Gesund bleiben ¦ BEINE & FÜSSE Wenn der Sommer PROBLEMZONEN Geschwollene Füße, dicke Beine, Blasen oder Besenreiser: Kaum steigen die Temperaturen, leiden die Gliedmaßen. Was man selbst dagegen unternehmen kann, wann der Arzt ran muss FOTO: ISTOCKPHOTO S obald die Sonne strahlt, wollen Mann und Frau gern Bein zeigen – würde nicht plötzlich der ein oder andere Makel zutage treten. Von Krampfadern bis zu geschwollenen Füßen – bei Millionen Deutschen zeigen sich plötzlich an Beinen und Füßen neue Baustellen, von denen man im Winter kaum etwas ahnte. Da tröstet es kaum, dass nur wenige Menschen jenseits der 30 makellose Modelbeine haben. Selbst Hollywoodgrößen wie Kristin Davis aus »Sex and the City« kämpfen mit Krampfadern und Besenreisern, auch Deutschlands MallorcaExport Daniela Katzenberger, gerade einmal 29 Jahren jung, musste sich kürzlich die Krampfadern entfernen lassen. DEHNUNG Normalerweise übernehmen die Venen im Sommer die Aufgabe 72 Guter Rat | 7.2016 einer Bio-Klimaanlage: An heißen Tagen weiten sich die Gefäße und transportieren vermehrt Blut in die Haut, um dort Wärme abzugeben. So kann der Körper herunterkühlen. Bei Menschen mit schwachen Venen sind die Gefäße schon vorgeweitet, sodass sie sich bei Hitze noch stärker ausdehnen. Das hat Folgen, weiß JanPeter Siegers, Chefarzt des Venenzentrums Elbe-Weser: »Im Sommer kommen besonders viele Leute zu mir und klagen über heiße und geschwollene Gliedmaßen, über ein Spannungsgefühl in Füßen, Knöcheln und Unterschenkeln sowie über Schmerzen in den Beinen.« VENEN IN NOT Normalerweise transportiert das weit verzweigte Netz aus tiefen und oberflächlichen Beinvenen das Blut zurück zum Herzen. Zunächst fließt Beine macht … das sauerstoffreiche Blut über die Arterien ins Gewebe. Mithilfe der Venenklappen und der Beinmuskulatur gelangt dann das sauerstoffarme Blut zum Herzen zurück. Bei rund 20 Millionen Deutschen funktioniert dieses System nur noch bedingt. Die Gefäßwände geben leichter nach, die Venenklappen schließen nicht mehr, Blut versackt in den unteren Körperpartien und staut sich dort. Frauen sind drei- bis viermal häufiger von schwächelnden Venen betroffen, denn ihr Bindegewebe macht schneller schlapp. Die erweiterten Venen werden dann als Besenreiser und Krampfadern sichtbar. Nicht immer harmlos BESENREISER Die gedehnten Mini-Venen schimmern rötlich-lila direkt unter der Haut. Seinen Namen hat das Phänomen vom »Besenreisig«, da die Gefäßknäuel an einen Kehrbesen aus dünnen Zweigen erinnern. Abhilfe bieten Gefäßspezialisten oder Phlebologen: Sie entfernen die unschönen sichtbaren Äderchen per Laser oder Mikroverödung. Die Behandlung garantiert jedoch nicht, dass die Besenreiser dauerhaft verschwinden. Treten sie erneut auf, könnte das ein Indiz sein für eine bereits vorhandene, ernsthafte Schädigung des tiefen Venengeflechts, gibt Siegers zu bedenken. In einer brasilianischen Studie aus dem Jahr 2010 zeigten Besenreiser tatsächlich in jedem zweiten Fall einen tiefer gehenden Venenschaden an. Die Wissenschaftler hatten dafür 300 Beine untersucht. »Mit speziellen Untersuchungen wie dem Farb-Ultraschall erkennen wir, ob ein krankhafter Befund vorliegt«, so der Venenexperte. Für die Kassen sind und bleiben Besenreiser ein rein ästhetischer Makel, die Kosten für die Entfernung trägt der Patient. Je nach Befund sind drei bis fünf Termine à 70 Euro notwendig. VERKRAMPFT Der Begriff Krampfader stammt vom mitteldeutschen »Krummader«, weil sich die vergrößerten Gefäße unter der Haut entlangschlängeln. Der damit einhergehende Blutrückstau kann gesundheitliche Komplikationen mit sich bringen: Die größte Gefahr sind Blutgerinnsel, die sich lösen und zur Lungenembolie führen können. Rund 30 000 Deutsche sterben jährlich daran. Gefäßexperten bieten verschiedene Verfahren an, um Krampfadern zu entfer- Guter Rat | 7.2016 73 Gesund bleiben ¦ BEINE & FÜSSE GUT ZU FUSS Erste Hilfe bei Problemen WUNDERWERK Tag für Tag lastet das gesamte Körpergewicht auf den Füßen. 28 Knochen, 33 Gelenke, 28 Muskeln und 214 Bänder sind nötig für dieses Wunderwerk der Statik. Jeder Fußteil hat sein Spezialgebiet: Die Ferse stabilisiert, der Mittelfuß sorgt für Beweglichkeit. Mit dem Vorfuß rollen wir ab, und die Sohle dämpft das Gewicht. FOTOS: THINKSTOCK (3), JUMP (2), ISTOCKPHOTO SCHLAPP Frauen leiden häufiger an verformten Füßen. Ihr Bindegewebe ist schwächer, Schwangerschaft oder Wechseljahre führen zu erschlafften Bändern in den Fußgelenken. Und: Frauen muten ihren Füßen durch ungünstiges Schuhwerk extrem viel zu. Tipp: bei Hitze lieber flache Schuhe tragen, auf ein gutes Fußbett achten. DICKE SOHLE Hornhaut entsteht, wenn auf einer bestimmten Stelle des Fußes ständig Druck lastet. Das regt die Haut an, vermehrt neue Zellen zu bilden. Die dicke Schicht soll den Fuß schützen. Doch damit die Haut an dieser Stelle nicht einreißt, muss die Hornhaut entfernt werden. Am einfachsten lässt sie sich nach einem Fußbad mit Bimsstein oder Feile abrubbeln. Cremes mit Harnstoff machen die Haut weicher und verringern die Verhornung. SCHMERZHAFTE RISSE Unschöne und schmerzhafte Risse treten vor 74 Guter Rat | 7.2016 allem an Fußballen und Ferse auf. Diese Partien brauchen kontinuierliche Pflege mit harnstoffhaltigen Cremes. Fußbäder mit Kamille wirken entzündungshemmend. Wer zu Rissen neigt, trägt besser keine »Schlappen« und läuft nicht ohne Socken. FEUCHTE FÜSSE Ein Fußbad mit schweißhemmenden Extrakten von Eichenrinde oder Zaubernuss verhindert schwitzige Füße. In hartnäckigen Fällen kann ein Arzt das Nervengift Botulinumtoxin unter die Haut spritzen und so die Schweißproduktion unterbinden. MÜFFELNDE FÜSSE Der unangenehme Geruch entsteht durch Bakterien auf der Fußhaut, die Schweiß zersetzen und stinkende Buttersäure produzieren. Regelmäßiges Waschen mit Seife ist deshalb die beste Voraussetzung, um das Müffeln zu vermeiden. Ätherische Öle von Salbei und Thymian im Fußbad sorgen zusätzlich für einen feinen Duft. Ab und zu ein Essig-Fußbad nehmen – beugt Pilzinfektionen und Geruchsattacken vor: eine Tasse Apfelessig auf einen Liter warmes Wasser, 20 Minuten. BLASEN Reibende Riemchen, locker sitzende Pantoletten und Clogs – das Schuhwerk des Sommers drückt und scheuert gern mal. Dazu fördern Wärme und Feuchtigkeit das Entstehen der flüs- sigkeitsgefüllten Dellen. Blasen sind harmlos und heilen innerhalb von einer Woche ab. Spezialpflaster können den Heilungsprozess beschleunigen. Nicht aufstechen – Infektionen drohen! SCHIEF-ZEH Hier tanzt der große Zeh aus der Reihe und dreht sich zum Fußaußenrand. Viele empfinden den Hallux valgus, wie ihn die Experten auch nennen, als kosmetisches Problem, das in den Sommermonaten durch die offenen Schuhe besonders deutlich wird. Therapien reichen von Fuß- und Zehengymnastik über Schienen bis zur operativen Korrektur. nen: per Skalpell, Laser oder durch Verödung. Als Goldstandard gilt das seit hundert Jahren bekannte Venenstripping. Dafür bindet der Arzt die Zuflüsse zur erschlafften Vene ab und entfernt sie über mehrere Minischnitte. Bei der Laserbehandlung legt der Arzt unter Ultraschallkontrolle eine Glasfaser in die zu behandelnde Vene ein, die durch Laserlicht erwärmt wird. Folge: Die Venenwände verkleben. Für die Sklerosierung oder Verödung wird ein reizender Wirkstoff, etwa die Alkohollösung Aethoxysklerol, als Flüssigkeit oder Schaum in das erweiterte Gefäß injiziert. Das Mittel schädigt die Gefäßwand, der Körper verschließt das Gefäß und baut es nach einer Weile einfach ab. NICHT IMMER ERFOLGREICH Eine Studie aus dem Jahr 2014, die im angesehenen amerikanischen Ärzteblatt veröffentlicht wurde, hat die drei Methoden verglichen – und fand gewaltige Unterschiede. Die Verödung verschloss Gefäße mit 43 Prozent nur halb so oft wie die anderen beiden Verfahren und zog öfter Nachbehandlungen nach sich. Bei sieben Prozent der Patienten traten Komplikationen auf wie Gefäßentzündungen, eine verstärkte Pigmentierung oder allergische Reaktionen. Auch beim Stripping war die Komplikationsrate mit sechs Prozent im Vergleich zur Lasertherapie erhöht. Die Studie habe gezeigt, so das Fazit von Julie Brittenden, Gefäßchirurgin an der schottischen Universität Aberdeen und Erstautorin der Studie, dass die Laserbehandlung die zu bevorzugende Methode ist. Auch Venenspezialist Siegers gibt den sogenannten endoluminalen Verfahren den Vorzug. Dazu gehört neben der Laser- Bequem Füße würden Flip-Flops kaufen: Die elastische Sohle fördert das Abrollen, die Haut kann atmen und schwitzt nicht auch die Radiowellentherapie, die ebenfalls mit Wärme die Venen von innen verklebt: »Der Eingriff erfolgt ambulant und in örtlicher Betäubung, er ist weniger traumatisch, und die Patienten sind schneller wieder fit, da wir die Vene nicht wie beim Stripping durch das ganze Bein ziehen müssen«, erklärt der Experte. Während die Patienten nach der OP etwa eine Woche Kompressionsstrümpfe tragen müssen und krankgeschrieben sind, schickt Siegers seine endoluminal behandelten Patienten schon nach zwei bis drei Tagen wieder zur Arbeit. Mittlerweile übernehmen auch viele gesetzliche Kassen die neuen Verfahren. Kälte macht schlappe Venen fit Damit die Venen erst gar nicht schlapp machen, helfen simple Lifestyle-Maßnahmen. Ganz wichtig: in Bewegung bleiben und so viel wie möglich zu Fuß gehen. Ausdauersport wie Walken oder Schwimmen (3 x 30 Minuten pro Woche) verbessert die Durchblutung, strafft das Bindegewebe. Wechselduschen (warm von den Füßen aufwärts beginnen, kalt beenden) oder Kaltwassertreten machen Venen, Blutgefäße und das Immunsystem fit. Vorsicht bei Bürstenmassagen: Die energische Kreisbewegung scheint die Bildung von Besenreisern sogar zu beschleunigen. Die Ursache ist unklar. Täglich 10 bis 15 Minuten für Venengymnastik einplanen (Übungen unter www.venenliga.de). Beine so oft wie möglich hochlegen. Pflanzenextrakte wie Rosskastanie, rotes Weinlaub oder Mäusedorn (in Apotheken) lassen Beine und Füße abschwellen. REISEN Lange Flug-, Bus- und Autoreisen belasten die Gefäße besonders stark. Der Blutfluss verschlechtert sich durchs stundenlange Sitzen mit angewinkelten Beinen. Riskant wird es ab sechs Stunden Bewegungslosigkeit – einschließlich Anreise zum Flieger und Warterei vor Ort. Die folgenden Übungen verhindern, dass das Blut auf langen Flügen oder Fahrten in den Beinen stockt: beide Füße abwechselnd in den Zehen- und Fersenstand bringen, zwischen schnell und langsam wechseln, Zehen auf und ab wippen, Füße kreisen. Beine gelegentlich ausstrecken und auf keinen Fall übereinanderschlagen. Constanze Löffler Übungen Starke Muskeln, sicherer Gang 1 2 KOORDINATION KRÄFTIGEN Unsere Zehen sind zu Höchstleistungen in der Lage. Fordern Sie sie heraus, indem Sie Gegenstände, beispielsweise ein Tuch oder ein Schlüsselbund, mit den Zehen aufheben oder eine Zeitungsseite umblättern. Wenn ein Partner mitmacht, können Sie versuchen, die Gegenstände mit den Füßen weiterzureichen. Stellen Sie sich auf die Zehenspitzen, bleiben Sie einen Moment so stehen, dann lassen Sie sich langsam wieder in den normalen Stand zurücksinken. Davon bekommen Sie nicht nur schöne, vorzeigbare Waden für Ihren Sommerrock, Sie trainieren auch die Sehnen und Muskeln Ihrer Füße. 3 4 ENTSPANNEN GESCHICKLICHKEIT Rollen Sie einen mandarinengroßen Igelball unter der Fußsohle vor und zurück. Vergessen Sie dabei nicht, die Innen- und Außenkanten Ihrer Füße zu massieren. Die Übung funktioniert genauso gut unterm Schreibtisch. Sie können auch beide Füße auf ein Kirschkernkissen stellen und auf und ab rollen. Für kräftige Fußmuskeln stellen Sie sich barfuß in den Einbeinstand. Mit dem anderen Bein zeichnen Sie Kreise in der Luft. Verharren Sie 30 Sekunden in dieser Position, danach wechseln Sie das Standbein. Mit diesem Balanceakt verbessern Sie Ihre Körperstabilität, das Gleichgewicht und die Koordination. [email protected] Guter Rat | 7.2016 75
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