch einschätzen.“ besucht und nach möglichen Kunden Ausschau gehalten, also nicht nur nach Eltern und Studierenden, sondern zum Beispiel auch nach Bildungseinrichtungen und -projekten. Insgesamt hat sich mein Unternehmen dann so gut entwickelt, dass ich 2016 meinen Job als Lehrerin an den Nagel gehängt habe und seit dem zu 100 Prozent selbständig bin. Offensichtlich sind Sie aber immer noch nicht ausgelastet: Sie gründen gerade noch ein zweites Unternehmen. Was treibt Sie an? Kerstin Eisbrenner, Foto © Nina Pieroth A ls sich Kerstin Eisbrenner zunächst nebenberuflich selbständig machte, war noch nicht abzusehen, welche Begeisterung die Diplom-Politologin für das Unternehmerinnen-Leben entwickeln würde. Jetzt will die bisherige Kleinunternehmerin zusammen mit ihrer Teampartnerin Anika Glaser richtig durchstarten. Frau Eisbrenner, Sie bieten Lerncoaching an. Ist das nicht das Gleiche wie Nachhilfe? Eisbrenner: Nein. Lerncoaching heißt, Schüler, Studenten, auch Erwachsene, die effektiver lernen wollen oder die Prüfungsängste haben, zu betreuen und mit ihnen Lerntechniken zu üben, die sie einsetzen können, um Blockaden aufzubrechen. Ich habe während meiner Tätigkeit als Lehrerin an einer Berufsschule immer wieder erlebt, dass gute Schüler in Prüfungen versagen. Und weil ich damals keine Unterstützung finden konnte, beschloss ich, selbst diese Lücke zu füllen. Das heißt, ich habe eine Coachingausbildung absolviert, mich mit selbstorganisiertem Lernen beschäftigt und viel im Unterricht ausprobiert. Nach und nach habe ich dann daraus eine eigene Methode entwickelt. …und sich damit selbständig gemacht. Eisbrenner: Ja, zunächst nebenberuflich. Das heißt, ich habe meine Tätigkeit als Lehrerin zuerst auf 50 Prozent und später dann noch einmal auf 25 Prozent reduziert. In der Zeit habe ich ein Businessplan-Seminar an der IHK Frankfurt am Main Eisbrenner: Ich sehe, dass ich Erfolg habe und dass die Kompetenzen, die ich mir angeeignet habe, bei meinen Kunden – Kindern und Erwachsenen – gut ankommen. Das motiviert ungemein. Außerdem macht es mir einfach total Spaß, innovativ zu sein, Dinge weiter zu entwickeln, Neues zu machen, Risiken einzugehen, etwas auszuprobieren und diese Freiheit zu haben. Da lag es nahe, dass ich mir irgendwann die Frage stellte, wie ich in der mir zur Verfügung stehenden Zeit, mehr Leute erreichen kann - auch außerhalb des Rhein-Main-Gebiets. Ich hatte daher die Idee, mein Know-how online anzubieten, also eine webbasierte Plattform für Lern-Coaching, die aber genauso individuell funktioniert, wie ein Face-to-Face-Coaching. Ihr neues Unternehmen gründen Sie zusammen mit einer Partnerin. Warum? Eisbrenner: Ich bin allein in die Selbständigkeit gestartet. Das hat auch gut funktioniert. Aber als Soloselbständige kann man nichts wirklich Großes stemmen. Außerdem habe ich im Laufe der Jahre gemerkt, dass ich am besten arbeite, wenn ich jemandem an meiner Seite habe, der die Kompetenzen und die Qualitäten hat, die mir fehlen. Wenn ich zum Beispiel schon wieder mit zehn neuen Ideen ankomme, ist es gut, wenn da einer sagt: ‚Stopp, überlege erst mal genau, wie eine davon genau aussehen könnte.‘ Meine Co-Founderin, Anika Glaser, ist genau so ein Typ. Kennengelernt haben wir uns bei ROCK YOUR LIFE!, einem Mentorenprogramm für bildungsbenachteiligte Jugendliche. Wir fanden uns gleich sympathisch und haben gemerkt, dass wir ähnliche Visionen haben, und dass es auch fachlich passt: Anika promoviert gerade an der Universität Oldenburg in Deutschdidaktik. Ihr Wohnsitz ist aber inzwischen in Berlin. Seite 6 Werden Sie für Ihre gemeinsame Gründung auch eine Förderung beantragen? hat. Wer unternehmerisch scheitert und dann auf einem hohen Schuldenberg sitzt, hat natürlich ganz andere Probleme. Eisbrenner: Ja, wir werden ein EXIST-Gründerstipendium über die Gründungsberatung an der Universität Oldenburg beantragen. Viele haben Angst vor dem Stigma des gescheiterten Unternehmers. Sie sind eine begeisterte Unternehmerin. Was fällt Ihnen beim Stichwort „Unternehmerpersönlichkeit“ ein? Eisbrenner: Diese Angst habe ich nicht, da vertraue ich auf meine Familie und meine Freunde. Für mich ist es viel wichtiger, wenn ich alte Menschen höre, die sagen, wie sehr sie es bereuen, ihre Ideen nicht umgesetzt zu haben. Das möchte ich von mir später nicht sagen müssen. Deswegen riskiere ich lieber etwas und wenn es nicht funktioniert, geht eine neue Tür auf. Eisbrenner: Ich glaube, man muss mutig sein, aber die Risiken auch realistisch einschätzen. Ich kann mich zum Beispiel absolut begeistern für Ideen, für Menschen, für Dinge, auch für mein Produkt. Gleichzeitig kann ich aber auch sehr klar strukturiert und logisch denken. Ich überstürze nichts. Ich renne nicht sofort zur Bank und nehme einen Kredit über mehrere tausend Euro auf, sondern überlege erst einmal: Welche Möglichkeiten gibt es, um meine Ideen umzusetzen? Wie kann ich das Risiko minimieren, das ich bereit bin zu tragen? Dazu gehört auch, die entsprechenden Kompetenzen zu entwickeln. Als Diplom-Politologin und auch als Lehrerin hatte ich zum Beispiel keine Ahnung vom Vertrieb. Inzwischen bin ich da richtig gut drin und es macht mir total Spaß. Ich habe mich mit Marketing beschäftigt, auch mit Buchhaltung. Ich habe mir in den letzten Jahren so viele Kompetenzen angeeignet, was natürlich zunächst mit Kosten für Weiterbildungen, Literatur und Beratungen verbunden war. Aber in der Zeit, in der Gleichaltrige mit ihren Ersparnissen zum Beispiel einen Wohnungskauf finanziert haben, habe ich meine Rücklagen eben dazu benutzt, um in mich selbst zu investieren. Angst vor dem Scheitern haben Sie offensichtlich nicht. Eisbrenner: Nein. Ich strebe es natürlich nicht an, zu scheitern. Und natürlich wäre es ein furchtbarer Knacks für mein Ego. Aber ich sehe es so: Wenn man zum Standesamt geht und die Paare, die kurz vor der Trauung stehen, fragt, ob sie angesichts der Scheidungsquote nicht Angst vor einer Ehe haben, werden Sie vermutlich verständnislose Blicke ernten. In dem Moment, wo ich heirate, mache ich mir darüber doch keinen Kopf, sondern bin der Überzeugung, dass es funktionieren wird. Und ich glaube, dass das bei einer Unternehmensgründung ähnlich ist: Man geht einfach erst einmal davon aus, dass man es schaffen wird. Sie sagten, wenn Sie scheitern würden, wäre das schon eine Beeinträchtigung für Ihr Ego. Inwiefern? Eisbrenner: Also, wenn ich Insolvenz anmelden müsste, würde sich das sicherlich nicht gut anfühlen. Das darf man nicht verklären. Im Moment des Scheiterns ist man natürlich erst einmal traurig und muss von seiner Idee Abschied nehmen. Aber ich weiß auch, dass ich da nicht dauerhaft in Depressionen versinken werde. Irgendwann kommt der Moment, wo ich sage: ‚Und? Was hast du jetzt daraus gelernt? Geh los, ändere das, mach den Fehler nicht noch einmal!‘ Ich glaube nur so funktioniert es: Wenn man sich damit auseinandersetzt, was schiefgelaufen ist und es dann versucht, besser zu machen. Wobei mir durchaus bewusst ist, dass das leicht gesagt ist, wenn man keinen Kredit im Rücken Die GründerInnen-Szene ist ziemlich heterogen und arbeitet mit verschiedenen Labels: Start-ups, Gründer, Kleinunternehmer, Mittelständler. Als was sehen Sie sich? Eisbrenner: Mit meinem Unternehmen „Schlüsselmomente“ bin ich ganz klar eine Kleinunternehmerin. Jetzt, mit meinem zweiten Unternehmen, komme ich in den IT-Bereich und tauche in die Start-up-Szene ein. Und Mittelstand - das klingt zunächst unsexy, obwohl es der Motor unserer Wirtschaft ist. Damit verbinde ich gewisse Umsatzzahlen und Mitarbeiter, für die man Verantwortung trägt. Da finde ich, dass man es mit seinem Startup erst einmal so weit bringen muss, bevor man sagen kann, dass man zum Mittelstand gehört. Sie bewegen sich in unterschiedlichen GründerSzenen. Wie sind Ihre Erfahrungen? Eisbrenner: Letztlich spielt es für mich keine Rolle, ob ich es mit Kleinunternehmern, mit CEOs von Start-ups oder gestandenen GmbH-Geschäftsführern zu tun habe. Für mich ist der Kontakt und Austausch mit anderen Unternehmerinnen und Unternehmern wichtig, die vielleicht zwei, drei Schritte weiter sind als ich und mir Tipps geben oder mich inspirieren können. Die Sache ist nur: Wenn man sich ausschließlich in der Start-up-Szene bewegt, die ja oft eher IT-orientiert ist, fällt auf, dass es dort kaum Gründerinnen gibt. Und wenn ich dann gezielt zu Frauennetzwerken gehe, treffe ich nur Kleinunternehmerinnen aus der Kreativbranche oder dem Coachingbereich. Wenn ich aber wissen will, wie ich mich denn am besten von der Kleinunternehmerin zur Mittelständlerin entwickeln kann, bekomme ich da wenig Input. Den finde ich eher bei den Wirtschaftsjunioren hier in Frankfurt. Die sind sehr breit aufgestellt und haben viel Know-how. Das heißt aber auch, Ihr Unternehmen soll wachsen? Eisbrenner: Auf jeden Fall! Ich möchte gemeinsam mit Annika Glaser viele Mitarbeiter beschäftigen und ins Ausland expandieren. Ich habe aber auch gelernt, dass es sinnvoll ist, eher langsam und in kleinen Schritten voranzugehen. Das zeigen ja vor allem von Frauen geführte Unternehmen: die wachsen langsamer und sind dafür krisenfester. Ich glaube, damit habe ich für meinen bzw. unseren Weg die richtige Orientierung. Seite 7 Das neue UnternehmerInnen-Bild T-Shirt und Turnschuhe oder Anzug mit Krawatte? CEO oder Geschäftsführer? Men only oder Diversity? Weltverbesserer oder rücksichtsloser Kapitalist? Das Unternehmerbild ist in den letzten Jahren bunter und vielfältiger geworden. Spricht man heute von „dem“ Unternehmer entstehen daher ganz unterschiedliche Bilder im Kopf. Die amerikanische Start-up-Szene, allen voran Marc Zuckerberg, Larry Page und Jeff Bezos, lässt grüßen. Keine Frage: Die „Silicon-Valley-Boys“, die international im Rampenlicht stehen, haben die Vorstellungen davon, wie ein Unternehmer auszusehen hat, kräftig aufgemischt. Apropos „Boys“: Neu ist auch, dass heutzutage - zumindest hin und wieder - auch Unternehmerinnen die öffentliche Bühne betreten. „Es gibt heute auch ein Unternehmerinnen-Bild“, so Prof. Dr. Friederike Welter von der Universität Siegen und Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn: „Natürlich hat es schon immer Unternehmerinnen gegeben, aber die waren in der Öffentlichkeit so gut wie nicht sichtbar. Sieht man einmal von Ausnahmen wie Aenne Burda, Elisabeth Nölle-Neumann oder Jil Sander ab.“ Dass die Wahrnehmung von Frauen als Unternehmerinnen heute zumindest etwas selbstverständlicher geworden ist, zeigen u.a. die Ergebnisse von „grOW – Frauen gründen (in) Ost und West“, einem Verbundprojekt der Freien Universität Berlin und der Universität Siegen in Zusammenarbeit mit dem IfM Bonn. Die Wissenschaftlerinnen haben untersucht, wie häufig und mit welchen Attributen über Unternehmerinnen in der west- und ostdeutschen Presse von 1995 bis 2012 berichtet wurde. Das Ergebnis, so Prof. Dr. Friederike Welter: „Die Zahl der veröffentlichten Berichte über Unternehmerinnen oder Gründerinnen stieg in den Tageszeitungen im Untersuchungszeitraum zwar kontinuierlich an. Im Verhältnis zur Zahl der selbständig tätigen Frauen war die Gesamtzahl der Berichte jedoch immer noch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Rein quantitativ betrachtet, sind Unternehmerinnen und Gründerinnen in der Presse damit immer noch ‚unsichtbarer‘ als Unternehmer und Gründer.“ Wobei, so Prof. Dr. Friederike Welter, das „Exotische“ an Unternehmerinnen im Laufe der Jahre immer seltener als Aufhänger für die Berichterstattung genutzt worden sei. Die Abschlussdokumentation der grOW-Projektes stellt dazu fest, dass Unternehmerinnen in der Presse im Vergleich zu den Jahren 1995 - 2003 inzwischen als selbstverständlicher dargestellt werden, so dass sich – bei vorsichtiger Bewertung – hier doch langsam ein moderneres Unternehmerinnen- und Gründerinnenbild abzuzeichnen scheint. Genau dazu möchte auch die Initiative „FRAUEN unternehmen“ des Bundeswirtschaftsministeriums beitragen. Die rund 180 ausgewählten Vorbild-Unternehmerinnen setzen sich im Rahmen verschiedener Aktivitäten dafür ein, weibliches Unternehmertum in Deutschland sichtbarer zu machen. UnternehmerInnen als Problemlöser für Zukunftsaufgaben Nicht wie die Presse, sondern wie die Bevölkerung über Unternehmerinnen und Unternehmer denkt, wollte die Industrieund Handelskammer Nord Westfalen wissen, als sie 2011 die TNS Emnid Medien und Sozialforschung GmbH beauftragte, eine repräsentative Befragung unter 1.501 Bürgerinnen und Bürgern im Münsterland und der Emscher-Lippe-Region durchzuführen. Dabei wurde deutlich, dass insbesondere Familienunternehmerinnen und -unternehmer – der typische Mittelstand also – ein hohes Ansehen genießen. „Die Befragten attestierten vor allem Familienunternehmen die höchste Kompetenz für die Lösung wichtiger wirtschaftlicher Zukunftsaufgaben“, so Prof. Dr. Bodo Risch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Nord Westfalen. „Wenn es etwa darum geht, den demografischen Wandel zu bewältigen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern oder die Verschuldung von Staat und Kommunen in den Griff zu bekommen. Als Problemlöser rangieren sie in der öffentlichen Wahrnehmung auf Platz 1 und damit zum Beispiel vor Greenpeace, Gewerkschaften oder Kirchen. Abgeschlagen finden sich in diesem Ranking übrigens Politiker sowie von Managern geführte Unternehmen.“ Zwiespältig: Arbeitsplätze und Verhältnis zu Arbeitnehmern Nicht ganz so positiv ist laut der Studie das Unternehmerbild, wenn es um die Schaffung neuer Arbeitsplätze und das Verhältnis zu Arbeitnehmern geht. Eine knappe Mehrheit der Befragten erkennt zwar an, dass Unternehmerinnen und Unternehmer neue Arbeitsplätze anbieten. „Aber 45 Prozent bemängeln“, so Prof. Dr. Bodo Risch, „dass sie auch das Gegenteil tun. Dabei sehen die Befragten in unserer Umfrage durchaus die Zwangslage, in der sich die Unternehmensleitungen befinden. Denn deren Aufgabe besteht darin, das Überleben und Gedeihen des Betriebes zu sichern. Dazu gehören dann auch schwierige Entscheidungen, wie etwa Arbeitsplätze abzubauen.“ Die Einschätzung, ob Unternehmer Arbeitnehmer fair behandeln, ist leicht positiv, aber im Gesamtbild zwiespältig. Seite 8 Hohe Erwartungen an UnternehmerInnen Kompetenz, Glaubwürdigkeit und eine werteorientierte Grundhaltung stehen bei den befragten Bürgerinnen und Bürgern ganz oben, wenn es um ihre Erwartungen an Unternehmerinnen und Unternehmer geht. Erkennbar sei, so Prof. Dr. Bodo Risch, dass ethisch korrektes Verhalten eine wichtige Rolle spiele. „Drei Viertel der Befragten hält das Leitbild des ‚ehrbaren Kaufmanns‘ nach wie vor für zeitgemäß: Unternehmerinnen und Unternehmer sollten demnach verlässlich sein, zu ihrem Wort stehen und sich fair und anständig gegenüber Geschäftspartnern, Kunden und Mitarbeitern verhalten.“ Deutlich wurde in der Umfrage auch, dass die Bevölkerung zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern, vor allem langfristig denkenden und planenden Familienunternehmen, und angestellten Managern zu unterscheiden weiß. Insgesamt haben Prof. Bodo Risch die Ergebnisse der Studie nicht wirklich überrascht: „Positiv sehe ich, dass die Menschen die oftmals schwierige Führungsposition in Unternehmen tatsächlich realistisch sehen. Die moralischen Erwartungen an Unternehmerinnen und Unternehmer sind nachvollziehbar, aber man sollte dabei immer im Hinterkopf haben, dass Unternehmer eben auch ‚nur‘ Menschen sind. Ein entscheidender Punkt ist für mich das ‚ehrbare‘ Verhalten der Kaufleute. Ohne diese Grundlage erodiert die soziale Marktwirtschaft mit der Folge, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung kippt.“ Was sagen UnternehmerInnen über sich? Danach, ob die oben genannten Erwartungen der Bevölkerung nach deren Einschätzung denn auch tatsächlich von den Unternehmerinnen und Unternehmern erfüllt werden, wurde in der Studie nicht gefragt. Aus Sicht von Unternehmerinnen und Unternehmern scheint dies aber der Fall zu sein. Das hat das IfM Bonn in einer Mittelstandsbefragung festgestellt. Prof. Dr. Friederike Welter: „Die meisten Unternehmerinnen und Unternehmer identifizieren sich mit mittelstandstypischen Wertmaßstäben. Dazu gehören eine besondere Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und Marktpartnern, Kompetenz und Zuverlässigkeit sowie dem hohen Vertrauen gerecht zu werden, das die Marktpartner in sie setzen. Hinzu kommt die langfristige und nachhaltige Ausrichtung des Unternehmens.“ Ob „mittelstandstypisch“ oder „ehrbarer Kaufmann“: Zum Selbstbild von Unternehmerinnen und Unternehmern gehört auch, dass sich längst nicht alle zum Mittelstand zugehörig fühlen. Prof. Dr. Friederike Welter: „Wir haben da vor allem die große Gruppe der Soloselbstständigen und insbesondere die so genannten Start-ups aus der IT- oder Kreativbranche. Die verstehen sich in der Regel nicht als Mittelstand, obwohl wir sie aus Sicht der Forschung als mittelständische Unternehmen definieren.“ „Mittelstand - das klingt unsexy, obwohl es der Motor unserer Wirtschaft ist. Damit verbinde ich gewisse Umsatzzahlen und Mitarbeiter, für die man Verantwortung trägt. Ich finde, man muss es mit seinem Start-up erst so weit bringen, bevor man sagen kann, dass man zum Mittelstand gehört.“ Kerstin Eisbrenner, Gründerin von „Schlüsselmomente“ Letztlich, so Prof. Dr. Friederike Welter, sei es aber nur eine Frage der weiteren unternehmerischen Entwicklung: „Je älter und je größer die Unternehmen sind, desto eher verstehen sich deren Inhaberinnen und Inhaber auch als Mittelständler. Und desto eher wird das mittelständische unternehmerische Selbstbild für sie zum Leitbild.“ WEITERE INFORMATIONEN Bundesministerium für Wirtschaft und Energie »» Initiative „FRAUEN unternehmen“ IfM Bonn »» Nur langsam ändert sich das Unternehmerinnenbild in den Medien IfM Bonn »» IfM-Standpunkt 10: Gefühlssache Mittelstand?! IN EINEM MITTELSTÄNDISCHEN UNTERNEHMEN grOW – Frauen gründen (in) Ost und West bis zu zwei natürliche Personen oder ihre -- halten Familienangehörigen (direkt oder indirekt) mindestens IHK Nord Westfalen 50 % der Anteile eines Unternehmens. Diese natürlichen Personen gehören der Geschäftsführung an. »» Abschlussdokumentation »» Das Unternehmerbild in unserer Gesellschaft. Als Problemlöser geschätzt. Auch Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten oder mehr als 50 Mio. Euro Jahresumsatz zählen zum Mittelstand/Familienunternehmen, wenn sie die oben genannten Kriterien erfüllen. Die Begriffe Mittelstand, Familienunternehmen, Eigentümerunternehmen und familiengeführte Unternehmen sind synonym. Quelle: Institut für Mittelstandsforschung Bonn Seite 9 Die Zukunft für kleine und mittlere Unternehmen gestalten Start-ups, Handwerksbetriebe, Dienstleister, Gewerbetreibende und Freiberufler - sie alle gehören zum deutschen Mittelstand. Sie prägen mit ihrer Vielfalt, ihrem Erfolg und ihrer Innovationskraft unsere Wirtschaft und Gesellschaft. N ichts desto trotz stellen Globalisierung, Digitalisierung und demografischer Wandel kleine und mittlere Unternehmen vor viele neue Herausforderungen. Hinzu kommen der Generationenwechsel in den Unternehmen, Fachkräfteengpässe oder auch bürokratische Anforderungen. Das Bundeswirtschaftsministerium stellt daher in seinem kürzlich veröffentlichten „Aktionsprogramm Zukunft Mittelstand“ zehn Handlungsfelder vor, die die Rahmenbedingungen für mittelständische Unternehmen weiter verbessern sollen. Aktionsprogramm Mittelstand - 10 Handlungsfelder 1 - Unternehmergeist fördern 2 - Gründungs- und Wachstumsfinanzierung verstärken, Unternehmensfinanzierung sichern 3 - Die Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs unterstützen 4 - Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau vorantreiben 5 - Die Digitalisierung nutzen und gestalten 6 - Innovationskraft stärken 7 - Chancen der Globalisierung nutzen 8 - Europäische Mittelstandspolitik mitgestalten 9 - Mittelstand in strukturschwachen Regionen stärken 10 - Neue Geschäftsfelder im Rahmen der Energiewende entwickeln Beispiel: Unternehmergeist fördern Um das Gründungsgeschehen in Deutschland wieder auf Trab zu bringen wurden im vergangenen Jahr verschiedene Programme und Initiativen umgesetzt, weitere sind in Planung. Zu den insgesamt acht Maßnahmen gehören u.a. die Initiative „Neue Gründerzeit“. Das BMWi möchte damit zusätzliche Akzente setzen, um die Startbedingungen von Gründerinnen und Gründer sowie Unternehmensnachfolgern zu verbessern. Die öffentliche Wahrnehmung und die Effizienz der MaßnahSeite 10 men sollen dabei erhöht werden. Eine weitere Maßnahme zielt auf die Förderung von Hightech-Gründungsprojekten. Hier wurde zum Beispiel das EXIST-Gründerstipendium um 25 Prozent von 2.000 auf 2.500 Euro monatlich erhöht. Um die Nachhaltigkeit wissenschaftsbasierter Gründungen und deren Zahl zu erhöhen, sollen in diesem Jahr weitere Anreize bei EXIST eingeführt werden. Zur Förderung des Unternehmergeistes gehört u.a. auch, jungen Unternehmen, Gründerinnen und Gründern sowie Personen mit Migrationshintergrund und kreativen Selbständigen den Zugang zu Krediten zu erleichtern. Dazu wurde der Mikrokreditfonds im Mai 2015 mit 80 Millionen Euro neu ausgerichtet. Beispiel: Gründungs- und Beispiel: Gründungs- und Wachstumsfinanzierung verstärken, Unternehmensfinanzierung sichern Das wichtigste Finanzierungsinstrument für kleine und mittlere Unternehmen sind Kredite. Dazu gehören Bankkredite und Förderdarlehen. Die Mittelstandsfinanzierung durch Kredite ist in Deutschland derzeit sehr gut. Nachholbedarf hat Deutschland allerdings bei der Bereitstellung von Wagniskapital. Es ist vor allem für innovative Start-ups essenziell. Das BMWi hat daher zwei Milliarden Euro zur Stärkung des Wagniskapitalmarktes zur Verfügung gestellt und daraus passgenaue Finanzierungsangebote entwickelt. Ergänzend dazu wird „INVEST - Zuschuss für Wagniskapital“ in diesem Jahr erheblich erweitert, um mehr noch als bisher Business Angels zu motivieren in Start-ups zu investieren. Eine weitere von insgesamt acht Maßnahmen betrifft das Thema Crowdfinanzierung: Das Kleinanlegerschutzgesetz, das Mitte 2015 in Kraft getreten ist, unterstützt den Markt und schützt gleichzeitig Anlegerinteressen. Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands weiter stärken Im Rahmen von Regionalkonferenzen haben rund 400 Unternehmerinnen und Unternehmer in diesem und im vergangenen Jahr im direkten Dialog Verbesserungen für eine moderne Mittelstandspolitik vorgeschlagen. Dazu gehören: -- bürokratische Lasten abbauen mit schnellem Internet auch jenseits von -- Versorgung Ballungszentren sicherstellen flächendeckend modernisieren -- Verkehrsinfrastruktur / ausbauen -- Energiekosten im Rahmen halten -- Fachkräftenachwuchs sichern durch Abbau von Hürden und -- Internationalisierung bessere Finanzierung stärken Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, der Zentralverband des Deutschen Handwerks, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und der Bundesverband der Deutschen Industrie haben sich am 31. Mai 2016 in einer gemeinsamen Erklärung das Ziel gesetzt, auf Grundlage der genannten Vorschläge die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands weiter zu stärken. WEITERE INFORMATIONEN Bundesministerium für Wirtschaft und Energie »» Aktionsprogramm Zukunft Mittelstand Gemeinsame Erklärung »» Die Zukunft des Mittelstands gemeinsam sichern Beispiel: Rechtsetzung verbessern und Bürokratieabbau vorantreiben Um den bürokratischen Aufwand, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, zu reduzieren, hat das Bundeswirtschaftsministerium neun Maßnahmen auf den Weg gebracht. Am 1. Januar 2016 ist zum Beispiel das Bürokratieentlastungsgesetz in Kraft getreten. Es reduziert die Buchführungs-, Aufzeichnungs- und statistischen Mitteilungspflichten für Unternehmen. Das Vergaberecht wurde im April modernisiert und erleichtert den Zugang zu öffentlichen Aufträgen. Seite 11 Als Unternehmer gesellschaftliche Verantwortung tragen Keine Frage: Gewinne zu erwirtschaften ist Sinn und Zweck von Unternehmen. Aber viele mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer engagieren sich auch für Soziales und Umwelt. Noch einen Schritt weiter gehen die Gründer von sog. Social-Start-ups: Sie entwickeln eigens Geschäftsmodelle, um die Welt ein bisschen besser zu machen. Faire Geschäftspraktiken, sparsamer Einsatz von natürlichen Ressourcen, Schutz von Klima und Umwelt, Verantwortung in der Lieferkette und soziales Engagement vor Ort. Kurz: soziale und ökologische Verantwortung im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens übernehmen. Das umschreibt in etwa Corporate Social Responsibility. „CSR gehört heute bei mittelständischen Unternehmen einfach dazu“, sagt Peter Kromminga, Geschäftsführer von UPJ e.V., dem größten Netzwerk für Corporate Citizenship und CSR in Deutschland. „Das betrifft vor allem inhabergeführte Unternehmen, bei denen das Unternehmenseigentum und die Unternehmensleitung in einer Hand liegen. Dabei sind die Unternehmensleiterinnen und -leiter beim gesellschaftlichen Engagement ihres Unternehmens stark durch die Firmentradition und auch durch ethische Erwägungen geleitet. Wir beobachten außerdem zunehmend, dass kleine und mittlere Unternehmen CSR systematischer angehen und dabei sowohl den gesellschaftlichen als auch den unternehmerischen Nutzen im Blick haben.“ Hinzu kommen aber ganz klar auch betriebswirtschaftliche Motive. Vor dem Hintergrund von zunehmender Ressourcenknappheit, von Klimawandel sowie einer älter werdenden Gesellschaft, profitieren Unternehmen auch ökonomisch von einer nachhaltigen Unternehmensführung. CSR entscheidet insofern mit über den Unternehmenserfolg, weil es dazu beiträgt Kosten zu sparen, Innovationen voranzutreiben oder auch die Reputation des Unternehmens zu fördern .“ Quelle: IW-Personalpanel 2012; n = 446. In: Bertelsmann Stiftung: Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen angesichts neuer Herausforderungen und Megatrends, 2016 © Fa. Baumstark Theo GmbH & Co.KG Seite 12 LEITBILDER UND BEISPIELE FÜR CSR-AKTIVITÄTEN Fairness Faire Bezahlung, Weiterbildungsangebot für Arbeitnehmerinnen und -nehmer, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, fairer Umgang mit Wettbewerbern, Kunden und Lieferanten. Umweltschutz Effizienter Ressourcenverbrauch, klima- und umweltschonende Produktion und Vertrieb. Soziale Verantwortung als Geschäftsmodell Soziale und ökologische Verantwortung zu übernehmen und Ideen umzusetzen, die die Welt etwas besser machen sollen, ist auch für viele jüngere Gründerinnen und Gründer ein Motiv für den Weg in die Selbständigkeit. Einige gehen dabei sogar noch einen Schritt weiter: Für sog. Social Start-ups stehen der soziale Zweck und der gesellschaftliche Nutzen im Vordergrund der Geschäftstätigkeit (Social Impact). Der erwirtschaftete Gewinn spielt oft nur eine Nebenrolle. Transparenz Transparente Informationen zu Produktion, Lieferketten, Datenschutz u.a. Bürgerschaftliches Engagement Unterstützung von gemeinnützigen Organisationen bzw. kulturellen oder sozialen Projekten vor Ort. „Wir wollen Unternehmen und Verbrauchern ermöglichen, etwas gegen Lebensmittelverschwendung zu tun. Zu diesem Zweck haben wir ein System entwickelt, mit dem Verbraucher das Wegwerfen von Lebensmitteln bei sich zu Hause, aber auch in Supermärkten reduzieren können und dabei auch noch zu einem nachhaltigen Umdenken motiviert werden.“ »» Christoph Müller-Dechent, FoodLoop GmbH Social Entrepreneurship oder sog. Social Start-ups knüpfen dort an, wo gesellschaftlich etwas „schiefläuft“. Hier einzugreifen und die jeweiligen Probleme mit unternehmerischen Konzepten zu lösen: Das ist – kurz gesagt – der Grundgedanke des Sozialen Unternehmertums (Social Entrepreneurship). Dabei geht es beispielsweise um Unternehmen, die Möbel um der Nachhaltigkeit willen aus Abfallholz herstellen oder im Sinne der Sharing Economy um die gemeinschaftliche Nutzung von Autos, Druckern oder Werkzeug usw. Weitere Beispiele sind kleinteilige Trinkwasseraufbereitungsanlagen für die 3. Welt oder Apps für blinde und sehbehinderte Menschen: „Diese Unternehmen sind ‚mission driven‘, wie es heute im Fachjargon so schön heiß“, sagt Thorsten Jahnke von Social Impact Lab Berlin, das Gründerinnen und Gründer von SocialStart-ups unterstützt. „Das heißt: Es gibt sie nur deshalb, um ein gesellschaftliches Problem angehen zu können.“ Quelle: IW-Personalpanel 2013; n = 348. In: Bertelsmann Stiftung: Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen angesichts neuer Herausforderungen und Megatrends, 2016 Seite 13 „Mit unseren mobilen Solarkraftwerken wollen wir die Menschen nicht nur mit Strom versorgen. Wir wollen der lokalen Wirtschaft einen wichtigen Input liefern. Strom und Infrastruktur bieten den Dörfern die Möglichkeit, neue Geschäfte zu eröffnen und schlussendlich mehr Wohlstand zu schaffen, und vor allem wollen wir einen Beitrag zur Rettung der Umwelt leisten.“ »» Charlie Chaplin Njonmou, Mobile Solarkraftwerke Afrika GmbH & Co. KG WEITERE INFORMATIONEN Bundesministerium für Wirtschaft und Energie »» GründerZeiten „Soziales Unternehmertum“ »» Herausforderungen bei der Gründung und Skalierung von Sozialunternehmen: Welche Rahmenbedingungen benötigen Social Entrepreneurs? »» Praxisleitfaden Soziales Unternehmertum BMWi-Unternehmensportal Natürlich gibt es verschiedene Wege, gesellschaftliche Probleme anzugehen. Man kann Parteien unterstützen oder gründen, um politisch Einfluss zu nehmen. Man kann sich in Initiativen außerhalb der parlamentarischen Institutionen engagieren. „Aber“, so Thorsten Jahnke, „wenn man erkennt, dass mit diesen Möglichkeiten in absehbarer Zeit keine wesentlichen gesellschaftlichen Veränderungen möglich sind, bleibt nur sozialunternehmerisches Handeln.“ »» Social Entrepreneurship (Soziales Unternehmertum) UPJ e.V. »» Verantwortliche Unternehmensführung - Corporate Social Responsibility (CSR) im Mittelstand Bertelsmann Stiftung »» Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen angesichts neuer Herausforderungen und Megatrends „Wir wollen Unternehmen und Verbrauchern ermögli„Wir sehen Jobsharing gerade auch als Möglichkeit für hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich eine Vollzeitstelle flexibel zu teilen. Unser Ziel ist es daher, strategische und pragmatische Lösungen sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitsuchende anzubieten und das Thema ‚Jobsharing‘ in der Arbeitswelt voranzutreiben.“ »» Jana Tepe, Tandemploy UG (haftungsbeschränkt) Seite 14 Interview mit Christoph Müller-Dechent, Gründer der FoodLoop GmbH „Wir wollen beweisen, dass unsere Idee auch im großen Rahmen funktioniert und hoffen dann auf einen Domino-Effekt.“ werden. Darüber hinaus kann der Verkäufer seinen Kunden ganz nach deren Vorlieben individuelle Angebote übermitteln. Im Geschäft schließlich sind die reduzierten Produkte durch einen neuartigen Barcodestandard gekennzeichnet. So kann ein Produkt, das heute um 30 Prozent reduziert ist und nicht verkauft wurde, am nächsten Tag ohne Neuauszeichnung um zum Beispiel 40 Prozent günstiger – aber immer noch frisch – angeboten werden. Wie ist die Idee zu dem Projekt entstanden? Christoph Müller-Dechent, Gründer der FoodLoop GmbH, © FoodLoop GmbH E s ist eine gigantische Verschwendung: Tag für Tag werfen Verbraucher und Supermärkte tonnenweise frische Lebensmittel weg. Der oftmals einzige Grund: die Mindesthaltbarkeit naht. Mit seinem neuen Geschäftsmodell und einer eigens entwickelten Software-Plattform mit angebundenen Apps möchte Christoph Müller-Dechent sowohl Verbraucher als auch den Einzelhandel zu einem sinnvollen und nachhaltigen Umdenken motivieren. Herr Müller-Dechent, welche Idee steckt hinter FoodLoop? Müller-Dechent: Wir wollen mit FoodLoop Unternehmen und Verbrauchern ermöglichen, etwas gegen Lebensmittelverschwendung zu tun. Wir helfen dem Verbraucher und Lebensmitteleinzelhandel über die gesamte Wertschöpfungskette ressourceneffizienter zu agieren und bewusster zu handeln. Das beinhaltet auch das Ende der Wertschöpfungskette. Zu diesem Zweck haben wir ein System entwickelt, mit dem Verbraucher das Wegwerfen von Lebensmitteln bei sich zu Hause, aber auch in Supermärkten reduzieren können und dabei auch noch zu einem nachhaltigen Umdenken motiviert werden. Wie funktioniert das in der Praxis? Müller-Dechent: Mit unserer Software-Plattform können Supermärkte frische Lebensmittel mit einer sich nähernden Haltbarkeit automatisch reduzieren und dieses Angebot inventargenau an unsere Apps als Ausgabekanäle kommunizieren. Über ihr Smartphone erfahren die Kunden dann in Echtzeit, welche Produkte es in ihrem Umkreis vergünstigt gibt. Die persönlichen Vorlieben - hinsichtlich der Lebensmittelauswahl, dem Einkaufsort oder dem Anbieter - können bei der App eingestellt Müller-Dechent: Beim Einkaufen fiel mir immer wieder auf, dass viele Lebensmittel schon vor Ablauf der Mindesthaltbarkeit beziehungsweise dem Verfallsdatum aus dem Regal verschwinden. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass nur ein sehr geringer Teil davon gespendet werde könne, weil die ‚Tafeln‘ auch nicht alles mitnehmen können. Derart ernüchtert, habe ich schließlich damit begonnen, mich intensiv mit dem Thema Lebensmittelverschwendung auseinanderzusetzen. Die konkrete Idee habe ich dann während eines Gründungsseminars an der Universität Köln entwickelt, wo ich Medienmanagement im Masterverbundstudium studiert habe. Wann kommt Ihre Dienstleistung auf den Markt? Müller-Dechent: Unsere erste Testphase in Kooperation mit einer Bio-Supermarktkette ist in 2014 abgeschlossen worden. Im Dezember 2015 wurde unsere App in drei Biomärkten fest eingeführt. Die Bio-Kette ist unser erster zahlender Kunde und ein großer Meilenstein. Der ganz große Härtetest läuft zur Zeit Jahr in Spanien: Wir konnten dort eine große Lebensmittelkette als Partner gewinnen, die ihre 70 Filialen mit unserem System ausstatten wird. Warum gerade Spanien – ist Deutschland nicht der richtige Markt? Müller-Dechent: Lebensmittelverschwendung ist nicht nur hierzulande ein Thema. Außerdem hatten wir von Beginn an auch den internationalen Markt im Visier. Was den konventionellen Lebensmittelhandel in Deutschland angeht: Der findet unsere App zwar sehr interessant - verhält sich aber noch reserviert. Von daher sind wir alle gespannt, mit welchem Ergebnis der Testlauf in Spanien enden wird. Die Langfassung dieses Interviews finden Sie hier www.exist.de Seite 15 Auf dem Weg zu einer NEUEN Kultur des Scheiterns? Mehr als 80 Prozent aller Start-up-Gründer würden auch nach einem Scheitern wieder einer selbständigen Tätigkeit nachgehen. U nd etwa jeder Fünfte hat bereits zwei oder mehr Unternehmen gegründet. Das meldet der Deutsche Startup Monitor 2015, initiiert vom Bundesverband Deutsche Startups e.V. Eigentlich eine erfreuliche Nachricht. Der Haken dabei ist: Die positive Einstellung zum unternehmerischen Neustart ist leider nicht repräsentativ für die Gesamtheit der Gründerinnen und Gründer in Deutschland. Im Gegenteil: Die Angst vor dem unternehmerischen Scheitern hält immer noch viele Menschen in Deutschland davon ab, ein Unternehmen zu gründen. Genauer gesagt ist es u.a. die Angst vor der gesellschaftlichen Stigmatisierung des gescheiterten Unternehmers. Obwohl – und das ist in dem Zusammenhang bemerkenswert – die Deutschen eigentlich grundsätzlich eine positive Einstellung zum Thema Scheitern haben. Dies stellen Prof. Dr. Andreas Kuckertz vom Lehrstuhl für Unternehmensgründungen und Unternehmertum an der Universität Hohenheim und seine Kollegen in einer bundesweiten Befragung von 2.027 Bundesbürgern fest. Darin heißt es: „In der Summe erkennen knapp 80 Prozent der befragten Deutschen Misserfolge ganz allgemein als potenzielle Quelle zur Selbstreflexion und Rückbesinnung an und akzeptieren, dass Misserfolg auf lange Sicht gesehen zu positiven Ergebnissen führen könne.“ Nun könnte man meinen, dass sich dies auch auf das unternehmerische Scheitern bezieht. Doch dem ist nicht so: In derselben Studie haben dazu nur 15,5 Prozent der befragten Bundesbürger eine positive bzw. sehr positive Grundhaltung. 11,6 Prozent der Befragten haben in Bezug auf unternehmerisches Scheitern sogar eine überwiegend negative Einstellung, konstatieren die Hohenheimer. Kein Pardon bei unternehmerischen Fehlern Mit wenig Verständnis müssen gescheiterte Unternehmerinnen und Unternehmer vor allem dann rechnen, wenn die Ursachen für das Scheitern in ihren eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen liegen. Dazu gehören beispielsweise Probleme bei der Kundenakquise, die Suche nach Mitarbeitern oder auch das Fehlen eines funktionierenden Geschäftskonzeptes. „Dies wird von den Befragten nur bedingt toleriert und kann in der Folge zur Stigmatisierung des Gründers führen. Auch ein ‚einfach mal ausprobieren‘ wird scheinbar nicht als akzeptabler Grund für ein unternehmerisches Scheitern akzeptiert. Dabei ist genau diese spielerische und experimentelle Heran- gehensweise sinnvoll, um ein funktionierendes Geschäftsmodell zu entwickeln“, so Prof. Andreas Kuckertz“. Dennoch hätten gescheiterte Unternehmer eine zweite Chance verdient. Immerhin über 75 Prozent der deutschen Bevölkerung sind laut der Befragung tendenziell dazu bereit, einem gescheiterten Unternehmer eine zweite Chance einzuräumen. Unter dem Strich aber, würde der überwiegende Teil der Befragten aufgrund des Risikos von einem Schritt ins Unternehmertum abraten. Auffallend ist dabei allerdings, dass vor allem junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren hier eine tendenziell positivere Haltung einnehmen. Quelle: Kuckertz, A.; Mandl, C. & Allmendinger, M.: Gute Fehler, schlechte Fehler – wie tolerant ist Deutschland im Umgang mit gescheiterten Unternehmern?, Stuttgart: Universität Hohenheim, 2015. Ausnahme oder Trendwende? Kultur des Scheiterns in der Start-up-Szene In der Tat sei bei den jungen Gründern insbesondere in der Digitalwirtschaft der Anteil an „Wiederholungstätern“ überproportional hoch, bestätigt Prof. Tobias Kollmann, Inhaber des Lehrstuhls für E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen. Er ist Mitautor des European Startup Monitor 2015. „Wir haben in der digitalen Szene ein sehr junges und dynamisches Gründerklientel, so zwischen Seite 16 20 und 30, die versuchen, ihr Glück zu machen. Die befinden sich noch in einer Lebensphase, wo sie schlicht und ergreifend noch über genug Zeit und Unabhängigkeit verfügen, einen zweiten, dritten Versuch zu starten, bevor familiäre oder andere Lebensverpflichtungen hinzukommen. Und da passt es einfach gut, dass die Digitalwirtschaft so unglaublich vielfältig und groß ist, so dass die Chance auf Neugründungen viel weitreichender ist als in anderen Bereichen.“ Eine weitere Rolle dürfte darüber hinaus die Finanzierung spielen: Start-ups werden in der Regel über Business Angels oder andere Investoren finanziert, die sich mit ihrem Kapital an den Unternehmen beteiligen. Es handelt sich also nicht um Darlehen, die die Gründerinnen und Gründer in jedem Fall zurückzahlen müssen. Bei einer Bruchlandung heißt es für die Kapitalgeber daher „mitgefangen, mitgehangen“. Anders als das Gros der Gründerinnen und Gründer haben Start-ups also keine Schulden im Rücken, die sie der Bank zurückbezahlen müssen – auch wenn sie gescheitert sind. Ein Neustart scheint damit – aus finanzieller Sicht – auf jeden Fall einfacher. Der neue Blick aufs Scheitern Die Bereitschaft, nach einer Bauchlandung wieder aufzustehen und weiterzumachen, sei aber vor allem auch eine Mentalitätsfrage, sagt Sascha Schubert. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups e.V. „Das ist ein bisschen so wie beim Surfen vom Brett zu fallen. Dann muss man halt wieder aufsteigen, wenn man Surfer sein will.“ Und darauf vorbereitet sein, dass man vom Surfbrett auch wieder ins kalte Wasser fallen kann, sei ergänzt. „Sie akzeptieren eben das Risiko“, sagt Mathias Härchen, Leiter Unternehmensförderung bei Industrie- und Handelskammer zu Köln: „Dazu gehört auch, nicht wegzuschauen, wenn Probleme auftreten und sich Hilfe zu holen, um das Ruder herumzureißen, womöglich auch rechtzeitig die Reißleine zu ziehen. Anders als ‚klassische‘ Gründerinnen und Gründer, die alles auf eine Karte setzen und trotz aller Warnsignale ihr Unternehmen weiterführen. Aus Angst vor einer drohenden sozialen Stigmatisierung. Denn wer es nicht geschafft hat, ist hierzulande eben gescheitert und mit einem unauslöschlichen Makel im Lebenslauf versehen. Das bedeutet, viele nehmen lieber in Kauf, bis zum bitteren Ende weiterzumachen und womöglich einen Berg von Schulden anzuhäufen.“ Der neue und andere Blick auf das Thema Scheitern hängt für Prof. Tobias Kollmann nicht zuletzt mit der internationalen Denk- und Lebensweise der Start-ups zusammen. „Die Digitalwirtschaft macht nicht an irgendeiner Landesgrenze halt. Das heißt, wir haben hier ein internationales Umfeld, nicht nur was den Wettbewerb angeht. Wir sehen auch viele international zusammengesetzt Teams. Und für die bietet der angloamerikanische Raum mit Sicherheit viele Vorbilder. Nehmen Sie allein die bekannten Gründer der großen IT-Player. Sie zeigen fast alle, dass sie mehrere Anläufe gebraucht haben, bis es schließlich geklappt hat. Und sie zeigen auch, dass dies die Investoren nicht abgeschreckt hat. Im Gegenteil.“ Aus den Fehlern anderer lernen Das besonders Bemerkenswerte sei inzwischen auch die Offenheit, mit der Betroffene über ihr Scheitern reden, so Sascha Schubert. „Das ist aber nur deshalb möglich, weil es nicht diese Verurteilung gibt: ‚Du bist schuld. Du bist ein Versager.‘ Dieses hämische Fingerpointing. Im Gegenteil, die Leute werden in ihrem jeweiligen Gründer-Ökosystem, sei es in München, Karlsruhe oder Berlin, auch wieder aufgefangen. Dort herrscht ein Klima, in dem man sich eben nicht nur über Gründungen austauscht, sondern auch darüber, was man tun muss, wenn man den Laden wieder dicht macht und neu starten will.“ Einen Schritt weiter gehen sogar noch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei den so genannten „Fuck up Nights“, die inzwischen in mehreren deutschen Gründer-HotSpots stattfinden. Hier erzählen Gründerinnen und Gründer, wie sie unternehmerisch gescheitert sind und verschaffen den Zuhörern wichtige Aha-Momente. Nach dem Motto: Aus Fehlern kann man lernen. Besser noch: aus den Fehlern anderer. Sind das nun alles die Vorzeichen für eine Trendwende hin zu einer neuen Kultur des Scheiterns? Die Autoren der Hohenheimer Studie blicken bei aller Vorsicht positiv in die Zukunft und kommen zu dem Schluss, dass „die Chancen für eine neue Gründerzeit und einen positiveren Umgang mit Fehlern gut stehen – diese wird insbesondere durch die junge, weltoffene, gut ausgebildete und risikoaffine Generation etabliert werden.“ Die Autoren bezweifeln allerdings, dass diese Entwicklung ein Selbstläufer ist und haben ihrer Studie daher noch eine lange Liste mit praktischen Vorschlägen beigefügt. Sie sollen zeigen, wie sich Vorurteile und Intoleranz gegenüber gescheiterten Unternehmerinnen und Unternehmern in Deutschland abbauen lassen. WEITERE INFORMATIONEN KPMG (Hrsg.) »» 3.DSM Deutscher Startup Monitor 2015 Kuckertz, A.; Mandl, C., Allmendinger M. »» Gute Fehler, schlechte Fehler – wie tolerant ist Deutschland im Umgang mit gescheiterten Unternehmern?, Universität Hohenheim, 2015 Seite 17 Aktuelle Meldungen „ANKOMMER. Perspektive Deutschland“: Leuchtturmprojekte ausgezeichnet Gründerinnen: viele Freiberuflerinnen, kaum Start-ups Das bundesweite Stipendienprogramm „ANKOMMER. Perspektive Deutschland“ unterstützt Social Start-ups dabei, geflüchtete Menschen in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Der „Gründerwettbewerb - Digitale Innovationen“ und der Fempreneur Summit möchten Frauen dazu motivieren, den Schritt zur eigenen Gründung zu wagen und sind deshalb eine Partnerschaft eingegangen. Gemeinsam mit dem Projektpartner Social Impact wurden aus rund 190 Start-ups und (sozial-)unternehmerischen Initiativen, die sich im letzten Sommer um einen Platz im Programm beworben hatten, 14 Projekte ausgewählt und in den vergangenen Monaten auf den Weg gebracht. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat am 9. Juni als Schirmherr die drei besten Leuchtturmprojekte des Programms „ANKOMMER. Perspektive Deutschland“ prämiert. Initiatoren des Programms sind die KfW Stiftung und die Social Impact gGmbH. Von 2014 auf 2015 ist zwar laut „Deutscher Start-up Monitor“ ein leichter Anstieg der Gründerinnenzahl zu erkennen - von 10,7 Prozent aller deutschen Start-up Gründungen auf 13 Prozent - doch von einem Trend lässt sich auf dieser Basis kaum sprechen. Auch die „bundesweite gründerinnenagentur“ verzeichnet bei den Gewerbeanmeldungen in der IKTBranche nur 16 Prozent Gründungen durch Frauen. WEITERE INFORMATIONEN WEITERE INFORMATIONEN EXIST - Existenzgründungen aus der Wissenschaft BMWi-Existenzgründungsportal »» Gründerinnen - Viele Freiberuflerinnen, kaum Start-ups »» „ANKOMMER. Perspektive Deutschland“: Sigmar Gabriel zeichnet Projekte aus Liste der Entrepreneurship-Professuren Neues „Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft“ der Bundesregierung eröffnet Das neue Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft in Berlin-Mitte ist die bundesweit zentrale Anlaufstelle der Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Arbeitsschwerpunkte des Kompetenzzentrums sind Wissenstransfer, Vernetzung, Kommunikation und Veranstaltungen. Im Kompetenzzentrum gibt es Ansprechpartner für verschiedene Themenbereiche (z.B. Gründung und Wachstum, Innovation und Impulse, Internationalisierung und Export). Der Förderkreis Gründungs-Forschung e.V. (FGF) hat eine neue Liste der Entrepreneurship-Professuren an Hochschulen in Deutschland eingestellt. Der FGF führt in der Liste der Entrepreneurship-Professuren nun insgesamt 133 Entrepreneurship- und Entrepreneurship affine Professuren an öffentlichen und privaten Hochschulen in Deutschland auf. WEITERE INFORMATIONEN BMWi-Existenzgründungsportal WEITERE INFORMATIONEN »» Liste der Entrepreneurship-Professuren aktualisiert BMWi-Existenzgründungsportal »» Neues „Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft“ der Bundesregierung eröffnet Seite 18 Nachwuchs-Gründerbildungsprogramm „Herausforderung Unternehmertum“ Studierende, die eine Start-up-Idee haben und mit Gleichgesinnten im Team daran arbeiten wollen, können sich für eine Teilnahme an der Gründerbildungsinitiative „Herausforderung Unternehmertum“ bewerben. Die Teilnehmer erwartet ein Förderjahr mit der Gelegenheit, sich schon während des Studiums unternehmerisch zu qualifizieren sowie 15.000 Euro finanzielle Unterstützung pro Team aus Mitteln der Heinz Nixdorf Stiftung zu erhalten. Ein interdisziplinäres Qualifizierungsangebot vermittelt unternehmerische Kompetenzen, sowie kontinuierliches Coaching und Mentoring durch Unternehmer und Experten. Bewerbungsschluss ist der 19. August 2016. WEITERE INFORMATIONEN BMWi-Existenzgründungsportal »» Nachwuchs-Gründerbildungsprogramm „Herausforderung Unternehmertum“ Seite 19 Veranstaltungen #BMWiLive „Gründen in Deutschland“ Am 29. Juni 2016, gegen 16.30 Uhr, wird die parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, Brigitte Zypries, Fragen rund um das Thema Existenzgründung beantworten. Im Gespräch mit der Moderatorin Anni Dunkelmann wird sie auf die Rahmenbedingungen für Gründerinnen und Gründer eingehen, Angebote des BMWi vorstellen und weitere Themen rund ums Gründen erläutern. Wenn Sie ebenfalls Fragen an PStS Brigitte Zypries haben, können Sie diese während des Live-Gesprächs auf der BMWiFacebookseite stellen. Sollten Sie in den letzten 30 Tagen auf der BMWi-Facebookseite aktiv gewesen sein, erhalten Sie zum Start der Sendung automatisch eine Benachrichtigung auf Ihr Smartphone oder Tablet. Live-Chat „Existenzgründung – was es braucht, um die eigenen Träume zu verwirklichen“ Aus der eigenen Idee ein Geschäftsmodell zu entwickeln und sich selbständig zu machen, ist eine spannende Erfahrung. Dabei sind die Erfolgschancen umso größer, je besser Sie sich auf Ihre „Karriere“ als Unternehmerin oder Unternehmer vorbereiten. Nutzen Sie daher den Live-Chat des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) am Donnerstag, 7. Juli 2016. Von 16 bis 18 Uhr beantworten die Experten des BMWi Ihre Fragen zur Gründungsfinanzierung, Förderung und zum Businessplan. Der Live-Chat findet auf der BMWi-Facebookseite statt. Der direkte Link zum Chat (Q&A-Post) wird am 7. Juli, ca. 15.30 Uhr freigeschaltet. Der Live-Chat ist eines der vielen Serviceangebote, mit denen das Bundeswirtschaftsministerium Gründerinnen, Gründer und junge Unternehmen unterstützt. Next Economy Award sucht nachhaltige Start-ups DIHK – Deutscher Industrie und Handelskammertag zum zweiten Mal den Next Economy Award (NEA). Zur Bewerbung sind Unternehmen und Organisationen eingeladen, die mit ihren Ideen Antworten auf die sozialen und ökologischen Fragen unserer Zeit geben wollen. Auch Sozialunternehmen bzw. gemeinnützige Start-ups jeglicher Rechtsform sind im Wettbewerb willkommen. Teilnehmen können alle in den letzten fünf Jahren in Deutschland gegründeten Start-ups. Der Wettbewerb läuft bis 30. Juni 2016. WEITERE INFORMATIONEN BMWi-Existenzgründungsportal »» Next Economy Award sucht nachhaltige Start-ups Wettbewerb „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland 2016“ Der Wettbewerb „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ ist Bestandteil der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung. Eine Teilnahme steht allen Menschen in Deutschland offen, die mit einer besonderen kulturellen oder kreativen Geschäftsidee unternehmerisch tätig sind. Insgesamt werden 32 Unternehmerinnen und Unternehmer von einer Jury ausgewählt und ausgezeichnet. Bewerbungsschluss ist der 30. Juni 2016. WEITERE INFORMATIONEN BMWi-Existenzgründungsportal »» Wettbewerb „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland 2016“ Der NEA ist die nationale Spitzenauszeichnung für Start-ups, die auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit setzen. Die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis vergibt in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, dem Rat für Nachhaltige Entwicklung und dem Seite 20 „KfW Award GründerChampions“ 2016 Junge Unternehmen aus ganz Deutschland können sich für den mit 35.000 Euro dotierten KfW Award GründerChampions bewerben. Aus jedem Bundesland wird je ein Unternehmen prämiert, das ab dem Jahr 2011 gegründet, bzw. im Rahmen einer Nachfolge übernommen wurde. Alle Gewinner werden zur feierlichen Prämierung nach Berlin eingeladen, um aus den 16 Landessiegern einen Bundessieger zu ermitteln. Am Abend der Preisverleihung wählt das Auditorium schließlich einen Publikumssieger. WEITERE INFORMATIONEN BMWi-Existenzgründungsportal »» „Summer School 2016“ für Gründerinnen Bewerbungsschluss ist der 1. Juli 2016. WEITERE INFORMATIONEN BMWi-Existenzgründungsportal »» „KfW Award GründerChampions“ 2016 „Summer School 2016“ für Gründerinnen Die „Summer School 2016“ bietet auch in diesem Jahr wieder 15 Frauen die Chance, nach der Familienphase ihre Geschäftsidee in die Tat umzusetzen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert den Workshop für Existenzgründerinnen im Rahmen des Aktionsprogramms „Perspektive Wiedereinstieg“. Die „Summer School 2016“ findet in diesem Jahr vom 1. - 12. August statt und ist ein Angebot der bpw-akademie. Partner und Veranstaltungsort ist in diesem Jahr die Hochschule Düsseldorf. Bewerberinnen müssen Erstgründerinnen sein und eine konkrete Unternehmensidee haben. Sie sollten auch eine abgeschlossene Ausbildung/ Studium und ein paar Jahre Berufserfahrung mitbringen. Bewerbungsschluss ist der 30. Juni 2016. Seite 21 Print- und Online-Tipps Wirtschaftliche Förderung. Hilfen für Investitionen und Innovationen GründerZeiten: Existenzgründungsfinanzierung Die Broschüre „Wirtschaftliche Förderung“ ist ein Standardwerk zu den Förderangeboten des Bundes. In Deutschland stehen Gründerinnen und Gründern viele Möglichkeiten der Existenzgründungsfinanzierung zur Verfügung. Sie bietet Gründern, etablierten Unternehmen und allen anderen Interessierten Orientierungshilfe in der Förderlandschaft und informiert ausführlich über die zahlreichen Fördermöglichkeiten, deren Konditionen und Antragswege. DOWNLOAD UND BESTELLMÖGLICHKEIT BMWi-Existenzgründungsportal »» Wirtschaftliche Förderung. Hilfen für Investitionen und Innovationen Die Bandbreite reicht von Bankkrediten, Förderdarlehen, Mikrokrediten und Leasingfinanzierungen bis zur Einbindung von Beteiligungskapital. Die GründerZeiten bietet dazu einen Überblick, erklärt Möglichkeiten der Eigen- und Fremdfinanzierung und gibt nicht zuletzt hilfreiche Tipps für das Bankgespräch. DOWNLOAD UND BESTELLMÖGLICHKEIT BMWi-Unternehmensportal »» GründerZeiten Nr. 06: Existenzgründungsfinanzierung GründerZeiten: Controlling Planung und Kontrolle machen zusammen Controlling aus. Die Publikation zeigt, welche Controlling-Instrumente dafür zur Verfügung stehen. Sie bietet außerdem eine Übersicht der gängigsten Controlling-Kennzahlen an und macht deutlich, welch wichtige Rolle das Controlling bei der Krisenprävention spielt. Deutsch-Arabische GründerZeiten Die GründerZeiten Nr. 10: „Gründungen durch Migrantinnen und Migranten“ liegt in deutscher und arabischer Sprache vor. Der zweisprachige Infoletter erläutert die ausländerrechtlichen Aspekte für Gründerinnen und Gründer mit Migrationshintergrund und stellt besondere Beratungsangebote vor. DOWNLOAD UND BESTELLMÖGLICHKEIT DOWNLOAD UND BESTELLMÖGLICHKEIT BMWi-Existenzgründungsportal »» GründerZeiten Nr. 23: Controlling BMWi-Unternehmensportal »» GründerZeiten Nr. 10: / Gründungen durch Migrantinnen und Migranten Seite 22 Solo-Selbständige in Deutschland Strukturen und Erwerbsverläufe Die Kurzexpertise zeigt die aktuellen Strukturen und die Entwicklung der selbständigen Tätigkeit, insbesondere der soloselbständigen Tätigkeit. WEITERE INFORMATIONEN BMWi-Unternehmensportal »» DIHK-Gründerreport 2016 Hierbei wurden insbesondere die sozio-demografischen Merkmale, die ausgeübten Berufe, die Gründungen und Erwerbsverläufe sowie die Einkommenssituation und Altersvorsorge von Selbstständigen untersucht. Die Datenbasis bildeten die Haushaltsumfragen des Mikrozensus und des sozio-ökonomischen Panels. Herausgeber ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Die Studie kann als PDF heruntergeladen werden. WEITERE INFORMATIONEN BMWi-Unternehmensportal »» Solo-Selbständige in Deutschland - Strukturen und Erwerbsverläufe DIHK-Gründerreport 2016 Die Industrie- und Handelskammern sehen immer weniger Nachwuchs für den Mittelstand. Das Interesse daran, sich selbständig zu machen, ist hierzulande auf einen neuen Tiefpunkt gesunken. Die aktuelle Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), die auf den Erfahrungen der Existenzgründungsberater aus den 79 Industrie- und Handelskammern beruht, weist für das Jahr 2015 nur noch 205.630 Einstiegsgespräche und Gründungsberatungen aus. Das bedeutet ein Minus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr und den vierten Negativrekord in Folge. Seite 23 BMWi-Expertenforum Als Existenzgründerin oder Existenzgründer haben Sie täglich mit neuen Fragen zu tun. Hilfestellung und Orientierung bietet Ihnen hier das BMWiExpertenforum. Die Expertinnen und Experten beantworten Ihre Frage und helfen Ihnen auf Ihrem Gründungsweg. In unserem eMagazin stellen wir Ihnen jeweils einen der über 40 Experten vor. Chanell Eidmüller Rechtsanwältin Chanell Eidmüller ist Leiterin der Gründungsberatung des Instituts für Freie Berufe und berät Gründer und Gründerinnen in der Vor- und Nachgründungsphase. Das Institut für Freie Berufe befasst sich Bild: Chanell Eidmüller, mit Forschung, Statistik, Lehre und ©Chanell Eidmüller Vermittlung von Informationen über Wesen und Bedeutung der Freien Berufe in Gesellschaft, Wirtschaft und Staat. Darüber hinaus bietet es Gründungsberatung und Betreuung von Coachingmaßnahmen für Freie Berufe an. Aufgrund seiner Spezialisierung ist das Institut für Freie Berufe heute die führende Beratungseinrichtung für Freie Berufe in Deutschland. Wir bitten Sie um Verständnis, dass nur Anfragen aus Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz beantwortet werden können. Im BMWi-Expertenforum beantwortet sie Fragen zu folgenden Themen: »» Definition der Freien Berufe »» Gründung in Freien Berufen »» Nachgründungsphase Wir stellen Ihnen hier einige Fragen vor, die von Chanell Eidmüller beantwortet wurden. In der Rubrik „Gründungsplanung“ können Sie ihr Ihre Frage stellen. »» Zum Expertenforum Ich möchte eine mobile Praxis für Psychomotorik und Entwicklungsbegleitung für Kinder und Familien eröffnen. Ich berate Familien und arbeite mit den Kindern und den Familienmitgliedern in den privaten Räumen der Klienten. Mein psychomotorisches Angebot werde ich in den Räumen von z.B. Kitas, Familienzentren usw. anbieten. Muss ich ein Gewerbe anmelden oder gehört meine Tätigkeit zu den freien Berufen? Ich habe keinen staatlich anerkannten Abschluss im pädagogischen Bereich - ich habe in allen beschriebenen Arbeitsfeldern Trainerund/oder Weiterbildungen absolviert. Was muss ich evtl. noch beachten? Die Tätigkeit in den Bereichen „Psychomotorik und Entwicklungsbegleitung“ kann einkommensteuerrechtlich als freiberuflich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG einzustufen sein, wenn Sie einen Hochschulabschluss der Psychologie/Pädagogik und/ oder die Zulassung als Heilpraktiker/in vorweisen können. Diplom-Psychologen, Heilpraktiker zählen als sog. Katalogberuf unzweifelhaft zu den Freien Berufen. Da Sie leider über keinen der vorbezeichneten Abschlüsse verfügen, ist es äußerst schwierig, Sie unter diesem Aspekt als freiberuflich einzustufen. Ob möglicherweise Ihre Weiterbildungen ausreichend sind, um über den sog. „Ähnlichkeitsberuf“ den Katalogberufen gleichgestellt werden zu können, kann hier ohne nähere Angaben nicht abschließend beurteilt werden. Anzumerken ist, dass die Finanzämter hieran sehr hohe Anforderungen stellen und verlangen, dass der ähnliche Beruf dem Katalogberuf in allen wesentlichen Punkten entspricht, d.h. sowohl Ausbildung als auch die berufliche Tätigkeit müssen nahezu vergleichbar sein. Ein weiterer Ansatzpunkt könnte die „unterrichtende Tätigkeit“ sein. Auch der Unterricht kann einkommensteuerrechtlich als freiberuflich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG einzustufen sein. „Unterricht im Sinne des Einkommensteuergesetzes ist die Vermittlung von Wissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Handlungsweisen und Einstellungen in organisierter und institutionalisierter Form“ (vgl. BFH-Urteile vom 13.01.1994 IV R 79/92, BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und vom 18.04.1996 IV R 35/95, BFHE 180, 568, BStBl. 1996, 573). Die organisierte und institutionalisierte Form des Unterrichts erfordert u.a. ein auf ein bestimmtes Fachgebiet bezogenes schulmäßiges Programm zur Vermittlung von Kenntnissen. Der Unterricht kann hierbei auch individuell in Form von Einzelunterricht Seite 24 erteilt werden (vgl. Urteile in BFHE 173, 331, BStBl II 1994, 362, und in BFHE 180, 568, BStBl II 1996, 573). Kein Unterricht, aber eine beratende Tätigkeit liegt vor, wenn die Erarbeitung oder Entwicklung eines auf die speziellen Bedürfnisse einer Person abgestellten, nicht auf einen Fachbereich beschränkten Programmes im Vordergrund steht. In diesem Fall muss ein Gewerbe angemeldet werden. Es ist daher stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen und das Ergebnis vom Gesamtbild der Verhältnisse abhängig. Prüfen Sie daher, inwiefern Sie die Anforderungen an eine „unterrichtende Tätigkeit“ erfüllen. Beachten Sie bitte noch die abschließenden Hinweise: Lehrende, die regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, sind gesetzlich rentenversicherungspflichtig. Da Sie in den privaten Räumen der Klienten arbeiten, sollten Sie unbedingt über den Abschluss entsprechender Versicherungen nachdenken. Ihre privaten Versicherungen beziehen sich ausschließlich auf Ihren Privatbereich und decken nicht auch Ihre unternehmerische Tätigkeit ab, es sei denn, dies wurde vertraglich ausdrücklich vereinbart. Zum Thema Freiberuflichkeit und Versicherungen empfehle ich Ihnen zudem die Lektüre der GründerZeiten Nr. 05: Versicherungen (PDF, 1.016 KB) und GründerZeiten Nr. 17: Existenzgründungen durch freie Berufe (PDF, 1 MB). Mai 2016 Ich habe einen Abschluss als staatlich geprüfter Techniker sowie weitere umfangreiche Weiterbildungen im Qualitätsbereich. Ich habe weiterhin langjährige Erfahrung in diesem Bereich und möchte mein Wissen, meine Erfahrungen und Kenntnisse in Form einer Unternehmensberatung anbieten. Dies möchte ich gerne als freiberufliche Tätigkeit (vorerst in Teilzeit) tun. Welche speziellen Voraussetzungen sind hierfür in der Planung zu berücksichtigen bzw. sind diese mit Ausbildung und Erfahrung gegeben, um durch das Finanzamt als freiberuflich eingestuft zu werden? a) Beratender Betriebswirt/Ingenieur Der „beratende Betriebswirt“ gehört als sog. Katalogberuf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu den Freien Berufen, wenn der Ausübende über einen Hochschulabschluss im Bereich der Betriebswirtschaftslehre verfügt und/oder ein ähnliches Studium erfolgreich absolviert hat, in welchem die Betriebswirtschaftslehre ebenso gelehrt wurde. Weiter verlangt die Rechtsprechung, dass sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (vgl. BFH-Urteil vom 18. August 1988 V R 73/83). Da Sie leider keine entsprechende Qualifikation vorweisen können, wäre eine Freiberuflichkeit unter Bezugnahme des beratenden Betriebswirts zu verneinen. Auch der Ingenieur ist ein klassischer Katalogberuf i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der in Ihrem Fall jedoch mangels entsprechender Qualifikation als Anknüpfungspunkt für die Freiberuflichkeit ausscheidet. b) Ingenieurähnliche Tätigkeit Neben den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten sog. Katalogberufen gehören auch die den Katalogberufen ähnlichen Berufe zu der freiberuflichen Tätigkeit. Ansatzpunkt könnte der dem Katalogberuf des Ingenieurs ähnliche Beruf sein. Ein Beruf ist einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in seinen wesentlichen Punkten mit diesem verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der beruflichen Tätigkeit (vgl. FG München: Urteil v. 21.11.2006 - 13 K 670/99). Verfügt der Ausübende über keinen Abschluss einer Hochschule oder Fachhochschule, ist es erforderlich, dass er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweist. Der Nachweis kann hierbei mit Hilfe von Teilnahmebescheinigungen an Fortbildungsveranstaltungen und praktischen Arbeiten erfolgen. Es erfolgt stets eine Einzelfallprüfung, an die die Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen stellt. Bezogen auf die staatlich geprüften Techniker gibt es bisweilen keine einheitliche Rechtsprechung. Die Tendenz geht nicht selten zum Gewerbe. Prüfen Sie bitte eingehend, inwiefern Sie die Anforderungen an die Ingenieurähnlichkeit erfüllen. Die endgültige Entscheidung trifft allein das zuständige Finanz- bzw. Gewerbeamt. Leider kann hier nur eine erste Einschätzung gegeben werden. April 2016 Für Ihr Vorhaben als Unternehmensberater könnte sich die Freiberuflichkeit aus den nachfolgenden Gesichtspunkten ergeben: Seite 25 Wir sind mehrere Studenten, die eine Zeitschrift für deutsche und norwegische junge Literatur gründen wollen. Inwiefern müssen wir ein Gewerbe anmelden? Müssen wir unsere Zeitschrift überhaupt „verrechtlichen“ und wenn ja - welche Rechtsform eignet sich dafür? Der Nachteil einer GbR liegt jedoch im Besonderen in der unbeschränkten Haftung, auch mit dem Privatvermögen. Daher ist meines Erachtens in diesem Fall der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung dringend zu empfehlen. Nähere Informationen zur GbR und zu den weiteren möglichen Rechtsformen finden Sie in den GründerZeiten Nr. 11: Rechtsformen (PDF, 795 KB). Leider gibt es für die private Arbeitsvermittlung keine InfoGrundsätzlich muss jede selbstständige Tätigkeit - auch eine solche, die während des Studiums ausgeübt wird - angemeldet werden. Während eine gewerbliche Tätigkeit beim zuständigen Gewerbeamt (gemeindeabhängig auch Ordnungsamt, Rathaus o.ä. genannt) angemeldet wird, erfolgt die Anmeldung einer freiberuflichen Tätigkeit beim zuständigen Finanzamt mittels sog. Fragebogen zur steuerlichen Erfassung. Im ersten Schritt muss daher geklärt werden, ob Ihr Vorhaben „Gründung einer Zeitschrift“ als Gewerbe oder Freier Beruf einzustufen ist. Hierbei ist anzumerken, dass die abschließende Entscheidung allein beim zuständigen Finanz-/Gewerbeamt liegt, sodass hier „nur“ eine Einschätzung abgegeben werden kann. Zum Thema Freiberuflichkeit und Versicherungen empfehle ich Ihnen zudem die Lektüre der GründerZeiten Nr. 05: Versicherungen (PDF, 1.016 KB) und GründerZeiten Nr. 17: Existenzgründungen durch freie Berufe (PDF, 1 MB). Mai 2016 Quelle: Chanell Eidmüller Rechtsanwältin Leiterin der Gründungsberatung Institut für Freie Berufe an der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg e.V. (IFB). Die Gründung einer Zeitschrift kann schriftstellerisch und somit einkommensteuerrechtlich als freiberuflich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG einzustufen sein. Schriftstellerisch tätig ist derjenige, der eigene Gedanken mit den Mitteln der Sprache schriftlich für die Öffentlichkeit niederlegt (vgl. BFH IV R 142/72 vom 20.10.1975). Etwas anderes gilt jedoch bei Schriftstellern im Selbstverlag (vgl. BFH IV R 15/73 vom 30.11.1978). Der BFH hat entschieden, dass die Verwertung eigener schriftstellerischer Erzeugnisse nicht mehr als freiberuflich anzusehen sind, wenn sich die nach dem Gesamtbild der zu diesem Zweck geschaffenen organisatorischen Einrichtung als neue Erwerbsgrundlage darstellt. Dies wird etwa regelmäßig beim Massenvertrieb über das Internet angenommen. Maßgeblich für die Einstufung (Freier Beruf - Gewerbe) sind also stets die Umstände des Einzelfalls, im Besonderen: Art der Vermarkung, des Vertriebs, Einnahmen aus dem Verkauf u.v.m. Prüfen Sie daher inwiefern die obigen Voraussetzungen auf Sie zutreffen. Unabhängig von der Frage Ihres Status ist das Thema „Rechtsformwahl“ zu bewerten. Sind Sie zwei oder mehr Inhaber, so bietet sich die Gründung einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) an. Es würde sich sodann um eine freiberufliche bzw. gewerbliche GbR handeln. Der Vorteil einer GbR liegt in der vereinfachten Gründung (keine Registereintragung; kein Stammkapital; kein Schriftformerfordernis u.a.). Seite 26 Impressum & Feedback Ihre Meinung? Redaktion Mit diesem Magazin möchten wir Ihnen alle zwei Monate interessante und ansprechende Inhalte rund um das Thema Existenzgründung liefern. Über Ihr Feedback würden wir uns sehr freuen. Bitte senden Sie Ihre Anregungen an: [email protected] PID Arbeiten für Wissenschaft und Öffentlichkeit GbR Savignyplatz 6 10623 Berlin Telefax: +49 (0)30-326014-21 E-Mail: [email protected] Internet: www.pid-net.de Newsletter abonnieren? Sobald eine neue Ausgabe des eMagazins erscheint, erhalten Sie über unseren Newsletter einen Überblick über die Themen der jeweiligen Ausgabe. Links führen Sie direkt auf die einzelnen Artikel. »» Zum Newsletter-Abo Herausgeber Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Referat Öffentlichkeitsarbeit V.i.S.d.P. 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