23. Juni 2016 Wege nach vorn aus der Milchkrise Silberstreif am Horizont? Die Landwirtschaftskammer besuchte heute die Kreise Steinburg und Pinneberg, damit hält sie an der bewährten Tradition der Kreisbereisung fest, die im Vorjahr nach 15 Jahren wieder aufgenommen worden war. Kammerpräsident Claus Heller betonte auf dem landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb von Dierk Engelbrecht, dass man gerade jetzt in der Krise an der Seite der Betriebe stehe. „Wir haben ein Ohr an der Praxis und wollen die entsprechenden Sorgen und Anliegen in unsere aktive Beratungsarbeit zur Stärkung der Betriebe direkt einsetzen“, betonte Claus Heller. Auf dem Betrieb von Dierk Engelbrecht ging es speziell um die Problematik der niedrigen Milchpreise und gleichzeitig um den Blick nach vorne. Noch wisse man nicht, wann die Krise überwunden sei, allerdings gebe es erste Marktanzeichen, dass sich die Preise zum Ende des Jahres beleben könnten. Die Landwirtschaftskammer sieht es als ihre Aufgabe an, den Strukturwandel zu begleiten, für die einen Betriebe bedeute dies zukunftweisende Entwicklungskonzepte und für die anderen der geregelte Ausstieg. Der Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer Peter Levsen Johannsen, berichtete, wie sich die Beratung diesbezüglich aufstellt. Dabei stehe neben der ökonomischen Beratung zunehmend der Mensch im Fokus. „Die Landwirtschaftskammer leistet durch ihre Unternehmensberatung und ihre Sozioökonomische Beratung einen wichtigen Beitrag zum Krisenmanagement der Betriebe. Alle Beratungsorganisationen in der Landwirtschaft sind jetzt gefordert, die Menschen auf den Betrieben in der schwierigen Situation nicht allein zu lassen. Oberstes Ziel muss es sein, die Menschen zu unterstützen auch bei den derzeit schwierigen Bedingungen für sich und ihre Familien, Entscheidungen zu treffen. Das sind oftmals Entscheidungen mit großer Tragweite.“ Grundsätzlich gilt: Je früher eine Beratung hinzugezogen wird, umso mehr Gestaltungsspielräume bestehen, Einkommen und Vermögen zu sichern. -2Hierbei kommt es besonders auf die Angebots- und Nachfragesituation am Milchmarkt, heute, aber auch besonders morgen, an. Erste positive Marktsignale zeichneten sich ab: Milchmarkt Preise etwas fester? Derzeit ist eine erste Stabilisierung der Preise bei einigen Molkereien feststellbar, beispielsweise hat Barmstedt den Milchpreis nicht weiter gesenkt. Terminmarktnotierungen von November und auch im neuen Jahr lassen derzeit auf steigende Preise hoffen. Der Beschluss, an der Andienungspflicht festzuhalten, garantiert den Milchviehbetrieben weiter den Absatz, und lässt aber Möglichkeiten für Mengenregulierungen, wie sie derzeit sogar vom Kartellamt gebilligt werden, zu. Die Spotmilchmärkte (Freie verfügbare Mengen auf Molkereiebne) in den Niederlanden und Italien zeigen eine aufwärtsgerichtete Entwicklung. Allerdings dämpfen die Ergebnisse der jüngsten Auktionen der Handelsplattform der weltgrößten Meierei Fronterra in Neuseeland mit unveränderten Preisen die Hoffnung auf kurzfristig höhere Notierungen am Weltmarkt. Milchangebotsmenge sinkt in Deutschland und EU Saisonbedingt ist die Milchanlieferung im Frühling am größten (Kalbung im Frühjahr). Mittlerweile dürfte die Milchanlieferung ihren saisonalen Höhepunkt allerdings überschritten haben. Auch EU-weit sind nach Angaben der AMI in vielen Ländern die Milchmengen saisonal rückläufig, und zwar stärker als im Vorjahr. Kosteneinsparungen auf den Betrieben Aufgrund von Liquiditätsengpässen zeichnet sich ein sparsamer Einsatz von Betriebsmitteln, z. B. Kraftfutter, ab. Auch werden die Tierbestände stärker selektiert. Das führt in der Tendenz zu einem sinkenden Milchangebot. Konsummilch sehr günstig Die Verbraucherpreise für Milch sind nach wie vor sehr niedrig und dürften sich wegen der längerfristigen Verkaufsverträge mit dem LEH auch nicht in Kürze ändern. Allerdings entsprechen sie nur einem Anteil von 15 % an der gesamten Milchverwendung. Steigende Preise für Käse erwartet Die meiste Milch wird in Deutschland zu Käse verarbeitet (45 %). Durch die aufgrund der niedrigen Käsepreise verringerte Produktion in den vergangenen Wochen und Monaten steht derzeit nicht immer ausreichend Käse für die jetzt steigende Nachfrage zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund könnten sich die Preise weiter festigen. Auch für die kommenden Monate wird von einer festen Preisentwicklung bei Käse ausgegangen. Butter bald leicht teurer? Rund 15 % der Milch wird in Deutschland zu Butter. Die Verbraucherpreise für Butter sind zuletzt zurückgegangen. Allerdings sind die Vertragsabschlüsse mit dem LEH hier nicht so langfristig wie bei der Milch: Für Blockbutter fordern die Meiereien inzwischen wieder höhere Kurse. Auch die Preise für Industrierahm haben sich erhöht und verteuern somit die Butterproduktion. Die Käufer sind zwar nicht immer bereit, zu höheren Kursen einzukaufen, insbesondere nicht mit längeren Laufzeiten. Die Verkäufer könnten sich jetzt aber immer mehr durchsetzen und die Kurse anziehen. -3 Magermilchpulver Export unter Vorjahr, aber Preise ziehen an Im Vergleich zum Vorjahr zeigen die Exporte von Magermilchpulver eine rückläufige Menge an. Das hängt nicht zuletzt mit den fehlenden Absatzmärkten in den nordafrikanischen Staaten zusammen, denen es an Liquidität infolge der schwächeren Rohölpreise fehlt. Stattdessen ist ein Teil Magermilchpulver in andere Länder verkauft worden und in die Intervention gegangen. Es sind leicht steigende Preise zu vermerken. Export: Mehr deutsche Sahne nach China? Interessant ist bei Milch- und Sahneerzeugnissen der hohe Anteil bei den Importen nach China: So wurden 44 % der Milch- und Sahneimporte durch Deutschland bedient. Dieser Anteil konnte weiter ausgebaut werden. 2016 wird ein weiterer Anstieg erwartet. Neuseeland und Australien haben dagegen Marktanteile in China verloren. Fazit: Seit mehr als einem Jahr produzieren die Milchviehbetriebe in SchleswigHolstein nicht mehr kostendeckend, und das hat bei einigen Betrieben bereits zu Liquiditätsengpässen geführt sowie teils auch zur Betriebsaufgabe. Insgesamt ist der Strukturwandel stark spürbar. Bisher ist das Ende der Fahnenstange der Krise noch nicht erreicht. Auch im Schweinebereich haben die Betriebe unter niedrigen Erzeugerpreisen zu leiden. Die derzeit niedrigen Getreidepreise bedeuten auf der einen Seite zwar niedrigere Futterkosten, aber auch geringere Erlöse für die Ackerbauern. Die Landwirtschaft ist am Weltmarkt angekommen. Die Preisschwankungen an den Märkten haben zugenommen. Liquiditätsplanung und Risikomanagement werden immer wichtiger und sind Teil der strategischen Unternehmensberatung der Landwirtschaftskammer. Wann sich die positiven Marktsignale tatsächlich in höheren Preisen für die Milchviehhalter durchsetzen werden, ist offen, aber insgesamt überwiegen beim Angebot und bei der Nachfrage bei Milch- und Milchprodukten am Markt die Anzeichen, die auf leicht steigende Preise für die Erzeuger hoffen lassen. Typische Milchviehregion Die Kreise Pinneberg und Steinburg sind durch die Milchviehhaltung deutlich geprägte Regionen. In Steinburg sind rund 70 % der landwirtschaftlichen Betriebe Milchviehbetriebe und in Pinneberg sind es gut 50 %. Auch andere Wirtschaftsbereiche wie Futtermittelhandel, Lohnunternehmer, Bauunternehmen und Landmaschinenhandel sind von der Situation betroffen, da die Nachfrage und die Investitionsbereitschaft seitens der Landwirtschaft rückläufig ist. Die Krise wird sich die Zahl der Milchviehbetriebe von rund 4.000 in SchleswigHolstein weiter reduzieren. Neue Akzente in der Beratung Gegenwärtig konzentriert sich die Beratung der Landwirtschaftskammer verstärkt auf Rentabilitätsanalysen, Liquiditätspläne, die auch zunehmend von Banken gefordert werden. Controlling sowie Konsolidierungen stehen im Fokus. Darüber hinaus wird von den Betrieben verstärkt nach Alternativen in der Milchviehhaltung, zum Beispiel Mast oder Jungrinderaufzucht, gesucht oder sogar neue Erwerbseinkommen auch außerhalb des landwirtschaftlichen Bereichs und Unternehmens ins Auge gefasst. -4Die Landwirtschaftskammer hat ihr Beratungsangebot im Hinblick auf volatile Märkte erweitert. Ein Zukunftsbereich in diesem Zusammenhang ist die Prozessberatung. Sie zielt direkt auf das Betriebsmanagement mit all seinen wachsenden Anforderungen ab. Hier steht der Mensch im Vordergrund. Themen wie Mitarbeiterführung, Teamentwicklung, optimale Arbeitsabläufe gehören dazu und auch die Gestaltung von Veränderungsprozessen in Unternehmen, Konfliktbewältigung und Risikomanagement. Die Beratung zu diesen Themen schließt automatisch die Unternehmenskultur und die Gewohnheitsmuster der Menschen mit ein. Ist ein Betrieb tatsächlich in finanzielle Not geraten, gibt es die Sozioökonomische Beratung der Landwirtschaftskammer. Sie bietet Familien und Unternehmern, die sich in schwierigen betrieblichen oder finanziellen Situationen befinden, ihre Hilfe an. Dazu zählt u. a.: die Überprüfung des Betriebes auf finanzielle Reserven und Anpassungsmöglichkeiten Die Landwirtschaftkammer begleitet bei der Entscheidungsfindung im Hinblick auf das Ausarbeiten eines Konzeptes zur Einkommens- und Vermögenssicherung mit konkreten Empfehlungen zur zukünftigen Entwicklung. eine Intensivberatung während der Konsolidierungsphase Hilfestellungen bei der Aufgabe oder Umstellung des Betriebes, Umfinanzierung Alternative Arbeitsstelle – Hilfe bei der Suche Zahlen und Fakten Die Anzahl der Milchviehbetriebe ist unter 4.000 gesunken, 1984: 16.000 Betriebe. Gegenüber den Vorjahren hat sich die Zahl der Betriebsaufgaben verdoppelt. Der Strukturwandel liegt im Milchviehbereich derzeit bei rund 7 %. 400.000 Kühe Durchschnittlicher Kuhbestand: 108 Kühe Pro Kopfverbrauch in Deutschland: 24 kg Käse, 6 kg Butter, 17 kg Joghurt, 55 l Milch Weitere Anfragen an: Daniela Rixen, Pressesprecherin der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Tel.: 0 43 31-94 53-110, E-Mail: [email protected]
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