Technische Dokumentation Online-Hilfe 250 Meldungen unter der Lupe Mangelhafte Fehlermeldungen Von Johann Olasz Eine Software hat einen Programmierfehler, eine Installation wurde nicht richtig ausgeführt, eine Hardware ist nicht richtig angeschlossen oder der Anwender macht einfach einen Fehler – prompt erhält er eine Meldung, die ihm den genauen Fehler, dessen Ursache und die passende Abhilfe nennt. So zumindest die Theorie. In der Realität sieht es leider etwas anders aus. Mangelhafte Fehlermeldungen sorgen mehr für Unklarheit und damit bei manchem Anwender für Stress, Hilflosigkeit und Zeitverlust. Johann Olasz M.A. ist seit 1985 Technischer Redakteur. Die umfassende Erfahrung mit Dokumentation aus Bereichen der Technik, IT und betrieblichen Kommunikation bildet die Grundlage für das Dienstleistungsspektrum seines Büros. Im Mittelpunkt steht die lerngerechte Informationsgestaltung von Benutzerdokumenten, Online-Hilfen und Softwareoberflächen. N iemand bestreitet, dass das Erstellen hilfreicher Fehlermeldungen eine recht komplizierte Angelegenheit ist, müssen doch softwaretechnische und sprachlich-didaktische Aspekte unter einen Hut gebracht werden. Nicht zu vergessen sind die finanziellen Gesichtspunkte. In den wenigsten Fällen scheint es zu gelingen, anwenderfreundliche Fehlermeldungen zu erstellen. Von über 250 Meldungen, die im Vorfeld dieses Beitrags analysiert wurden, weisen 75 Prozent kleine oder große Mängel auf. Bei einem Usability-Test oder einer Konformitätsprüfung nach der EU-Richtlinie zur Bildschirmarbeit 90/270 würden diese Meldungen einfach durchfallen. Damit nicht genug: durch die Lokalisierung verbreitet sich das Problem. Die Aufgaben einer Fehlermeldung sind eindeutig: Sie soll in jedem konkreten Fehlerfall dem Anwender möglichst schadlos aus der Patsche helfen oder ihn zumindest über die Ausweglosigkeit der Situation informieren. Nicht so klar ist, wie diese Ziele zu erreichen sind. Wenn wir uns vorstellen, dass in einem kleinen Meldungsfenster ein oft recht komplexer Sachverhalt unterzubringen ist, benötigen die Hilfe-Autoren 50 und Technischen Redakteure eindeutige und detaillierte Vorgaben, um anwenderfreundliche Meldungen erstellen zu können. Trotz aller Bemühungen, Fehlersituationen durch Programmierung abzufangen, produziert Software Fehler. Um einer schlechten Beurteilung ihrer Anwendung vorzubeugen, sollten Softwarehersteller aus der Not eine Tugend machen und Fehlermeldungen den Bedürfnissen und Wünschen des Anwenders anpassen. Und dieser benötigt letztlich nichts anderes als die richtige Hilfe. Wann ist eine Fehlermeldung hilfreich? Mängelliste ergeben, die deutlich zeigt, wo die Probleme liegen und in welchem Umfang sie auftreten. 1. Ist der Meldungstext verständlich und sinnvoll? Auf Inhalt und Verständlichkeit des Textes, so haben es Forscher des Instituts für Psychologie in Bern herausgefunden, legen die Anwender am meisten wert. Ein unverständlicher oder nichtssagender Text löst bei ihnen Gefühle wie Überforderung oder Unfähigkeit aus. Was die Verständlichkeit beeinträchtigen kann, ist uns allen geläufig. Die Mängel in den analysierten Meldungen erstrecken sich von einfachen Schreibfehlern über Fachjargon (Abb. 1), fehlende Informationen, didaktisch falsche Sequenzierung (Abb. 2) bis hin zu absurden Aussagen (Abb. 3). • Ergebnis der Analyse: 38 Prozent mangelhaft Die Qualitätskriterien finden sich in der Usability-Norm DIN EN ISO 9241, Teil 13. Eine gute Fehlermeldung muss den Anwendern helfen, • trotz des Fehlers das beabsichtigte Arbeitsziel zu erreichen, • Situationen/Tätigkeiten, die zu Fehlern führen, zu erkennen und künftig zu vermeiden, • Grenzen der Software zu erkennen, um künf- Abb. 1: Dieser Fachjargon ist für den Anwender untig innerhalb dieser verständlich. Sollte die Meldung für Programmierer Grenzen zu agieren, gedacht sein, darf sie nicht erscheinen. • die Anwendung auch im Fehlerfall wenn möglich selbst zu steuern. Wie können die Qualitätskriterien erfüllt werden? Bei einer Beurteilung sind die nachfolgend aufgeführten Merkmale zu bewerten. Die Analyse der Fehlermeldungen hat eine Abb. 2: Dieses Beispiel zeigt eine falsche Informationsreihenfolge der Lösungsschritte. Zuerst sind immer Anschluss und Stromversorgung zu prüfen. Erst wenn das in Ordnung ist, soll eine Testseite gedruckt werden. 01/07 technische kommunikation #5393 tk 01_07.indd 50 20.12.2006 14:37:46 Uhr Online-Hilfe bestätigung“, ohne jedoch eine klare Klassifikation aufzustellen oder gar Symbole vorzugeben. Die Notwendigkeit, den Meldungstyp zu erkennen, Abb. 3: Auch Computer scheinen wohl zu „menist umstritten. Psycholoscheln“ und wissen nicht immer, was falsch oder gisch gesehen stimmt die richtig ist. Identifizierung des Meldungstyps den Anwender auf die Situa2. Alle Informationen zur tion ein. Andererseits schließt mancher Problemlösung vorhanden? Anwender beim Erkennen des Symbols Um aus einer Fehlersituation herauszu- (meist ein „i“ oder ein „Warndreieck“) kommen, falls überhaupt Chancen be- das Meldungsfenster, ohne die Melstehen, benötigt der Anwender gezielte dung zu lesen – negative Folgen nicht Informationen. Bei Fehlermeldungen ausgeschlossen. Eine klare Darstellung sind das: Fehlerbeschreibung, Fehler- des Meldungstyps durch Symbole oder Signalwörter ist sinnvoll. Nicht nur aus ursachen, Fehlerbehebung. Aus der einfachen und verständli- psychologischen Gründen, sondern chen Beschreibung des Fehlers und sei- auch wegen der Anwender, die diese ner Ursachen lernt der Anwender, seine Klassifikation gewohnt sind. Allerdings ist kritisch anzumerken, Aktionen an die Möglichkeiten der Anwendung anzupassen. Die Fehlerbehe- dass die Microsoft-Definitionen teilweibung zeigt sinnvolle Wege auf, um die se Spielraum für Interpretationen lassen, gestartete Aktion einigermaßen unbe- so dass eine eindeutige Zuordnung mancher Meldung nicht möglich ist. So verschadet zu beenden. wundert es auch nicht, dass besonders • Ergebnis der Analyse: Fehlermeldungen oft als Warnmeldun35 Prozent mangelhaft. gen daherkommen, was den Anwender letztlich nur verwirrt. Softwarehersteller Abb. 4: Lapidarer sollten daher intern präzisere Klassifikageht es wohl tionsregeln aufstellen, um dem Verwirrkaum. spiel ein Ende zu setzen. Der Anwender benötigt lediglich die drei erwähnten Meldungstypen. Alle feineren Abstufungen, zum Abb. 5: Welche Ursache hat dieser Fehler? Wie kann der AnBeispiel nach Fehwender die Aufgabe erfolgreich ausführen? lerarten, interes- 4. Ist erkennbar, wo die Meldung herkommt? Bei der Anzahl der parallel ablaufenden Programme, viele davon auch noch im Hintergrund, ist es besonders wichtig zu wissen, welche Anwendung den Fehler verursacht hat. Wenn der Anwender Quelle und Ursache kennt, kann er entsprechend reagieren. • Ergebnis der Analyse: 20 Prozent mangelhaft. Abb. 8: Aufgrund des Textes ist erst auf den zweiten Blick erkennbar, dass es sich eigentlich um eine Warnmeldung handelt, die eine Entscheidung vor der Ausführung des Befehls verlangt. Abb. 9: Nur erfahrene Anwender erkennen, dass die Meldung von Windows kommt. 5. Bezieht sich die Meldung auf das konkrete Ereignis? Was nützen allgemein formulierte Fehlermeldung, die beispielsweise Microsoft liefert, aber von einem anderen Hersteller nicht an die konkreten Fehlersituationen seiner Software angepasst werden? Dass es bei unbekannten Fehlern oder bei Fehlern aus dem Betriebssystem nur eine unspezifische Meldung gibt, mag noch verständlich sein. Kein Verständnis gilt aber für die Tatsache, dass der Anwender bei Softwarefehlern nur die Textkonserve von Microsoft angezeigt bekommt. • Ergebnis der Analyse: 13 Prozent mangelhaft. Abb. 6: Wie ist die Überprüfung durchzuführen? Diese Meldung hilft nicht wirklich weiter. 3. Meldungstyp erkennbar, passt er zum Meldungsinhalt? Eine eindeutige Klassifikation von Meldungen gibt nur Microsoft vor: „Information“, „Warning“ und „Critical“. Der Softwarehersteller Apple hingegen unterscheidet lediglich den Typ „Alert“ und verwendet nur gelegentlich das Warndreieck-Symbol. Die Norm 9241 spricht von „Warnmeldung“, „Sicherheitsabfrage“, „Fehlermeldung“, „Ausführungs- sieren nur die Programmierer und dürfen nicht am Bildschirm angezeigt werden. • Ergebnis der Analyse: 28 Prozent mangelhaft Abb. 10: Der Prozess und die Datei sollten explizit benannt werden, denn das Programm „weiß“ genau, welcher Prozess welche Datei bearbeitet. Abb. 7: Diese offensichtliche Fehlermeldung (Signalwort „Fehler“) erscheint mit dem hier völlig falschen Symbol für Warnmeldungen und bewirkt, dass der Anwender verwirrt wird. technische kommunikation 01/07 #5393 tk 01_07.indd 51 51 20.12.2006 14:37:48 Uhr Online-Hilfe 6. Sind die richtigen Schaltflächen vorhanden? Eine anwenderfreundliche Software wird so weit wie möglich die Arbeit erleichtern und Lösungen zeigen, um schnell und einfach den Fehler zu beheben. Wenn schon mögliche Lösungen genannt werden, warum nicht gleich die dafür geeigneten Schaltflächen bereitstellen, die den Anwender genau an die Lösungsstelle bringen? Ein anderer Punkt, der zur Anwenderfreundlichkeit beiträgt, sind Schaltflächen, deren Bezeichnung beziehungsweise Funktion eindeutig ist. Ansonsten kann der Anwender das Risiko der Aktion nicht abschätzen und ist verunsichert. • Ergebnis der Analyse: 10 Prozent mangelhaft • Abb. 12: So haben die Anwender zumindest eine Wahlmöglichkeit … Fazit • • Wenn Sie Fehlermeldungen erstellen müssen, berücksichtigen Sie folgende Kriterien: • Der Meldungstext muss verständlich und sinnvoll sein. • Für die Lösung des Problems müssen alle notwendigen Informationen vorhanden sein. • Der Meldungstyp muss erkennbar sein und zum Meldungsinhalt passen. Abb. 11: Abgesehen von den vielen Mängeln dieser Fehlermeldung ist hier die Schaltfläche „Abbrechen“ falsch. „Abbrechen“ hat die Funktion, die Aktion abzubrechen und den Zustand vor der Meldung wieder herzustellen, was bei diesem Programmabsturz unmöglich ist. Richtig wäre die Schaltfläche „Schließen“, um das Meldungsfenster zu schließen. Das Fehlerprotokoll würde schon interessieren, aber wo finden? Hilfreich wäre hier die Schaltfläche „Protokoll anzeigen“. • Die Fehlerquelle – das Programm, das die Meldung generiert hat – muss erkennbar sein. Die Fehlermeldung muss sich genau auf das konkrete Ereignis beziehen. Zur Lösung des Problems müssen aus dem Meldungsfenster die nötigen Aktionen gestartet werden können. Für jede ausführbare Aktion muss die richtige Schaltfläche vorhanden sein. Alle Elemente einer Fehlermeldung müssen ein in sich stimmiges Ganzes bilden. Autorenanschrift Johann Olasz Technik & Dokumentation [email protected] www.technischedok.de Testen Sie die Qualität von Fehlermeldungen Kleine Checkliste nach DIN EN ISO 9241 Prüffragen Erfüllungsgrad der Anforderung Vollständig Weitgehend Zum Teil Kaum/nicht Sind die Fehlermeldungen hilfreich? Sind die Fehlermeldungen verständlich? Sind Fehlermeldungen einheitlich nach denselben Regeln aufgebaut? Sind die Meldungstexte grammatisch einheitlich formuliert? Sind die Formulierungen in Meldungen den kulturellen Gegebenheiten angepasst? Enthält die Fehlerbeschreibung alle notwendigen Informationen, damit der Anwender den Fehler korrigieren kann? Sind die Informationen zur Fehlerkorrektur so präzise, dass nur eine Korrekturmöglichkeit in Frage kommt? Falls das System die Fehlerursache nicht eindeutig feststellen kann, werden alle in Frage kommenden Fehlerursachen angegeben? Falls keine ausführliche Fehlermeldung möglich ist, kann der Anwender Zusatzinformationen abrufen? Hilft das Programm, eine Fehlersituation so zu beheben, dass das Arbeitsziel trotzdem erreicht wird? Ist der Aufwand für die Fehlerkorrektur im Allgemeinen gering? Ist die Gestaltung der Fehlermeldungen immer gleich? 52 01/07 technische kommunikation #5393 tk 01_07.indd 52 20.12.2006 14:37:50 Uhr
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