Ausgabe 23 17. Juni 2016 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Auto Deutsche Unternehmen kämpfen um die Zukunft des Automobils In den kommenden zehn Jahren wird es in der Automobilbranche zu starken Umbrüchen kommen S pätestens seit Tesla und Dieselgate ist klar, wer in Sachen E-Mobilität und autonomem Fahren nicht bereits in den Entwicklungen steckt, der läuft Gefahr, auf der Strecke zu bleiben. Konkurrenz findet sich dabei eben nicht bei den klassischen Automobilherstellern, sondern auch unter Technologiekonzernen, Start-ups und MittelständErteilte Patente für autonomes Fahren, Anzahl der weltweiten lern. Branchen seit 2010. Hyperloop-Züge, HightechFahrräder und auch Fahrdienste erfahren Aufwind, doch letztlich Autohersteller bemerkt: Wer sich nicht werden sie dem Automarkt in den kom- bewegt, droht überholt zu werden. Der menden Jahren nicht gefährlich werden. Tipping-Point in Sachen E-Mobilität Das Automobil ist und bleibt beliebt. und autonomem Fahren ist erreicht. Vor allem Märkte wie China und Indi- Und die Konkurrenz wird hier nicht kleien versprechen weiterhin ein großes ner, sondern größer. Wachstumspotential. Doch eines haben Autohersteller, die nicht längst diese Rediesbezüglich nun auch die klassischen volution des Automobils in ihr Konzept aufgenommen haben, werden sich in fünf Jahren umschauen. Bereits jetzt spüren beispielsweise deutsche Autohersteller die Auswirkungen von Teslas Erfolg. Neueste Studien zeigen, dass viele Tesla-Käufer in den USA früher BMW, Daimler oder Porsche gekauft hätten. Durch das hohe Interesse chinesischer Bürger an Patente nach E-Mobilität werden aus Grafik: IW Köln China vermehrt Hersteller von E-Autos bzw. Hersteller von E-Autos, die autonom fahren, auch auf europäische Märkte drängen. Übernahmen von Marken wie VW und Jaguar durch Autohersteller aus den Schwellenländern erhöhen die Zugangsmöglichkeiten zum europäischen und US-amerikanischen Automarkt zusätzlich. Analyse Der Industrie fehlt der Nachwuchs Die Suche nach Auszubildenden fällt den Unternehmen immer schwerer. Fast jedes dritte deutsche Unternehmen konnte im vergangenen Jahr nicht alle Ausbildungsplätze besetzen. In den neuen Bundesländern waren es sogar 45 Prozent. Vor allem im Gastgewerbe, in der Industrie und in der Logistik werden Auszubildende gesucht. Zwei Gründe spielen dabei eine große Rolle. Einerseits ist die Zahl der Schulabgänger in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Gleichzeitig ist die Hochschule für viele Schüler und Eltern attraktiver geworden. Schon bei der Entscheidung, ob ein Kind auf ein Gymnasium oder eine andere weiterführende Schule geschickt wird, bestehen die meisten Eltern darauf, ihr Kind auch mit nicht so guten Leistungen unbedingt aufs Gymnasium schicken zu wollen. Dabei steht zukunftsorientiert oft für Schüler nicht einmal im Vordergrund, ob für ihre Karriere tatsächlich die Hochschule die richtige Entscheidung ist. Und so ist die Zahl der Studierenden um 40 Prozent seit 2006 angestiegen. „Die fehlenden Azubis von heute sind die fehlenden Fachkräfte von morgen – und Fachkräftemangel wird in Zukunft immer öfter heißen, dass dual ausgebildete Fachkräfte fehlen“, so DIHKPräsident Eric Schweitzer. Gerade auch in Sachen Unternehmensführung ist es Unternehmern lieber – wenn von keinem Familienmitglied Interesse bekundet wird – einen langjährigen, vielleicht sogar selbst komplett ausgebildeten, Angestellten in die Chefposition zu bringen. Und gerade im Mittelstand werden in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren viele Wechsel an der Unternehmensspitze stattfinden müssen. Die hohe Zahl der jungen Flüchtlinge könnte die Unternehmen zwar potentiell in ihrer Suche nach Auszubildenden helfen, doch mangelnde Sprachkenntnis hat bisher nur in wenigen Fällen zu einem Zusammenfinden geführt. Zuletzt haben sich die Betriebe damit geholfen, auch Auszubildende zu nehmen, die nicht über sehr gute Noten verfügten. Betriebseigenen Nachhilfeangebote sollen diesen helfen, unternehmensnah die eigenen Kenntnisse in Mathe etc. zu verbessern. Derartiges bieten mittlerweile immerhin 40 Prozent der Betriebe an. 1 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |23/16 17. Juni 2016 Dass die Botschaft bei den deutschen Autoherstellern langsam angekommen ist, zeigen die Pläne VWs, eine milliardenschwere Batteriefabrik zu bauen. Bis 2018 wolle man zudem Marktführer für E-Mobilität werden. BMW kündigte Anfang Juni an, die Elektroauto-Tochter BMW i vermehrt auch auf die Entwicklungen für autonomes Fahren anzusetzen. Der in der Entwicklung befindliche BMW iNext soll 2021 auf den Markt kommen und sowohl elektrisch als auch autonom fahren. Im Herbst will Daimler sein neues Elektroauto mit einer Reichweite von 500 Kilometern vorstellen. Eins ist trotz vieler neuer Projekte klar, die deutschen Autohersteller Der DeLorean, bekannt aus dem Film„Zurück in die Zukunft“, gilt vielen Fans noch heute als zukunftsträchtiges Auto. müssen die Preise ihrer E-Autos Foto: Flickr/ Lummi Photography/CC by nd 2.0/ DeLorean deutlich senken. Diese sind teilweise schon heute ein deutlich So wundert es nicht, dass sich unter den Automobilwerkstätten sind die Auswirgrößeres Hindernis als die Reichweite. Denn die Reichweite wird sich in Top 10 der größten Patentanmelder für kungen in Gänze noch nicht absehbar. den kommenden 12 Monaten noch ein- autonomes Fahren sechs deutsche Her- Neben der Etablierung von Carbon in mal deutlich erhöhen lassen. Und dank steller finden: Audi, Bosch, VW, Daimler, der Fahrzeugherstellung stehen die offeausgefeilter Technologie lassen sich be- DMW und Continental. Bosch hat mit nen Werkstätten vor Herausforderungen reits gekaufte Autos auch auf die neuen insgesamt 545 Patentanmeldungen die hinsichtlich der zunehmenden TechNase vorn. Dahinter folgt Audi mit 292 nisierung der Autos und der speziellen Batterien umrüsten. Bei autonomen Autos scheinen die deut- Patenten und Continental mit 277. Von Akkus. Viele Werkstätten werden in zehn schen Autohersteller mittlerweile ganz den Herausforderern Tesla, Apple und Jahren vor dem Aus stehen, weil sich ihre gut in der Entwicklung fortgeschritten Google findet sich lediglich Google un- Geschäftsgrundlage zu stark von den akund können sich eine Pole-Position ter den Top 10. tuellen Entwicklungen entfernt hat. Der sichern. Gerade mit Blick auf die zahl- „Die Entwicklung des autonomen Autos Wissensvorsprung der Vertragswerkstätreichen Premiumfahrzeuge, die auch bringt ein hohes disruptives Potenzi- ten wird enorm sein. aufgrund ihrer gehobenen Ausstattung al für die weltweite Autoindustrie mit Gleichzeitig öffnet das autonome Fahüberzeugen müssen, sind die deutschen sich“, heißt es in der Studie. Neue An- ren anderen Unternehmen die Tür. Wer Hersteller gut beraten, hier Vorreiter zu bieter können demnach auf den Markt nicht selbst fährt, kann sich im Auto werden. Weltweit wurden seit 2010 dem treten, wenn „sie ihren technologischen mit anderen Dingen beschäftigen. Eine Institut der deutschen Wirtschaft Köln Vorsprung mit Kompetenzen im Fahr- Umfrage des Fraunhofer IAO zeigt, dass zufolge 2838 Patente zum autonomen zeugbau kombinieren können, die auch drei Viertel der Befragten Autofahrer Fahren angemeldet. von den traditionellen Herstellern und bereit wären, in autonom fahrenden Mehr als die Hälfte der Patente stammt Zulieferern zugekauft werden können“. Autos Geld für Mehrwertdienste auszutatsächlich von den klassischen Her- Schätzungen zufolge werden vollauto- geben. Je mehr sich das autonome Fahstellern, etwa ein Drittel geht auf die nom fahrende Autos ab 2040 die her- ren durchsetze, desto größer werde die bekannten Zulieferer zurück. Auf Un- kömmlichen Diesel und Benziner ver- Nachfrage der Nutzer nach Services sein, ternehmen wie Apple, Google, und Tesla drängt haben. Aller Voraussicht nach um die frei werdende Zeit im Auto sinnentfallen nur etwa 7 Prozent der Patente. werden demzufolge LKWs zu den ersten voll zu nutzen. Geht man also von hochVor allem Google war bisher fleißig. Aber wie selbstverständlich autonom fahren- und vollautomatisierten Fahrzeugen immerhin 58 Prozent der weltweit ange- den Fahrzeugen auf den öffentlichen auf dem deutschen Automobilmarkt in einer Zeitspanne bis 2035 aus, könnmeldeten Patente zum autonomen Fah- Straßen gehören. ren werden von deutschen Anbietern Die Entwicklungen am Automobilmarkt ten allein durch Mehrwertdienste ein gehalten. Nimmt man die deutschen sind jedoch nicht nur für Zulieferer, monatlicher Umsatz von bis zu 67 MilZulieferer noch hinzu, sind es sogar 82 Technologiekonzerne und Hersteller lionen Euro im Jahr 2020 und etwa 1,35 wichtig. Gerade im Bereich der offenen Milliarden Euro 2035 erzielt werden. Prozent. 2 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |23/16 17. Juni 2016 Automobil E-Autos: Größte Wachstumschance bietet sich in Asien Kaufprämien mag Christian Schlögl von Kreisel Electric nicht: Fahrzeuge lassen sich auch ohne Zuschuss wirtschaftlich betreiben Deutsche Mittelstands Nachrichten: Sie bieten eine Batterie für E-Autos an, die über eine Reichweite von 300 Kilometern verfügt. Wie viele Kilometer Reichweite kann eine Batterie Ihrer Meinung nach noch erreichen, gibt es für E-Autos eine natürliche Grenze? Christian Schlögl: Es gibt prinzipiell keine natürliche Grenze – bis auf das zulässige Gesamtgewicht des Fahrzeuges. Die Batterie sollte so klein wie möglich gehalten werden, um somit das Gewicht und die Kosten des Fahrzeuges gering halten zu können. Allerdings muss die Batterie schnell zu laden sein! In Sachen E-Mobilität wird mit Tesla, Google und auch einigen chinesischen Mitbewerbern der Markt für europäische Autohersteller kleiner. Zu lange haben diese gewartet, um sich wirklich dieser neuen Technologie zu verschreiben. Glauben Sie, die europäischen Hersteller – wie BMW, VW, Daimler und Peugeot – können hier tatsächlich international bestehen? Oder haben sie zu lang gezögert? Wir hoffen natürlich, dass diese bestehen werden, allerdings müssen Sie jetzt ordentlich Gas geben, damit der Zug nicht ohne sie abfährt. Aber wir wissen, dass nun intern einiges in die Gänge kommt bei den europäischen Herstellern. Sehen Sie für den klassischen Verbrennungsmotor in 20 Jahren noch Platz? Nein definitiv nicht, maximal in Hybridanwendungen. Sie arbeiten derzeit auch an einer speziellen Ladestation, die es möglich machen soll, ihre Batterien in nur 18 Minuten zu laden. Haben Sie schon einen Partner dafür gefunden? Bis jetzt haben wir noch keinen Partner gesucht, da wir das Produkt komplett eigenständig entwickeln. Allerdings haben gend kommen und wir hier sehr gute Mitarbeiter finden. Fühlen Sie sich in der Vorreiterrolle in Europa? Definitiv. Zum Ausbau der E-Mobilität gehört auch der Ausbau der Ladestationen. Foto: Flickr/Allen Leonard/CC by nc 2.0/ 20150211 IMG_0033 schon sehr viele interessierte Firmen angefragt. Gibt es für Ihre Produkte internationale Interessenten? Ja natürlich. Wir haben bereits Kunden in ganz Europa, Asien, Nord- und Südamerika und Indien. Für BMW, Porsche etc. haben Sie bereits etablierte Modelle mit E-Technologie ausgebaut. Wie eng ist die Zusammenarbeit mit europäischen Herstellern? Wir arbeiten mit fast allen europäischen Herstellern zusammen, allerdings dürfen wir hierzu keine Details nennen. Findet man Ihre Batterien beispielsweise tatsächlich auch in Serienmodellen zum Kauf? Oder wie sind Ihre Projekte zu verstehen? Ist Österreichs Bevölkerung in Sachen EMobilität weiter als die Deutschen? Bis jetzt noch nicht, allerdings bereiten wir gerade die Serienproduktion für 2017 mit einigen Modellen vor. Schwer zu sagen, da jedes Bundesland unterschiedlich weit fortgeschritten ist. Könnte ein Unternehmen sich die eigene Flotte bei Ihnen umbauen lassen? Wo sind Ihrer Meinung nach derzeit noch die größten Herausforderungen für die EMobilität? Unter Umständen ja. Im Aufbau einer flächendeckenden Schnelllade-Infrastruktur Was halten Sie von der Kaufprämie für EAutos der deutschen Regierung? Gibt es etwas, dass Sie von der EU-Politik fordern würden, um mit der E-Mobilität besser voranzukommen? Einen einheitlichen Standard für Schnellladestationen und ein Innenstadtverbot für Verbrenner. Es ist zumindest mal ein Anreiz für Kunden. Allerdings halten wir nichts von Anreizprogrammen, da sich Fahrzeuge auch ohne Zuschuss wirtschaftlich betreiben lassen. Was halten Sie von einem Fahrverbot von Verbrennungsmotoren in zehn Jahren? Ihre neue Batterie-Fabrik entsteht in Oberösterreich. Warum haben Sie diesen Standort gewählt? Wo sehen Sie für Ihr Modell der E-Mobilität die größten Wachstumschancen (EU, China, USA)? Weil alle unsere Mitarbeiter aus dieser Ge- Derzeit definitiv Asien! Technisch wäre es möglich und natürlich wünschenswert für die Elektromobilität! 3 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |23/16 17. Juni 2016 Innovation Elektrische Züge können Windkraft speichern Ein kalifornisches Start-up hat einen Energiespeicher auf Schienen entwickelt E in kalifornisches Start-up hat einen Energiespeicher für Wind- und Sonnenenergie auf Schienen entwickelt, das nun erstmals die Zustimmung für die Nutzung der Technologie für ein kommerzielles Projekt in Nevada bekommen hat. Dazu fährt ein Zug mit Elektromotor mittels Windkraft ein schweres Gewicht einen Berg hinauf. Wird Strom benötigt, rollt der Zug auf seinen Schienen dank der Schwerkraft abwärts – der Elektromotor läuft quasi rückwärts und erzeugt dabei Strom. Das gleiche elektromechanische Prinzip wird auch in einigen Elektrofahrzeugen zur Wiederverwertung der Bremsenergie genutzt: Wenn ein Induktionsmotor, der einen Zug oder Auto antreibt, umgekehrt wird, erzeugt er Strom. Das System nennt sich ARES – kurz für Advanced Rail Energy Storage – und ähnelt dem eines Pumpspeicherwerks ohne Wasser. Bei den derzeit gängigen Pumpspeichersystemen wird Wasser mittels Windenergie von einem tiefen zu einem höheren Ort gepumpt, etwa in einen Speichersee, und dann bei Bedarf abgelassen, um die gespeicherte Energie mittels Schwerkraft wieder freizusetzen. Der Vorteil der ARES-Technologie ist im Vergleich dazu, dass sie ohne Wasser auskommt und dadurch nicht so massiv in die Landschaft eingreift, wie es etwa der Bau eines Speichersees auf einer Bergkuppe tun würde. Keine Täler würden geflutet, keine Dämme gebaut werden. Zudem sei die Effizienz und der Wirkungsgrad höher, da das benutzte Gewicht zweimal schwerer ist als Wasser und zudem dreimal höher transportiert wird. „Wir brauchen keinen wissenschaftli- Das ARES-Shuttle ist ein Vorläufer des endgültigen Projekts. chen Durchbruch in der Chemie oder in der Physik. Wir nutzen ganz einfach die Schwerkraft, und zwar mit einer hunderte von Jahren alten Schienentechnik“, so der Gründer des Unternehmens aus Santa Barbara, Jim Kelly. Konkret will ARES dazu eine knapp 9 Kilometer lange Schienen-Strecke mit einem Steigungswinkel von acht Grad verlegen, womit gut 600 Höhenmeter zurückgelegt werden. Auf die Gleise kommen dann sieben Züge mit jeweils 8.600 Tonnen Gewicht, bestehend jeweils aus zwei Lokomotiven und vier Eisenbahnwaggons. Das gesamte System, einschließlich der Station und der Steuerungssysteme, würden umgerechnet etwa 174015 Quadratmeter öffentlicher Fläche bei Pahrump im US-Bundesstaat Nevada einnehmen. Foto: Aresnorthamerica Der Baubeginn ist für 2017 geplant, 2019 soll der Betrieb aufgenommen werden. Gemeinsam mit der örtlichen Genossenschaft Valley Electric Association wolle ARES den Strom dann an den kalifornischen Strommarkt CAISO verkaufen, um dort Angebot und Nachfrage im Netz kurzfristig ausgleichen zu helfen. Das Projekt soll zunächst 50 Megawatt Stromkapazität und 12,5 Megawattstunden Energie liefern. Allerdings will der CEO James Kelly auf bis zu 1 Gigawatt Kapazität anwachsen und so effizienter werden. „Mit einem 500-Megawatt-Projekt würde sich die Kapazität verdoppeln und die Kapitalkosten dafür um 20 Prozent sinken“, so Kelly. Mit einem Gigawatt könnte der Zug sogar eine halbe Million Haushalte mit Strom versorgen. Innovation Russland plant Hyperloop-Strecke Die russische Eisenbahn arbeitet mit dem US-Unternehmen Hyperloop One an einer eigenen Hyperloop-Strecke D ie russische Eisenbahn RZD arbeitet an einer eigenen Umsetzung der Hochgeschwindigkeits-Transport-Technologie Hyperloop. Die Technologie soll zunächst auf einer 700 Kilometer langen Strecke zwischen Moskau und Sankt Petersburg genutzt werden. Langfristig soll die Technologie jedoch im ganzen Land zum Einsatz kommen, insbesondere um den abgelegenen Osten und Süden besser zu erschließen. Für ein so großes Land wie Russland 4 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |23/16 mit weit entfernten und bisher schlecht erschlossenen Gebieten ist die Technologie besonders für den Güterverkehr interessant. Die Hyperloop-Technologie könnte Außengrenzen, die von der Hauptstadt aus auf dem Landweg nur mit mehrtägigen Zugreisen erreichbar sind, näher an das Landeszentrum rücken. Dabei geht es vor allem um den schweren Gütertransport, der anders als der Personenverkehr nur mit erheblichem finanziellen Aufwand per Flugzeug funktioniert. Mit dem Hyperloop könnten Rohstoffe und Waren etwa von den Ostseehäfen in Rekordzeit in die Hauptstadt gelangen. Die russischen Wissenschaftler haben nach eigenen Angaben bei Tests bereits beliebige Gewichte mittels der Hyperloop-Technologie der magnetischen Levitation zum Schweben gebracht, berichtet Anatoly Zaitsev, Chef des Zentrums für die Entwicklung des Schienenpersonenverkehrs der russischen Zeitung RBC. Die Plattform und der entsprechende Behälter befänden sich in Sankt Petersburg und seien öffentlich zugänglich. Der russische Verkehrsminister Maxim Sokolov bestätigte dem Bericht zufolge, dass das technologische Prinzip in Russland bereits umgesetzt wurde. Die Technologie werde einerseits von russischen Wissenschaftlern entwickelt, gleichzeitig arbeite man jedoch auch mit dem kalifornischen Unternehmen Hyperloop One zusammen, berichtet das russische Wirtschaftsmedium Vedomosti mit Bezug auf einen russischen Investor von Hyperloop. Dazu habe man bereits vor Monaten eine Arbeitsgruppe gegründet, um ein Konzept für eine Umsetzung der von Elon Musk erdachten Technologie in Russland zu erarbeiten und durchzurechnen. Zaitsev beziffert die Kosten des ersten Projekts auf „nicht mehr als 12 bis 13 Milliarden Dollar“ – gut die Hälfte der von der US-Konkurrenz in Kalifornien veranschlagten 21 Milliarden Dollar Projektkosten. Hyperloop One hatte die AntriebsTechnologie jüngst in der Wüste von Nevada erstmals erfolgreich getestet – allerdings vorerst nur auf einer kurzen Teststrecke auf Schienen. Noch vor Ende des Jahres will das Unternehmen umfassendere Praxistests veranstalten, um die Science-Fiction-Vision Musks zu realisieren. Dann soll es eine Röhre geben und 17. Juni 2016 auch eine Kapsel, die dann möglicherweise bereits jene Geschwindigkeiten erreichen soll, die den Verkehr der Zukunft revolutionieren sollen – bis zu 1220 Stundenkilometer. Zur Erschließung der abgelegenen Gebiete sind in Russland weitere ambitionierte Verkehrsprojekte in Planung, etwa der Bau einer Transport-Route zwischen Sibirien und Alaska. Sowohl eine Zug als auch eine Autostrecke sollen künftig die Meerenge zwischen beiden Ländern überbrücken. Die geschätzten Billionen-Kosten des Projekts würden durch die Entstehung neuer Städte und Industrien entlang der neuen Wege aufgewogen. Die Minen-Industrie bietet einen lukrativen Markt für autonome LKW-Technologie. Foto: Screenshot Wirtschaft Minenbetreiber haben Tiefpunkt noch nicht erreicht Die Rohstoffpreise und die Verlangsamung des globalen Wachstums zwingen die Minenbetreiber zu Kurskorrekturen I n der Bergbaubranche wird es auch in diesem Jahr zu Umbrüchen kommen. Die wirtschaftliche Lage der meisten Minenbetreiber hat sich eher noch verschlechtert als verbessert. Etliche kämpfen ums Überleben und haben bereits mit dem Verkauf ihrer Vermögenswerte begonnen. Das erste Mal wurde unter den Top 40 Minenbetreibern im vergangenen Jahr ein „kollektiver Nettoverlust“ in Höhe von 27 Milliarden US-Dollar erwirtschaftet, zeigt der aktuelle Mine Report von Pricewaterhouse Cooper (PwC). Um 25 Prozent gingen die Rohstoffpreise im Jahresvergleich zurück. Die Marktkapitalisierung der Top 40 lag Ende 2015 bei 494 Milliarden Dollar: ein Minus von 37 Prozent bzw. 53 Milliarden Dollar gegenüber 2014. Damit wurden alle Gewinne aus den Boom-Jahren zunichte gemacht. Glencore, Vale, Free- port und AngloAmerican wurden im vergangen Jahr am stärksten getroffen. Sie mussten insgesamt eine Wertminderung um 36 Milliarden Dollar hinnehmen. Die größten Verluste verbuchten die Preise für Nickel im vergangenen Jahr (-41 Prozent). Die Preise für Eisenerz fielen um 40 Prozent, Gold um 14 Prozent. „Das vergangene Jahr war zweifelsohne eine Herausforderung für den Bergbau“, sagt Jason Burkitt von PwC. „Für einige ist es ein Kampf ums Überleben, der noch Schließungen und Abverkäufe zur Folge haben wird.“ Immer mehr Investoren ziehen sich bereits aus der Branche zurück, was die aktuelle Situation der Minenbetreiber noch verschärft. Die Branche spart und spart. Immerhin ist es den Top 40 insgesamt trotz höherer Produktion und niedrigen Beschaffungspreisen gelungen, die Betriebskosten um 17 Prozent zu reduzieren, so der Mining Report. Allein in der australischen Region Mackay sind in den vergangenen Jahren 4.656 Jobs in der Bergbaubranche verloren gegangen, so die Construction, Forestry, Mining and Energy Union. Vor allem Glencore und BHP haben Stellen gestrichen. Gerade mit Blick auf die Geschehnisse in China ist davon auszugehen, dass die Branche weitere Einsparungen vornehmen muss. Zwar ist China noch immer beispielsweise für etwa 40 Prozent der weltweiten Kupfernachfrage und für 70 Prozent der Eisenerznachfrage verantwortlich. China ist der weltgrößte Importeur von Rohstoffen. Doch Chinas Importe brachen 2015 um 14,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein. Die Exporte gingen um 2,8 Prozent zurück. 5 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |23/16 Marktkapitalisierung der Top 40 vs. bereinigter Preisindex für Rohstoffe. Doch der Übergang von einer Industrienation hin zu mehr Dienstleistung wird die Nachfrage in den kommenden Jahren weiter senken. Dieser Effekt wird jedoch zeitlich verzögert die Branche er- Grafik: PwC reichen. Aktuell sind immerhin 12 chinesische Unternehmen unter den Top 40 der Bergbauunternehmen. Mittlerweile sind 19 der Top 40-Unternehmen aufstrebende Firmen, die den alteingesesse- 17. Juni 2016 nen Riesen Konkurrenz machen. 2016 gingen die Einnahmen der Minenbetreiber von 678 Milliarden Dollar (2014) auf 539 Milliarden Dollar zurück. Mehr als 80 Prozent der Einnahmen generierten die Unternehmen aus dem Abbau von Kupfer, Kohle, Eisenerz und Gold. Während die Produktion von Kraftwerkskohle und Kali zurückging, stieg sie beispielsweise bei Gold um 11 Prozent und bei Eisenerz um 9 Prozent. In dieser Woche hat Glencore angekündigt, bis 2019 seine australische Kohlemine Tahmoor zu schließen. Außerdem sollen weitere Agrar-Anteile zum Abbau von Schulden verkauft werden. BHP wird sich unterdessen aus der Mine IndoMet Coal zurückziehen und damit komplett den indonesischen Markt verlassen. Auch viele neue Minenprojekte sind in den vergangenen zwei Jahren in Bedrängnis gekommen. Eine Analyse von Ernst & Young schätzt, dass von 108 Minenprojekten 62 Prozent das Budget überschritten haben (Ende 2014) und damit unrentabel sind. Finanzen Bundesanleihe im Minus: Investoren verunsichert Die Allianz spricht von einer Blase am Bondmarkt. Investoren fürchten um ihre Rendite E rstmals müssen Investoren Geld dafür bezahlen, dass sie die zehnjährige deutsche Staatsanleihe in ihr Depot legen dürfen. Die Rendite des Papiers, das seit Anfang der 1960er Jahre regelmäßig ausgegeben wird, fiel am Dienstag unter die Null-Prozent-Marke – zeitweise auf minus 0,034 Prozent – weil die Nachfrage stark angestiegen war. Die hohe Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen wird am Markt als Flucht in risikoärmere Formen der Geldanlage gedeutet – dabei nehmen Investoren offenbar gezielt Verluste in Kauf. „Anleger versuchen derzeit jegliches Risiko zu vermeiden“, sagt Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der HSH Nordbank. „Es geht offenbar gerade nur noch um Verlustminimierung, nicht mehr um Gewinnmaximierung.“ Unter der lockeren Geldpolitik der EZB leiden vor allem die Versicherer. Sie haben Schwierigkeiten, wegen der nied- rigen Leitzinsen an den Finanzmärkten, genügend Rendite für ihre Kunden zu erwirtschaften. „Der Rückgang der Rendite zehnjähriger Bundesanleihen unter die Nulllinie markiert ein neues trauriges Kapitel in einem von der Geldpolitik verzerrten europäischen Anleihemarkt“, erklärte der Chefvolkswirt des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Klaus Wiener. Der Versicherungskonzern Allianz geht davon aus, dass sich der deutsche Markt für Staatsanleihen mittlerweile in einer Blasenbildung befindet. Investitionschef Gruber sagte in einem Interview mit Bloomberg: „Langfristig gesehen haben wir ganz klar eine Blase im deutschen Anleihemarkt. Denn wenn man sich die Inflationsraten und Inflationserwartungen anschaut, sollte es eigentlich höhere Renditen geben. Hinzu kommt, dass die EZB mit ihrem Kaufprogramm eine hohe Nachfrage für europäische Staatsanleihen generiert und die Märkte verzerrt.“ Bei Anleihen mit kürzeren Laufzeiten sind negative Zinsen bereits Alltag: Die Investition in eine zweijährige Bundesanleihen ist seit Mitte 2014 ein Verlustgeschäft. Deutschland ist das zweite Land aus der Riege der sieben führenden Industrienationen (G7), dessen zehnjährige Titel unter null Prozent rentieren. Die vergleichbaren japanischen Anleihen befinden sich seit Anfang März in negativem Terrain. Auch die zehnjährigen Anleihen der Schweiz sind negativ. Rund 35 Prozent aller Staats-Schuldentitel der Eurozone seien inzwischen negativ, schätzt Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Aus Aktien zogen sich die Anleger hingegen zurück – der Dax fuhr den fünften Tag in Folge Verluste ein. „Die 6 Deutsche MittelstandsNachrichten powered by Ausgabe |23/16 gegenwärtigen Verkäufe an den Aktienmärkten spiegeln die Verunsicherung hinsichtlich der politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen eines Austritts Großbritanniens aus der EU (Brexit) wieder. Im Falle eines Brexit werden die Kapital- und Aktienmärkte noch einmal fallen, allerdings nicht dramatisch. Der Grund dafür ist, dass die Risiken am Aktienmarkt bereits teilweise eingepreist wurden und in den vergangenen Tagen bereits zu Verlusten geführt haben. Die Welt wird am 24. Juni auch deswegen nicht untergehen, weil ein möglicher Abnabelungsprozess Großbritanniens mindestens zwei Jahre dauern würde. Wirklich dramatisch wären jedoch die langfristigen politischen Folgen, weil die Tür für Austritte weiterer Länder und Regionen weit aufgestoßen worden wäre“, sagte Halver den Deutschen Mittelstands Nachrichten. Der Vermögensverwalter BlackRock erkennt in einem Ausscheiden Großbritanniens ein beträchtliches Risikopotential. „Ein Ausscheiden würde die globalen Märkte wahrscheinlich schocken. Wir glauben, dass risikoreiche Anlageformen inklusive Aktien und Anleihen darunter leiden würden. Sorgen bezüglich der politischen Instabilität und einer Umkehr des Globalisierungs-Trends würde zu höheren Risikoaufschlägen führen. Anlagen in Europas Peripherieländern und Aktien von Finanzinstituten und Rohstoffunternehmen wären wahrscheinlich am meisten betroffen.“ „Wenn die Ängste um den Brexit eskalieren, kann es mit der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe noch wei- Bei Anleihen mit kürzeren Laufzeiten sind negative Zinsen bereits Alltag. 17. Juni 2016 ter nach unten gehen“, sagt Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Sein Kollege Folker Hellmeyer von der Bremer Landesbank rechnet aber nicht damit, dass die Renditen lange im negativen Bereich bleiben. „Im Moment kauft man aus politischen Risiken die Bundesanleihen, dahinter steckt kein rationales Handeln sondern eine hohe Emotionalität.“ Ausgelöst wurde der aktuelle Renditeverfall durch das Wertpapier-Ankaufprogramm der EZB. Diese kauft inzwischen für rund 80 Milliarden Euro monatlich Staatsanleihen. Seit Anfang Juni kauft sie zudem Anleihen von Großkonzernen am Kapitalmarkt auf. Damit treibt sie die Kurse der Bonds und drückt im Gegenzug die Renditen, worunter andere Marktteilnehmer leiden. Foto: Flickr/ Metropolico.org/CC by sa 2.0/Euro Impressum Geschäftsführer: Christoph Hermann, Karmo Kaas-Lutsberg. Herausgeber: Dr. Michael Maier (V.i.S.d. §§ 55 II RStV). Redaktion: Anika Schwalbe, Gloria Veeser, Nicolas Dvorak. Sales Director: Philipp Schmidt. Layout: Nora Lorz. 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