finden Sie die Unterlagen zum Seminar am 13.06.2016

Modul II
Einführung in das Betreuungsrecht.
Die Rolle der /des Betreuten, die Rolle der Betreuerin /des Betreuers.
Mit Fallbeispielen zu den Aufgabenfeldern der Betreuerin /des Betreuers.
Durch die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung verliert der Betreute keinerlei Rechte. Im Gegensatz zur
früheren Vormundschaft (bis 1992), die das Mündel entmündigte, behält der Betreute im Betreuungsrecht
sämtliche Rechte. Eine Entmündigung gibt es nicht mehr. Das macht oftmals die Sache insbesondere für
den Betreuer nicht leicht. Der Betreute kann jederzeit seine Angelegenheiten selbst regeln und das auch
gegen den Willen des Betreuers während der Betreuer keinesfalls Dinge gegen den Willen des Betreuten
regeln kann. Der so genannte Einwilligungsvorbehalt den das Gericht aussprechen kann, besagt nur, dass
der Betreute zum Wirksam werden eines Geschäftes der Zustimmung seines Betreuers bedarf. Verweigert
der Betreuer diese Zustimmung bleibt das Geschäft schwebend unwirksam. Ein solcher Einwilligungsvorbehalt wird von den meisten Gerichten nur selten ausgesprochen und nur dann, wenn die konkrete Gefahr
besteht das sich der Betreute ansonsten erheblichen Schaden zufügt.
Die Rolle des Betreuten ist leicht zu beschreiben. Ein Bürger mit sämtlichen Rechten und Pflichten, dem
aufgrund einer psychischen, seelischen oder geistigen Erkrankung/Behinderung ein rechtlicher Betreuer für
die Aufgaben zur Seite gestellt wird, die er nicht selber regeln kann.
Die Rolle des Betreuers dagegen ist zunächst unklar. Sie schwankt zwischen der Verantwortung für alles
und jedes was den Betreuten betrifft – so wird es oft von den Mitmenschen gesehen – und der genau beschriebenen Aufgabe im Betreuerausweis. Von Dritten hört der rechtliche Betreuer oft den Satz: „Ja, aber sie
sind doch der Betreuer“ und damit wird erwartet „Sie müssen das doch regeln – egal was.“ Regeln darf der
Betreuer nur Angelegenheiten die ihm vom Gericht zugewiesen wurden und das auch nur in Absprache und
im Einverständnis mit dem Betreuten. Regelt der Betreuer Angelegenheiten die nicht zu seinen Aufgabenkreisen gehören, macht er sich unter Umständen strafbar bzw. kann der Betreute ihn in Regress nahmen.
Stellt der Betreuer fest das es Angelegenheiten zu regeln gibt, die der Betreute nicht regeln kann und die
nicht zu den Aufgabenkreisen des Betreuers gehören hat der Betreuer das Gericht zu informieren und anzuregen die Betreuung ggfls. zu erweitern.
Aufgabenkreise einer Betreuung
Für alle Bereiche des Betreuungsrechtes gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit. Dieser bezieht sich nicht nur
auf das Ob einer Betreuerbestellung, sondern auch auf den Umfang der Betreuung. Die Betreuung darf daher nur für diejenigen Aufgaben bzw. Aufgabenkreise vom Betreuungsgericht angeordnet werden, in denen
der Betroffene betreuungsbedürftig ist, d.h. nur für solche Aufgaben, die tatsächlich anfallen und die der
Betroffene nicht ohne gesetzlichen Vertreter ausüben kann. Aus den Aufgabenkreisen ergeben sich die konkreten Betreuerpflichten. Sie werden in den Betreuerausweis aufgenommen.
Aus dem streng zu beachtenden Erforderlichkeitsgrundsatz, der Verfassungsrang besitzt folgt, dass der
Betreuer nur in dem unbedingt notwendigen Umfang bestellt werden darf. Dies zwingt den Richter dazu, die
Aufgabenkreise so konkret wie möglich anzugeben, den Handlungsbedarf für jeden einzelnen Aufgabenkreis
darzulegen und zu prüfen, ob nicht weniger einschneidende Maßnahmen in Betracht kommen. Bei der Benennung des von ihm als erforderlichen Aufgabenkreises ist der Richter frei, die jeweilige Fallgestaltung
kann auch ausgefallene Bezeichnungen rechtfertigen, z.B. Entrümpelung der Wohnung des Betroffenen
oder Regelung von Besuchen der Ehefrau des in einem Heim lebenden Betreuten.
Die konkreten Pflichten des Betreuers ergeben aus den gerichtlich übertragenen Aufgabenkreisen, die nicht
gesetzlich formuliert wurden und von jedem Gericht – jedenfalls in Nuancen – anders formuliert und bisweilen auch verstanden werden. Kurz gesagt, ein Betreuer muss - anders als ein stets allzuständiger Vormund
früheren Rechtes – nicht alles tun und darf es auch nicht. Neben der Rechtsprechung zur Haftung des Betreuers wegen des Unterlassens notwendiger Tätigkeiten gibt es auch solche, die ausdrücklich Rechtshandlungen des Betreuers als nicht vom Aufgabenkreis umfasst beanstandet .
Katholischer Verein für soziale Dienste e.V. Pastoratstraße 20, 57606 Menden, Tel.: 02373-92870
Wichtige Aufgabenkreise sind:

Gesundheitssorge. Hier ist stets zu überprüfen, ob
der Aufgabenkreis eingeschränkt werden kann, z.B.
auf die nervenärztliche Behandlung oder auf die Entscheidung über eine bestimmte medizinische Maßnahme.

Aufenthaltsbestimmung. Sie erfasst auch die Entscheidung über eine Unterbringungsmaßnahme im
Sinne von § 70 Abs. 1 FGG, nicht jedoch ohne weiteres die Vertretung des Betroffenen bei der Beantragung eines neuen Passes oder Personalausweises.


Vermögenssorge. Sie umfasst alle Entscheidungen,
die mit dem Vermögen des Betreuten in Zusammenhang stehen. Dieser Aufgabenkreis kann auch zur
Verhinderung einer (weiteren) Verschuldung des Betroffenen, zur Rückführung seiner Schulden oder der
Regulierung seiner Schulden erforderlich sein. In vielen Fällen ist aber die Einengung dieses Aufgabenkreises angezeigt, etwa auf die Geltendmachung von Renten- und/oder Sozialhilfe- oder Versicherungsleistungen oder den Abschluss eines bestimmten Vertrages.
Wohnungsangelegenheiten. Dieser Aufgabenkreis
sollte immer gesondert ausgewiesen werden, wenn
Entscheidungen im Zusammenhang mit der Wohnung
des Betroffenen erforderlich sind, die dieser selbst
nicht mehr treffen kann.
§ 1896 BGB
Voraussetzungen
(1) Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen
oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen, so
bestellt das Betreuungsgericht auf seinen Antrag
oder von Amts wegen für ihn einen Betreuer. Den
Antrag kann auch ein Geschäftsunfähiger stellen.
Soweit der Volljährige auf Grund einer körperlichen Behinderung seine Angelegenheiten nicht
besorgen kann, darf der Betreuer nur auf Antrag
des Volljährigen bestellt werden, es sei denn,
dass dieser seinen Willen nicht kundtun kann.
(1a) Gegen den freien Willen des Volljährigen darf
ein Betreuer nicht bestellt werden.
(2) Ein Betreuer darf nur für Aufgabenkreise
bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit
die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen
Bevollmächtigten, der nicht zu den in § 1897 Abs.
3 bezeichneten Personen gehört, oder durch
andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen
Betreuer besorgt werden können.
(3) Als Aufgabenkreis kann auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber
seinem Bevollmächtigten bestimmt werden.
(4) Die Entscheidung über den Fernmeldeverkehr
des Betreuten und über die Entgegennahme, das
Öffnen und das Anhalten seiner Post werden vom
Aufgabenkreis des Betreuers nur dann erfasst,
wenn das Gericht dies ausdrücklich angeordnet
hat.

Vertretung des Betroffenen in gerichtlichen Verfahren, die die Vertretung durch einen gesetzlichen, nicht
lediglich durch einen gewillkürten Vertreter erfordern.

Vertretung gegenüber Behörden, wozu auch die Unterstützung bei der notwendigen Beschaffung
eines Ausweisdokuments gehört

Entscheidung über den Fernmeldeverkehr des Betroffenen und über die Entgegennahme und
das Öffnen und Anhalten seiner Post. Sie setzt eine ausdrückliche richterliche Bestimmung voraus
(§ 1896 Abs. 4 BGB), auch wenn dem Betreuer "alle Angelegenheiten" übertragen sind. Auch ein
Betreuer, dem der Aufgabenkreis "Bank- und Sparkassenangelegenheiten" übertragen wurde, darf
die an den Betroffenen gerichteten Schreiben der Kreditinstitute nicht öffnen, wenn ihm nicht gesondert der Aufgabenkreis bezüglich des Postverkehrs übertragen wurde. Die Übertragung dieses Aufgabenkreises ist nur zulässig, wenn der Betreuer sonst seine Aufgabe zum Wohl des Betreuten nicht
erfüllen kann.

Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten. Dieser in §
1896 Abs. 3 BGB ausdrücklich zugelassene Aufgabenkreis darf dem Betreuer nur übertragen werden, wenn konkreter Handlungsbedarf besteht und wenn Umfang oder Schwierigkeit der zu besorgenden Geschäfte eine Überwachung angezeigt erscheinen lassen. Keine Voraussetzung für die
Übertragung dieses Aufgabenkreises ist, dass Bedenken gegen die Redlichkeit oder Fähigkeit des
Bevollmächtigten bestehen. Bei erheblichen Zweifeln an der Redlichkeit des Bevollmächtigten kann
ein Vollbetreuer bestellt werden, wenn die Bestellung eines Vollmachtsüberwachungsbetreuers nicht
ausreicht, um eine hierdurch bedingte Vermögensgefährdung ausreichend abzuwenden.
Die Betreuung erstreckt sich nur auf die Angelegenheiten, deren Erledigung das Gericht dem Betreuer überträgt (Aufgabenkreise). Das wiederum darf aufgrund des Erforderlichkeitsgrundsatzes nur für solche Angelegenheiten geschehen, die tatsächlich im Leben des Betreuten vorkommen und die der Betroffene nicht
selbst regeln kann („Erforderlichkeitsgrundsatz“ des § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB).
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Ein so genannter Querulant darf nicht ohne eingehende Prüfung unter eine so genannte Totalbetreuung gestellt werden.
Es kann verhältnismäßig sein, einen Betreuer für die Aufgabenkreise "Gerichtliche Auseinandersetzungen" oder "Erledigung von Behördenangelegenheiten" zu bestellen, wenn diese
Bereiche unkontrolliertes Handeln des Betroffenen auslösen.
Zunächst war für den Betroffenen eine Totalbetreuung angeordnet worden, nachdem ein Gutachter konstatiert hatte, er
leide unter der "wahnartigen, unkorrigierbaren Überzeugung, in
böswilliger Weise fortgesetzt Benachteiligungen durch Behörden und Gerichte zu erleiden". Der Betroffene setzte sich gegen diese Zwangsbetreuung zur Wehr und hatte in dem noch
nicht endgültig entschiedenen Verfahren Erfolg.
Ausschlaggebend ist hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Angesichts des schwerwiegenden Rechtseingriffs, den
eine Zwangsbetreuung darstellt, ist diese nur ultima ratio. Da
der Betroffene seine übrigen Angelegenheiten noch eigenverantwortlich erledigen kann, sei eine Totalbetreuung für ihn
mindestens fragwürdig.
§ 1899 BGB
Mehrere Betreuer
(1) Das Betreuungsgericht kann mehrere Betreuer
bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. In
diesem Falle bestimmt es, welcher Betreuer mit
welchem Aufgabenkreis betraut wird. Mehrere
Betreuer, die eine Vergütung erhalten, werden
außer in den in den Absätzen 2 und 4 sowie §
1908i Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1792
geregelten Fällen nicht bestellt.
(2) Für die Entscheidung über die Einwilligung in
eine Sterilisation des Betreuten ist stets ein besonderer Betreuer zu bestellen.
(3) Soweit mehrere Betreuer mit demselben
Aufgabenkreis betraut werden, können sie die
Angelegenheiten des Betreuten nur gemeinsam
besorgen, es sei denn, dass das Gericht etwas
anderes bestimmt hat oder mit dem Aufschub
Gefahr verbunden ist.
(4) Das Gericht kann mehrere Betreuer auch in
Es ergibt sich zwar aus dem Gesetz, dass es grundsätzlich
der Weise bestellen, dass der eine die Angelezulässig ist, dem Betreuer „alle Angelegenheiten” des Betreugenheiten des Betreuten nur zu besorgen hat,
ten zu übertragen. Praktisch kommt das aber nur in Frage,
soweit der andere verhindert ist.
wenn ohne jeden Zweifel feststeht, dass der Betreute keine
einzige seiner Angelegenheiten selbst sinnvoll regeln kann.
Bezüglich sämtlicher Bereiche der konkreten Lebenssituation
des Betroffenen muss Handlungsbedarf bestehen. Eine Erweiterung des Aufgabenkreises des Betreuers auf alle Angelegenheiten ist deshalb nur zulässig, wenn der Betroffene nicht in der Lage ist, auch nur einen Teilbereich seines Lebens zu bewältigen.
Andernfalls muss sich das Gericht um eine sinnvolle Abgrenzung bemühen. Selbst wenn dem Betreuer alle
Angelegenheiten des Betreuten übertragen sind, umfasst das die in § 1896 Abs. 4 BGB genannten Aufgabenkreise (Postkontrolle) nur, wenn sie ausdrücklich zusätzlich genannt sind. Außerdem ist der Betreuer für
„alle Angelegenheiten“ nicht befugt, in die Sterilisation des Betreuten einzuwilligen, weil hierfür immer ein
besonderer Betreuer bestellt werden muss (§ 1899 Abs. 2 BGB).
Der Aufgabenkreis "alle Angelegenheiten" führt außerdem zum Verlust des Wahlrechtes.
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