unternehmensführung Diebstahlvorbeugung im Fachhandel (1) • • • Im stationären Handel wird geklaut was das Zeug hält. Die Zahlen die vorliegen, bilden sicher nur die Spitze des Eisbergs ab und die genanten Summen, die dem handel so verloren gehen sind immens. Was kann ich gegen Diebstahl in meinem Betrieb tun? Eine Artikelserie verrät, was mit einfachen Mitteln möglich ist. • • • Erkennung und Verhalten bei Ladendiebstahl Insgesamt wurden im letzten Jahr über 6 Mio. Straftaten in Deutschland begangen, wovon allein über 1,3 Mio. Vorfälle verschiedene Diebstahlsdelikte „ausmachen“. Wir unterscheiden zwischen dem Diebstahl „ohne erschwerende Umstände“ und dem „einfachem Diebstahl“. Der Einzelund Fachhandel hat am häufigsten mit dem „einfachen Ladendiebstahl“ zu tun. Hier wurden insgesamt 391.000 Fälle gemeldet, was ein neues "Hoch" bedeutet und ein Plus zum Vorjahr von 7%. Dies ist sicher nur die Spitze des Eisbergs. R ealistischer weise muss mit einer wesentlich höheren Dunkelziffer gerechnet werden, da sicher die meisten Ladendiebstähle nicht erkannt werden, bzw. statistisch nicht aufgeführt werden. Der Verlust der Warenwerte durch Ladendiebstahl wird seit Jahren auf 4 bis 5 Mrd. Euro geschätzt! Statistiken zeigen weiterhin auf, dass 62 % aller Ladendiebstähle von Männern begangen werden, die restlichen 38 % durch Frauen. Warum hier so ein gravierender Unterschied besteht, ist nicht eindeutig belegbar. Oft wird in vielen Unternehmen erst dann auf das Problem Diebstahl reagiert, wenn die Inventurergebnisse feststehen. Das ist oft zu spät. Letztlich können dadurch sogar Arbeitsplätze oder notwendige Betriebsergebnisse gefährdet sein. Interessant ist auch der Aspekt, dass Diebstähle in über 50 % der angezeigten Fälle von bekannten Kunden, meist sogar von Stammkunden, ausgeführt werden. jemanden auf der Straße fragen, wer klaut in Deutschland am häufigsten, kommen meist Aussagen wie „alle Jugendlichen“, oder auch „die Ausländer klauen viel“. Diese Aussagen sind falsch und nicht vorurteilsfrei. Es gibt sicher Regionen in unserem Land, in der Ausländer oder auch junge Menschen einen größeren Bevölkerungsanteil haben und somit auch statistisch mehr „auffallen“. Im Allgemeinen ist es jedoch so, dass Ladendiebe aus allen sozialen Schichten und Altersgruppen kommen, wie auch die letzten aktuellsten Zahlen aller Tatverdächtigen der Polizei belegen. Die Prozentzahlen beziehen sich auf den Gesamtanteil von Diebstahlsdelikten. Hier einmal die prozentuale Aufteilung aller Diebstähle. Wir sprechen bei Personen immer von Tatverdächtigen. Fakt ist: Die Altersstruktur Auffällig ist der Anstieg der Tatverdächtigen bei Erwachsenen ab 60 Jahren mit einem Anteil von 13,3 %. Auch hier sind die Gründe nicht eindeutig, aber vielleicht ist ein Aspekt die wachsende Altersarmut unter Senioren? Die meisten Menschen haben bestimmte Bilder vor Augen, wenn Sie an einen Ladendieb oder Betrüger denken. Wenn Sie heute 2 Motorist 3/16 Kinder unter 14 Jahre: 14- bis 18-Jährige: 18- bis 21-Jährige: Über 21-Jährige: Anteil von 8,1 % Anteil von 14,4 % Anteil von 6,6 % Anteil von 70,9 % deuten muss, dass sie auch zum ersten Mal gestohlen haben. • Gewohnheitsdiebe: Sie sind häufig Stammkunden im Geschäft. • Profis und Trickdiebe: Diese Gruppe bestreitet ihren Lebensunterhalt durch Diebstähle. Die meisten Ladendiebstähle werden durch die Gelegenheitsdiebe verursacht, die weit über 50 % aller Diebstähle ausmachen. Diese Tätergruppe sind meist auch Stammkunden, also Kunden, die in einem Geschäft mit Namen bekannt sind. Aber warum klauen so viele Menschen überhaupt? Welche Motive sind vorrangig? Zu den Hauptmotiven zählen: • Geiz und Habgier • Geltungssucht – es werden Artikel gestohlen, die im Trend liegen, oder die man sich nicht leisten kann • Bestätigungsdrang (entsteht meist in einer Gruppe von Menschen, häufig ein vorrangiges Motiv bei Jugendlichen) • Spaß und Lust am Klauen (Dieses Motiv ist leider immer häufiger bei prominenten Personen zu beobachten. Zum einen ist das sicher nicht gerade vorbildlich, und zum anderen werden auch noch andere zum Diebstahl verleitet) • Finanzielle Nöte (z. B. durch Drogenkonsum oder besonders teure Hobbys • Soziale Nöte (es fehlt das Geld, bestimmte Artikel und Waren zu kaufen) Übrigens: Die in der Öffentlichkeit so genannte Sucht zum Stehlen (Kleptomanie) spielt bei den Ladendiebstählen immer noch eine untergeordnete Rolle. Diese Krankheit ist häufig auch eine Ausrede von Ladendieben, die sich die gestohlenen Waren hätten auch leisten können. Wann wird gestohlen? Es ist auf jeden Fall klar erkennbar, dass der Trend zum Diebstahl mehr in die späteren Ladenöffnungszeiten geht. Das hat sicher auch damit zu tun, dass Geschäfte heutzutage länger geöffnet haben und häufig ab dem späten Nachmittag weniger Personal auf der Fläche ist. Viele Geschäfte haben in späteren Ladenzeiten auch weniger Verkaufspersonal zur Verfügung. Dies wird erfahrungsgemäß besonders von professionelleren Ladendieben ausgenutzt. Außerdem darf nicht vergessen werden, dass viele Mitarbeiter in den Geschäften zum Feierabend hin unaufmerksamer und unkonzentrierter sind, als in den ersten Stunden zu Beginn ihrer Tätigkeit – was natürlich verständlich ist. Die Monate mit den höchsten Diebstahlquoten sind März, April, November und Dezember. In vielen Geschäften ist es mittlerweile so, dass gerade im Weihnachtsgeschäft ab Mitte November bis Ende Dezember, über 50 % aller angezeigten oder erkannten Ladendiebstähle aufgefallen sind. Deshalb gilt es in diesen Tagen und Wochen das Verkaufspersonal besonders zu sensibilisieren. Übrigens: Die aktive Begrüßung an den Kunden, der Ihr Geschäft betritt, ist auch ein Mittel zur Diebstahlvorbeugung. Sie wissen Fotos: HG Lemke Motive Achten Sie auf beim Betreten des Verkaufsraumes auf Kunden mit großen Taschen. nicht, ob der Kunde ehrlich ist oder nicht. Mit Ihrer Begrüßung signalisieren Sie ihm jedoch sofort: „Ich habe dich bemerkt bzw. wahrgenommen“. Was wird gestohlen? Unter den Top-Ten-Klauartikel finden sich im Fachhandel folgende Artikel: • Gartenwerkzeuge • Zubehör für Garten und Geräte, z. B. Steckartikel für Gartenschläuche • Batterien aller Art, oder auch Zündkerzen für Rasenmäher • Glühlampen – vorrangig hochwertige Energiesparlampen • Sonstiges Zubehör, wie z. B. hochwertiges Motoröl • Messgeräte, z. B. Thermometer für Teich und Garten • Dekoartikel • Pflanzenschutzmittel Ladendieb erkennen Es gibt leider nicht den typischen Ladendieb, der sofort und schnell auf einen Blick beim Betreten eines Geschäfts zu erkennen ist. Ein Ladendieb ist auch nicht aufgrund seiner Kleidung zu erkennen. Es ist jedoch häufig immer noch so, dass Menschen, die gut gekleidet sind, weniger als mögliche Ladendiebe eingestuft werden, als Menschen, die von ihrer Kleidung her eher bedürftig oder arm wirken. Das Äußere verrät wenig über den inneren Charakter eines Menschen. Die Polizei unterscheidet heutzutage drei Typen von Ladendieben: • Gelegenheitstäter: Das sind Ersttäter, die zum ersten Mal auffallen – was nicht be- Juristische Grundlage § 242 Diebstahl StGB (Strafgesetzbuch) (1) Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. StGB § 78/Abs. 3/ Nr. 5 Die Verjährungsfrist bei einem Diebstahl beträgt drei Jahre. Vollendeter Diebstahl Wenn jemand eine Ware unter seiner Kleidung oder mitgeführten Taschen bewusst versteckt, die Ware also für uns nicht mehr sichtbar ist, dann handelt es sich schon um einen vollendeten Diebstahl. Versuchter Diebstahl Wenn jemand eine Ware sichtbar trägt, diese an der Kasse nicht bezahlt und am Ausgang gestellt wird, begibt er sich in die Gefahr einer Strafanzeige wegen versuchten Diebstahls. Die Beweislage ist hier schwieriger als bei einem vollendeten Diebstahl. Denn der ertappte Kunde kann sagen, dass er noch bezahlen wollte, dies aber nur vergessen habe. In diesem Zusammenhang gibt es oft, auch bei einer Strafanzeige, mildernde Umstände. In so einem Fall ist es besser, so lange zu warten, bis der Tatverdächtige die Kassenzone deutlich hinter sich gelassen hat, bevor er (am besten mit einer zweiten Person) angesprochen wird. Regelung im Betrieb Die Ansprache an einen Täter kann auf zwei Arten geschehen. Entweder Sie sehen einen Diebstahl im Verkaufsraum und beobachten den Dieb, bis er die Kasse passiert und sprechen ihn danach an. Oder bei verMotorist 3/16 3 Fotos: HG Lemke unternehmensführung Ein Kunde steckt einen Artikel ein – achten Sie auf jeden Fall auf verdächtiges Verhalten. dächtigem Verhalten wird der mögliche Dieb sofort angesprochen, etwa in der Art: „Ich habe gesehen, dass Sie versehentlich etwas in die Tasche gesteckt haben, soll ich den Artikel schon an die Kasse bringen?“ Vorbeugung ist besser Da die meisten Diebe auch im Gartenfachhandel Gelegenheitstäter sind, gibt es zumindest die Chance, diese aufgrund ihres Verhaltens zu erkennen. Auch Ladendiebe stehen unter Anspannung, was sich im Verhalten zeigt. Auffälliges Verhalten wäre: • Der Kunde läuft scheinbar ziellos herum und wechselt auffällig häufig verschiedene Abteilungen im Geschäft. • Der Kunde verfolgt die Abläufe im Geschäft und stellt den Mitarbeitern Fragen, um sie in Sicherheit zu wiegen. • Der Kunde vermeidet bewusst den Kontakt mit Verkaufsmitarbeitern, auch wenn der Kunde vom Mitarbeiter angesprochen wird. • Der Kunde betritt das Geschäft mit mehreren Taschen. • Zwei Personen trennen sich sofort bei Betreten des Geschäfts. Die Kunden gehen in verschiedene Richtungen. • Eine Kundengruppe schirmt sich gegenseitig ab, häufig zu beobachten bei Jugendlichen, die vor der Ware stehen. • Zwei Kunden verständigen sich durch Flüstern oder durch Handzeichen. Es kann das Signal sein: „Die Luft ist rein.“ • Ladendiebe zu zweit bevorzugen die Ablenkung. Besonders in kleineren Geschäften mit wenig Personal können die Mitarbeiter nicht alles im Blick haben. Oft ist es so, dass sich ein Kunde beraten lässt, während der andere stiehlt. 4 Motorist 3/16 Das Ineinanderstecken ist ein beliebter Trick. Was erlaubt das Gesetz? Vorsicht beim Hinterherlaufen StPO (Strafprozessordnung) – § 127 „Vorläufige Festnahme“: „Wird jemand auf frischer Tat ertappt oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.“ Vorsicht ist geboten! Bringen Sie sich nicht selbst in Gefahr! Ansprache zur Abschreckung! Sehen Sie, dass ein Kunde längere Zeit vor einem Verkaufsregal steht und zumindest „unsicher“ wirkt, sollten Sie ihn freundlich ansprechen: „Guten Tag, wie kann ich Ihnen helfen?“ Oder: „Was kann ich für Sie tun?“ • Setzen Sie offene Fragen ein, die der Kunde nicht mit Ja oder Nein beantworten kann. • Zeigen Sie Ihren Mitarbeiterausweis – falls nicht klar erkennbar ist, dass Sie ein Mitarbeiter des Geschäftes sind. • Treten Sie nicht von der Seite an den möglichen Ladendieb heran, sondern von vorne, möglichst leicht seitlich versetzt. So haben Sie sofort Blickkontakt. • Aufforderungen sollten sachlich sein: „Kommen Sie bitte mit ins Büro.“ (Keine Frage stellen, wie z. B. „Würden Sie bitte mitkommen?“) • Eine Kundenansprache in so einer Situation sollte am besten immer zu zweit erfolgen – das gibt Sicherheit. • Ein Mindestabstand zu der Person sollte eingehalten werden. Die Sicherheitszone sollte außerhalb der Reichweite der eigenen Arme liegen. • Verdächtige Personen nicht anfassen. Das kann den Ladendieb provozieren. Die beste Methode: Die beste Methode zur Abschreckung von Ladendieben ist das regelmäßige „walking around“, d. h. geplante Kontrollgänge durch das Geschäft. Sie unterbrechen nach ca. 30 Minuten ihre eigentliche Tätigkeit (außer Kassenbesetzung), gehen durch das Geschäft und einzelne Gänge ihres Verantwortungsbereiches und zeigen damit Präsenz. Einerseits schrecken Sie damit die Gelegenheitsdiebe ab, andererseits stehen Sie für Beratungsgespräche zur Verfügung. ❚ Fazit Regelmäßiges Training und Schulung der Mitarbeiter ist ein absolutes Muss. Häufig sind Ladendiebe besser informiert, als der Mitarbeiter im Fachmarkt. Der Autor Hans Günter Lemke bietet dazu auch Seminarbausteine und Bücher zum Selbsttraining an. Infos unter: www.lemke-training.de
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