Thüringer Neutralitätsgesetz

Thüringer Landtag
6. Wahlperiode
Gesetzentwurf
der Fraktion der AfD
Thüringer Neutralitätsgesetz
A. Problem und Regelungsbedürfnis
Durch die vermehrte Zuwanderung aus dem islamischen Raum erhöht
sich die religiöse Heterogenität der thüringischen Gesellschaft innerhalb einer kurzen Zeit. Dies bringt gesellschaftliche Konflikte mit sich.
Die Sicherstellung von Ordnung, Sicherheit und Frieden ist eine primäre Staatsaufgabe. Insbesondere in den Bereichen des Bildungs- und Erziehungswesens sowie der Polizei, des Justizvollzugs und der Rechtspflege hat der Staat, der öffentlich in persona seiner Bediensteten den
Bürgern gegenübertritt, seine Neutralität strikt zu wahren, um das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und somit die Akzeptanz des Rechtsstaats aufrechtzuerhalten. Dieses Vertrauen wird durch das Tragen von
sichtbaren weltanschaulichen und religiösen Symbolen sowie Kleidungsstücken gefährdet.
B. Lösung
Während der Dienstzeit dürfen Beamte, Angestellte sowie Auszubildende in den o. g. Bereichen keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole oder auffallenden, religiös oder weltanschaulich geprägte
Kleidungsstücke tragen. Die Lösung hebt auf die öffentliche Sichtbarkeit
der Symbole oder Kleidungsstücke ab, um eine Neutralität im öffentlichen
Raum sicherzustellen. Durch eine einheitliche Regelung für alle Weltanschauungen und Religionsgemeinschaften wird dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Abs. 3) sowie der Verfassung des Freistaats Thüringen (Artikel 2 Abs. 3) entsprochen. Durch die
Beschränkung des Verbots auf Bildung und Erziehung, den Justizvollzug, die Rechtspflege sowie die Polizei - Bereiche, in denen (im ersten
Falle) ein striktes Befolgen der Nichtindoktrinierung von Kindern und Jugendlichen bzw. ein besonders striktes Befolgen der Neutralität bei der
Verfolgung und Ahndung von Straftaten und der Rechtsprechung angezeigt ist - wird das Gebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt.
C. Alternativen
1. Beibehaltung der derzeitigen Rechtslage. Dies würde eine Verschärfung der weltanschaulichen und interreligiösen Konflikte im öffentlichen Raum mit sich bringen und die Neutralität des Staates sowie,
daraus ableitbar, das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit gefährden.
Druck: Thüringer Landtag, 14. Juni 2016
2246
Drucksache 6/
08.06.2016
Drucksache 6/
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2. Ausweitung der vorgesehenen Regelung auf den gesamten öffentlichen Dienst des Freistaats Thüringen; dies würde nicht dem Gebot
der Verhältnismäßigkeit entsprechen.
D. Kosten
keine
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Drucksache 6/
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Thüringer Neutralitätsgesetz
Der Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§1
Beamte, die im Bereich des Justizvollzugs, bei der Rechtspflege oder der Polizei tätig sind, dürfen während der
Dienstzeit keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für den Betrachter eine Zugehörigkeit
zu einer bestimmten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft ausdrücken, sowie keine auffallenden religiös
oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen.
§2
Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem
Auftrag in Schulen in staatlicher Trägerschaft nach dem
Thüringer Schulgesetz sowie Beschäftigte in Kindertageseinrichtungen in staatlicher Trägerschaft nach dem Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetz dürfen während der
Dienstzeit keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für den Betrachter eine Zugehörigkeit
zu einer bestimmten Religions- und Weltanschauungsgemeinschaft ausdrücken, sowie keine auffallenden religiös
oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen.
Dies gilt nicht für die Erteilung von Religionsunterricht.
§3
Für Angestellte und Auszubildende der Landesverwaltung,
die in den von § 1 sowie § 2 erfassten Bereichen tätig sind,
gelten die §§ 1 und 2 entsprechend.
§4
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
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Begründung:
Zu § 1:
Der Justizvollzug, die Rechtspflege und die Polizei sind Bereiche staatlichen Handelns, in denen Bürger im besonderen Maße dem staatlichen
Einfluss unterworfen sind. Hierbei bestehen keine Ausweichmöglichkeiten, der Bürger hat also dem Staat, personifiziert durch Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes, gegenüberzustehen. Der staatlichen
Neutralitätspflicht kommt daher in einer religiös pluralen Gesellschaft
zwecks Konfliktvermeidung in den genannten Bereichen eine besondere Bedeutung zu, die das Einschränken der positiven Religionsfreiheit
der Beamten und Angestellten in Abwägung mit der negativen Religionsfreiheit der Bürger gerechtfertigt. Gerade im Gerichtssaal oder bei
der Polizei ist staatliche Neutralität wichtig, um das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat und folglich seine Akzeptanz zu erhalten. Beides kann durch sichtbare Symbole oder auffallende Kleidungsstücke,
die die Zugehörigkeit z.B. des Richters oder des Polizisten zu einer bestimmten Religion oder Weltanschauung zum Ausdruck bringen, gefährdet werden. Im Sinne der staatlichen Neutralität sind bereits heute die
im Bereich der Justiz und der Polizei Tätigen zum Tragen von Roben
bzw. Uniformen verpflichtet.
Durch das Beschränken der gesetzlichen Regelung auf den Justizvollzug, die Rechtspflege und die Polizei sowie auf Bildung und Erziehung
(§ 2) wird das Verhältnismäßigkeitsprinzip beachtet. Darüber hinaus sieht
die Regelung eine Gleichbehandlung der Symbole und Kleidungsstücke
aller Weltanschauungen und Religionen vor, womit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3 Abs. 3) und der Verfassung des Freistaats Thüringen (Artikel 2 Abs. 3) wie den "Kopftuch-Urteilen" des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats
vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - Rn. (1-138); BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 27. Januar 2015 - 1 BvR 471/10 - Rn.
(1-31)) entsprochen wird.
Zu § 2:
Durch das Bestehen der Schulpflicht ist die gleiche Situation gegeben,
wie in den Bereichen nach § 1. Auch hier sind die Bürger (Schüler) im
besonderen Maße - ohne Ausweichmöglichkeiten - dem staatlichen Einfluss unterworfen. Um das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu wahren, sind
Schulen in freier Trägerschaft (z. B. von den Religionsgemeinschaften
betriebene Schulen) explizit von der vorgeschlagenen Regelung ausgenommen. Im Sinne einer einheitlichen, praktikablen Regelung wird von
der Regelung auch der freiwillige Besuch der gymnasialen Oberstufe,
der Berufsschulen sowie der Schulen des Zweiten Bildungswegs - soweit in staatlicher Trägerschaft - erfasst.
Das Bildungs- und Erziehungswesen ist besonders sensibel, was religiöse oder politische Indoktrination angeht. Bereits im Kindesalter werden wichtige weltanschauliche Grundlagen gelegt, die Kinder und Jugendlichen sind in besonderem Maße dem Einfluss der Erzieherin bzw.
des Lehrers ausgesetzt, ohne (bis zu einem bestimmten Alter) darüber reflektieren oder diesen Einfluss kritisch hinterfragen zu können.
Es besteht daher bereits in Kindertageseinrichtungen in staatlicher Trägerschaft eine besondere Neutralitätspflicht des Staates. Daher ist die
Berücksichtigung solcher Kindertageseinrichtungen im Rahmen der gesetzlichen Regelung verhältnismäßig, ohne dass eine Kita-Pflicht (analog der Schulpflicht) bestehen müsste.
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Zu § 3:
Im Sinne der Einheitlichkeit werden Angestellte und Auszubildende in
den Bereichen nach § 1 und § 2 von der Regelung erfasst.
Zu § 4:
Regelt das Inkrafttreten
Für die Fraktion:
Möller
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