Träume für die Vitrine: Italienmode

Träume für die
Vitrine: Italienmode
"Komm ein bisschen mit nach Italien,
komm ein bisschen mit ans blaue
Meer" sang Catarina Valente 1955, aber
dieser Aufforderung hätte es gar nicht
mehr
bedurft.
Fast
2,7
Millionen
Reisehungrige aus Westdeutschland
ließen sich im folgenden Jahr von der
Sehnsucht nach dem ewig sonnigen
Süden über die Alpen tragen.
Ob mit dem eigenen Wagen, mit Motorroller
und Zelt im Gepäck oder als Pauschalreise
mit Bus oder Bahn, Italien avancierte im Laufe
der 50er Jahre zum beliebtesten Reiseziel.
Nicht allzu weit entfernt bot es dennoch den
Schimmer des Unentdeckten und Exotischen. Die Anziehung des klassischen
Reiselandes Italien wurde in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg auch durch die
gemeinsame Geschichte verstärkt. Die Bevölkerung, die selbst auf einige Jahre
faschistischer Vergangenheit zurückblicken konnte, brachte den Deutschen nämlich
weit geringere Ressentiments als das übrige Europa entgegen. Unüberhörbar
spiegelt sich der Traum von der Reise ins sonnige Italien in den Schlagern dieser
Zeit. Schon gegen Ende des zweiten Weltkrieges erschien das weltbekannte Lied
von den Caprifischern ("Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt..."), das sich
über Jahre in der Zuhörergunst behauptete. Die Insel Capri, deren landschaftlicher
Reiz schon Goethe und Rilke zu Gedichten inspiriert hatte, wurde zum Mittelpunkt
zahlreicher Schlagertexte und damit sozusagen zum Symbol für 'Bella Italia'.
Und wer keine Schlager hören mochte, der konnte es auch nachlesen: Axel Munthes
1926 erschienenes "Buch von San Michele" avancierte nach 1945 zum Bestseller und
durfte in keinem Bücherschrank fehlen.
Italien als Land der Träume, das war also in den 50er Jahren nichts völlig Neues.
Während aber zu der Zeit, als man das Lied von den Caprifischern in Schützengräben
und Ruinen summte ("Bella Bella Marie, bleib mit treu, ich komm zurück morgen früh...")
die von Magda Hain (später auch Rudi Schuricke) beschmachteten Gefilde noch
unerreichbar waren, rückten sie nur wenige Jahre später in greifbare Nähe. Steigender
Wohlstand machte es nämlich immer mehr Menschen möglich, ihren Urlaub im nahen
Ausland zu verbringen, und wer es sich irgend erlauben konnte, trachtete danach,
mindestens zwei Wochen im Jahr in Italien zu verbringen.
Der Urlaub sollte jedoch, anders als früher, keine streng nach dem Baedeker absolvierte
Bildungsreise sein. Sonne, Strand und Meer lockten weit mehr als die Besichtigung
historischer Bauten und Kunstwerke in Rom, Florenz oder Mailand. Die meisten
Urlauber wollten am liebsten ausgiebig am Meeresstrand liegen, die südliche Sonne
genießen und entsprechend gebräunt nach Deutschland zurückkehren. Dabei gehörte
es natürlich unbedingt dazu, die südländische Lebensart, insbesondere das 'dolce far
niente' kennen zu lernen. Ratschläge dazu fanden sich reichlich in Illustrierten und
Reiseführern. Reisefreudige Leser wurden darin ermuntert, die modernen Heerstraßen
der großen Völkerwanderung zu verlassen und sich mutig ins Landesinnere
vorzuwagen. So lesen wir 1957 in der Juniausgabe der Frauenzeitschrift 'Für Sie':
"Gewiss ist vieles sehenswert: die Tauben von San Marco, der schiefe Turm von Pisa
und die Uffizien von Florenz - aber wie herrlich ist es, die Berühmtheiten auch einmal
'links liegen zu lassen' um sich auf einsamen Straßen und abgelegenen Pfaden die
Seele des Landes und seine Menschen zu erobern, ja sogar Freundschaften fürs Leben
zu schließen." Mit der 'einheimischen Lebensart' war das allerdings so eine Sache.
Einerseits bewunderte man die lockerere Art der Italiener, die so ganz anders schien als
der verbissene, deutsche Fleiß, andererseits unterstellte man den 'Spaghettifressern'
gern fehlende Arbeitsmoral. Was im Urlaub als einheimische Lebenskunst bewundert
wurde, erregte Misstrauen, als italienische Arbeiter nach Deutschland kamen. Die
deutsche Industrie nämlich, die die Nachfrage nach Arbeitkräften ab 1956 nicht mehr
befriedigen konnte, warb Gastarbeiter an, die ins Wirtschaftswunderland strömten (1959
waren es bereits mehr als 500 000). Viele von ihnen kamen aus dem 'Urlaubsland'